Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 18533, Bl. 1-34
Obwohl die westlichen Geheimdienste den Volksaufstand in der DDR verschliefen, deutete die SED-Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Daraus wird unter anderem deutlich, dass die spontane Entstehung der Streikbewegung genauso wenig in das Weltbild der westdeutschen Nachrichtendienstler wie in das der DDR-Sicherheitsorgane passte.
Die Dokumente offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen. Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste, es handelte sich um eine von den Sowjets inszenierte Aktion.
Trotzdem und wider besseren Wissens gab der Nationalrat eine Broschüre heraus, in der die westlichen Geheimdienste und Organisationen beschuldigt werden, den Aufstand "vorbereitet und durchgeführt" zu haben.
Streng vertraulich!
Nr. 852 SV; 10.11.1953
1. Ausfertigung
Betr.: Sicherung der eigenen Arbeitsmethoden
Beginnend mit dem 4. November 1953 veröffentlichte die Ostpresse Artikel über umfangreiche Verhaftungen ostzonaler Mitarbeiter. Die Bekanntmachungen berichten über die Festnahme eines großen Mitarbeiterkreises einer westlichen Nachrichtenorganisation. Unterlagen, die zum Teil in Mikrofotografie an die ostzonalen Mitarbeiter ausgehändigt wurden, werden publiziert.
Dieser sehr ernste Vorfall verlangt die peinlich genaue Überprüfung vor allem folgender Fragen:
a) Wie ist die eigene Sicherheitslage?
b) Wie werden unsere MA darauf reagieren?
Es wird daher gebeten:
1. Die eigenen Sicherheitsbelange - es handelt sich bei dem obenangeführten Vorfall um den Verrat eines westlichen Mitarbeiters - zu überprüfen. Hier wird nochmals gebeten, alle schriftlichen Unterlagen, die bei dortiger Stelle lagern, auf das notwendigste Maß zu reduzieren. Es besteht durchaus die Möglichkeit, schriftliche Unterlagen bei hiesiger Stelle für die dortige Stelle aufzubewahren. (Derartige Schriftstücke sind in einem gesonderten Umschlag zu senden mit der Aufschrift "Zur Aufbewahrung für..." und in die Post an Paladin zu legen. Der Umschlag ist laufend zu numerieren. Ein Verzeichnis der jeweiligen Sendung ist beizufügen, so daß im Bedarfsfalle die Filiale jederzeit Schriftstücke zurückfordern kann.)
Fernerhin sind die eigenen Arbeitsmethoden zu überprüfen. Die Gewöhnung an bisher sichere Verhältnisse führt oft zu einer legeren Dienstauffassung, die von Zeit zu Zeit gründlich revidiert werden muß. Kenntnisse um Klarangaben eigener Verbindungen sind nach Möglichkeit als "Chefsache" zu behandeln, andere Mitarbeiter nur soweit zu informieren, als es für die Arbeit unbedingt notwendig erscheint.
Die Arbeitsmethoden in Berlin - An- und Abfahrt zu Treffs, Verhalten während der Besprechung mit ostzonalen Mitarbeitern usw. - sind äußerst selbstkritisch zu kontrollieren. Im vergangenen Jahr wurde ein Filialleiter durch einen V-Mann entführt, mit dem er seit zwei Jahren zusammengearbeitet hat und mit dem ihn bereits ein freundschaftliches Verhältnis verband. Der betreffende V-Mann wurde festgenommen und unter Androhung, seine Familie würde erschlagen, falls er nicht seinen Auftraggeber ausliefere — zu diesem Auftrag gezwungen. Als während des Treffs der VM-Führer sich nach der Toilette begab, schüttete der V-Mann eine Substanz in seinen halb ausgetrunkenen Kaffee, worauf dem VM-Führer kurze Zeit später schlecht wurde und dieser bequem in einer bereitgestellten Taxe in den Osten gefahren werden konnte. —
Daher auch bei gut bekannten V-Leuten Vorsicht! Angebotene Zigaretten nach Möglichkeit ablehnen oder aus der Mitte des Paketes entnehmen. Getränke nicht halbausgetrunken stehen lassen und später austrinken, usw. - Ein solches Verhalten dem VM gegenüber kann - wenn es nicht taktvoll gehandhabt wird - zum Mißtrauen führen. Es obliegt dem Geschick des VM-Führers, ein solches Mißtrauen nicht aufkommen zu lassen.
