Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, AU, Nr. 206/53, Bd. 2, Bl. 66-67
Bereits im Vorfeld des 17. Juni 1953 schloss sich in Eckolstädt die Dorfbevölkerung zusammen, um gegen zu hohe Ablieferpflichten für die Landwirte zu protestieren. Der Pfarrer Edgar Mitzenheim und zwei weitere Dorfbewohner fuhren nach Berlin und übergaben ihre Resolution dem Landwirtschaftsministerium der DDR.
Am 17. Juni 1953 entlud sich der Unmut großer Teile der DDR-Bevölkerung über die SED-Herrschaft und der verschärfte Aufbau des Sozialismus. Waren es zunächst wirtschaftliche Forderungen, die die Menschen auf die Straße trieben, entwickelten sich die Demonstrationen an diesem Tag schnell zu einem Volksaufstand, in dessen Verlauf auch weitgehende politische Forderungen laut wurden.
Auf dem Land zeigte sich die Bevölkerung unzufrieden mit der Kollektivierung der Landwirtschaft und der Bildung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG). In dem Dorf Eckolstädt, sechs Kilometer südlich von Camburg und zehn Kilometer östlich von Apolda gelegen, wohnten 1953 nicht einmal 500 Menschen. Hier stürmten aufgebrachte Bürger am 17. Juni ein FDJ-Gebäude und verbrannten Propagandamaterialien. Ihr Hauptanliegen war es, vier inhaftierte Bauern ihrer Gemeinde zu befreien sowie das Ablieferungs-Soll für landwirtschaftliche Erträge zu senken. Die Protestbewegung war maßgeblich von Dorfpfarrer Edgar Mitzenheim organisiert worden. Er war hier seit 1922 im Dienst der Evangelischen Kirche tätig.
Am 18. Juni 1953 wurde Edgar Mitzenheim verhaftet. In dem vorliegenden Haftbefehl wird Mitzenheim der Boykotthetze sowie "Propaganda für den Nationalsozialismus" beschuldigt. In einem öffentlichen Prozess in Erfurt verhängte das Gericht am 18. Juli 1953 eine sechsjährige Zuchthausstrafe gegen Edgar Mitzenheim. Die drei Mitangeklagten erhielten Haftstrafen von zwei Jahren, einem Jahr bzw. sechs Monaten. Mehrfach setzten sich Kollegen von Mitzenheim und sein Bruder, der Bischof, für eine Herabsetzung der Strafe ein. Die zuständigen Stellen lehnten jedoch alle Anträge ab. Ende Juni 1956, drei Jahre vor Ablauf der Haftstrafe, kam Pfarrer Edgar Mitzenheim frei.
Am 15. Juni fuhren Pfarrer Mitzenheim und zwei weitere Vertreter des Dorfes nach Berlin. Beauftragt hatte sie dazu die Einwohnerversammlung. Zunächst gingen sie ins DDR-Landwirtschaftsministerium, um dem Minister ihre Resolution zu übergeben. Vier Bauern, die wegen Nichtablieferung der geforderten Menge landwirtschaftlicher Erträge verhaftet worden waren, kamen am 13. Juni wieder frei. Nun wollte die Dorfgemeinde drei weitere Bauern, die vor der drohenden Bestrafung in den Westen geflüchtet waren, zur Rückkehr auffordern und staatliche Eingriffe in deren Landwirtschaftsbetriebe unterbinden. Darüber hinaus war in dem Beschluss auch die Forderung enthalten, dass die SED-Regierung von allen öffentlichen Ämtern zurücktreten solle.
[handschriftliche Ergänzung: Resolution]
1) Nachdem die vier inhaftierten Bauern unseres Dorfes, [manuell rot unterstrichen: die unverschuldet in Not geraten waren,] heute aus der Haft heimgekehrt sind, sind die drei weitern Bauern, die unter dem Druck der bestandenen Rechtsunsicherheit schwersten Herzens ihre seit Jahrhunderten in Familienbesitz befindlichen Höfe verlassen haben, von der gesamten Gemeinde zur Rückkehr aufzufordern. Jeglicher Eingriff in ihre Wirtschaften und ihr sonstiges Eigentum hat zu unterbleiben. Jeder der drei Wirtschaften ist sofort ein Aufsichtsführender aus den Reihen der ortsansässigen Bauernschaft zuzuteilen, damit die fachlich richtige Fortführung der Wirtschaften bis zur Rückkehr der Eigentümer gewährleistet wird.
