Signatur: BStU, MfS, HA XIX, Nr. 4818, Bl. 26-30
Das Verbot der Monatszeitschrift "Sputnik" löste in der DDR allerorts Proteste aus. Auch die Beschäftigten des Verkehrs- und Nachrichtenwesens der DDR standen der Maßnahme der SED-Führung ablehnend gegenüber.
Die sowjetische Monatszeitschrift "Sputnik" existierte seit 1967 in der UdSSR und erschien in mehreren Sprachen. Sie sollte das Erscheinungsbild des Landes in sozialistischen Staaten und in westlichen Ländern verbessern und verzichtete deswegen weitgehend auf sozialistische Rhetorik. Mit Beginn von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion informierte "Sputnik" in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch über die Reformpolitik Gorbatschows und griff frühere Tabuthemen auf, wie die Verbrechen Stalins. In der DDR eröffnete die Zeitschrift ihrer Leserschaft damit eine willkommene Abwechslung in der Medienlandschaft.
Von der SED-Führung wurde sie hingegen zunehmend kritisch betrachtet. Als die November-Ausgabe von 1988 den in der DDR-Geschichtsschreibung geleugneten Hitler-Stalin-Pakt thematisierte sowie die Stalin-hörige KPD der 20er Jahre kritisierte, untersagten SED-Funktionäre am 18. November 1988 den weiteren Vertrieb der Zeitschrift in der DDR. Das Heft wurde eingezogen und eingestampft - mit der Begründung, die Zeitschrift enthalte "keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte".
Aus der vorliegenden Information geht hervor, dass die Beschäftigten des Verkehrs- und Nachrichtenwesens das Verbot des "Sputniks" kritisierten. Sie hielten die Maßnahme der SED-Führung für ungeeignet und betonten, dass sie sich statt eines Verbots eine argumentative Auseinandersetzung mit den Inhalten der Zeitschrift gewünscht hätten.
Hauptabteilung XIX
Nr. 666 / 88
Berlin, 25.11.1988
Information
über Reaktionen und Meinungsäußerungen zur Streichung der sowjetischen Zeitschrift "Sputnik" von der Postzeitungsliste
Charakteristisch für die gegenwärtige Stimmungslage im Verantwortungsbereich sind verbreitet auftretende Diskussionen zur Unterbindung des Vertriebes der sowjetischen Zeitschrift "Sputnik" durch die Post der DDR.
Löste bereits die Nichtauslieferung des Heftes Nr. 10 dieser Zeitschrift im Monat Oktober vielfältige kritische Meinungsäußerungen aus, entwickelte sich in den letzten Tagen die am 19.11.1988 in unseren Medien veröffentlichte Mitteilung der Pressestelle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen zum Hauptgesprächsthema der unter den Beschäftigten zentraler Einrichtungen des Verkehrs- und Nachrichtenwesens geführten Diskussionen.
Sie reichen von Unverständnis, Unklarheiten und Skepsis der Zweckmäßigkeit dieser Entscheidung bis hin zu ihrer offenen Ablehnung und in einigen Fällen verbunden mit Absichtserklärungen, aus der "Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft" austreten zu wollen.
Nur in wenigen Ausnahmefällen, und dies ausschließlich durch Mitglieder der SED, die im zentralen Staatsapparat tätig sind, wird bisher diese Maßnahme offen akzeptiert.
Von dem größten Teil der Beschäftigten des Verantwortungsbereiches wird die Streichung der Zeitschrift "Sputnik" als ein untaugliches und unsinniges Mittel bewertet, die Bevölkerung der DDR durch derartige Unterbindungen von Einflüssen fernhalten zu wollen, die nicht in Übereinstimmung mit dem in unserer Gesellschaft vorhandenen Anliegen der Erziehung der Bürger zu einem festen sozialistischen Staatsbewußtsein ständen. Unsere Bevölkerung, so wird argumentiert, ist im Gegensatz zu den vereinzelt im "Sputnik" enthaltenen, verzerrenden und unrichtigen Darstellungen bestimmter gesellschaftlicher Prozesse im viel stärkeren Maße durch die tagtäglich von westlichen Medien ausgehenden feindlichen ideologischen Einflüsse gefährdet.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Die Hauptabteilung XIX entstand 1964 durch Umbenennung der Hauptabteilung XIII. Ihre Aufgaben waren die Sicherung des Ministeriums für Verkehrswesen und dessen zentraler Einrichtungen sowie der Verkehrsträger Reichsbahn, Schifffahrt, Kraftverkehr und Luftfahrt als auch der Transportpolizei und deren Arbeitsgebiet K I.