2. Die umfangreiche Publikation der Ostpresse über den o.g. Vorfall wird naturgemäß alle V-Leute vor den Kopf stoßen und bei ihnen die Frage aufwerfen, ob in den eigenen Reihen ein derartiger Vorfall nicht möglich wäre. Bei den nächsten Treffs mit den ostzonalen Mitarbeitern wird u.a. darauf eingegangen werden müssen. Ihre sicherlich begründeten Bedenken werden vermutlich leicht mit dem Hinweis "Dies würden die anderen sein", zerstreut werden können. So läßt sich sogar die eigene Position stärken. — Das Vertrauen unserer Mitarbeiter in der Ostzone muß unerschütterlich bleiben und diese nach wie vor das Gefühl haben, in wirklich guten Händen zu sein.
Der Inhalt des vorstehenden Schreibens kann nicht genügend ernst aufgefaßt werden. Alle Herren werden gebeten, mit äußerster Sorgfalt an der Sicherheit unserer Org. mitzuarbeiten und dafür zu sorgen, daß unser Quellenbestand unangetastet bleibt und das bisher gezeigte Vertrauen in unsere Führung noch verstärkt wird."
Der große erhoffte Erfolg dieses Schreibens trat nicht ein. Das Märchen "Dies sind die von drüben in unseren Reihen" war zu fadenscheinig und plump, um über eine Niederlage hinwegzutäuschen oder gar noch die "eigene Position zu stärken". Im Gegenteil, eine ganze Reihe von Mitarbeitern dieses Spionage- und Sabotageapparates ließ sich auch von "vertraulichen" Dienstanweisungen nicht mehr beirren. Sie erkannten, daß sie sich bei der Organisation Gehlen nicht in "guten Händen", sondern in den Händen von skrupellosen Verbrechern befanden, und wählten den Weg zu unseren staatlichen Organen, um nunmehr ihr verbrecherisches Treiben aufzugeben. Die Perspektive für alle Agenten, Diversanten und Saboteure hat Nationalpreisträger Prof. Albert Norden auf der Pressekonferenz treffend gekennzeichnet: Sie leben für eine ganz kurze Zeit gefährlich, um dann für dauernd unschädlich gemacht zu werden.
Der Staatssekretär für Staatssicherheit, Ernst Wollweber, enthüllte in einer Rundfunkansprache am 28. November 1953 ein weiteres Ablenkungsmanöver, das die ganze Gemeinheit und Gewissenlosigkeit der Manager in den Westberliner Dienststellen des amerikanischen Geheimdienstes zeigt.
Im April 1953 wurde Klaus Sperl, geboren am 29.01.1929 in Brück bei Beelitz, wohnhaft in Ludwigsfelde, Kreis Zossen, Thälmannstrahe 72, von Beruf technischer Zeichner, von dem Agenten des amerikanischen Geheimdienstes Geiselhuber, Helmut, Oberleutnant der Schwarzen Garde, der amerikanischen Dienststelle Fabeckstraße 6 in Westberlin zugeführt. In dieser Dienststelle wurde Klaus Sperl als Agent von Mister Dorn, einem amerikanischen Offizier, angeworben und erhielt den Decknamen Klaus Clausen.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 18533, Bl. 1-34
Obwohl die westlichen Geheimdienste den Volksaufstand in der DDR verschliefen, deutete die SED-Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Daraus wird unter anderem deutlich, dass die spontane Entstehung der Streikbewegung genauso wenig in das Weltbild der westdeutschen Nachrichtendienstler wie in das der DDR-Sicherheitsorgane passte.