2) [manuell rot unterstrichen: Diejenigen Personen, die die Fehler der SED und der Regierung örtlich propagiert, mitgemacht und gefördert, also die katastrphale Lage in unserem Dorf mitverschuldet, dadurch die Arbeitsfreudigkeit aller unserer Werktätigen gelähmt und die Panikstimmung im Fort verursacht haben, haben sofort aus allen öffentlichen Ämtern und Posten auszuscheiden. Wir bitten unsere Ortsbürger, auch diesen Personen gegenüber nicht Böses mit Bösem zu vergelten.
Doch können wir auch bei bester Kenntnis der Stimmung im Dorf nicht übersehen, was für Früchte unversehens der Hass zeitigen kann, den diese Personen jahrelang als Giftsaat ausgestreut haben.]
[Dieser Absatz wurde handschriftlich anteilig markiert.]
3) Da die Gemeindevertretung durch den Ausschluss dieser drei Personen, sowie durch das frühere Ausscheiden dreier weiterer Koll. und durch das angekündigte Ausscheide des Vorsitzenden arbeitsunfähig wird, ist sofort eine kommissarische Gemeindevertretung neu zu bilden. Ihr dürfen nur Vertreter angehören, die das Vertrauen der gesamten Einwohnerschaft besitzen, gegen die gemachten Fehler aufgetreten und bereit sind, sie schnellstens wieder gutzu machen und Recht und Gerechtigkeit wieder herzustellen.
Die Parteizugehörigkeit der neu zu bestellenden Gemeindevertreter ist unwichtig, entscheidend ist der Wille zur Mitarbeit auf dem neuen Weg.
4) Es ist ferner sofort ein neuer Bürgermeister durch die neue Gemeindevertretung zu berufen. Er ist den Reihen der ortsansässigen Bauernschaft zu entnehmen, da seine Hauptaufgabe in der Wiedergutmachung des der Bauernschaft zugefügten Unrechts besteht, wozu innigstes Vertrautsein mit den örtlichen landwirtschaftlichen Verhältnissen unbedingt erforderlich ist.
[unleserlich]) Die Hauptlast der Volksernährung ist bisher immer von den Einzel-Bauern getragen worden. Allein ihrem Fleiß und ihrer Treue zur Scholle ist es zu verdanken, daß sich die Versorgung der Bevölkerung seit 1945 dauernd gebessert hat, [manuell rot unterstrichen: Tortzdem wurden die Einzelbauern gegenüber den VEGern und neuerdings gegenüber den LPGen hinsichtlich der Ablieferungsnormen, Düngerzuteilung, Kreditgewährung, Steuerveranlagung usw. schwerstens benachteiligt.] Wir fordern ab sofort die unbedingte Gleichberechtigung aller landwirtschaftlichen Betriebsformen. [manuell rot unterstrichen: Die Ablieferungsnormen dürfen] in Zukunft er dann festgelegt werden, [manuell rot unterstrichen: wenn sich der Ernteertrag übersehen läßt,] und müssen so berechnet werden, daß der Eigenbedarf der einzelenen Wirtschaft gesichert bleibt.
