Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, AGL, Nr. 75, Bl. 107-111
Die Abteilung "Bewaffnung und Chemischer Dienst" (BCD) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) stellte eigens für die Stasi-Mitarbeiter eine spezielle Waffe her – das Scharfschützengewehr 82 (SSG 82). Die Unterabteilung "Produktion" der BCD kooperierte dafür eng mit dem VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk "Ernst Thälmann", auf dessen Betriebsgelände die Waffen konstruiert und gefertigt wurden.
Der Thüringer Wald galt einst als Zentrum der deutschen Waffenindustrie. Namhafte Hersteller, wie Haenel, Krieghoff, Merkel, Sauer, Simson oder Walther hatten in der Region Suhl / Zella-Mehlis ihren Ursprung. Auch nach 1945 wurden hier Sport-, Jagd- und Komponenten für Militärwaffen gefertigt, wobei der Stasi die geheimpolizeiliche Durchdringung dieser nun volkseigenen Betriebe oblag. Dadurch bestanden beste Voraussetzungen für die Abteilung "Bewaffnung und Chemischer Dienst" (BCD) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), im damaligen DDR-Bezirk Suhl eine eigene Produktionsstätte aufzubauen. Dort wurde das Scharfschützengewehr 82 (SSG 82) entwickelt und gefertigt.
Die Unterabteilung "Produktion" der Abteilung BCD kooperierte eng mit den Mitarbeitern der Abteilung XVIII (Volkswirtschaft) der Suhler Bezirksverwaltung des MfS, die für die geheimpolizeiliche Überwachung des VEB FAJAS (Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Suhl) verantwortlich waren. Dabei übernahmen die Genossen der Suhler Abteilung XVIII alle anfallenden Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die das Gebäude betreten sollten. Die Suhler MfS-Mitarbeiter koordinierten auch den Einsatz Inoffizieller Mitarbeiter. Dabei ging es hauptsächlich um die Erkennung vermeintlicher "Verdachts- und Spionagehandlungen". Dessen ungeachtet, so schätzte die Unterabteilung "Produktion" ein, kam es regelmäßig vor, dass Betriebsangehörige des VEB FAJAS vielfach "Anspielungen in Bezug auf das Organ [also das MfS], der Geheimhaltung und anderen Dingen" äußerten. Die spezifische Aufgabenverteilung zwischen der Abteilung XVIII der Bezirksverwaltung Suhl und der Abteilung BCD waren durch diverse Grundsatzdokumente klar geregelt.
2. Aufgaben zur politisch-operativen Sicherung des Dienstobjektes der Abteilung Bewaffnung und Chemischer Dienst des MfS, Unterabteilung 3 im VEB Fajas
2.1. Abteilung XVIII der BV Suhl
2.1.1. Durchführung differenzierter Sicherheitsüberprüfungen zu
- Personen, die das Dienstobjekt auf Grund von Bau-, Versorgungs- und Dienstleistungsaufgaben betreten sollen (einschließlich die im Havariefall das Objekt betreten sollen).
- Personen, die in die Durchführung von Kooperationsleistungen zwischen der Unterabteilung 3 der Abteilung Bewaffnung und Chemischer Dienst des MfS und dem VEB Fajas einbezogen werden sollen.
- Partner des operativ-fachlichen Zusammenwirkens des Leiters der Unterabteilung
auf der Grundlage der RL Nr. 1/82 des Genossen Minister.
2.1.2. Zielgerichteter IM-Einsatz zur ständigen Klärung der Frage "Wer ist wer?" unter dem im Punkt 2.1.1. bestimmten Personenkreis mit dem Ziel der Vorbeugung, rechtzeitigen Aufdeckung, konsequenten Bekämpfung und Verhinderung feindlich negativer Handlungen, insbesondere von Spionage und Verratshandlungen.
Die politisch-operativen Maßnahmen werden konzentriert auf unter diesem Personenkreis befindliche NSW-Reisekader und Verhandlungskader sowie Personen mit operativ bedeutsamen privaten Verbindungen in das NSA.
2.1.3. Die politisch-operativen Maßnahmen zur Sicherung des Dienstobjektes werden in den Gesamtkomplex der operativen Maßnahmen zur Sicherung des VEB Fajas eingeordnet, insbesondere bei der Klärung der Frage "Wer ist wer?" unter im Rahmen der Außenwirtschaftsbeziehungen aus dem NSW Einreisenden.
