Signatur: BStU, MfS, HA IX, Tb, Nr. 3264
Vom 18. bis 21. Dezember 1953 fand vor dem Obersten Gericht der DDR ein auch als "Gehlen-Prozess" bekannter Schauprozess wegen Spionage im Auftrag der Organisation Gehlen statt.
Ernst Melsheimer, von 1949 bis zu seinem Tod 1960 erster Generalstaatsanwalt der DDR, war berüchtigt für seine Auftritte bei Schauprozessen vor dem Obersten Gericht der DDR. Er attackierte die Angeklagten scharf und beantragte in zahlreichen Fällen die Todesstrafe.
Im ersten Teil seines Plädoyers resümierte er die Ergebnisse aus den Vernehmungen der einzelnen Angeklagten und aus den Zeugenaussagen und bediente dabei alle Register der gängigen SED-Propaganda: Die Bundesrepublik und die Bundesregierung, die westlichen Alliierten sowie deren Geheimdienste bezeichnete er als "Imperialisten", "Kriegstreiber" und "Faschisten".
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ich erteile nunmehr dem Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik das Wort zu seinen Ausführungen.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik, dieser Prozess, der sich seinem Ende nähert, ist ein Stück des weltweiten Friedenskampfs der Völker und aller gutwilligen Menschen gegen den Krieg und die Kriegshetzer.
Die Völker der Welt und insbesondere die friedliebenden Völker der westlichen imperialistischen Staaten haben durch ihren Kampf erzwungen, dass im Januar in Berlin die Außenministerkonferenz stattfindet. Sie haben es erzwungen und es gibt Manschen, die es vereiteln wollen. Und diese Menschen, das sind die Imperialisten, das sind die Kriegshetzer, das sind die, die am Krieg verdienen. Der amerikanische Journalist Walter Lippmann hat vor einigen Tagen geschrieben: "Wir werden ja nach Berlin gehen müssen. Die Frage ist bloß, wie kommen wir glücklich wieder raus?" Das ist die Haltung, mit der Menschen über die kommende Konferenz denken, die ihr einen Misserfolg aus tiefster Seele wünschen.
Bei uns in der Deutschen Demokratischen Republik sind Regierung und Volk einer Meinung, eines Willens, des Willens nach Frieden und die Erklärungen unserer Regierung vom 25. November und vom 16. Dezember, die der Amtierende Ministerpräsident Walter Ulbricht abgegeben hat, die beweisen, wie das Volk der Deutschen Demokratischen Republik und wie die Regierung unserer Republik denkt.
Und wir wissen, wie Adenauer denkt, wir wissen, Hohes Gericht, aus der Pressekonferenz, die am 15. Dezember stattgefunden hat und auf der Professor Norden sprach, wie weit wir erschreckender Weise schon wieder in Westdeutschland sind. Da wird munter remilitarisiert, bevor alle Staaten den EVG-Vertrag, diesen Kriegspakt, ratifiziert haben. Da besteht das Kriegsministerium Blank mit 910 hauptamtlichen Mitarbeitern. Da wird das Wehrpflichtgesetz ausgearbeitet. Da wird eine Armee geschaffen, die vorläufig 550.000 Menschen umfassen soll. Zurzeit werden 20.000 dieser Menschen in der amerikanischen Armee ausgebildet und 60.000 Industriepolizisten werden zu Kampfeinheiten zusammengeschlossen. Hitlers Generalstab ist in Bonn wieder an Leben, mit Heusinger an der Spitze. Die Armeekorps werden verteilt unter Hitlers Generale. Die Anfangskosten dieser Remilitarisierung werden auf 45 Milliarden Mark berechnet. Es entstehen ungezählte Kasernen. 20 neue Flugfeldanlagen werden geschaffen. 15.000 Hektar Land wird in Truppenübungsplätze ungestaltet. Das Volk wird mit militärischem Geist, dem Geist der Revanche, erfüllt. 528 Traditionsverbände des alten Hitler-Heers bestehen schon wieder mit tausenden von Untergliederungen. Die Namen Hitler, Göring, Wessel, Namen, die das schaffende Volk in der ganzen Welt nur mit Verachtung ausspricht, die sind dort die Namen, unter denen sich Traditionsverbände vereinigen.
Daneben existieren zur weiteren Durchdringung mit faschistischem, mit militaristischem Geist 3.000 Ortsgruppen des "Verbands Deutscher Soldaten", dieses Verbands, der eine "Deutsche Soldatenzeitung" herausgibt, für die Adenauer monatlich 20.000 Mark ausgibt. Dort entstehen Zeitschriften, darunter eine, "Der Frontsoldat erzählt", in der die Taten des Hitlerfaschismus in den okkupierten Ländern verherrlicht werden, Kriegsszenen geschildert werden, die Armee, die Armeen von Frankreich und Großbritannien schlecht gemacht, der deutsche Soldat aber in den Himmel gehoben wird. Dort schreiben heute Hitlers Generale Bücher, ihr eigenes Ruhmes- und Loblied, die auf den Markt geworfen werden. Dort wird die Zeitschrift "Der Stahlhelm", die Zeitschrift des wiedererstandenen alten "Stahlhelm" subventioniert, von Adenauer bezahlt. Es gibt heute mehr militaristische Zeitungen in Westdeutschland, als es zu Hitlers Zeiten gegeben hat.
Der Justizminister Neumeyer der Bonner Bundesregierung kündigt eine Amnestie für Kriegsverbrecher an. Das Ermächtigungsgesetz für die Bonner Bundesregierung, für Hitlers Nachfolger, für Adenauer, liegt bereits vor. Die Verfassungsänderung wird vorbereitet, um die Militarisierung zu ermöglichen und die schlechten Paragraphen zu streichen, die es dem deutschen Volk erlauben, sich gegen Militarismus und gegen Berufssoldatentum auszusprechen.
Adenauer hat nicht umsonst am 7. September nicht mehr von der Wiedervereinigung Deutschlands, sondern von der Befreiung der Ostzone gesprochen. Er will befreien, das heißt, er will einmarschieren. Er will Krieg mit der Deutschen Demokratischen Republik, mit Volkspolen, das er auch befreien will, mit der Sowjetunion.
Wer steht dahinter? Es ist für uns alle keine neue Erkenntnis, aber es muss immer wieder gesagt werden: Hinter Adenauer, hinter den Kriegstreibern, hinter den Hitlergeneralen steht der amerikanische Imperialismus. Ich erinnere den Hohen Senat an das Gesetz, das der USA-Kongress am 10. Oktober 1951 angenommen hat, das sogenannte Gesetz zur gegenseitigen Sicherheit, durch das 100 Millionen Dollar für Sabotage, Spionage und Terrorzwecke in den Volksdemokratien und in der Sowjetunion ausgegeben wurden. Und sie waren schnell verbraucht, diese 100 Millionen. Am 22. Juni 1952 erging ein neues Gesetz, durch das im laufenden Etatjahr zusätzliche Beträge in beliebiger Höhe für diesen Zweck verwandt werden durften. Und am 5. Mai 1953 gab es wiederum ein Gesetz für militärische Hilfe für das Ausland im kommenden Finanzjahr, so nennt es sich offiziell. Wiederum Millionen und Millionen und Millionen von Dollar zum Zwecke der Vorbereitung des neuen Kriegs, zum Zwecke der Stärkung der 5. Kolonne, zum Zwecke der Stärkung der Sabotage, der Spionage in den Ländern der Volksdemokratie, auch in der Deutschen Demokratischen Republik. Und am 13. Juni 1953 konnte "United Press" melden, dass in aller Stille neue Mittel zur Finanzierung der antikommunistischen Untergrundbewegung bereitgestellt worden seien.
