Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5306, Bl. 1-19
Minister Erich Mielke und der stellvertretende Chef des KGB, Wladimir Krjutschkow sprachen über Fragen der atomaren Nachrüstung in Europa. Außerdem geht es um den Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs an der sowjetischen Pazifikküste zwei Wochen zuvor.
MItarbeiter der Stasi tauschten sich regelmäßig mit dem "Bruderorgan" KGB aus. Besonders auf höchster Ebene hielt man sich gegenseitig in persönlichen Gesprächen auf dem Laufenden. Das vorliegende Dokument ist die Notiz eines solchen Gesprächs zwischen dem Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke und dem stellvertretenden KGB-Vorsitzenden, Wladimir Krjutschkow, in Berlin. Neben Mielke, Krjutschkow und zwei Dolmetschern nahmen an dem Gespräch der Leiter der Vertretung des KGB in der DDR, Wassilij Schumilow teil sowie von Seiten des MfS als Vertreter der HV A Werner Großmann und der Leiter der Abteilung X, Willi Damm.
Das Gespräch fand in einer besonders heißen Phase des Kalten Krieges statt. Anfang der 80er Jahre waren die beiden Supermächte in ein neues atomares Wettrüsten eingetreten. Die Sowjetunion hatte in Ost- und Mitteleuropa ihre atomaren Mittelstreckenraketen mit dem neueren Typ RSD-10 (NATO-Bezeichnung SS-20 "Saber") modernisiert. Nach gescheiterten Abrüstungsverhandlungen hatten die USA und die NATO mit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss nachgezogen und Mittelstreckenatomraketen vom Typ Pershing II in Westeuropa aufgestellt.
Am 1. September, zwei Wochen vor dem Gespräch, hatten zudem sowjetische Abfangjäger über der sowjetischen Insel Sachalin ein südkoreanisches Passagierflugzeug vom Typ Boeing 747 abgefangen und abgeschossen. Die sowjetische Luftverteidigung hatte das Flugzeug irrtümlich als US-amerikanischen Militäraufklärer vom Typ RC-153 identifiziert, und die Piloten der Passagiermaschine hatten nach sowjetischer Darstellung auf Aufforderungen zum Verlassen des Luftraums sowie auf Warnschüsse nicht reagiert.
Krjutschkow berichtete Mielke zunächst von diesem "Flugzeugzwischenfall" und der Haltung Moskaus dazu. Mielke kritisierte die Reaktion der Sowjetunion als zu wenig offensiv. Das habe es dem "Gegner" erlaubt, den Vorfall zu seinem Vorteil zu nutzen. Danach ging es um Rüstungsfragen, vor allem um die Entwicklung in der BRD, wo sich führende Politiker für eine Aufstellung der Atomraketen auch auf westdeutschem Boden ausgesprochen hatten. Hier interessierte die sowjetische Seite vor allemauch, wie die politische Elite der BRD zu möglichen erneuten Abrüstungsverhandlungen stehen würde.
Weiterhin ging es in dem Gespräch um die KSZE-Folgekonferenz von Madrid, die am 9. September 1983 abgeschlossen worden war. Krjutschkow und Mielke unterhielten sich dabei unter anderem über die sogenannten Körbe des KSZE-Prozesses. Im ersten Korb wurden Fragen der Abrüstung geregelt, im zweiten die Absicht zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im dritten die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. In den Folgekonferenzen wurden die in Helsinki getroffenen Vereinbarungen weiterverhandelt und konkretisiert. Besonders die Verhandlungen zur Abrüstung gewannen 1983 vor dem Hintergrund der Stationierung der Mittelstreckenraketen eine besondere Bedeutung. Mielke und Krjutschkow bewerteten die Ergebnisse von Madrid unterschiedlich. Kurz kam die Sprache auf die nächste, für 1984 in Stockholm geplante Konferenz über Sicherheits- und Vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE), die zum KSZE-Prozess gehörte und sich vor allem mit den Abrüstungsfragen beschäftigen sollte.
Anmerkung: Das MfS bezeichnete in seinen Unterlagen den Geheimdienst der Sowjetunion in der Regel als Komitee für Staatssicherheit (KfS), der deutschen Übersetzung der Abkürzung KGB.
