Reiseantrag Wolf Biermanns an das DDR-Kulturministerium vom 19.09.1975
Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 16675, Bl. 274
Um an einer Solidaritätsveranstaltung für Opfer des spanischen Franco-Regimes teilnehmen zu können, stellte Wolf Biermann einen Reiseantrag beim DDR-Kulturministerium.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Drüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab.
Im Oktober 1975 wollte Biermann an einer Solidaritätsveranstaltung für Opfer des spanischen Franco-Regimes in Offenbach teilnehmen. Dazu stellte er beim zuständigen Kulturminister einen Reiseantrag.
Das DDR-Kulturministerium genehmigte die Reise und setzte den Liedermacher darüber telefonisch in Kenntnis. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war darüber jedoch verstimmt. Die SED-Spitze entschied diesen Konflikt zu Gunsten der Geheimpolizei und widerrief die Reisegenehmigung.
Metadaten
Wolf Biermann
104 Berlin
Chausseestr. 131
19.Sept.75
An den Minister für Kultur
Berlin
Molkenmarkt
Eing. 30. Sep 1975
3577 Ko
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
das Solidaritätskomitee für die spanischen Antifaschisten hat mich nach Frankfurt am Main eingeladen. Ich möchte dort in einem Monat, am 19. Oktober, in einer großen Protest-Veranstaltung gegen die jüngsten Terror-Urteile des Franco-Regimes auftreten.
Die Einladung von Jakob Moneta lege ich bei. Bitte betrachten Sie diesen Brief als eine Eingabe, dh lch bitte Sie, mir rechtzeitig mitzuteilen, ob mir diese Reise Gestattet wird, damit ich den Veranstaltern rechtzeitig eine Nachricht geben kann.
Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift: Wolf Biermann]