Dieser Millionendollarsegen, Hohes Gericht, der ist es, von dem auch die Organisation Gehlen lebt. Diese Organisation, von der sieben Verbrecher hier auf der Anklagebank sitzen, ich sagte es im Laufe der Verhandlung schon einmal und möchte es wiederholen: Diese sieben Menschen ist eine kleine Zahl von den vielen, vielen Angehörigen der Organisation Gehlen, die bei der Zerschlagung dieser Organisation in der Deutschen Demokratischen Republik in unsere Hände gefallen sind.
Haase, der Angeklagte, hat mit Recht erklärt, dass der Spionage- und Abwehrdienst beim, der - äh - der Spionage- und Abwehrdienst Hitlers nicht aufgehört hat 1945 zu existieren, dass er von Anfang an weiter existiert hat und inzwischen, so sagte der Zeuge Höher, 1946 zu einer Organisation ausgebaut wurde, deren Ausbau im Jahre 1950 vollendet war.
Unmittelbar nach dem Abschluss des Potsdamer Abkommens, dieses Gesetzes, das für alle Staaten, die es unterzeichnet haben, Recht und Gesetz sein sollte, unmittelbar danach hat der amerikanische Imperialismus unter Bruch dieses Abkommens die Organisation Gehlen aufgebaut. Gehlen, dieser alte General vom ehemaligen Generalstabs und des OKW Hitlers, dieser Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost, ist der Chef dieser Organisation, die sich gegenüber fast allen Agenten, mit Ausnahme derer, die von vornherein so stark in ihrem Sinne arbeiten, dass man ihnen die Wahrheit sagen kann, gegenüber fast allen Agenten als eine echte deutsche und nur deutsche Organisation bezeichnet. Man spekulierte mit dieser Bezeichnung bei einfachen Gemütern auf den Patriotismus. Das haben alle sieben gesagt, die hier sitzen. Selbst Haase hat das gesagt, obwohl es bei ihm wahrhaftig nicht nötig war, darauf zu spekulieren. Selbst der Angeklagte Rennert, dieser Soldatenbund-Mann, erklärt, dass er zwar durch die Lockung des Deutschen Soldatenbundes zur Organisation gestoßen sei, aber dass er wie alle anderen sehr schnell gemerkt hat, dass Amerika dahintersteht, dass der amerikanische Imperialismus seine Spionage bezahlt. Die Mitarbeiter dieser Organisation Gehlen, Menschen aus dem ehemaligen Hitler-Generalstab, Ia-Offiziere, Id-Offiziere, Abwehr-Mitarbeiter, Gestapo-Offiziere, vom Reichssicherheitshauptamt Offiziere ... Da sitzt der Erste Offizier Haase, der Bataillons- und Regimentskommandeur von Hitlers Gnaden und er erzählt uns, dass sein Untervertreter, das heißt also sein Vorgesetzter Brandner, Sturmbannführer der Waffen-SS und Ritterkreuzträger war, dass der Leiter der Bezirksvertretung Reckenstein höherer Abwehroffizier im OKW gewesen ist, dass eine Unzahl solcher Menschen, alles Mitglieder des ehemaligen, der ehemaligen hitlerischen Abwehr oder der hitlerischen SS-Organisation, Offiziere, dass eine Unzahl solcher Menschen sich im Dienste der Gehlenschen Organisation befinden, das hat uns der Zeuge Hoher geschildert. Man teilt die Stufen, in denen die Agenten tätig werden, richtig schon nach ihrem alten militärischen Rang ein. Da gibt es die V-Mann-Führer, das ist die erste bezahlte organisatorische Tätigkeit im Apparat, dass dies V-Mann-Führer gibt, die SS-Untersturmführer waren, und dass es SS-Offiziere gibt, die Filialleiter waren und dass es Generale gibt, wie diesen General Kleinkamp, der der Leiter der zentralen Kurierstelle in Berlin gewesen ist. Und Höher hat uns noch mehr gesagt. Er hat auf seiner Linie gesprochen, auf der Linie III, der Linie Abwehr unter der Leitung Benzingers, der der Generalvertreter III in Karlsruhe gewesen ist, gearbeitet. Dieser Bentzinger selbst, der schon vor dem Kriege ein deutscher Spion in Frankreich gewesen ist und während des Krieges Leiter einer Abwehrstelle in Paris war, der war sein Vorgesetzter. Nun, er hat uns die Namen von Offizieren erzählt, die ehemals Hitler-Abwehroffiziere waren und jetzt im Dienste der Linie III, im Dienste von Karlsruhe, des Generalvertreters Bentzinger stehen.
Es ist nicht möglich, all die Namen zu nennen, die Ränge zu nennen und die Tätigkeiten zu nennen, die all diese Menschen ausgeübt haben und eins ist bedeutsam, nämlich die Tatsache, dass man - ähm - dass man täglich wechselt mit den Institutionen und täglich auch wechselt mit den Menschen und dass wir täglich nach der Zerschlagung der Gehlenschen Organisation neue Menschen, dutzende von Adressen wie in dieser ADN-Meldung von vorgestern veröffentlichen können, aus denen hervorgeht, welchen Umfang die jetzt zerschlagene Organisation Gehlen gehabt hat.
Wir haben in diesem Saal eine Reihe von Prozessen geführt, in denen das amerikanische Geld, der amerikanische Imperialismus mit auf der Anklagebank saß, in denen klargemacht wurde, wie der Amerikaner lenkt und leitet. Wir haben hier in diesem Saale erlebt den Prozess gegen die Bluthunde, die Prozesse gegen die Banden Hoese und Metz, gegen das sogenannte "Freie Parlament", gegen Burianek, den Eisenbahnattentäter, gegen Kaiser, den Giftmischer, viele, viele Prozesse, in denen im Hintergrund das amerikanische Geld, der amerikanische Imperialismus stand. Aber es hat noch keinen Prozess gegeben, Hohes Gericht, der so sehr wie dieser Prozess beweist, dass dies, dass die Organisation Gehlen und ihre Tätigkeit das Werk der amerikanischen Imperialisten ist.
Die völlige Abhängigkeit vom Amerikaner, die völlige Lenkung durch den Amerikaner, die Kommandierung durch den Amerikaner und die Finanzierung durch den Amerikaner sind in diesem Prozess klar ans Tageslicht getreten. Das hat der Zeuge, der - äh - Angeklagte Haase uns gesagt, und ebenso können alle anderen Angeklagten nicht bestreiten, gewusst zu haben, dass im Hintergrund der Amerikaner steht. Wenn Haase für seine kleine Filiale monatlich allein 3.000 Westmark für Agenten ausgeben konnte, wieviel Millionensummen mögen in diese dunklen Kanäle geflossen sein, amerikanische Millionen, Millionen aus dem Millionendollargesetz.