6) Die VdgB. ist zu einer [manuell rot unterstrichen: wirklichen bäuerlichen Berufsvertretung] oder besser gesagt: zu einer Bauerngewerkschaft umzubilden, die die Belange der freien Bauern gegenüber allen Stellen, auch gegenüber dem Staat zu vertreten hat. Leute vom Schlage des Herrn [manuell rot unterstrichen: Schosnig-Apolda, deren Tätigkeit nur auf die Zerschlagung des freien Bauernstandes gerichtet war,] sind sofort aus der VdgB. zu entfernen und durch bäuerliche oder wenigstens Bauernverbundene
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Der schriftliche richterliche Haftbefehl bildete die Grundlage für eine reguläre Verhaftung (§ 114 StPO/1949; § 142 StPO/1952; § 124 StPO/1968). Beschuldigte oder Angeklagte mussten unverzüglich, spätestens am Tage nach ihrer Ergreifung dem zuständigen Gericht vorgeführt werden (§§ 114 b, 128 StPO/1949; §§ 144, 153 StPO/1952; § 126 StPO/1968) – vor allem in den frühen 50er Jahren wurde diese Frist vom MfS teilweise überschritten und der Zeitpunkt der Festnahme entsprechend geändert. Auch wurden die Festgenommenen nicht bei Gericht vorgeführt, die vom MfS ausgewählten Haftrichter kamen zur Ausstellung des Haftbefehls in die Untersuchungshaftanstalten.
Rechtliche Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls waren ein dringender Tatverdacht und ein gesetzlich definierter Haftgrund, z. B. Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949; § 141 StPO/1952; § 122 StPO/1968) sowie während des Ermittlungsverfahrens ein Antrag des Staatsanwaltes; im Hauptverfahren konnte das Gericht auch ohne Antrag einen Haftbefehl erlassen. Laut einer Richtlinie des Obersten Gerichts der DDR vom 17.10.1962 lag ein Haftgrund auch vor bei "Verbrechen im Auftrag feindlicher Agenturen, bei konterrevolutionären Verbrechen" und "bei anderen schweren Verbrechen".
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, AU, Nr. 206/53, Bd. 2, Bl. 66-67
Bereits im Vorfeld des 17. Juni 1953 schloss sich in Eckolstädt die Dorfbevölkerung zusammen, um gegen zu hohe Ablieferpflichten für die Landwirte zu protestieren. Der Pfarrer Edgar Mitzenheim und zwei weitere Dorfbewohner fuhren nach Berlin und übergaben ihre Resolution dem Landwirtschaftsministerium der DDR.
Am 17. Juni 1953 entlud sich der Unmut großer Teile der DDR-Bevölkerung über die SED-Herrschaft und der verschärfte Aufbau des Sozialismus. Waren es zunächst wirtschaftliche Forderungen, die die Menschen auf die Straße trieben, entwickelten sich die Demonstrationen an diesem Tag schnell zu einem Volksaufstand, in dessen Verlauf auch weitgehende politische Forderungen laut wurden.
Auf dem Land zeigte sich die Bevölkerung unzufrieden mit der Kollektivierung der Landwirtschaft und der Bildung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG). In dem Dorf Eckolstädt, sechs Kilometer südlich von Camburg und zehn Kilometer östlich von Apolda gelegen, wohnten 1953 nicht einmal 500 Menschen. Hier stürmten aufgebrachte Bürger am 17. Juni ein FDJ-Gebäude und verbrannten Propagandamaterialien. Ihr Hauptanliegen war es, vier inhaftierte Bauern ihrer Gemeinde zu befreien sowie das Ablieferungs-Soll für landwirtschaftliche Erträge zu senken. Die Protestbewegung war maßgeblich von Dorfpfarrer Edgar Mitzenheim organisiert worden. Er war hier seit 1922 im Dienst der Evangelischen Kirche tätig.
Am 18. Juni 1953 wurde Edgar Mitzenheim verhaftet. In dem vorliegenden Haftbefehl wird Mitzenheim der Boykotthetze sowie "Propaganda für den Nationalsozialismus" beschuldigt. In einem öffentlichen Prozess in Erfurt verhängte das Gericht am 18. Juli 1953 eine sechsjährige Zuchthausstrafe gegen Edgar Mitzenheim. Die drei Mitangeklagten erhielten Haftstrafen von zwei Jahren, einem Jahr bzw. sechs Monaten. Mehrfach setzten sich Kollegen von Mitzenheim und sein Bruder, der Bischof, für eine Herabsetzung der Strafe ein. Die zuständigen Stellen lehnten jedoch alle Anträge ab. Ende Juni 1956, drei Jahre vor Ablauf der Haftstrafe, kam Pfarrer Edgar Mitzenheim frei.