Notiz über die Gespräche des Genossen Minister mit dem Stellvertreter des Vorsitzenden des KfS, Genossen W. A. Krjutschkow, am 19.9.1983 in Berlin
Teilnehmer:
von Seiten des KfS:
Generalleutnant Schumilow
Hauptmann Rjabinnikow (Dolmetscher)
von Seiten des MfS:
Generalmajor Großmann
Generalmajor Damm
Oberstleutnant Salevsky (Dolmetscher)
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1956 entstanden. Aufgaben: Förderung und Weiterentwicklung der internationalen Beziehungen des MfS, insbesondere der Zusammenarbeit mit den "Bruderorganen" sozialistischer Länder und der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen befreundeter Staaten sowie Übersetzerdienst für die Diensteinheiten des MfS.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Werber hatten planmäßig Kandidaten für die inoffizielle Arbeit im Operationsgebiet zu kontaktieren und zu rekrutieren. Seit 1984 wurde zwischen zwei Typen von Werbern unterschieden: Werber I wurden für die Kontaktierung, Vorbereitung und Durchführung von Werbungen eingesetzt oder nahmen die "unmittelbare Bearbeitung" von Werbekandidaten vor. Werber II waren für die Hinweis- und Dossierarbeit zur Aufklärung von Personen, Sachverhalten und Objekten eingesetzt. 1988 gab es 275 bundesdeutsche Werber.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5306, Bl. 1-19
Minister Erich Mielke und der stellvertretende Chef des KGB, Wladimir Krjutschkow sprachen über Fragen der atomaren Nachrüstung in Europa. Außerdem geht es um den Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs an der sowjetischen Pazifikküste zwei Wochen zuvor.
MItarbeiter der Stasi tauschten sich regelmäßig mit dem "Bruderorgan" KGB aus. Besonders auf höchster Ebene hielt man sich gegenseitig in persönlichen Gesprächen auf dem Laufenden. Das vorliegende Dokument ist die Notiz eines solchen Gesprächs zwischen dem Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke und dem stellvertretenden KGB-Vorsitzenden, Wladimir Krjutschkow, in Berlin. Neben Mielke, Krjutschkow und zwei Dolmetschern nahmen an dem Gespräch der Leiter der Vertretung des KGB in der DDR, Wassilij Schumilow teil sowie von Seiten des MfS als Vertreter der HV A Werner Großmann und der Leiter der Abteilung X, Willi Damm.
Das Gespräch fand in einer besonders heißen Phase des Kalten Krieges statt. Anfang der 80er Jahre waren die beiden Supermächte in ein neues atomares Wettrüsten eingetreten. Die Sowjetunion hatte in Ost- und Mitteleuropa ihre atomaren Mittelstreckenraketen mit dem neueren Typ RSD-10 (NATO-Bezeichnung SS-20 "Saber") modernisiert. Nach gescheiterten Abrüstungsverhandlungen hatten die USA und die NATO mit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss nachgezogen und Mittelstreckenatomraketen vom Typ Pershing II in Westeuropa aufgestellt.
Am 1. September, zwei Wochen vor dem Gespräch, hatten zudem sowjetische Abfangjäger über der sowjetischen Insel Sachalin ein südkoreanisches Passagierflugzeug vom Typ Boeing 747 abgefangen und abgeschossen. Die sowjetische Luftverteidigung hatte das Flugzeug irrtümlich als US-amerikanischen Militäraufklärer vom Typ RC-153 identifiziert, und die Piloten der Passagiermaschine hatten nach sowjetischer Darstellung auf Aufforderungen zum Verlassen des Luftraums sowie auf Warnschüsse nicht reagiert.
Krjutschkow berichtete Mielke zunächst von diesem "Flugzeugzwischenfall" und der Haltung Moskaus dazu. Mielke kritisierte die Reaktion der Sowjetunion als zu wenig offensiv. Das habe es dem "Gegner" erlaubt, den Vorfall zu seinem Vorteil zu nutzen. Danach ging es um Rüstungsfragen, vor allem um die Entwicklung in der BRD, wo sich führende Politiker für eine Aufstellung der Atomraketen auch auf westdeutschem Boden ausgesprochen hatten. Hier interessierte die sowjetische Seite vor allemauch, wie die politische Elite der BRD zu möglichen erneuten Abrüstungsverhandlungen stehen würde.