2.1.4. Gewährleistung der Erfassung der Personen, die das Dienstobjekt betreten (MfS-fremde Personen) in der ZPDB entsprechend der Festlegungen in der DA 1/80 des Genossen Minister sowie aller weiterer vorbeugend zu sichernden Personen in der VSH der Abteilung XVIII der BV Suhl.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1972 entstanden durch Umbenennung und Profilierung der Abt. WuG (Waffen und Geräte). Aufgaben: Bereitstellung von Bewaffnung, Munition, chemischer Ausrüstung, ABC-Schutzausrüstung und Schutztechnik für die Diensteinheiten. Darüber hinaus Organisierung des Giftschutzes im waffentechnischen und im chemischen Dienst sowie des Strahlenschutzes.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Eine Sicherheitsüberprüfung ist ein Verfahren zur Einschätzung der "sicherheitspolitischen" Eignung von Personen, denen bedeutsame Aufgaben, Funktionen und Befugnisse übertragen oder Vollmachten bzw. Erlaubnisse und Genehmigungen erteilt werden sollten (u. a. Leitungskräfte, Geheimnisträger, Angehörige von anderen Sicherheitsorganen, Reisekader, Leistungssportler, Waffenbesitzer).
Ziel der Sicherheitsüberprüfung war es, ihre Zuverlässigkeit "unter den jeweiligen Lagebedingungen" sicherzustellen und entsprechend ungeeignete Personen aus bedeutsamen oder sicherheitsrelevanten Positionen und Bereichen fernzuhalten. Das familiäre und soziale Umfeld der betreffenden Personen wurde zumeist in die Überprüfung mit einbezogen. Die Sicherheitsüberprüfung war mit der Entscheidung über Zustimmung oder Nichtzustimmung abzuschließen. Zu bereits überprüften Personen waren Wiederholungsüberprüfungen vorgesehen. In den 80er Jahren fielen im MfS jährlich Hunderttausende Sicherheitsüberprüfungen an und dominierten vor allem die Arbeit der Kreisdienststellen.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Die ZPDB war das wichtigste zentrale Datenbankprojekt des MfS. Es handelte sich um einen zentralen personen-, sach- und objektbezogenen Datenspeicher mit Informationen, die in einem Rahmenkatalog nach Personenkategorien, Sachverhaltsarten und Objektkategorien präzise definiert waren und über Hinweis- und Merkmalskategorien ergänzt und miteinander verknüpft wurden. Vor der Einführung der ZPDB wurden diese zum größeren Teil nicht oder nur mit manuellen Verfahren überwiegend dezentral erfasst. Die Vorarbeiten an der ZPDB begannen Anfang der 70er Jahre, sie wurde jedoch erst 1981 wirklich in Betrieb genommen.
Computertechnisch basierte die ZPDB auf Großrechnern der RGW-Norm ESER und auf der vom MfS entwickelten Software DORIS (Dialogorientiertes Recherche- und Informationsverwaltungssystem). Die ZPDB beschäftigte in den 80er Jahren einen eigenen, unter der Leitung von Hans-Wilhelm Geiß stehenden Stellvertreterbereich im Bereich 3 (EDV) der ZAIG, der zuletzt rund 200 Planstellen umfasste.
Ende November 1989 waren in der ZPDB Datensätze zu 1,32 Mio. Personen, 417.000 Sachverhalten, 392.000 Kontakthinweisen, 101.000 Kfz sowie 60.000 (erweiterte) Personenbeschreibungen, 23.000 Angaben aus Ermittlungsverfahren der HA IX des MfS, 458.000 Objekte mit 163.000 auf diese bezogenen Ereignissen und sog. Angriffe gespeichert. Daten und Datenträger der ZPDB wurden gemäß Beschluss des Runden Tisches im März 1990 vernichtet.
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Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, AGL, Nr. 75, Bl. 107-111
Die Abteilung "Bewaffnung und Chemischer Dienst" (BCD) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) stellte eigens für die Stasi-Mitarbeiter eine spezielle Waffe her – das Scharfschützengewehr 82 (SSG 82). Die Unterabteilung "Produktion" der BCD kooperierte dafür eng mit dem VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk "Ernst Thälmann", auf dessen Betriebsgelände die Waffen konstruiert und gefertigt wurden.