Der Zeuge Höher, der heute hier vernommen worden ist, hat uns ein anschauliches Bild über die amerikanische Finanzierung gegeben: "Amerika: 99 Prozent, Adenauer: 1 Prozent". Das war seine Meinung über das Ausmaß der Beteiligung Adenauers an der Finanzierung: 99 Prozent Dollar. Er hat mit Recht dargelegt, wie wäre es im Jahre 1946 möglich gewesen, eine deutsche Organisation von solchem Ausmaß aufzubauen ohne Kenntnis, ja ohne Lenkung und Leitung und Finanzierung Amerikas, unmöglich, insbesondere in einem Zeitpunkt, in dem die ganzen Hitlergenerale und -offiziere noch unter Quarantäne standen, sozusagen. Sie, die amerikanischen Imperialisten haben die Organisation gegründet.
Ganz klar wird das, wenn man betrachtet, wie der Zeuge Höher schildert, als er bei Bentzinger in Karlsruhe war und ihm gesagt wurde, in den nächsten Tagen kommt der Amerikaner zu Etatbesprechungen. Es ist klar, wer den Etat besprach, wer ihn kommandierte. Aus alledem, der Fülle von Dokumenten, die dem Hohen Gericht vorgelegt worden ist, ergibt sich immer und immer wieder, wie der Amerikaner kommandierte, lenkte, finanzierte. Wir haben zahlreiche Dokumente, die mit den Worten anfangen: "Die befreundete Seite ...", "Die befreundete Seite wünscht ...", "Die befreundete Seite gibt bekannt ...", "Die befreundete Seite fordert ...", "Die befreundete Seite tadelt ...", sie lobt, die befreundete Seite: der Amerikaner.
Der Angeklagte Haase und der Zeuge - äh - Höher haben uns beide geschildert, wie man mit Airlift-Order oder Travel-Order in amerikanischen Militärmaschinen von Berlin nach Westdeutschland fliegt. Und wir sehen hier auf den Tisch die amerikanischen Funkgeräte, "made in USA", mit allem Zubehör. Selbst die Drahtschleuse, die Haase legen sollte vom demokratischen Sektor in die Westsektoren, in den amerikanischen Sektor, hier liegt sie, "made in USA". An amerikanischen Heereslandkarten wurden diese Spione geschult. An amerikanischen Kasernen im Grunewald wurden sie ausgebildet, wie man in Kasernen hineinschaut. Man hat sie nicht verhaftet. Man konnte sie ja nicht verhaften, selbst wenn man sie für Spione gehalten hätte und weggenommen hätte, sie wären ja sofort frei gewesen. Sie hatten ja ne Notnummer, jedenfalls die wichtigsten von ihnen.
Höher hat uns erklärt, dass es sogar Ausbildung solcher Menschen in USA gegeben hat, die unter dem Deckmantel von Studienreisen in Amerika im Geheimdienst geschult wurden. Höher hat uns geschildert, wie die Personalakten der wichtigsten Agenten unter amerikanischem Verschluss liegen. Und die Schutzmacht Amerika, die Schutzmacht des CIC wird sichtbar an der Notnummer, die jeden vor jedem Zugriff etwa deutscher Organe im amerikanischen Sektor von Groß-Berlin schützen sollte.
Höher hat uns auch gesagt, dass es Gästehäuser gibt in Westdeutschland, Gästehäuser, in denen schon etwas geschulte, vorgeschulte, gut geschulte Agenten noch besser geschult werden sollten. Und diese Gästehäuser sind keine anderen Häuser als die von der amerikanischen Armee beschlagnahmten Häuser in Westdeutschland, die nun Gästehäuser der Organisation Gehlen geworden sind.
Geyer, der stellvertretende Leiter der Filiale Paulberg, der heute hier ausgesagt hat, hat uns darüber hinaus gesagt, dass bei aller Geheimhaltung nicht im Programm stand, dass etwa der CIC oder die amerikanischen Stellen nicht das Recht der Kontrolle der einzelnen Anlagen auf ihre Sicherheit oder sogar der Privatwohnungen von Agenten auf die sichere Unterbringung des Spionagematerials gehabt hätten. Der Amerikaner besorgt die Personalausweise aus Westdeutschland, Originaldokumente, von denen eins, Originaldokumente, die in Westdeutschland täuschend nachgefälscht wurden. Und eins der Dokumente, die der Herr Vorsitzende heute verlesen hat, zeigt klar, dass die befreundete Seite in der Lage ist, Originalausweise wieder zu besorgen.
Die Organisation, der Aufbau dieser Gehlen-Organisation ist nur schwer zu durchblicken, wie er beispielsweise heute ist. Denn er kann heute schon wesentliche Änderungen aufweisen gegenüber dem, wie er gestern war. Und es ist ganz mit recht von dem Zeugen Höher gesagt worden, dass dieser Aufbau kein starres Schema ist, und dass das kein starres Schema ist. Das beweisen die letzten Feststellungen, die der Öffentlichkeit durch die ADN-Meldung vorgestern bekannt gemacht worden sind, diese Feststellungen, an deren Schluss es heißt: "Im Zusammenhang mit der Zerschlagung der Gehlen-Organisation wechselten eine Reihe von Dienststellen der Organisation Gehlens den Decknahmen, einige Dienststellen bereiten sich zur Überführung an einen anderen Ort vor". Und so ist es. Das, was uns Höher heute erzählt hat, erklärt hat, ist in einigen Punkten inzwischen schon überholt.
Er glaubte, es gäbe eine Hauptlinie III, eine Generalvertretung in der Hauptlinie III lediglich in Karlsruhe. Wir stellen fest, dass es außer Karlsruhe auch eine in Darmstadt gegeben hat.
Höher erklärte uns, wie die Generaldirektion aussah, wo die Spitzen mit Gehlen und den Amerikaners zusammensaßen, den Apparat lenkten und leiteten, erzählte uns von den Hauptlinien, die schon in der Zentrale vorhanden sind, die berühmte 1: Spionage, 2: Sabotage , 3: Abwehr, und wie beispielsweise bei der Spionage wieder gegliedert wurde in militärische, wirtschaftliche und politische Spionage. Alles wurde betrieben und wie die Militärspionage sich wieder gliedert in Heer, Luft, Marine, genau eingeteilt wie bei Hitler, wie bei Hitler.
Es gibt dann in Westdeutschland örtlich gebundene Generalvertretungen der verschiedenen Linien, der verschiedenen Hauptlinien. Und ich sagte schon, von der Hauptlinie I nahm Geyer an, gäbe es drei Generalvertretungen in Westdeutschland. Nach den neuesten Feststellungen sind es nicht drei, sondern es sind fünf Generalsvertretungen.