Die Dokumente offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen. Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste, es handelte sich um eine von den Sowjets inszenierte Aktion.
Trotzdem und wider besseren Wissens gab der Nationalrat eine Broschüre heraus, in der die westlichen Geheimdienste und Organisationen beschuldigt werden, den Aufstand "vorbereitet und durchgeführt" zu haben.
Nachdem der erste konzentrierte Schlag gegen die im amerikanischen Auftrag handelnde faschistische Spionageorganisation des Hitlergenerals Gehlen geführt war, erhielt dieser Agent des amerikanischen Geheimdienstes, Klaus Sperl, den Auftrag, den Organen der Staatssicherheit über 100 Adressen ehrlicher Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in die Hände zu spielen.
Durch diese infame Provokation sollte dreierlei erreicht werden:
1. sollten die Organe der Staatssicherheit auf falsche Spuren gesetzt, abgelenkt werden von der Verfolgung der richtigen Spuren zu den Agenten des amerikanischen Geheimdienstes;
2. sollte durch diese Verhaftungen bei ehrlichen Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik der Eindruck erweckt werden, als handele es sich um eine breite Verhaftungswelle, die man dann im Westen propagandistisch ausschlachten wollte;
3. wollte man die Glaubwürdigkeit der Veröffentlichungen über die Organisation Gehlen herabsetzen, um den noch vorhandenen Agenten des amerikanischen Geheimdienstes und der Organisation Gehlen den Glauben beizubringen, daß sie sicher seien und daß die Organe der Staatssicherheit falsche Spuren verfolgen.
Um diesen Agenten Klaus Sperl in den Augen der Staatssicherheit glaubwürdig erscheinen zu lassen, beauftragte man ihn, eine richtige Telefonnummer anzugeben, die zu Mister Duran, einem amerikanischen Offizier, führt. Das wurde gemacht, weil der amerikanische Geheimdienst damit rechnete, daß die Organe der Staatssicherheit die Angaben dieses Agenten nachprüfen.
Nach dem Gelingen seiner Aufgabe sollte der Agent-Provokateur Klaus Sperl nach dem Westen ausgeflogen werden, jedenfalls hatte ihm Mister Duran das versprochen.
Das Staatssekretariat für Staatssicherheit prüft aber nicht nur einseitig und fällt daher auf solche Tricks nicht herein. Es prüfte gewissenhaft und stellte fest, daß es sich um eine unerhörte Provokation des amerikanischen Geheimdienstes gegen eine größere Anzahl ehrlicher Bürger der Deutschen Demokratischen Republik handelte, und verhaftete diesen Agent-Provokateur, der nun in sicherem Gewahrsam sitzt und bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Schon voreilig begannen die Westpresse und der RIAS auszuposaunen, daß in der Deutschen Demokratischen Republik eine Verhaftungswelle stattfinde, um dadurch Unruhe zu erzeugen. Es gibt keine Verhaftungswelle. Es gibt richtig gezielte Schläge auf einige wichtige Stellen der feindlichen Organisationen.
Daß die Organe der Staatssicherheit die Richtigen getroffen haben, beweisen die Geständnisse der Verhafteten schon unmittelbar nach der Verhaftung.
Äußerste Wachsamkeit zum Schutze des Friedens
Die imperialistischen Agentenzentralen betreiben das schmutzige Handwerk der Kriegsvorbereitung. Ihre aus den trüben Quellen der USA-Monopol- und Bankherren finanzierte Tätigkeit dient dem Zweck, den Zustand des Friedens in der Welt zu beenden und die Völker auf die Schlachtfelder zu treiben, damit neue Kriegs- und Rüstungsprofite in diese trüben Quellen fließen können.
Den Chefs der Spionagedienste und ihren Auftraggebern sind Gefühle der Menschlichkeit gänzlich unbekannt. Menschenleben — ihr eigenes ausgenommen — sind ihnen keinen Deut wert, Wert hat für sie nur der Gewinn, der Profit. Gewissenlos und berechnend setzen sie das Leben der Menschen aufs Spiel. Es kümmert sie einen Dreck, wenn Menschen den Anschlägen ihrer Agenten zum Opfer fallen, es läßt sie menschlich völlig kalt, wenn ihre Agenten gestellt und der gerechten Strafe zugeführt werden.