Der Thüringer Wald galt einst als Zentrum der deutschen Waffenindustrie. Namhafte Hersteller, wie Haenel, Krieghoff, Merkel, Sauer, Simson oder Walther hatten in der Region Suhl / Zella-Mehlis ihren Ursprung. Auch nach 1945 wurden hier Sport-, Jagd- und Komponenten für Militärwaffen gefertigt, wobei der Stasi die geheimpolizeiliche Durchdringung dieser nun volkseigenen Betriebe oblag. Dadurch bestanden beste Voraussetzungen für die Abteilung "Bewaffnung und Chemischer Dienst" (BCD) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), im damaligen DDR-Bezirk Suhl eine eigene Produktionsstätte aufzubauen. Dort wurde das Scharfschützengewehr 82 (SSG 82) entwickelt und gefertigt.
Die Unterabteilung "Produktion" der Abteilung BCD kooperierte eng mit den Mitarbeitern der Abteilung XVIII (Volkswirtschaft) der Suhler Bezirksverwaltung des MfS, die für die geheimpolizeiliche Überwachung des VEB FAJAS (Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Suhl) verantwortlich waren. Dabei übernahmen die Genossen der Suhler Abteilung XVIII alle anfallenden Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die das Gebäude betreten sollten. Die Suhler MfS-Mitarbeiter koordinierten auch den Einsatz Inoffizieller Mitarbeiter. Dabei ging es hauptsächlich um die Erkennung vermeintlicher "Verdachts- und Spionagehandlungen". Dessen ungeachtet, so schätzte die Unterabteilung "Produktion" ein, kam es regelmäßig vor, dass Betriebsangehörige des VEB FAJAS vielfach "Anspielungen in Bezug auf das Organ [also das MfS], der Geheimhaltung und anderen Dingen" äußerten. Die spezifische Aufgabenverteilung zwischen der Abteilung XVIII der Bezirksverwaltung Suhl und der Abteilung BCD waren durch diverse Grundsatzdokumente klar geregelt.
2.1.5. Erarbeitung einer jährlichen Einschätzung über den Stand der politisch-operativen Sicherung des genannten Personenkreises und erarbeiteten Hinweise auf gegnerische Pläne/Absichten, angewandte Mittel und Methoden, die sich gegen das Dienstobjekt der Abteilung Bewaffnung und Chemischer Dienst des MfS, Unterabteilung 3 im VEB Fajas richten.
2.2. Abteilung Bewaffnung und Chemischer Dienst des MfS, Unterabteilung 3
2.2.1. Auswahl der für die Durchführung von Kooperationsleistungen sowie für das Betreten des Dienstobjektes vorgesehenen Personen und deren Einreichung zur sicherheitspolitischen Überprüfung bei der Abteilung XVIII der BV Suhl unter Beachtung sicherheitspolitischer Erfordernisse, insbesondere der quantitativen Begrenzung.
2.2.2. Die Genehmigungen zum Betreten des Dienstobjektes bzw. Maßnahmen des operativ-fachlichen Zusammenwirkens sind erst dann zu erteilen bzw. durchzuführen, wenn im Ergebnis durchgeführter Sicherheitsüberprüfungen die Zustimmung des Leiters der Abteilung XVIII der BV Suhl gegeben wurde.
2.2.3. Gewährleistung eines lückenlosen Nachweises über den Aufenthalt MfS-fremder Personen im Dienstobjekt und Übergabe dementsprechender Übersichten (halbjährlich mit Stand vom 30.6. und 31.12. des laufenden Jahres) an die Abteilung XVIII der BV Suhl.
2.2.4. Sicherung eines ständigen Informationsflusses an die Abteilung XVIII der BV Suhl über getroffene Feststellungen zu Personen und Sachverhalten mit operativer Relevanz bezüglich von Versuchen einer zielgerichteten Informationsgewinnung zum Dienstobjekt sowie dort beschäftigten Angehörigen des MfS.
