Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 18533, Bl. 1-34
Obwohl die westlichen Geheimdienste den Volksaufstand in der DDR verschliefen, deutete die SED-Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Daraus wird unter anderem deutlich, dass die spontane Entstehung der Streikbewegung genauso wenig in das Weltbild der westdeutschen Nachrichtendienstler wie in das der DDR-Sicherheitsorgane passte.
Die Dokumente offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen. Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste, es handelte sich um eine von den Sowjets inszenierte Aktion.
Trotzdem und wider besseren Wissens gab der Nationalrat eine Broschüre heraus, in der die westlichen Geheimdienste und Organisationen beschuldigt werden, den Aufstand "vorbereitet und durchgeführt" zu haben.
sich die Kriegstreiber aller Kategorien nicht abfinden. Ihre schmutzigen Finger greifen nach unseren Errungenschaften und bedrohen hinterhältig das Leben jedes ehrlich arbeitenden Menschen. Diesem Treiben gilt es ein Ende zu bereiten, um das Leben unserer Bevölkerung zu schützen und unsere friedliche Zukunft zu sichern. Die Sicherheitsorgane unseres Staates stehen dafür auf Wacht, jederzeit das Leben unseres Volkes vor heimtückischen Anschlägen zu bewahren. Die Arbeit unserer Staatsorgane und der Volkspolizei, ihr Kampf gegen die Agenten, Saboteure, Terroristen und Diversanten — das ist die Arbeiter- und Bauernmacht in Aktion. Unsere Arbeiter- und Bauernmacht vernichtet die Schädlinge unseres Volkes, um das Leben der Werktätigen und unsere grollen freiheitlichen demokratischen Errungenschaften zu verteidigen. So verteidigt sie unseren friedlichen Aufbau und das Glück unserer Kinder. Unsere Arbeiter- und Bauernmacht verhindert alle Versuche und Anschläge, den Frieden zu gefährden, die diese bezahlten Elemente im Auftrag Adenauers und der USA unternehmen. So hilft unsere Arbeiter- und Bauernmacht allen Patrioten im nationalen Kampf um Einheit und Frieden. Jeder ehrliche und strebsame Bürger unserer Republik muß diese verantwortungsvolle Arbeit unserer Staatsorgane nach bestem Können unterstützen. Damit schützt er gleichzeitig sein Leben, das Leben seiner Familie und den Frieden.
Es gibt unzählige Beispiele für das enge Vertrauensverhältnis unserer Bevölkerung zu den staatlichen Organen für die Sicherheit. Aus allen Kreisen unseres Volkes hat das Staatssekretariat für Staatssicherheit Hinweise und Signale erhalten, die zur Ergreifung von Spionen, Saboteuren und Terroristen geführt haben. Jetzt überall äußerste Wachsamkeit an den Tag legen, Verdachtshinweise sofort weiterleiten, bedeutet die Organe der Staatssicherheit in die Lage versetzen, die an wichtigen Punkten angeschlagenen Agentenzentralen mit weiteren gezielten Schlägen zu schwächen und zu vernichten. Es wäre natürlich falsch, anzunehmen, daß überall Agenten sitzen. Der überwiegende Teil unserer Bevölkerung, das sind ehrlich arbeitende Menschen. Doch diese ehrlich arbeitenden Menschen müssen sich durch erhöhte Wachsamkeit gegen die vorhandenen Agentengruppen und einzelnen Agenten zur Wehr setzen. Alle diejenigen aber, denen sich Agenten nähern, um sie zur Teilnahme an ihrem verbrecherischen Treiben zu gewinnen, oder die den Erpressern zum Opfer gefallen und den Agenten schon ins Garn gegangen sind, sollten sich eines überlegen:
Noch ist es Zeit, durch eigene Offenheit weitere geplante Verbrechen zu verhindern. Noch ist es Zeit, sich selbst vor härtesten Strafen zu schützen, die unweigerlich jeden treffen werden, der sich im Dienste von Volksfeinden und Kriegshetzern gegen den friedlichen Aufbau, gegen unseren Staat der Arbeiter und Bauern vergeht.
