Signatur: BStU, MfS, AOP, Nr. 11806/85, Bd. 13, Bl. 361
Mit einer Reisesperre gegen Wolf Biermann wollte das SED-Regime Auftritte des Künstlers im westlichen Ausland verhindern.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Darüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab.
HA XX/7
Berlin, d. 22.10.71
Begründung
zur Aufrechterhaltung der Reisesperre
Es wird vorgeschlagen, die bestehende Reisesperre für alle sozialistischen und nichtsozialistischen Länder gegen
Biermann, Karl Wolf
15.11.1936 Hamburg
Berlin Chausseestr. 131
weiterhin aufrecht zu erhalten.
Biermann hat nach wie vor eine feindliche Grundhaltung zur Kulturpolitik und zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR.
Durch seine negativen und feindlichen Machwerke hilft er weiterhin in uneingeschränkter Foren als Exponent des Klassengegners auf.
Es ist notwendig die Sperre weiterhin aufrecht zu erhalten, zumal er sich bemüht engere Kontakte zu sowjetischen Intellektuellen zu suchen die gegen die Politik des KPdSU auftreten.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
Aufhebung der Reisesperre gegen Wolf Biermann vom 16.10. bis 22.10.1975 Dokument, 1 Seite
Reiseantrag Wolf Biermanns an das DDR-Kulturministerium vom 19.09.1975 Dokument, 1 Seite
Wolf Biermann bei der Ausreise am Grenzübergang Friedrichstraße 1 Fotografie
Reiseantrag Wolf Biermanns an das DDR-Kulturministerium vom 10. Oktober 1976 Dokument, 1 Seite