Diese neue Nachricht ist das Ergebnis neuer Ermittlungen und neuer Feststellungen bei all den verhafteten Agenten, die außer den Angeklagten festgenommen wurden und die ihnen auf die Anklagebank folgen werden. Wir nahmen bisher an, es gäbe 190 Angestellte bei Gehlen in der Zentrale. Der Stab der Organisation hat mehr als 400 Mitarbeiter, die unmittelbar zum Stab gehören. Und es ist neuerdings eine Sonderkommandierung von 40 amerikanischen Spezialisten für Spionagetätigkeit erfolgt, die diese Zentrale stärken und verbessern sollen.
Unter diesen Generalvertretungen stehen die Bezirksvertretungen und die Bezirksvertretungen, die uns der Zeuge Höher geschildert hat, sind auch schon überholt, denn es gibt inzwischen schon eine Reihe mehr Bezirksvertretungen, die der Öffentlichkeit bereits bekannt gemacht worden sind. Dass sich sämtliche Vertretungen, von der Zentrale angefangen bis hinunter zur Filiale, tarnten mit Namen mit Firmennamen und Firmenschildern, die zum Teil gar nicht vorhanden waren, die gar nicht im Handelsregister eingetragen waren. Aber alle tarnten mit Firmen, die ihre verbrecherische Tätigkeit verschleiern sollten. Es geht dann von der Bezirksvertretung über die Untervertretung zur Filiale. Die Untervertretung für Berlin, die vielen Untervertretungen für Berlin und auch die Bezirksvertretungen sitzen zur Zeit sämtlich außerhalb West-Berlins. In Berlin gibt es nur noch Filialen.
Die Filialen arbeiten mit ihren V-Mann-Führern, hauptamtlich angestellten Agenten, von denen jeder eine Anzahl von Spionen, von V-Männern, Vertrauensmännern, von Quellen - äh - Funkern, Kurieren unter sich hat. Und dieses System der Tipper, der Forscher, der Heranholer oder, wie Haase sie nennt, der Werber, der Kuriere und der Quellen der verschiedensten Art, der P- und Ü- und R- und IIIer-Quellen, der Penetrierungsquellen, der Überwachungsquellen, der Reisequellen, der IIIer- Quellen, die sich auf die Volkspolizei und KVP beziehen und die S-Quellen, die sich auf die Sowjetunion und die Völker der Volksdemokratien beziehen. Und dann gibt es die Funker und dann gibt es den, der anspricht.
Die Ansprache, so sagt Geyer, ist der Gipfel in der Anwerbung des Agenten. Denn den Menschen anzusprechen, das heißt, sich ihm zu offenbaren als das, was man ist, nämlich eine Spionagestelle, das ist der schwierigste Punkt. Und deshalb sind die Tipper und Forscher verpflichtet, alles anzugeben und zu erforschen, was die Person angeht, ihre Verhältnisse angeht, was den Menschen und seine Gewohnheiten angeht, der getippt wurde und der geforscht wurde und der jetzt angesprochen werden sollte. Es gab keine Ansprache bevor nicht die Zentrale sie genehmigt hatte. Das heißt, der Name des zu Werbenden musste erst zur Zentrale und dort wurde in der zentralen Kartei festgestellt, ob der Mensch nicht vielleicht schon für eine andere Organisation spioniert, ob er ansprechbar ist im Sinne der Spionageorganisation und erst wann das zurückkam mit dem Wort "neutral", dann wurde angesprochen.
Wir haben hier die verschiedensten Beispiele auf der Anklagebank sitzen mit welchen Methoden angesprochen wurde. Wir sehen zum Beispiel, dass Schneider durch seine Braut angesprochen wurde, diese Braut, die ihn eigens herangeholt hat, sich sexuell hörig gemacht hat, um ihn der Zentrale der Organisation zuzuführen. So wurde er gewonnen. Wir haben den Krüppel, den Grabe gesehen, dessen Frau schwere Operationen durchgemacht hat und der in eine Notlage dadurch geraten war. Wie der wurde als Funker angeworben unter Ausnutzung dieser seiner Notlage. Jede Eigenart eines Menschen, jede Eigenheit wurde ausgenutzt, um ihn anzusprechen, ihm Vorteile zu versprechen, ihn zu zwingen, zur Organisation zu kommen oder bei der Organisation zu bleiben.
Und die Quellen, aus denen man die Tipper bekam, das waren die West-Berliner Dienststellen, die Bundesnotaufnahme für Flüchtlinge, die Flüchtlingslager, die Heimatvertriebenen-Verbände, die Kriminalpolizei und auch die Agenten Gehlens in der Kriminalpolizei sind von dem Zeugen Höher hier offenbart worden. Reaktionäre und chauvinistische Menschen wie Haase und wie Schwenk, Umsiedler, die in die Heimat möchten wie Schwenk, sozialdemokratistische und reformistische Mitglieder der Arbeitsparteien, Trotzkisten, von denen man weiß, dass man sie immer mit Erfolg ansprechen kann, alles Menschen mit schwank-, alle Menschen mit schwankender politischer Haltung, sie wurden getippt und geworben und angesprochen, geforscht und angesprochen.
Wir haben hier auch ein klassisches Beispiel eines angesprochenen Bettelpaketabholers. Wie sie das machten, wie alle Abholer in eine Kartei eingetragen wurden und wie schon unmittelbar hinter dem Paketgebenden der Ansprecher oder der Heranholer jedenfalls stand, das haben wir hier in diesem Prozess mit großer Deutlichkeit erlebt.
Alle Geworbenen mussten unterschreiben, mussten ihre Verschwiegenheit, ihren Gehorsam unterschreiben. Es ist nicht erforderlich, dass sie alle dieses Dokument unterschrieben, das hier verlesen wurde und das das Dokument aus der Filiale des Zeugen Haase war. Kürzer oder länger, darauf kommt es nicht an, der Inhalt ist in jedem Fall derselbe.
Wie man diese Menschen bei der Bettelpaketaktion ansprach und welchen Erfolg die Bettelpaketaktion hatte, in diesem Punkt, das sagte die Aussage des Zeugen Kranz. Kranz, der sagt, dass die Bettelpaketaktion mehr eingebracht hätte als der ganze 17. Juni zusammen. Er erklärt, dass der 17. Juni noch mangelhaft vorbereitet gewesen sei und dass man besser vorbereiten müsse, dass man insbesondere in die KVP hinein müsse und dass man sich nicht darauf beschränken dürfe, die KVP mal zu einem Treff zu bestellen, den Angehörigen, sondern dass man in die KVP selbst hinein müsse. Und dafür ist ein typisches Beispiel der hier erörterte Fall des Jedro, des Spitzels Jedro mit dem Decknamen Jedermann, von dem Haase uns erzählt und der in die KVP eingeschleust werden sollte mit dem Ziel, ein KVP-Spezialistenspion zu werden. Die Schulung der Agenten durch die V-Mannführer haben wir hier erklärt bekommen, oder ihre Schulung bei der Filiale unmittelbar, wie sie regelmäßig in geheim gehaltenen Wohnungen geschieht. Wir haben auch die Schulung der Funker hier plastisch vor uns erstehen sehen. Die Frau des Angeklagten Schmidt war eine solche und ebenso der Angeklagte Schwenk, der solche Schulungslehrgänge durchgemacht hat. Es gab, ich sagte es schon, auch Lehrgänge in Gästehäusern, aber das war für eine höhere Sorte von hauptamtlich angestellten Spionen der Organisation Gehlen.