Doch die friedliebenden Völker sind keinesfalls gewillt, das Leben von Menschen sinnlos zu opfern. Menschenleben — das der verbrecherischen Kriegsbrandstifter ausgenommen — sind für sie das höchste Gut. Und der Frieden ist ihnen so wertvoll, daß sie alles daransetzen, ihn zu erhalten und zu verteidigen. Deshalb führen diese Menschen einen entschlossenen Kampf zur Vernichtung aller Spionage- und Sabotagegruppen. Sie schlagen den Agenten die Kriegsfackel aus der Hand, um das Leben ihrer Kinder und ihr eigenes Leben zu erhalten.
In unserer Deutschen Demokratischen Republik ist zum ersten Male in der Geschichte unseres Volkes die Macht in die Hände der Arbeiter und Bauern übergegangen. Die Aufmerksamkeit und die Sorge unserer Regierung gelten der ständigen weiteren Verbesserung der Lebenslage unserer Bevölkerung. Unsere Menschen haben die Perspektive eines Lebens in Frieden, Glück und Wohlstand. Damit können
Am 23.7.1953 wurde durch formellen Regierungsbeschluss das Ministerium für Staatssicherheit zu einem Staatssekretariat herabgestuft und in das Ministerium des Innern (MdI) eingegliedert. Diese Maßnahme erschien als Reaktion der SED auf dessen (vermeintliches) Versagen im Zusammenhang mit dem Juniaufstand. Denn sie ging mit der Absetzung Wilhelm Zaissers als Minister, der Einsetzung Ernst Wollwebers als Staatssekretär und einer harten Abrechnung Walter Ulbrichts mit der Arbeit der Staatssicherheit auf dem 15. ZK-Plenum einher.
Die naheliegende zeitgenössische und auch heute noch vorherrschende Deutung ist nicht vollkommen zutreffend. Die Veränderung entsprach der damaligen Zuordnung der sowjetischen Staatssicherheit, die seit dem 15.3.1953 ebenfalls Teil des Innenministeriums war, und auch der der meisten anderen "Bruderorgane".
Sie war zudem schon am 30.6.1953, also noch bevor der Machtkampf in der SED Führung sich zuungunsten Zaissers entwickelt hatte, auf Betreiben von Lawrentij Berija vom SED-Politbüro beschlossen worden. Dabei ging es nicht um eine Abstrafung der DDR-Staatssicherheit, sondern um ein (kosmetisches) Entspannungssignal an den Westen. Wahrscheinlich war zu diesem Zeitpunkt Zaisser noch als Chef des erweiterten Innenministeriums vorgesehen.
Im unmittelbaren Kontext seiner Verkündung wurde der Beschluss als demonstrative Degradierung der Staatssicherheit aufgefasst, zumal Wollweber anders als sein Vorgänger nicht in das Politbüro kooptiert wurde. Das Staatssekretariat war dem Innenminister Willi Stoph gleichwohl nur formal unterstellt. Es erhielt ein eigenes Kollegium und nicht Stoph, sondern Wollweber vertrat die Staatssicherheitsangelegenheiten gegenüber der SED-Führung und in der Sicherheitskommission des ZK.
Die Staatssicherheit betreffende dienstliche Weisungen gingen ausschließlich vom Staatssekretär und seinen Stellvertretern aus, nicht vom Innenminister. Am 24.11.1955 wurde das Staatssekretariat durch Ministerratsbeschluss wieder in den Rang eines Ministeriums erhoben.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 18533, Bl. 1-34
Obwohl die westlichen Geheimdienste den Volksaufstand in der DDR verschliefen, deutete die SED-Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Daraus wird unter anderem deutlich, dass die spontane Entstehung der Streikbewegung genauso wenig in das Weltbild der westdeutschen Nachrichtendienstler wie in das der DDR-Sicherheitsorgane passte.
