Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4229, Bl. 14-17
Am 7. September 1987 begann SED-Generalsekretär Erich Honecker seinen Arbeitsbesuch in der Bundesrepublik Deutschland. Es war der erste Besuch eines DDR-Staatsoberhauptes im anderen Teil Deutschlands. Die Staatssicherheit dokumentierte die Stimmung in der DDR-Bevölkerung hinsichtlich des Honecker-Besuchs in der BRD.
Im Jahr 1987 besuchte erstmals in der Geschichte beider deutscher Staaten ein Staatsoberhaupt der DDR die Bundesrepublik. Am 15. Juli 1987 wurde gleichzeitig in den west- und ostdeutschen Medien der Besuch Erich Honeckers vom 7. bis 11. September 1987 in der Bundesrepublik angekündigt. Lange Zeit konnte sich die SED-Führung nicht sicher sein, ob der Besuch überhaupt stattfinden würde. Schließlich hatte er zuvor bereits dreimal abgesagt werden müssen, zuletzt auf sowjetischen Druck im Jahr 1984. Dieses Mal gab es Befürchtungen nicht nur hinsichtlich eines erneuten Einspruchs der Sowjetunion, sondern auch wegen einer kritischen, emotional aufgeladenen westdeutschen Öffentlichkeit.
Doch der wiederbelebte Abrüstungsdialog der Großmächte und der Staatsbesuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker in der Sowjetunion im Sommer 1987 hatten die Atmosphäre entspannt. Das sprach gegen ein sowjetisches Veto. Auch auf westdeutscher Seite sah man den Zeitpunkt als günstig an, stellte man doch seit zwei Jahren Besserungen im deutsch-deutschen Verhältnis fest, beispielsweise im Reiseverkehr, bei den Städtepartnerschaften und durch die Abschaffung der Todesstrafe in der DDR.
Die Stasi-Führung befürchtete, dass „der Gegner“ den Besuch für seine "antisozialistische Zielstellung" missbrauchen, dass "antisozialistische Kräfte" gegen Honecker persönlich gerichtete Aktionen inszenieren und oppositionelle Kräfte in der DDR "feindlich-negativ wirksam" werden könnten. Deshalb ordnete Stasi-Chef Erich Mielke im Rahmen der Aktion "Dialog 87" umfangreiche Sicherungsmaßnahmen an.
Honeckers Besuch war auf Wunsch der Bundesregierung protokollarisch unterhalb der Ebene eines offiziellen Staatsbesuchs angesiedelt und galt formal nur als "Arbeitsbesuch", jedoch begleitet von militärischen Ehren und dem Abspielen der Hymnen beider Staaten vor dem Bonner Bundeskanzleramt. Die annähernde protokollarische Gleichstellung Honeckers mit anderen ausländischen Staatsgästen interpretierte die DDR-Führung dahingehend, dass die DDR von der BRD als gleichberechtigter deutscher Staat anerkannt worden sei. Dieser außenpolitische Erfolg festigte in ihren Augen auf Dauer die deutsche Zweistaatlichkeit und somit den Bestand der DDR, und zugleich öffnete der Bonn-Besuch Honecker die Türen für Staatsbesuche in Paris, London und Washington.
Vor, während und nach dem Honecker-Besuch in der Bundesrepublik verfasste die Staatssicherheit Berichte über die Stimmung in der DDR-Bevölkerung. Bereits am ersten Tag des Besuchs hatte Bundeskanzler Helmut Kohl in einer Rede noch einmal die Grundpositionen der Bundesrepublik deutlich gemacht und dabei sehr klare Worte zur offenen deutschen Frage und zum Ziel der Wiedervereinigung gefunden. In dem vorliegenden Dokument berichtet die Staatssicherheit, dass die Rede des Bundeskanzlers vom Vortag, in der die "offene deutsche Frage" und die Menschenrechtsproblematik angesprochen worden waren, in der Bevölkerung besondere Beachtung fand.