Weiterhin ging es in dem Gespräch um die KSZE-Folgekonferenz von Madrid, die am 9. September 1983 abgeschlossen worden war. Krjutschkow und Mielke unterhielten sich dabei unter anderem über die sogenannten Körbe des KSZE-Prozesses. Im ersten Korb wurden Fragen der Abrüstung geregelt, im zweiten die Absicht zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im dritten die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. In den Folgekonferenzen wurden die in Helsinki getroffenen Vereinbarungen weiterverhandelt und konkretisiert. Besonders die Verhandlungen zur Abrüstung gewannen 1983 vor dem Hintergrund der Stationierung der Mittelstreckenraketen eine besondere Bedeutung. Mielke und Krjutschkow bewerteten die Ergebnisse von Madrid unterschiedlich. Kurz kam die Sprache auf die nächste, für 1984 in Stockholm geplante Konferenz über Sicherheits- und Vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE), die zum KSZE-Prozess gehörte und sich vor allem mit den Abrüstungsfragen beschäftigen sollte.
Anmerkung: Das MfS bezeichnete in seinen Unterlagen den Geheimdienst der Sowjetunion in der Regel als Komitee für Staatssicherheit (KfS), der deutschen Übersetzung der Abkürzung KGB.
Gen. Mielke: Begrüßung.
Sehr erfreut. Verständnis, daß es aufgrund der komplizierten Lage nicht immer so leicht ist, aus dem Lande wegzugehen.
Freuen uns, daß es trotzdem möglich war.
Grüße vom Gen. Wolf. Er wird am 1. 10. 1983 aus der UVR zurückkehren und nach Tabarz kommen. Dort kann man sich schon über einige Fragen unterhalten und im Laufe des Sonntag, am 2. 10. 83 nach Berlin zurückkehren.
Am 3. und 4. 10. ist dann noch Zeit, über einige Fragen und einige Wünsche für die Zusammenarbeit zu sprechen, die evtl. an Genossen J. W. Andropow herangetragen werden sollten.
Die Heimreise ist für den 5. 10. vorgesehen.
Bitte, einige Probleme der Lage einzuschätzen, so wie es in Moskau gesehen wird, vor allem
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1956 entstanden. Aufgaben: Förderung und Weiterentwicklung der internationalen Beziehungen des MfS, insbesondere der Zusammenarbeit mit den "Bruderorganen" sozialistischer Länder und der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen befreundeter Staaten sowie Übersetzerdienst für die Diensteinheiten des MfS.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5306, Bl. 1-19
Minister Erich Mielke und der stellvertretende Chef des KGB, Wladimir Krjutschkow sprachen über Fragen der atomaren Nachrüstung in Europa. Außerdem geht es um den Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs an der sowjetischen Pazifikküste zwei Wochen zuvor.
MItarbeiter der Stasi tauschten sich regelmäßig mit dem "Bruderorgan" KGB aus. Besonders auf höchster Ebene hielt man sich gegenseitig in persönlichen Gesprächen auf dem Laufenden. Das vorliegende Dokument ist die Notiz eines solchen Gesprächs zwischen dem Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke und dem stellvertretenden KGB-Vorsitzenden, Wladimir Krjutschkow, in Berlin. Neben Mielke, Krjutschkow und zwei Dolmetschern nahmen an dem Gespräch der Leiter der Vertretung des KGB in der DDR, Wassilij Schumilow teil sowie von Seiten des MfS als Vertreter der HV A Werner Großmann und der Leiter der Abteilung X, Willi Damm.
Das Gespräch fand in einer besonders heißen Phase des Kalten Krieges statt. Anfang der 80er Jahre waren die beiden Supermächte in ein neues atomares Wettrüsten eingetreten. Die Sowjetunion hatte in Ost- und Mitteleuropa ihre atomaren Mittelstreckenraketen mit dem neueren Typ RSD-10 (NATO-Bezeichnung SS-20 "Saber") modernisiert. Nach gescheiterten Abrüstungsverhandlungen hatten die USA und die NATO mit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss nachgezogen und Mittelstreckenatomraketen vom Typ Pershing II in Westeuropa aufgestellt.
Am 1. September, zwei Wochen vor dem Gespräch, hatten zudem sowjetische Abfangjäger über der sowjetischen Insel Sachalin ein südkoreanisches Passagierflugzeug vom Typ Boeing 747 abgefangen und abgeschossen. Die sowjetische Luftverteidigung hatte das Flugzeug irrtümlich als US-amerikanischen Militäraufklärer vom Typ RC-153 identifiziert, und die Piloten der Passagiermaschine hatten nach sowjetischer Darstellung auf Aufforderungen zum Verlassen des Luftraums sowie auf Warnschüsse nicht reagiert.