Die Dokumente offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen. Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste, es handelte sich um eine von den Sowjets inszenierte Aktion.
Trotzdem und wider besseren Wissens gab der Nationalrat eine Broschüre heraus, in der die westlichen Geheimdienste und Organisationen beschuldigt werden, den Aufstand "vorbereitet und durchgeführt" zu haben.
sich die Kriegstreiber aller Kategorien nicht abfinden. Ihre schmutzigen Finger greifen nach unseren Errungenschaften und bedrohen hinterhältig das Leben jedes ehrlich arbeitenden Menschen. Diesem Treiben gilt es ein Ende zu bereiten, um das Leben unserer Bevölkerung zu schützen und unsere friedliche Zukunft zu sichern. Die Sicherheitsorgane unseres Staates stehen dafür auf Wacht, jederzeit das Leben unseres Volkes vor heimtückischen Anschlägen zu bewahren. Die Arbeit unserer Staatsorgane und der Volkspolizei, ihr Kampf gegen die Agenten, Saboteure, Terroristen und Diversanten — das ist die Arbeiter- und Bauernmacht in Aktion. Unsere Arbeiter- und Bauernmacht vernichtet die Schädlinge unseres Volkes, um das Leben der Werktätigen und unsere grollen freiheitlichen demokratischen Errungenschaften zu verteidigen. So verteidigt sie unseren friedlichen Aufbau und das Glück unserer Kinder. Unsere Arbeiter- und Bauernmacht verhindert alle Versuche und Anschläge, den Frieden zu gefährden, die diese bezahlten Elemente im Auftrag Adenauers und der USA unternehmen. So hilft unsere Arbeiter- und Bauernmacht allen Patrioten im nationalen Kampf um Einheit und Frieden. Jeder ehrliche und strebsame Bürger unserer Republik muß diese verantwortungsvolle Arbeit unserer Staatsorgane nach bestem Können unterstützen. Damit schützt er gleichzeitig sein Leben, das Leben seiner Familie und den Frieden.
Es gibt unzählige Beispiele für das enge Vertrauensverhältnis unserer Bevölkerung zu den staatlichen Organen für die Sicherheit. Aus allen Kreisen unseres Volkes hat das Staatssekretariat für Staatssicherheit Hinweise und Signale erhalten, die zur Ergreifung von Spionen, Saboteuren und Terroristen geführt haben. Jetzt überall äußerste Wachsamkeit an den Tag legen, Verdachtshinweise sofort weiterleiten, bedeutet die Organe der Staatssicherheit in die Lage versetzen, die an wichtigen Punkten angeschlagenen Agentenzentralen mit weiteren gezielten Schlägen zu schwächen und zu vernichten. Es wäre natürlich falsch, anzunehmen, daß überall Agenten sitzen. Der überwiegende Teil unserer Bevölkerung, das sind ehrlich arbeitende Menschen. Doch diese ehrlich arbeitenden Menschen müssen sich durch erhöhte Wachsamkeit gegen die vorhandenen Agentengruppen und einzelnen Agenten zur Wehr setzen. Alle diejenigen aber, denen sich Agenten nähern, um sie zur Teilnahme an ihrem verbrecherischen Treiben zu gewinnen, oder die den Erpressern zum Opfer gefallen und den Agenten schon ins Garn gegangen sind, sollten sich eines überlegen:
Noch ist es Zeit, durch eigene Offenheit weitere geplante Verbrechen zu verhindern. Noch ist es Zeit, sich selbst vor härtesten Strafen zu schützen, die unweigerlich jeden treffen werden, der sich im Dienste von Volksfeinden und Kriegshetzern gegen den friedlichen Aufbau, gegen unseren Staat der Arbeiter und Bauern vergeht.
Jeder Feind, so gut er sich auch tarnen möge, wird mit Hilfe der Bevölkerung, mit Hilfe wahrhafter deutscher Patrioten aufgespürt und seiner gerechten Strafe zugeführt werden.