2.2.5. Gewährleistung der politisch-operativen Zusammenarbeit des Leiters der Abteilung XVIII der BV Suhl und des Leiters der Unterabteilung 3 der Abteilung Bewaffnung und Chemischer Dienst bei gewaltsamen Eindringen terroristischer Kräfte, im Havarie- und Brandfall, bei der Festnahme tatverdächtiger Personen, der Ursachenermittlung und der Sicherung von Dienstgeheimnissen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1972 entstanden durch Umbenennung und Profilierung der Abt. WuG (Waffen und Geräte). Aufgaben: Bereitstellung von Bewaffnung, Munition, chemischer Ausrüstung, ABC-Schutzausrüstung und Schutztechnik für die Diensteinheiten. Darüber hinaus Organisierung des Giftschutzes im waffentechnischen und im chemischen Dienst sowie des Strahlenschutzes.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, AGL, Nr. 75, Bl. 107-111
Die Abteilung "Bewaffnung und Chemischer Dienst" (BCD) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) stellte eigens für die Stasi-Mitarbeiter eine spezielle Waffe her – das Scharfschützengewehr 82 (SSG 82). Die Unterabteilung "Produktion" der BCD kooperierte dafür eng mit dem VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk "Ernst Thälmann", auf dessen Betriebsgelände die Waffen konstruiert und gefertigt wurden.
Der Thüringer Wald galt einst als Zentrum der deutschen Waffenindustrie. Namhafte Hersteller, wie Haenel, Krieghoff, Merkel, Sauer, Simson oder Walther hatten in der Region Suhl / Zella-Mehlis ihren Ursprung. Auch nach 1945 wurden hier Sport-, Jagd- und Komponenten für Militärwaffen gefertigt, wobei der Stasi die geheimpolizeiliche Durchdringung dieser nun volkseigenen Betriebe oblag. Dadurch bestanden beste Voraussetzungen für die Abteilung "Bewaffnung und Chemischer Dienst" (BCD) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), im damaligen DDR-Bezirk Suhl eine eigene Produktionsstätte aufzubauen. Dort wurde das Scharfschützengewehr 82 (SSG 82) entwickelt und gefertigt.
Die Unterabteilung "Produktion" der Abteilung BCD kooperierte eng mit den Mitarbeitern der Abteilung XVIII (Volkswirtschaft) der Suhler Bezirksverwaltung des MfS, die für die geheimpolizeiliche Überwachung des VEB FAJAS (Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Suhl) verantwortlich waren. Dabei übernahmen die Genossen der Suhler Abteilung XVIII alle anfallenden Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die das Gebäude betreten sollten. Die Suhler MfS-Mitarbeiter koordinierten auch den Einsatz Inoffizieller Mitarbeiter. Dabei ging es hauptsächlich um die Erkennung vermeintlicher "Verdachts- und Spionagehandlungen". Dessen ungeachtet, so schätzte die Unterabteilung "Produktion" ein, kam es regelmäßig vor, dass Betriebsangehörige des VEB FAJAS vielfach "Anspielungen in Bezug auf das Organ [also das MfS], der Geheimhaltung und anderen Dingen" äußerten. Die spezifische Aufgabenverteilung zwischen der Abteilung XVIII der Bezirksverwaltung Suhl und der Abteilung BCD waren durch diverse Grundsatzdokumente klar geregelt.
2.2.6. Gewährleistung des operativ-fachlichen Zusammenwirkens der Leiters der Unterabteilung 3 mit dem Leiter des Betriebsschutzkommandos der DVP im VEB Fajas auf der Grundlage einer abzuschließenden schriftlichen Vereinbarung unter Wahrung der Legende
- zur Lösung von Aufgaben der Außensicherung des Dienstobjektes in der täglichen Dienstdurchführung während und nach der Dienstzeit und
- im Falle von terroristischen Anschlägen, Havarien und Bränden.
Verteiler:
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1972 entstanden durch Umbenennung und Profilierung der Abt. WuG (Waffen und Geräte). Aufgaben: Bereitstellung von Bewaffnung, Munition, chemischer Ausrüstung, ABC-Schutzausrüstung und Schutztechnik für die Diensteinheiten. Darüber hinaus Organisierung des Giftschutzes im waffentechnischen und im chemischen Dienst sowie des Strahlenschutzes.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Inszenierte fiktive Sachverhalte und Vorwände, die bei bestimmten Personen gewünschte Verhaltensweisen auslösen und/oder das MfS in die Lage versetzen sollten, an bestimmte Informationen zu gelangen, wobei der nachrichtendienstliche Hintergrund der Vorgänge unerkannt bleiben sollte. Die Legende sollte glaubwürdig sein und auf realen, überprüfbaren Gegebenheiten beruhen. Je nach operativer Zielsetzung gab es die Reise-, Ermittlungs-, Gesprächs-, Kontakt-, Ausweich- und Rückzugslegenden.
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