Wir haben den S-Kalender, den Sicherheitskalender, gesehen, der für jeden einzelnen Spion besonders gestaltet war und unter Ausnutzung aller zu seiner Tarnung gegebenen Möglichkeiten aufgestellt und ihm eingebläut wurde. Sie sollten sich ihn nicht mitnehmen, sondern im Kopf behalten und einige haben sich, trotzdem, trotz Verbots. Die Notizen liegen bei den Akten. Wir haben das Meldewesen erlebt, das sowohl in der persönlichen Übergabe des Spionagematerials in Berlin oder durch das briefliche Schreiben an Deckadressen geschah. Wir haben das ganze System der Telefonbriefkästen, der Menschen, die man anrief, wenn man unverhofft als Spion nach Berlin kam und nun an jemand ran wollte, den man dann anrufen sollte, wie einer dem anderen nicht kennt, wie der ganze Meldeweg und der ganze Führungsweg aufgebaut war, wie man mit toten Briefkästen arbeitete, wie man mit Kurieren arbeitete, wie man mit den verschiedensten Sorten von Geheimtinten arbeitete, wie die zentrale Deckadresse von den anderen Deckadressen sammelte und pünktlich täglich abliefert, damit wiederum durch Kuriere von der Filiale, von der Filiale durch Kurier nach der nächst höheren Stelle gebracht werden konnte, dieses ausgeklügelte System. Man sollte eigentlich meinen, dass es schrecklich lange dauert, wenn, bis von einem toten Briefkasten in Wismar beispielsweise dieses Agentenmaterial in München gelandet ist, und uns ist hier von dem Zeugen Haase erklärt worden, das dauere gar nicht so lange, eineinhalb bis zwei Tage und es gab ja auch ein Mittel, das zu verkürzen, dann wurden die Meldungen einfach durchschossen. Das heißt dann ging noch erheblich schneller.
Wir haben uns das Funken hier uns vorführen lassen, den Weg, den man im E-Fall, im Ernstfalle, im Kriegsfalle, durch den TBK, den toten Briefkasten zum Funker die Meldungen schleust durch Kuriere und wir haben 's auch erlebt, dass von solchen Funkereien Gebrauch gemacht worden ist im ersten E-Fall, oder war es nur ein Alarmfall, ich weiß es nicht, ein A-Fall. Nein, man sah es als den E-Fall an, den E-Fall vom 17.Juni.
Die beiden Schmidts haben lebhaft versucht und tief beklagt, nicht funken zu können, keine Verbindung bekommen zu können, aber der zuletzt eben vernommene Zeuge Grabe hat am 17. gefunkt, wenn nicht am 17., dann am 18. oder 19.. Dafür waren die Dinge da, dafür die Funkgeräte da. Es herrscht eine starke Nachfrage nach Funkern, wie uns übereinstimmend von den Spitzenleuten erklärt worden ist. Man braucht viele Funker. Wofür brauchte man sie? Für den neuen Tag X, der vorbereitet wurde, für den neuen Tag X, der diesmal aber wirklich klappen sollte und musste. Deshalb schafft man Funker auf Vorrat sozusagen und es ist interessant, von wie vielen der Angeklagten und Zeugen uns bestätigt worden ist, dass auf höheren Befehl die Funker eben jetzt noch nicht funken sollten, sondern erst funken sollten im E-Fall. Es ist gefährlich, zu funken. Es gibt Peilgeräte, aus denen, mit deren Hilfe man feststellen kann, von wo aus gefunkt wird. Das sollte verborgen bleiben für den Tag E, für den Tag X, den E-Fall und so ist es gewesen, dass der Angeklagte Schmidt und seine Frau monatelang munter und fröhlich gelebt haben mit 250 Westmark monatlich, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen brauchen, machen zu brauchen. Der Fall E war ja noch nicht eingetreten. Dann sollte es sich lohnen, das viele Geld, das man in diese Spione hineingesteckt hat.
Wir haben auch von den Führungsfunkern gehört, die ausschließlich in Westdeutschland ausgebildet werden. Man nimmt dazu alte Soldatenfunker, die sich ihr Geld mit diesem schmutzigen Handwerk verdienen und neue Funker ausbilden.
Die ganze Aktion, die ganze Tätigkeit der Organisation Gehlen ist, dieses Bild ist klar wie ein Relief herausgekommen, die ganze Tätigkeit ist eine einzige Kriegsvorbereitung. Deutschland wird von diesen Menschen selbstverständlich als der zukünftige Kriegsschauplatz betrachtet. Man sollte sich, so hat Haase hier gesagt, so hat er es seinen Leuten gesagt, im E-Falle überrollen lassen und dann sollte es losgehen.
Wir haben das G-Wesen kennengelernt und das Tarnungswesen und wir wissen, dass es nichts gibt an Ausweisen, vom deutschen Personalausweis angefangen bis zum Mitgliedsbuch der SED, bis zu Gewerkschaftsausweisen, ja, bis zu Briefen und bis zu den kleinsten Kleinigkeiten, die nicht nachgemacht und so echt nachgemacht worden wären, dass man mit ihrer Hilfe sich in dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik bewegen konnte wie ein Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, der ruhigen Gewissens ist, weil er alle für ihn erforderlichen Papiere in seiner Brusttasche trägt. Aber man hat auch für andere Staaten gefälscht und man hat auch Versuche unternommen, die Papiere zu beschaffen, die notwendig sind, um in die Volksdemokratien, um in die Sowjetunion einzudringen. Dieses ausgeklügelte, fein durchdachte G-Wesen ist der beste Beweis für die ungeheure Gefährlichkeit dieser Verbrecherorganisation.
Die Statistik, von der ich schon brach, sprach, die in der Zentrale aufgestellt war und bei der jeder einzelne Agent registriert war, registriert war, damit nicht nur die Agenten der eigenen Organisation, sondern auch die bekannt gewordenen Agenten anderer Organisationen, damit, wenn die Meldung kam, der soll angesprochen werden, man sofort sehen konnte: Nein, wird nicht angesprochen, denn der arbeitet schon für diese oder für diese oder für diese Organisation. Diese zentrale Kartei bei der Zentrale in München ist ein Musterwerk von Erbschaft aus dem alten Hitler-Geheimdienst.
Das WKW-System ist hier auch wiederholt beschrieben worden. Im Einzelnen darauf einzugehen, lohnt nicht mehr, weil es hinlänglich allen Prozessbeteiligten bekannt ist, dass jeder seine Nummer bekam, dass ihnen diese Nummer bekannt war. Haase hat das zwar bestritten, aber alle Angeklagten haben erklärt: Selbstverständlich war uns unsere Nummer bekannt. Wir haben sogar mit dieser Nummer quittiert.
Ich denke Haase, Sie werden sich eines Besseren belehren lassen, dass die Nummern doch bekannt gewesen sind.
