Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 6890/82, Bd. 7, Bl. 169-182
Weil SED-Mitglied Rudolf Bahro in seinem Buch "Die Alternative" die diktatorischen Strukturen im Staatssozialismus anprangerte, wollten Partei und Geheimpolizei im Prozess ein Exempel an ihm statuieren. Sein Rechtsanwalt Gregor Gysi distanzierte sich im Plädoyer von seinem Mandanten.
In der späten DDR war eine verhältnismäßig geringe Anzahl von etwa 600 Anwälten tätig. Sie wurden nach ihrer Systemtreue ausgewählt. In politischen Prozessen konnten sie ihrer Funktion nur eingeschränkt gerecht werden, denn die Verhandlungen wurden - wenn auch meist indirekt – politisch gesteuert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) dominierte das Ermittlungsverfahren, Staatsanwaltschaft und Richter dagegen die Hauptverhandlung. Darüber verkümmerte das Recht auf Verteidigung in den meisten politischen Prozessen. In brisanten Prozessen konnte es sogar passieren, dass sich ein Anwalt von seinem Mandanten distanzierte.
Ein Beispiel dafür ist die Hauptverhandlung gegen Rudolf Bahro. Er avancierte durch seine Verhaftung 1977 und westliche Medienberichte zu einem der bedeutendsten Oppositionellen der DDR. Heimlich hatte das SED-Mitglied das Buch "Die Alternative" verfasst, das eine schonungslose Abrechnung mit diktatorischen Strukturen im Staatssozialismus war. Bahro forderte darin eine kommunistische Erneuerung von der Basis her. Das Buch erschien in einem Gewerkschaftsverlag in der Bundesrepublik und in Auszügen im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Der Prozess gegen Rudolf Bahro war vor Beginn mit Minister Mielke abgestimmt worden, der wiederum SED-Generalsekretär Honecker konsultiert hatte. Bahro hatte den damals noch unbekannten Anwalt Gregor Gysi als Verteidiger gewinnen können. Die Verteidigung eines prominenten Regime-Kritikers wie Rudolf Bahro machte diesen für die Stasi spezifisch interessant. Als Sohn eines ehemaligen Kulturministers und SED-Mitglied konnte Gysi als zuverlässig und regimetreu angesehen werden. Trotzdem stand der Anwalt Gysi vor einer doppelten Herausforderung. Einerseits stand sein Renommee als Anwalt auf dem Spiel, andererseits war klar, dass SED und Staatssicherheit in diesem Fall ein Exempel statuieren wollten.
Gysi distanzierte sich im vorliegenden Plädoyer von seinem Mandanten, bevor er die Anklage der Staatsanwaltschaft kritisierte. Das Verhalten Bahros bezeichnete er als "gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR" gerichtet. Insofern stellen die Ausführungen die Vorzüge der sozialistischen Rechtsinterpretation heraus.
und Bedingungen vorzugehen.
Er hat mit seinen spezifischen Mitteln zur Erforschung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren beizutragen.
Durch diese Bemerkungen wird besonders deutlich, wie anmaßend es eigentlich ist, wenn auch im Zusammenhang mit diesem Verfahren gerade in der BRD der DDR vorgeworfen wird, das Recht auf Verteidigung zu verletzen.
So versteigt sich zum Beispiel die Morgenpost vom 27. 11. 1977 zu der Behauptung, daß Herr BAHRO kein Wahlverteidiger genehmigt worden sei und er von einem Unbekannten im Sinne von namenlosen Pflichtverteidiger vertreten wird.
Als Wahlverteidiger des Angeklagten möchte ich diese Verleumdungen entschieden zurückweisen und eideutig feststellen, daß auch in diesem Verfahren das Recht auf Verteidigung in vollem Umfange, einschließlich der Wahl eines Verteidigers, durch den Angeklagten, gewährleistet worden ist.
Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, festzustellen, daß das Gericht unvoreingenommen, allseitig und gründlich die Beweisaufnahme durchgeführt hat, bei der stets der Angeklagte seine Rechte wahrnehmen konnte.
Hoher Senat, wenn ich nun mehr in meinen Ausführungen mich einseitig den entlastenden Umständen widmen werde, so deshalb, weil dies mein Verfassungsauftrag ist und den Anforderungen des § 16 Strafprozeßordnung entspricht.
Selbstverständlich erkennt auch die Verteidigung vollständig an, daß sich die Handlungen des Angeklagten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR richten.
Sein Kampf war ja ausschließlich dem real existierenden Sozialismus gewidmet, speziell dem Überbau der Gesellschaft.
Anstatt wie viele Tausende Bürger unseres Landes an der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft zum Kommunismus in der Überwindung von Problemen, Schwierigkeiten und Widersprüchen mitzuwirken, hat er den konkret existierenden realen Verhältnissen der DDR zumindest in wesentlichen Teilen den Kampf angesagt und Einrichtungen in der BRD eine Hetzkampange gegen die DDR objektiv ermöglicht. Die politisch-moralische Verurteilung ist aber nicht unbedingt eine jouristische.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
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