[handschriftliche Ergänzung: 0/189]
Verteiler:
1. Gen. Minister
2. Gen. Mittig
3. Gen. Neiber
4. Gen. Schwanitz
5. Gen. Irmler
6. Gen. Taube
7. ODH
8. AG 6
Operativ Diensthabende (ODH)
In den Anfangsjahren gab es in der Zentrale sowie den Länder- bzw. Bezirksverwaltungen der Staatssicherheit einen sogenannten Chefdienst, der nach Arbeitsschluss mit der Führung der Geschäfte verantwortlich beauftragt war. Mitte der 50er Jahre wurden dann Arbeitsgruppen "Offiziere vom Dienst" (OvD) beim Büro der Leitung des MfS Berlin und bei den Bezirksverwaltungen eingerichtet, die mit festen Stellenplänen unterlegt waren. Ständige OvD bestanden bald auch bei den Hauptabteilungen I und PS.
Nach und nach schufen die operativen Diensteinheiten ein System von Operativ Diensthabenden, die häufig im Rahmen der jeweiligen AGL oder Operativen Leitzentren (OLZ) angesiedelt waren. Zu ihren Aufgaben gehörte u. a. auch die tägliche Erstellung von ODH-Informationen. Die Arbeitsgruppe Operativ Diensthabende der HV A hatte außerhalb der normalen Dienstzeiten speziell die Grenzpassagedokumente der Abteilung A VI zu verwalten und bei besonderen Feststellungen im Reiseverkehr zur Absicherung des IM-Netzes eine Sofortberichterstattung einzuleiten.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
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Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4229, Bl. 14-17
Am 7. September 1987 begann SED-Generalsekretär Erich Honecker seinen Arbeitsbesuch in der Bundesrepublik Deutschland. Es war der erste Besuch eines DDR-Staatsoberhauptes im anderen Teil Deutschlands. Die Staatssicherheit dokumentierte die Stimmung in der DDR-Bevölkerung hinsichtlich des Honecker-Besuchs in der BRD.
Im Jahr 1987 besuchte erstmals in der Geschichte beider deutscher Staaten ein Staatsoberhaupt der DDR die Bundesrepublik. Am 15. Juli 1987 wurde gleichzeitig in den west- und ostdeutschen Medien der Besuch Erich Honeckers vom 7. bis 11. September 1987 in der Bundesrepublik angekündigt. Lange Zeit konnte sich die SED-Führung nicht sicher sein, ob der Besuch überhaupt stattfinden würde. Schließlich hatte er zuvor bereits dreimal abgesagt werden müssen, zuletzt auf sowjetischen Druck im Jahr 1984. Dieses Mal gab es Befürchtungen nicht nur hinsichtlich eines erneuten Einspruchs der Sowjetunion, sondern auch wegen einer kritischen, emotional aufgeladenen westdeutschen Öffentlichkeit.
Doch der wiederbelebte Abrüstungsdialog der Großmächte und der Staatsbesuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker in der Sowjetunion im Sommer 1987 hatten die Atmosphäre entspannt. Das sprach gegen ein sowjetisches Veto. Auch auf westdeutscher Seite sah man den Zeitpunkt als günstig an, stellte man doch seit zwei Jahren Besserungen im deutsch-deutschen Verhältnis fest, beispielsweise im Reiseverkehr, bei den Städtepartnerschaften und durch die Abschaffung der Todesstrafe in der DDR.
Die Stasi-Führung befürchtete, dass „der Gegner“ den Besuch für seine "antisozialistische Zielstellung" missbrauchen, dass "antisozialistische Kräfte" gegen Honecker persönlich gerichtete Aktionen inszenieren und oppositionelle Kräfte in der DDR "feindlich-negativ wirksam" werden könnten. Deshalb ordnete Stasi-Chef Erich Mielke im Rahmen der Aktion "Dialog 87" umfangreiche Sicherungsmaßnahmen an.