[Werner Haase:]
Das mag in den Bezirksvertretungen verschieden sein.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Wird verschieden gemacht von den Bezirksvertretungen, nun gut. Und die Notnummer, der sicherste Schutz vor jedem Zugriff, diese Notnummer haben nur die Besonderen gekriegt. Wer von unseren Angeklagten hatte eine Notnummer? Haase natürlich, Schmidt natürlich, aber auch Rennert hatte ne Notnummer.
Wie man mit seinen Menschen umging das zeigt das, was die Zeugen Höher und Geyer uns heute gesagt haben. Rücksichtslos wird abgeschaltet und wenn die weinende, schwangere Frau dann kommt und sagt: "Ich weiß nicht, wovon ich leben soll, mein Mann ist verhaftet, der für euch gearbeitet hat." Dann kriegen sie ein paar Brocken hingeschmissen und gesagt: "Wir sind eben keine Versicherungsanstalt." Das ist die Skrupellosigkeit, die Gemeinheit dieser Menschen, die Menschen fangen und Menschen untergehen lassen, die Menschen verbrauchen wie andere Brot oder Äpfel verbrauchen.
Wir haben noch unter den Dokumenten auch eine Reihe von Dokumenten, aus denen hervorgeht, wie sich die Agenten, insbesondere die Filialleiter, die Bezirksleiter und Untervertretungsleiter verhalten sollen, im Fall E. Ich sagte schon, Haase hat es erklärt, überrollen lassen und dann arbeiten, weiter arbeiten im ausgedehnten Agentennetz der Deutschen Demokratischen Republik, das Agentennetz, das aufgebaut war, das zerschlagen ist.
Womit hat sich diese Organisation beschäftigt? Es ist klar, dass der Schwerpunkt für sie in der Deutschen Demokratischen Republik lag. Es ist klar, dass der Gegenstand der Spionage, also der Hauptlinie I, die politische, die wirtschaftliche und die militärische Spionage war. Politische Spionage, Erkundung der Stimmung der Bevölkerung, ja, bis zur Frage, ob Öl da ist, bis zur Frage, ob die Kartoffeln eingekellert sind, bis zur Enttäuschung darüber: jawohl, sie sind leider eingekellert, bis zum Spiritus, mit dem man die Geheimtinte herstellt, für den Fall des Winters, damit die normale Tinte nicht beim Erfrieren Kristalle auf, der, die normale Geheimtinte nicht Kristalle auf dem Blatt Papier zurücklässt. Nach allem hat man gefragt, nach dem Ergebnis des neuen Kurses: Ist der überhaupt echt? Ist der ernst, werden nicht stattdessen wiederum, genauso wie ihr uns doch früher gemeldet habt, militärische Bauten aufgeführt? Gibt es wirklich jetzt mehr? Sind die Industriegüter im Überfluss vorhanden? Man erkundigt sich nach allem: Wie denkt die Bevölkerung? Wie denken unsere Werktätigen? Wie wirkt die Preissenkung auf die Menschen? Ist sie wahr, die Preissenkung? Gibt's denn noch überhaupt noch was, nachdem die Preise gesenkt sind? Derart waren die Fragen, die in das Gebiet der politischen Spionage fielen. Spionage bei allen politischen Organisationen, Spionage bis zur Einschleusung von Agenten bis in die politischen Parteien, um näher an die Quellen zu kommen, ich meine jetzt nicht die Angeklagten als Spione, die man Quelle nannte, sondern die Quellen, aus denen man etwas erfahren konnte, über unsere wirtschaftliche und politische Dinge.
Wir haben das geschildert bekommen, sowohl von dem Angeklagten Haase als auch von dem Zeugen Höher und insbesondere auch den Inhalt der Wirtschaftsspionage, die Industrieentwicklung: wie es mit unseren Unternehmen steht, was produziert wird, wieviel produziert wird, welche Schwierigkeiten bestehen. Ein möglichst umfassendes Bild sollte geschaffen werden. Es ist interessant zu beobachten, wie gerade bei dem Angeklagten Schneider der Schrei nach dem möglichst umfassenden Bild der Bau-Unionen eines, der einer der Gründe war, die ihm sein hohes Gehalt eintrugen.
Und vor allem militärische Spionage: Standorte, Stärke, Bewaffnung, Ausbildung und dergleichen. So genau und so gut eingeteilt, dass beispielsweise der Angeklagte Haase, als er von einer Filiale in die andere wechselte, plötzlich eine ganz andere Gegend Deutschlands zur militärischen Spionage hatte. Erst war er für Sachsen zuständig und in der neuen Filiale ist er plötzlich für den Raum Thüringen zuständig. So scharf und so genau war alles eingeteilt.
Natürlich interessierte man sich über die Dinge vom 17. Juni, den 17.Juni, den sie durch ihre eigene Arbeit vorbereitet und geschaffen haben und über dessen unglücklichen, ich sage unglücklichen in Anführungsstrichen, über dessen unglücklichen Ausgang sie so tief betrübt waren. Hier stand der Zeuge Kranz vor dem Gericht. Der hat und sollte eifrig berichten über den 17. Juni, der der Polterabend war, dem Polterabend sollte im März 1954 die Hochzeit folgen. Aber die Hochzeit muss diesmal besser vorbereitet werden, hat er uns erklärt. Das habe ihm Fahlberg gesagt. Und es wird eine Auswahl getroffen werden, unter denen, die beteiligt sind. Und die KgU, diese faulen Köppe, sollen abgeschaltet werden. Wir haben auch einige Dokumente, aus denen hervorgeht, dass die KgU zu unvorsichtig und zu plump und zu schlecht gearbeitet hat, dass das nichts für die Gehlen-Leute war. Die KgU sollte beim Amerikaner abgehängt werden, damit Gehlen das Feld behaupten konnte.
Der neue Tag X soll besser vorbereitet werden wie der letzte. Dazu sollte eine Konferenz stattfinden, am 28. und 29. Oktober 1953 in Frankfurt am Main, wo die ganzen Spionage- und Terrororganisationen, die beteiligt sein sollten, die Ostbüros der Parteien, die Offiziere der Besatzungsmächte und Industrieherren teilnehmen sollten und alles das unter der Leitung Kaisers, Kaisers [gemeint ist: Jakob Kaiser], des Königs des Spionageministeriums in Bonn [gemeint ist: Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen].
Es sollte diesmal nicht in zwei Etappen wie am 16. und 17. Juni diesen Jahres, sondern mit einem Male innerhalb von 24 Stunden mit einem Male geschehen. Und man musste sich der Spitzenpositionen bemächtigen und man musste vor allem dafür sorgen, dass die KVP an diesem Tag in die Hände der Agenten, in die Hände der Provokateure geriet. Und zu diesem Zwecke musste die KVP-Arbeit verbessert werden, musste besser geschult werden auf KVP und es mussten KVP-Agenten selbst eingeschleust werden. Munitionslager sollten besetzt werden und es sollte Presse und Rundfunk und alles dafür sorgen durch Einwirkung auf Presse und Rundfunk, dass die Spannung erhalten blieb, damit der neue Tag X glücklicher ausgehen möge.
