Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 19067, Bl. 70-75
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 trafen das erste Mal die Mannschaften der DDR und der Bundesrepublik aufeinander. Die politische Dimension dieser Begegnung war nicht zu unterschätzen.
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in der Bundesrepublik Deutschland ging es schon vor dem Anpfiff des ersten Spiels um mehr als sportlichen Wettkampf. Weltpolitisch war die Entspannung zwischen den Blöcken in Turbulenzen geraten: In Chile hatte sich das Militär an die Macht geputscht und den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende gestürzt. Die USA hatten den Putsch zumindest geduldet, die Sowjetunion protestierte scharf. Und auch das Verhältnis der beiden deutschen Staaten war belastet. Im April 1974 war Günter Guillaume enttarnt worden, ein Agent der Staatssicherheit im Umfeld von Bundeskanzler Willy Brandt.
Bei der WM kam es entsprechend zu politisch aufgeladenen Begegnungen. Die Auslosung der Vorrundengruppen hatte ausgerechnet Spiele der Mannschaft der DDR gegen Chile und, besonders pikant, die Bundesrepublik ergeben.
Gleichzeitig überschattete die Angst vor terroristischen Anschlägen die Weltmeisterschaft. Das Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München lag gerade einmal zwei Jahre zurück - und pünktlich zur Weltmeisterschaft erreichten die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden neue Terrorwarnungen. So erhielt die Münchner Polizei eine Morddrohung der IRA gegen zwei protestantische Spieler der schottischen Mannschaft und ein angeblich von der RAF stammender Kettenbrief drohte mit einem Raketenanschlag auf das Hamburger Volksparkstadion.
Der Stasi kam in dieser Lage die Aufgabe zu, die Teilnahme der DDR an der Weltmeisterschaft "abzusichern". Dazu gehörte es auch, die politische Stimmung im Land des "Klassenfeindes" zu beobachten. Besonders interessierte das MfS dabei die politische Sicht des Westens auf die Begegnung der beiden deutschen Mannschaften. Dazu wertete die Stasi vor allem westliche Presseberichte aus – deren Autoren sie stets unterstellte, von staatlicher Seite gesteuert zu sein.
von München womöglich abermals zum Schauplatz eines weltweiten Sporttriumphes der innerdeutschen Konkurrenz werden zu lassen. Schon vor der Auslosung stießen diese Gerüchte allerdings auf Zweifel, weil von jeder Vierergruppe in der ersten Finalrunde nur zwei Mannschaften ausscheiden, der Verlierer des innerdeutschen Schlagerspiels also gute Chancen hat, trotz seiner Niederlage weiterzukommen." (Frankfurter Rundschau, 7. 1. 74
- Die BRD-Presse versucht auch negativen Wirkungen einer nicht auszuschließenden Niederlage vorzubeugen. "Der Tagesspiegel" schreibt:
"Nimmt man die allgemeine Euphorie in der Bundesrepublik als vollgültigen Maßstab, dann bleibt die am Sonnabend vom PIPA-Präsidenten Sir Stanley Rous (England) dem Organisations-Komitee-Chef Hermann Neuberger in Obhut übergebene World-Cup-Trophäe ohnehin in der Bundesrepublik. 'Jetzt werden wir Weltmeister', so ließen sich nicht nur Männer wie Uwe Seeler und Gerd Müller in Boulevard-Zeitungen vernehmen, auch zahllose namenlose Fußball-Fans scheinen einer gefährlichen chauvinistischen Selbstüberschätzung verfallen zu sein. Nicht nur angesichts der zuletzt wahrlich nicht welterschütternden Leistungen unserer Nationalmannschaft gegen Spanien (2:1), Schottland (1:1), Frankreich (2:1), Osterreich (4:0) und die Sowjetunion (1:0) muß vor einem derartigen'Wunschdenken gewarnt werden ...
Welche maßlose Ernüchterung sich breitmachen würde, wenn die bundesdeutsche Mannschaft der jetzt entfachten Euphorie nicht gerecht würde, läßt sich unschwer ausmalen. Nach den vielen hehren Worten aus offiziellem Munde bei der Auslosung ist es an der Zeit, sich daran zu erinnern, daß es kein nationales Unglück bedeutet, in einem weltweiten sportlichen Wettbewerb zu verlieren." (Der Tagesspiegel, 8. 1. 74)
- Einschätzungen des DDR-Fußballs:
"Die Nationalmannschaft der DDR hat ihr erfolgreichstes Jahr hinter sich. Erstmals schaffte sie nach vier vergeblichen Anläufen die Teilnahme an der WM-Endrunde. In der Weltrangliste des Jahres 1973 rangiert sie mit einem Punktverhältnis von 23:5 unter den ersten vier weit vor der Bundesrepublik. Doch das ist nur eine statistische Spielerei.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 trafen das erste Mal die Mannschaften der DDR und der Bundesrepublik aufeinander. Die politische Dimension dieser Begegnung war nicht zu unterschätzen.