Krjutschkow berichtete Mielke zunächst von diesem "Flugzeugzwischenfall" und der Haltung Moskaus dazu. Mielke kritisierte die Reaktion der Sowjetunion als zu wenig offensiv. Das habe es dem "Gegner" erlaubt, den Vorfall zu seinem Vorteil zu nutzen. Danach ging es um Rüstungsfragen, vor allem um die Entwicklung in der BRD, wo sich führende Politiker für eine Aufstellung der Atomraketen auch auf westdeutschem Boden ausgesprochen hatten. Hier interessierte die sowjetische Seite vor allemauch, wie die politische Elite der BRD zu möglichen erneuten Abrüstungsverhandlungen stehen würde.
Weiterhin ging es in dem Gespräch um die KSZE-Folgekonferenz von Madrid, die am 9. September 1983 abgeschlossen worden war. Krjutschkow und Mielke unterhielten sich dabei unter anderem über die sogenannten Körbe des KSZE-Prozesses. Im ersten Korb wurden Fragen der Abrüstung geregelt, im zweiten die Absicht zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im dritten die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. In den Folgekonferenzen wurden die in Helsinki getroffenen Vereinbarungen weiterverhandelt und konkretisiert. Besonders die Verhandlungen zur Abrüstung gewannen 1983 vor dem Hintergrund der Stationierung der Mittelstreckenraketen eine besondere Bedeutung. Mielke und Krjutschkow bewerteten die Ergebnisse von Madrid unterschiedlich. Kurz kam die Sprache auf die nächste, für 1984 in Stockholm geplante Konferenz über Sicherheits- und Vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE), die zum KSZE-Prozess gehörte und sich vor allem mit den Abrüstungsfragen beschäftigen sollte.
Anmerkung: Das MfS bezeichnete in seinen Unterlagen den Geheimdienst der Sowjetunion in der Regel als Komitee für Staatssicherheit (KfS), der deutschen Übersetzung der Abkürzung KGB.
Selbst Kreise der westdeutschen Bourgeoisie sprechen davon, daß auch nach dem Aufrüsten weiter verhandelt werden kann. Es gibt die verschiedensten Äußerungen (Vogel - SPD, Weizäcker - CDU, selbst Strauß - CSU).
Alle glauben, daß sich noch irgendetwas tun wird, selbst wenn die Raketen stationiert werden, wird man weiterverhandeln.
Selbst Strauß hat in seinen ersten zwei Wahlreden davon gesprochen, daß es einen atomaren Weltkrieg nicht geben darf. Die Welt geht sonst unter.
Man kann ihn einschätzen, wie man will, aber in bestimmter Hinsicht ist er Realist, der einschätzt, daß das Kräfteverhältnis so ist, daß es keinen Gewinner geben kann. Deshalb ist er noch kein Freund von uns geworden. Man muß dies sehr gründlich analysieren.
Ich möchte mit Ihnen auch in anderen Fragen noch unter 4 Augen sprechen.
Es gibt viele Stimmen, die glauben, daß es doch noch etwas gibt, auch wenn man stationiert.
Dazu kommen die ganzen Auswirkungen des Boykotts.
Es interessiert, wie die Lage wirklich eingeschätzt wird, zusätzlich zu dem, was auf Linie Politbüro bekannt ist.
Gen. Krjutschkow: Vielen Dank für die Begrüßung.
Ich danke für die Einladung, einen Teil meines Urlaubs hier in der DDR zu verbringen. Möchte mich dafür entschuldigen, daß ich am 10. 9. nicht kommen konnte. Aber es gibt eine Reihe von Umständen, die dazu führten. Das Wichtigste war der Flugzeugzwischenfall. Ein solches Flugzeug wird nicht jeden Monat abgeschossen.
Alle Genossen haben ihre Pläne, die ich dadurch in bestimmtem Maße verletzt habe. Deshalb sind manche Schwierigkeiten entstanden.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1956 entstanden. Aufgaben: Förderung und Weiterentwicklung der internationalen Beziehungen des MfS, insbesondere der Zusammenarbeit mit den "Bruderorganen" sozialistischer Länder und der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen befreundeter Staaten sowie Übersetzerdienst für die Diensteinheiten des MfS.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Notiz über die Besprechung zwischen Minister Mielke mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des KfS Dokument, 41 Seiten
Dienstbesprechung zwischen Mielke und den Chefs der Bezirksverwaltungen Dokument, 79 Seiten
Notizen aus der Politbürositzung zur Schürer-Mittag-Kontroverse Dokument, 29 Seiten
Offizielle Verabschiedung von Markus Wolf Audio, 1 Stunde, 23 Minuten, 45 Sekunden