Derart war die Tätigkeit dieser Verbrecherorganisation in unserer Republik. Aber wäre weit gefehlt, wenn man annähme, dass etwa diese Organisation in Westdeutschland nicht wirkte. Sie wirke dort trotz aller Geheimhaltung so sehr, dass die Bürger in Westdeutschland es merkten, dass sie wirkte. Es gibt einen westdeutschen Industriellen mit Namen Spittberg, der hat in der Zeitschrift "Der Fortschritt" am 20. November dieses Jahres geschrieben: "Es könnten einem die Haare zu Berge stehen über den Umfang, den die ungeheure Überwachung des Bürgers unseres Staates anzunehmen droht." Das ist der Druck der Gehlen-Organisation, jeder fühlt sich bespitzelt. Jeder weiß, dass jedes unrechte Wort, jedes Wort gegen die Kriegsvorbereitung, jedes Wort für eine wirkliche Einheit Deutschlands registriert, notiert und im E-Fall die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden. Stattdessen verfolgt und verhaftet man alle die Menschen, die wahrhafte Friedenskämpfer sind. Unser Jupp Angenfort sitzt noch im Gefängnis, Manfred von Brauchitsch sitzt immer noch im Gefängnis, Hugo Paul auf den letzten Tagen und Oskar Neumann erneut verhaftet und ins Gefängnis geworfen worden.
Aber die Spitzelei geht, ich sagte das schon, gegen alle Menschen in Westdeutschland, auch in die Ministerien, auch in die Zollstationen, überall in alle politischen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen, in die wissenschaftlichen Kreise, in die diplomatischen Vertretungen hinein. Es gibt viele Spitzel Gehlens in maßgeblichen Stellen. Und uns sind hier im Verlaufe des Prozesses bekannt geworden, dass der Kommandeur der Westberliner Schutzpolizei, Duensing, ein Gehlen-Spitzel ist, dass der Chef der bayrischen Landespolizei, Freiherr von Godin, ein Gehlen-Spitzel ist, dass im Bundesamt für Verfassungsschutz der leitende Mitarbeiter Radke ein Gehlen-Spitzel ist, und dass in der amtlichen Außenstelle in Berlin Bundesnotaufnahme der Leiter der Abteilung III, Großmann, ein Gehlen-Spitzel ist, desgleichen sein Stellvertreter Rahn, dass sogar in dem wenig bei Gehlen-Leuten beliebten "Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen", wie sich diese Verbrecherorganisation nennt, die auch in diesem Saale zerschlagen wurde, in diesem Untersuchungsausschuss der Sachbearbeiter Moll ein Gehlen-Spitzel ist. Die Gruppe Marbach, eine Gruppe, die mit dem Kaiser-Ministerium aufs engste zusammenarbeitet, hat einen Leiter namens Hans Wollbrecht, engste Verbindung mit der Organisation Gehlen. Und die KgU, diese "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit", wie sich diese Verbrecherorganisation nennt, die auch in diesem Saale zerschlagen worden ist, die KgU hatte einen Leiter der Abteilung für Sprengstoffattentate mit Namen Seemberg, Seeberg, der jetzt Gehlen-Spitzel ist.
Es ist nicht nur unser Teil Deutschlands und der westliche Teil Deutschlands, die Opfer dieser Gehlen-Spionagetätigkeit ist. Die Tätigkeit dieser Verbrecherorganisation erdehnt sich, erstreckt sich auch auf die Sowjetunion und auf die Volksdemokratien. Es versteht sich, dass das besonders die Randgebiete interessieren, Polen und die Tschechoslowakei. Aber das geht weiter, viel weiter und Haase sagt bis nach China hin wird sie tätig.
Man hat zu diesem Zweck in der Zentrale in München eine besondere Abteilung "Tiefe und Forschung", hübsch getarnt, geschaffen und den nachgeordneten Organisationen befohlen, sie müssen das Gleiche tun. Aber schon jetzt muss man anfangen, alle Vorbereitungen zu treffen um Spitzel, Spione einschleusen zu können in die Volksdemokratien, nach Polen, nach der Tschechoslowakei, in die Sowjetunion und bis nach China. Und wie man das machte haben wir gehört, wie man Arbeiter, Facharbeiter oder Handelsvertreter oder Ingenieure oder Schauspielgruppen, wie man versucht an sie heran heranzukommen, die demnächst in ein Land der Volksdemokratie einreisen oder die meinetwegen mit einem Kulturensemble nach China gehen wollen, wie man versuchen muss an sie heranzukommen durch ihre Freunde, Bekannte oder Verwandte, um sie zu tippen, um sie zu forschen, um sie anzusprechen, um Spione aus ihnen zu machen.
Die ČSR ist von besonderem Interesse. Der Zollgrenzdienst nach der ČSR ist mit Gehlen-Leuten durchsetzt. Diese Gehlen-Leute sollen helfen, die Spione rüber bringen und sie zurückzubringen, natürlich. Und wir haben hier von dem Zeugen [anonymisiert] erfahren, wie das gemacht wird, wie man ihn hingeholt hat, um von ihm zu erfahren, wie man eine Schleuse nach der Tschechoslowakei finden könnte und wie man und auf welchen geheimen Pfaden man Menschen hinüberbringen kann. Und man hat ihm, da man sein innerliches Widerstreben merkte, die Legende vorerzählt, die Legende, dass es ja gar nicht darum geht, Spione von hier nach der Tschechoslowakei zu bringen, beileibe nicht, es geht darum geht, arme, in der Tschechoslowakei gequälte Menschen hinüber zu holen in das Paradies West-Berlin. So hat man ihm erzählt. Aber er hat's erkannt und er hat es hier bekannt.
Und dasselbe gilt für Polen und der Höher, der Zeuge Höher hat gesagt, sogar Namen genannt, den Namen eines Polen mit Hollotschek, mit Namen Hollotschek, der auf Befehl der Gehlen-Organisation, der Generalvertretung in Karlsruhe im Juli 1952 von ihm nach Polen eingeschleust wurde. Was Polen mit den Gehlen-Leuten macht, das haben wir erlebt. Sie werden zum Tode verurteilt, sie verlieren ihr Leben. Der Prozess, dessen Bericht neulich durch die Presse unserer Republik ging, zeigte das.
Und nicht zuletzt richtet sich die Tätigkeit dieser Verbrecher gegen Frankreich, gegen Frankreich, das tapfere Frankreich, das tapfere französische Volk. Es gibt viele tapfere Völker im Westen Europas. Die Streiks in England, in Italien, in Belgien, in Frankreich zeigen die Kraft des Volkes, das sich gegen den Imperialismus, das sich gegen die EVG-Verträge wehrt. Das tapfere französische Volk ist natürlich für Gehlen-Leute, ist für Adenauer, ist für den Amerikaner, ist für die Wall Street ein Dorn im Auge. Und deshalb muss spioniert, deshalb muss bespitzelt, muss ausgekundschaftet werden, wie an den Willen des Friedens, lieb, des Frieden liebenden französischen Volkes brechen kann.