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in der Bundesrepublik Deutschland ging es schon vor dem Anpfiff des ersten Spiels um mehr als sportlichen Wettkampf. Weltpolitisch war die Entspannung zwischen den Blöcken in Turbulenzen geraten: In Chile hatte sich das Militär an die Macht geputscht und den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende gestürzt. Die USA hatten den Putsch zumindest geduldet, die Sowjetunion protestierte scharf. Und auch das Verhältnis der beiden deutschen Staaten war belastet. Im April 1974 war Günter Guillaume enttarnt worden, ein Agent der Staatssicherheit im Umfeld von Bundeskanzler Willy Brandt.
Bei der WM kam es entsprechend zu politisch aufgeladenen Begegnungen. Die Auslosung der Vorrundengruppen hatte ausgerechnet Spiele der Mannschaft der DDR gegen Chile und, besonders pikant, die Bundesrepublik ergeben.
Gleichzeitig überschattete die Angst vor terroristischen Anschlägen die Weltmeisterschaft. Das Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München lag gerade einmal zwei Jahre zurück - und pünktlich zur Weltmeisterschaft erreichten die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden neue Terrorwarnungen. So erhielt die Münchner Polizei eine Morddrohung der IRA gegen zwei protestantische Spieler der schottischen Mannschaft und ein angeblich von der RAF stammender Kettenbrief drohte mit einem Raketenanschlag auf das Hamburger Volksparkstadion.
Der Stasi kam in dieser Lage die Aufgabe zu, die Teilnahme der DDR an der Weltmeisterschaft "abzusichern". Dazu gehörte es auch, die politische Stimmung im Land des "Klassenfeindes" zu beobachten. Besonders interessierte das MfS dabei die politische Sicht des Westens auf die Begegnung der beiden deutschen Mannschaften. Dazu wertete die Stasi vor allem westliche Presseberichte aus – deren Autoren sie stets unterstellte, von staatlicher Seite gesteuert zu sein.
Ihre Stärke liegt in einer ausgezeichneten körperlichen Verfassung der Spieler, in einer großen Kampfmoral und taktischem Geschick. Ihre Schwächen liegen im Mittelfeld, das noch zu unausgewogen besetzt ist. Trainer ist seit 1970 der Jenaer Georg Buschner. Der energische und zielstrebige 48jährige Thüringer zählt sein Team nach eigenem Urteil zur gehobenen europäischen Mittelklasse." (Frankfurter Allgemeine, 7. 1. 74)
"Das Spiel gegen die 'DDR' am 22. Juni in Hamburg wird beleibe kein 'leichtes' sein. Der Fußball jenseits der Elbe, das haben zumindest die Spiele im Europapokal bewiesen, braucht sein Licht keineswegs unter den Scheffel zu stellen. Renommierte Klubs wie Juventus Turin, Wolverhampton Wanderers oder Fortuna Düsseldorf wurden zur Strecke gebracht; und auch die Auswahl der 'DDR' konnte im vergangenen Jahr auf eine stattliche Bilanz verweisen: von dreizehn Länderspielen gingen nur zwei verloren. Ungarn wurde zweimal, die Sowjetunion einmal geschlagen." (Die Welt, 8. 1. 74)
- Zur Unterkunft der DDR-Mannschaft während der Weltmeisterschaft heißt es im "Tagesspiegel":
"Nach der Gruppenauslosung hat sich die DDR als einziger Teilnehmer der Fußball-Weltmeisterschaft noch nicht um ihr Quartier bemüht ...
Im eigenen Trainingslager Schwerin können die DDR-Spieler auf keinen Fall bleiben, denn das FIFA-Statut schreibt klar vor, daß alle WM-Teilnehmer im Gastgeberland wohnen müssen. Eberhard Hartlep, der Vorsitzende des Verbandes Berliner Ballspiel-Vereine (VBB), hat dem DDR-Verband übrigens für den Berlin-Aufenthalt die VBB-Sportschule am Kleinen Wannsee angeboten." (Der Tagesspiegel, 3. 1. 74)
- Zur Berichterstattung der DDR-Presse über die Auslosung und die sich daraus ergebenden Probleme schreibt die "Frankfurter Allgemeine":
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 trafen das erste Mal die Mannschaften der DDR und der Bundesrepublik aufeinander. Die politische Dimension dieser Begegnung war nicht zu unterschätzen.