In unserem Kampfe stehen wir nicht allein. Gemeinsam mit den Ländern des Weltfriedenslagers, gemeinsam mit allen friedliebenden Völkern werden wir dafür sorgen, daß es den Drahtziehern eines neuen Krieges nicht gelingt, ihre "Uralstürmer" und "Franzosenfresser" in Marsch zu setzen.
Der Wille zum Frieden wird die Wachsamkeit unseres Volkes weiter anspornen, um die gerechte Sache der friedliebenden Völker zum Siege zu führen.
[Bild: Lichtbild von Mitarbeitern eines Edelstahlwerkes.]
Mitarbeiter des Staatssekretariates für Staatssicherheit berichteten den Werktätigen in der DDR in vielen Versammlungen von der Tätigkeit der Agenten der amerikanisch gelenkten Spionageorganisationen. Edelstahlwerker aus Böhlen besichtigen Beweismaterial, das von der aktiven Tätigkeit dieser Agentengruppen zeugt.
Am 23.7.1953 wurde durch formellen Regierungsbeschluss das Ministerium für Staatssicherheit zu einem Staatssekretariat herabgestuft und in das Ministerium des Innern (MdI) eingegliedert. Diese Maßnahme erschien als Reaktion der SED auf dessen (vermeintliches) Versagen im Zusammenhang mit dem Juniaufstand. Denn sie ging mit der Absetzung Wilhelm Zaissers als Minister, der Einsetzung Ernst Wollwebers als Staatssekretär und einer harten Abrechnung Walter Ulbrichts mit der Arbeit der Staatssicherheit auf dem 15. ZK-Plenum einher.
Die naheliegende zeitgenössische und auch heute noch vorherrschende Deutung ist nicht vollkommen zutreffend. Die Veränderung entsprach der damaligen Zuordnung der sowjetischen Staatssicherheit, die seit dem 15.3.1953 ebenfalls Teil des Innenministeriums war, und auch der der meisten anderen "Bruderorgane".
Sie war zudem schon am 30.6.1953, also noch bevor der Machtkampf in der SED Führung sich zuungunsten Zaissers entwickelt hatte, auf Betreiben von Lawrentij Berija vom SED-Politbüro beschlossen worden. Dabei ging es nicht um eine Abstrafung der DDR-Staatssicherheit, sondern um ein (kosmetisches) Entspannungssignal an den Westen. Wahrscheinlich war zu diesem Zeitpunkt Zaisser noch als Chef des erweiterten Innenministeriums vorgesehen.
Im unmittelbaren Kontext seiner Verkündung wurde der Beschluss als demonstrative Degradierung der Staatssicherheit aufgefasst, zumal Wollweber anders als sein Vorgänger nicht in das Politbüro kooptiert wurde. Das Staatssekretariat war dem Innenminister Willi Stoph gleichwohl nur formal unterstellt. Es erhielt ein eigenes Kollegium und nicht Stoph, sondern Wollweber vertrat die Staatssicherheitsangelegenheiten gegenüber der SED-Führung und in der Sicherheitskommission des ZK.
Die Staatssicherheit betreffende dienstliche Weisungen gingen ausschließlich vom Staatssekretär und seinen Stellvertretern aus, nicht vom Innenminister. Am 24.11.1955 wurde das Staatssekretariat durch Ministerratsbeschluss wieder in den Rang eines Ministeriums erhoben.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Eröffnung des Schauprozesses gegen Werner Haase und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 41 Minuten, 8 Sekunden
Plädoyer des Generalstaatsanwaltes im Schauprozesses gegen Werner Haase und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 58 Minuten, 47 Sekunden
Zeugenvernehmung von Hans-Joachim Geyer im Spionageprozess gegen Werner Haase und Weitere Audio, 15 Minuten, 23 Sekunden
Entwurf einer Regierungserklärung zur Aktion "Blitz" Dokument, 22 Seiten