Frankreich ist in den Augen dieser Menschen nach wie vor der Erzfeind. Das hat Haase mit aller Deutlichkeit gesagt und so setzt man sich fest in Frankreich. Man kommt leicht von Westdeutschland nach Frankreich, fast so leicht wie von West-Berlin in die Deutsche Demokratische Republik. Geschäftsreisende gehen hinüber, Techniker gehen hinüber, Wissenschaftler gehen zu Kongressen und die werden getippt und geworben. Daraus sollen Spione werden. Haase hat uns das anschaulich geschildert. Er hat uns auch geschildert und das hat Höher bestätigt, wie insbesondere das Saargebiet, dieses im Brennpunkt des Interesses in der deutsch-französischen Beziehung stehende Saargebiet mit einer riesen Zahl von Gehlenschen Agenten durchsetzt ist. Dort sollen alle profranzösischen Kräfte bespitzelt werden. Alle Kräfte, die sich gegen eine Wiederbewaffnung Westdeutschlands wenden, sollen beschattet, untersucht, gemeldet werden, damit man sie am geeigneten Tag dahin bringen kann, wohin man sie bringen will.
Und erschütternd ist eigentlich für uns das, was uns Haase gesagt hat über seine Unterredung mit Reckenstein, seinem Vorgesetzten, als er ihn fragte: "Was geschieht dann mit uns, wenn die Einheit Deutschlands hergestellt ist?" Wobei ich dahinstellt sein lasse, ob diese Frage von Haase eine Frage war in dem Sinne in dem sie Reckenstein auffasste, nämlich unsere Einheit, die Eroberung der Deutschen Demokratischen Republik, wenn die nun hergestellt ist, dann sind wir hier in West-Berlin ja nutzlos und zur Antwort bekam: "Dann werden sie eben in Frankfurt an der Oder gegen Polen eingesetzt und wenn sie Glück haben gegen Frankreich."
Es sind uns hier von dem Zeugen Höher eine Reihe von interessanten Mitteilungen gemacht worden, die ich - äh - auf ihren Wert oder Unwert nicht zu prüfen in der Lage bin. Tatsache ist jedenfalls, dass Höher die Anweisung bekam von seinem Vorgesetzten, der, die Abwehrmaßnahmen gegen die Franzosen zu verstärken, damit der Geheimdienst über Maßnahmen Frankreichs in der Deutschland-Frage jederzeit im Bilde ist.
Er sagte, man hat da einen Berliner Korrespondenten von "Le Monde", Peuchenier, gegen ihn, der ein Verbindungsmann zu einem Verbindungsmann zu Denoblier, einem Berater des Französischen Hohen Kommissars gewesen sei, angesetzt den Agenten Kühlmann und mit gutem Erfolg angesetzt, so dass es ein Lob von befreundeter Seite gegeben hat. Und er erzählte einen anderen Fall, in dem der Hauptredakteur des "Telegraf", Mielke - äh - Mieke - äh - Nieke angesetzt worden ist gegen den Vertreter der "Agence France Presse", Ravoux. Es, ich sage diese Dinge nur deshalb, wiederhole sie deshalb, weil die Methode, mit der man arbeitet, mit der man gegen Frankreich arbeitete, unerhört interessant erscheint.
Ich glaube, Hoher Senat, dass ich in diesem Teil, in diesem generellen Teil des Plädoyers der Anklagebehörde mir ersparen kann, auf mehr und mehr Einzelheiten einzugehen. Ich glaube, das Bild ist rund, das Gesamtbild ist rund. Und ich bitte jetzt zu gestatten, dass mein Staatsanwalt Piehl die Schuldverteilung auf die einzelnen Angeklagten vornimmt. Ich werde zum Schluss die Strafanträge stellen.
Toter Briefkasten (TBK)
Tote Briefkästen sind ein Mittel im nachrichtendienstlichen Verbindungssystem, das dem MfS eine unpersönliche Verbindung zwischen IM und Kurier bzw. Führungsoffizier ermöglichte und vor allem im sog. Operationsgebiet zur Anwendung kam. Dabei handelte es sich um ein konspirativ angelegtes, gut getarntes Versteck, das zur Übermittlung von Mitteilungen, Materialien, Geld und Geräten diente.
Es gab TBK in Zügen, "Aufbewahrungsverstecke" und "Übergabeverstecke". Für jeden TBK waren "Sicherungszeichen" ("Entleerungs- und Belegungszeichen", "Vor- und Nachzeichen") anzubringen. Am TBK musste eine "Kontrollmaßnahme" festgelegt werden, aus der ersichtlich wurde, ob eine unbefugte Person am Versteck gewesen war. Von jedem TBK war eine Dokumentation anzulegen.
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Kurier war eine IM-Kategorie der HV A. Der Kurier hielt die Verbindung zwischen dem im Westen ansässigen IM und dem Führungsoffizier aufrecht und übergab bzw. übernahm Informationen, Instruktionen, vom West-IM beschaffte Dokumente, nachrichtendienstliche Hilfsmittel und Geld. Die Gegenstände wurden z. B. in sogenannten "toten Briefkästen" gelagert, so dass West-IM und Kuriere sich nicht begegneten ("unpersönliches Verbindungswesen"). Als Kurier wurden meistens IM aus der DDR eingesetzt. Ein Kurier konnte auch Aufgaben des Instrukteurs übernehmen. Beim MfS galt das grenzüberschreitende Verbindungssystem als "Lebensnerv" und zugleich verwundbarste Stelle der Westarbeit.
Quelle war eine zentrale IM-Kategorie der Hauptverwaltung A. Als Quelle wurden im sogenannten Operationsgebiet tätige inoffizielle Mitarbeiter bezeichnet, die in der Lage waren, an geheime Informationen über Aktivitäten und Absichten sowie Ressourcen und interne Lagebedingungen gegnerischer Einrichtungen zu gelangen.
Es wurden zwei Typen von Quellen unterschieden:
Zuletzt besaß die HV A (einschließlich der ihr nachgeordneten Abteilungen XV der BV) in der Bundesrepublik und Westberlin 133 A-Quellen und 449 O-Quellen.
Das Wer-kennt-wen-Schema (WKW) war ein Arbeitsmittel, um die familiären, freundschaftlichen und sonstigen relevanten Beziehungen einer Person zu erfassen und darzustellen. Es diente dem Zweck, die Konspiration und Sicherheit von IM zu gewährleisten, deren Einsatz zu koordinieren und für sie neue Einsatzmöglichkeiten aufzuzeigen.
In einer graphischen Darstellung wurden hierzu die Verbindungen, die der IM zu anderen Personen unterhielt und diese wiederum untereinander hatten, aufgezeichnet. Um den unterschiedlichen Charakter der Personen in diesem System und der Verbindungen darzustellen, fanden Farben und Symbole Verwendung. Das WKW fand vorrangig in IM-Akten, aber auch in unterschiedlichen Operativen Vorgängen Anwendung.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Zeugenvernehmung von Wolfgang Paul Höher im Spionageprozess gegen Werner Haase und Weitere Audio, 1 Stunde, 28 Minuten, 24 Sekunden
Vernehmung von Werner Haase im Schauprozess gegen ihn und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen (Teil 2) Audio, 58 Minuten, 26 Sekunden
Eröffnung des Schauprozesses gegen Werner Haase und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 41 Minuten, 8 Sekunden
Vernehmung von Werner Haase im Schauprozess gegen ihn und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen (Teil 1) Audio, 41 Minuten, 35 Sekunden