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Signatur: BStU, MfS, HA XIX, Nr. 4818, Bl. 26-30
Das Verbot der Monatszeitschrift "Sputnik" löste in der DDR allerorts Proteste aus. Auch die Beschäftigten des Verkehrs- und Nachrichtenwesens der DDR standen der Maßnahme der SED-Führung ablehnend gegenüber.
Die sowjetische Monatszeitschrift "Sputnik" existierte seit 1967 in der UdSSR und erschien in mehreren Sprachen. Sie sollte das Erscheinungsbild des Landes in sozialistischen Staaten und in westlichen Ländern verbessern und verzichtete deswegen weitgehend auf sozialistische Rhetorik. Mit Beginn von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion informierte "Sputnik" in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch über die Reformpolitik Gorbatschows und griff frühere Tabuthemen auf, wie die Verbrechen Stalins. In der DDR eröffnete die Zeitschrift ihrer Leserschaft damit eine willkommene Abwechslung in der Medienlandschaft.
Von der SED-Führung wurde sie hingegen zunehmend kritisch betrachtet. Als die November-Ausgabe von 1988 den in der DDR-Geschichtsschreibung geleugneten Hitler-Stalin-Pakt thematisierte sowie die Stalin-hörige KPD der 20er Jahre kritisierte, untersagten SED-Funktionäre am 18. November 1988 den weiteren Vertrieb der Zeitschrift in der DDR. Das Heft wurde eingezogen und eingestampft - mit der Begründung, die Zeitschrift enthalte "keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte".
Aus der vorliegenden Information geht hervor, dass die Beschäftigten des Verkehrs- und Nachrichtenwesens das Verbot des "Sputniks" kritisierten. Sie hielten die Maßnahme der SED-Führung für ungeeignet und betonten, dass sie sich statt eines Verbots eine argumentative Auseinandersetzung mit den Inhalten der Zeitschrift gewünscht hätten.
Die Entscheidung zur Einstellung der Auslieferung des "Sputnik" hätte nach Meinung vieler Beschäftigten uns mehr geschadet als genützt, da erst jetzt das Interesse an dieser Zeitschrift und die in der Sowjetunion sich vollziehenden Prozesse geweckt wurde und die Haltungen unserer Parteiführung zu den Vorgängen in der Sowjetunion verstärkt zum Gegenstand kritischer Bewertungen genommen würden.
Nach Ansicht einer Reihe Beschäftigter führe diese Maßnahme nur dazu, daß noch mehr Bürger der DDR sich ihre Informationen zu den Vorgängen in der Sowjetunion durch das Empfangen westlicher Rundfunk- und Fernsehsendungen beschaffen, die bekanntlich diese in ihrer eigenen Art noch mehr entstellen und mißbrauchen.
Bereits gegenwärtig sei feststellbar, daß bestimmte westliche Fernsehprogramme im breiten Umfang Artikel des "Sputnik" und anderer sowjetischer Publikationen zum Gegenstand ihrer Berichterstattungen nehmen.
Politisch klüger wäre es seitens unserer für die Publikations- und Informationstätigkeit zuständigen Bereiche gewesen, sich in unseren Medien mit den im "Sputnik" und anderen sowjetischen Zeitschriften veröffentlichten und unserer Ansicht nach unrichtigen Auffassungen auseinanderzusetzen.
Allgemeines Unverständnis löste die am 19.11.1988 veröffentlichte Pressenotiz über Streichung der Zeitschrift "Sputnik" vor allem auch deshalb aus, weil diese neben der lakonischen Bemerkung ,"sie bringt keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge der Geschichte", keinerlei weitergehende Begründungen erhielt.
Verwunderung äußerten vor allem Beschäftigte aus Bereichen des Post- und Fernmeldewesens darüber, daß diese Mitteilung von der Pressestelle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen herausgegeben wurde. Ihrer Meinung nach obliegen derartige Entscheidungen der Pressestelle der Regierung bzw. dem Presseamt des Ministerrates der DDR, da von diesen Stellen die Lizenz zum Vertrieb der Zeitschiift erteilt wurde.
Für sie sei offensichtlich, daß man in Erwartung unliebsamer Reaktionen, diese auf das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen abschieben und unsere Parteiführung aus dieser Entscheidung heraushalten wolle, um keine Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der SED und der KPdSU entstehen zu lassen.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Reaktionen von oppositionellen Gruppen auf das "Sputnik"-Verbot Dokument, 1 Seite
Reaktionen von Mitgliedern der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) Dokument, 4 Seiten
Reaktionen der Bevölkerung auf die Streichung des "Sputnik" von der Postzeitungsvertriebsliste der DDR Dokument, 6 Seiten
Stellungnahme des sowjetischen Außenministeriums zum "Sputnik"-Verbot Dokument, 1 Seite