Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf den Mord an John F. Kennedy
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 823, Bl. 1-7
Nach dem Tod John F. Kennedys untersuchte das MfS die Reaktionen der DDR-Bevölkerung und fasste diese in einem Bericht für die SED-Führung zusammen.
Die Ermordung des populären US-Präsidenten John F. Kennedy in Dallas im November 1963 löste auch in der DDR starke Reaktionen der Bevölkerung aus. Nur wenige Monate zuvor hatte dieser West-Berlin besucht und in seiner medienwirksamen Rede vor dem Schöneberger Rathaus den legendären Ausspruch "Ich bin ein Berliner" geprägt.
Die Stasi sammelte für eine "Einzelinformation" an das SED-Politbüro verschiedene Meinungen und resümierte: "Von einer großen Anzahl der Bevölkerung der DDR wird der Mord an Kennedy ehrlich bedauert und als faschistische Methode abgelehnt." Besonders durch junge Leuten an Oberschulen und Hochschulen habe Kennedy eine hohe Wertschätzung erfahren. Auch in Kirchenkreisen hätten die Menschen vereinzelt weitergehende Beileidsbezeugungen, wie beispielsweise Schweigeminuten, gefordert und teilweise durchgeführt.
Metadaten
- Urheber:
- MfS
- Datum:
- 29.11.1963
- Rechte:
- BStU
An der 13. Oberschule Berlin-Heinersdorf weigerten sich die Schüler der 8. Klasse, das übliche Morgenlied zu singen mit der Begründung, ihnen sei nach dem Attentat auf Kennedy nicht zum Singen zu Mute.
In der 8. Klasse der gleichen Schule verweigerten die Schüler den Russisch-Unterricht, blieben die ganze Stunde über stehen und reichten Zettel von Reihe zu Reihe mit der Aufschrift "Wir gedenken dem Präsidenten der Vereinigten Staaten".
Von einem Schüler der 9. Klasse wurde ferner die Schulfahne auf Halbmast gesetzt.
In Berlin-Pankow wurde auch in der 10. Oberschule von Schülern die Schulfahne vor dem Unterricht auf Halbmast gehißt.
An der 15. Oberschule führten die Schüler der Klasse 8 eine Gedenkminute zu Beginn des Unterrichts durch.
Meldungen über die Durchführung von Gedenkminute und über des Hissen der Fahne auf Halbmast aus gleichem Anlaß wurden auch vereinzelt aus anderen Bezirken bekannt. (z.B. Bezirkskrankenhaus St. George/Leipzig, Oberschule Neukirchen/Karl-Marx-Stadt, Lessing-Schule/Aue).
In der Bahnhofsvorhalle in Berlin-Köpenick wurden von Jugendlichen brennende Kerzen um ein schwarzumrahmtes und mit Trauerflor versehenes Bildnis Präsident Kennedys aufgestellt.
In einigen Fällen wurde weiter festgestellt, daß DDR-Bürger in der Nacht nach den ersten Meldungen vom Mord an Kennedy brennende Kerzen in ihren Wohnungsfenstern aufgestellt hatten. (In Berlin in 48 Fällen).