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in der Bundesrepublik Deutschland ging es schon vor dem Anpfiff des ersten Spiels um mehr als sportlichen Wettkampf. Weltpolitisch war die Entspannung zwischen den Blöcken in Turbulenzen geraten: In Chile hatte sich das Militär an die Macht geputscht und den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende gestürzt. Die USA hatten den Putsch zumindest geduldet, die Sowjetunion protestierte scharf. Und auch das Verhältnis der beiden deutschen Staaten war belastet. Im April 1974 war Günter Guillaume enttarnt worden, ein Agent der Staatssicherheit im Umfeld von Bundeskanzler Willy Brandt.
Bei der WM kam es entsprechend zu politisch aufgeladenen Begegnungen. Die Auslosung der Vorrundengruppen hatte ausgerechnet Spiele der Mannschaft der DDR gegen Chile und, besonders pikant, die Bundesrepublik ergeben.
Gleichzeitig überschattete die Angst vor terroristischen Anschlägen die Weltmeisterschaft. Das Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München lag gerade einmal zwei Jahre zurück - und pünktlich zur Weltmeisterschaft erreichten die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden neue Terrorwarnungen. So erhielt die Münchner Polizei eine Morddrohung der IRA gegen zwei protestantische Spieler der schottischen Mannschaft und ein angeblich von der RAF stammender Kettenbrief drohte mit einem Raketenanschlag auf das Hamburger Volksparkstadion.
Der Stasi kam in dieser Lage die Aufgabe zu, die Teilnahme der DDR an der Weltmeisterschaft "abzusichern". Dazu gehörte es auch, die politische Stimmung im Land des "Klassenfeindes" zu beobachten. Besonders interessierte das MfS dabei die politische Sicht des Westens auf die Begegnung der beiden deutschen Mannschaften. Dazu wertete die Stasi vor allem westliche Presseberichte aus – deren Autoren sie stets unterstellte, von staatlicher Seite gesteuert zu sein.
"Für das SED-Zentralorgan 'Neues Deutschland' ist die Gruppenauslosung zur zehnten Fußballweltmeisterschaft offenbar bereits uninteressante Vergangenheit. Nach einem ersten Bericht über den Losentscheid in der Sonntagausgabe ist im Ost-Berliner Parteiblatt die Chronistenpflicht wohl vorerst erfüllt. Jedenfalls wurde in der Montagausgabe der Gesamtkomplex Fußballweltmeisterschaft völlig ignoriert. Diese Verschweigertaktik enthüllt etwas von den erheblichen Schwierigkeiten der DDR-Presse, für die sportliche Dreifach-Belastung durch das deutsche 'Fußball-Gipfeltreffen' am 22. Juni in Hamburg, das Gruppenspiel gegen Chile und die Auslosung für das Berliner Olympiastadion eine parteieinheitliche Sprachregelung zu finden." (Frankfurter Allgemeine, 8. 1. 74)
- Zum Spielantritt der DDR-Nationalmannschaft in Westberlin heißt es im "Spiegel":
"Zehn Tage im Juni wird die DDR West-Berlin behandeln, als gehöre es zur Bundesrepublik. Die Kicker des anderen deutschen Staates unterbrechen den Boykott ihrer Regierung: Sie reisen aus dem Bundesland Hamburg nach West-Berlin, sie wohnen am Wannsee und spielen im Olympia-Stadion.
Für die Fußball-Weltmeisterschaft (WM) vom 13. Juni bis zum 7. Juli tun sie alles. Funktionäre und Fans feiern die erste WM-Teilnahme als größten Erfolg des DDR-Fußballs und nach 24 Jahren Frust als Triumph für den sozialistischen Sport zwischen Elbe und Oder.
Aber die DDR-Regierung muß dafür einen politischen Preis zahlen. Denn die bundesdeutschen WM-Gastgeber haben das vom Ostblock boykottierte West-Berlin als einen von neun Spielorten benannt. [gelb markiert: Anders als politisch ist West-Berlin im Sport uneingeschränkt in die bundesdeutsche Verbandshoheit integriert.]" (Der Spiegel, 3/1974, 14. 1. 74, S.102)
- Die Westpresse betont, daß zuständige Kreise die Teilnahme der chilenischen Mannschaft als Sicherheitsproblem erster Ordnung bewerten. Im "Bayernkurier" heißt es dazu:
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Hinweise auf Terrordrohungen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974 Dokument, 6 Seiten
Angeblicher Drohbrief der RAF zu einem Anschlag auf das Hamburger Volksparkstadion während der WM 1974 Dokument, 2 Seiten
Politische Einschätzung zur Lage und den Vorbereitungen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974 Dokument, 6 Seiten
Information zur Auswahl von Touristen für Reisen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974 Dokument, 2 Seiten