Jeder Feind, so gut er sich auch tarnen möge, wird mit Hilfe der Bevölkerung, mit Hilfe wahrhafter deutscher Patrioten aufgespürt und seiner gerechten Strafe zugeführt werden.
In unserem Kampfe stehen wir nicht allein. Gemeinsam mit den Ländern des Weltfriedenslagers, gemeinsam mit allen friedliebenden Völkern werden wir dafür sorgen, daß es den Drahtziehern eines neuen Krieges nicht gelingt, ihre "Uralstürmer" und "Franzosenfresser" in Marsch zu setzen.
Der Wille zum Frieden wird die Wachsamkeit unseres Volkes weiter anspornen, um die gerechte Sache der friedliebenden Völker zum Siege zu führen.
[Bild: Lichtbild von Mitarbeitern eines Edelstahlwerkes.]
Mitarbeiter des Staatssekretariates für Staatssicherheit berichteten den Werktätigen in der DDR in vielen Versammlungen von der Tätigkeit der Agenten der amerikanisch gelenkten Spionageorganisationen. Edelstahlwerker aus Böhlen besichtigen Beweismaterial, das von der aktiven Tätigkeit dieser Agentengruppen zeugt.
Am 23.7.1953 wurde durch formellen Regierungsbeschluss das Ministerium für Staatssicherheit zu einem Staatssekretariat herabgestuft und in das Ministerium des Innern (MdI) eingegliedert. Diese Maßnahme erschien als Reaktion der SED auf dessen (vermeintliches) Versagen im Zusammenhang mit dem Juniaufstand. Denn sie ging mit der Absetzung Wilhelm Zaissers als Minister, der Einsetzung Ernst Wollwebers als Staatssekretär und einer harten Abrechnung Walter Ulbrichts mit der Arbeit der Staatssicherheit auf dem 15. ZK-Plenum einher.
Die naheliegende zeitgenössische und auch heute noch vorherrschende Deutung ist nicht vollkommen zutreffend. Die Veränderung entsprach der damaligen Zuordnung der sowjetischen Staatssicherheit, die seit dem 15.3.1953 ebenfalls Teil des Innenministeriums war, und auch der der meisten anderen "Bruderorgane".
Sie war zudem schon am 30.6.1953, also noch bevor der Machtkampf in der SED Führung sich zuungunsten Zaissers entwickelt hatte, auf Betreiben von Lawrentij Berija vom SED-Politbüro beschlossen worden. Dabei ging es nicht um eine Abstrafung der DDR-Staatssicherheit, sondern um ein (kosmetisches) Entspannungssignal an den Westen. Wahrscheinlich war zu diesem Zeitpunkt Zaisser noch als Chef des erweiterten Innenministeriums vorgesehen.
Im unmittelbaren Kontext seiner Verkündung wurde der Beschluss als demonstrative Degradierung der Staatssicherheit aufgefasst, zumal Wollweber anders als sein Vorgänger nicht in das Politbüro kooptiert wurde. Das Staatssekretariat war dem Innenminister Willi Stoph gleichwohl nur formal unterstellt. Es erhielt ein eigenes Kollegium und nicht Stoph, sondern Wollweber vertrat die Staatssicherheitsangelegenheiten gegenüber der SED-Führung und in der Sicherheitskommission des ZK.
Die Staatssicherheit betreffende dienstliche Weisungen gingen ausschließlich vom Staatssekretär und seinen Stellvertretern aus, nicht vom Innenminister. Am 24.11.1955 wurde das Staatssekretariat durch Ministerratsbeschluss wieder in den Rang eines Ministeriums erhoben.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Eröffnung des Schauprozesses gegen Werner Haase und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 41 Minuten, 8 Sekunden
Plädoyer des Generalstaatsanwaltes im Schauprozesses gegen Werner Haase und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 58 Minuten, 47 Sekunden
Zeugenvernehmung von Hans-Joachim Geyer im Spionageprozess gegen Werner Haase und Weitere Audio, 15 Minuten, 23 Sekunden
Entwurf einer Regierungserklärung zur Aktion "Blitz" Dokument, 22 Seiten