Honeckers Besuch war auf Wunsch der Bundesregierung protokollarisch unterhalb der Ebene eines offiziellen Staatsbesuchs angesiedelt und galt formal nur als "Arbeitsbesuch", jedoch begleitet von militärischen Ehren und dem Abspielen der Hymnen beider Staaten vor dem Bonner Bundeskanzleramt. Die annähernde protokollarische Gleichstellung Honeckers mit anderen ausländischen Staatsgästen interpretierte die DDR-Führung dahingehend, dass die DDR von der BRD als gleichberechtigter deutscher Staat anerkannt worden sei. Dieser außenpolitische Erfolg festigte in ihren Augen auf Dauer die deutsche Zweistaatlichkeit und somit den Bestand der DDR, und zugleich öffnete der Bonn-Besuch Honecker die Türen für Staatsbesuche in Paris, London und Washington.
Vor, während und nach dem Honecker-Besuch in der Bundesrepublik verfasste die Staatssicherheit Berichte über die Stimmung in der DDR-Bevölkerung. Bereits am ersten Tag des Besuchs hatte Bundeskanzler Helmut Kohl in einer Rede noch einmal die Grundpositionen der Bundesrepublik deutlich gemacht und dabei sehr klare Worte zur offenen deutschen Frage und zum Ziel der Wiedervereinigung gefunden. In dem vorliegenden Dokument berichtet die Staatssicherheit, dass die Rede des Bundeskanzlers vom Vortag, in der die "offene deutsche Frage" und die Menschenrechtsproblematik angesprochen worden waren, in der Bevölkerung besondere Beachtung fand.
Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe
Berlin, 9. September 1987
Erste Hinweise über Reaktionen der Bevölkerung auf den offiziellen Besuch des Generalsekretärs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, in der BRD
Vorliegenden Hinweisen zufolge werden Verlauf und Ergebnisse des offiziellen Besuchs von allen Kreisen der Bevölkerung mit außerordentlich großem Interesse verfolgt. Die umfangreiche Berichterstattung der DDR-Massenmedien über dieses Ereignis findet allgemein Zustimmung.
In den Diskussionen werden insbesondere die große politische Bedeutung dieses Besuches und sein nachhaltiges internationales Echo hervorgehoben. Erneut bekräftigt wird - vor allem unter dem Eindruck der ersten Besuchstage - die Feststellung, daß sein Zustandekommen ein beachtlicher Erfolg der Friedenspolitik und das Ergebnis der beharrlichen Dialogpolitik der DDR sei. Progressive Kräfte verweisen mit besonderer Genugtuung auf den offiziellen Empfang des Genossen Honecker in der BRD. Mit dem nach diplomatischem Protokoll abgelaufenen ersten Besuchstag habe die BRD vor der Weltöffentlichkeit die Existenz zweier souveräner deutscher Staaten de facto anerkannt. Vielfach wird auch betont, die Gesprächsinhalte mit führenden Politikern der BRD machten trotz aller Gegensätze das Bemühen beider Seiten deutlich, auf längere Sicht Fortschritte bei der Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten zu erreichen. Dies widerspiegele sich in der Bekundung des Willens und der Bereitschaft beider Seiten, den Dialog zu internationalen und bilateralen Fragen weiterzuführen.
Im Mittelpunkt der Diskussionen standen bisher die Inhalte der Tischreden. Nahezu übereinstimmend wird eingeschätzt, daß die Reden des Gen. Erich Honecker sowie die von Bundeskanzler Kohl und Bundespräsident Weizsäcker die tiefgreifenden politischen Gegensätze sichtbar gemacht hätten.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Erste Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf den Honecker-Besuch in der BRD Dokument, 5 Seiten
Zusammenfassung der Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf den Besuch von Erich Honecker in der BRD Dokument, 12 Seiten
Weitere Hinweise zur Reaktion der DDR-Bevölkerung auf den Honecker-Besuch in der BRD Dokument, 8 Seiten
Informationen zu Meinungsäußerungen eines Mitarbeiters der Ständigen Vertretung der BRD zum Honecker-Besuch Dokument, 3 Seiten