Am 15. Juni fuhren Pfarrer Mitzenheim und zwei weitere Vertreter des Dorfes nach Berlin. Beauftragt hatte sie dazu die Einwohnerversammlung. Zunächst gingen sie ins DDR-Landwirtschaftsministerium, um dem Minister ihre Resolution zu übergeben. Vier Bauern, die wegen Nichtablieferung der geforderten Menge landwirtschaftlicher Erträge verhaftet worden waren, kamen am 13. Juni wieder frei. Nun wollte die Dorfgemeinde drei weitere Bauern, die vor der drohenden Bestrafung in den Westen geflüchtet waren, zur Rückkehr auffordern und staatliche Eingriffe in deren Landwirtschaftsbetriebe unterbinden. Darüber hinaus war in dem Beschluss auch die Forderung enthalten, dass die SED-Regierung von allen öffentlichen Ämtern zurücktreten solle.
Menschen zu ersetzen, die sich bewußt sind, daß Bauernot Volkes Tod bedeutet.
7) Bei allen künftigen Überprüfungen bäuerlicher Wirtschaften - ganz gleich zu welchem Zweck und von wem sie geschehen - sind stets die gewählten Vertreter der örtlichen VdgB. als der bäuerlichen Berufsvertretung zuzuziehen. [manuell rot unterstrichen: Jeder Betriebführer hat das Recht, Kommissionen und Einzelpersonen vom Hofe zu weisen, die ohne Zuziehung der örtlichen Bauernvertreter Überprüfungen vorzunehmen beabsichtigen.]
8) Wir haben am Ort Betriebe, die über kein Pfund Futterhafer mehr verfügen, Der in der BHG lagernde Hafer ist sofort freizugeben und durch den Ortsvorstand der VdgB. an futterarme Betriebe zu verteilen, bzw. falls er nicht ausreicht, umgehend neu anzufordern und zu verteilen.
9) Infolge der ungerechten Bevorzugung der VEGer und LPGen fehlen unseren Einzelbauern - im letzten Monat des Düngerjahres 1952/53 - bei Stickstoff noch 30% bei Phosphorsäure sogar noch 67% ihrer Bezugsansprüche.[manuell rot unterstrichen: Es müssen 2 bis 3 Ladungen Stickstoff sofort ausgeliefert werden,] damit sie noch als Kopfdünger Verwendung finden können. Die bisherigen Bemühungen der BHG um Lieferung dieser Mengen sind vergeblich gewesen.
10) [manuell rot unterstrichen: Durch das Selbsteingeständnis der schweren Fehler. die unserem Volk und Staat ungeheuren Schafen zugefügt haben, hat die derzzeitige Regierung der DDR sich selbst das Vertrauen im Volke entzogen. Demokratischer Gesetzlichkeit zufolge, muß sie sofort zurücktreten und als letzte Amtshandlung Neuwahlen zur Volkskammer bis herunter zu den Gemeindevertretungen binnen gesetzlich kürzestmöglicher Frist ausschreiben. Der wahre Wille] des Volkes aber, von dem laut Artikel 3 der Verfassung alle Gewalt ausgeht, kann nur [manuell rot unterstrichen: durch eine wirkliche Wahl festgestellt werden, das heist, durch eine Wahl, bei der es wirklich etwas zu wählen gibt,] bei der die einzelnen Parteien und Organisationen mit getrennten Wahlvorschlägen auftreten, die miteinander verbunden werden können, für deren einen sich der Wähler durch seine Stimmabgabe entscheidet.
Trotzdem braucht keine Wahlkampf stattzufinden. Das deutsche Volk in der DDR ist aufgeklärt mehr als genug. [manuell rot unterstrichen: Nur durch eine solche demokratische Wahl werden wir zu einer demokratischen, das heisst, vom Vertrauen der Mehrheit des Volkes getragen Regierung] und damit der Wiedervereinigung Deutschlands einen großen Schritt näher kommen.
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Der schriftliche richterliche Haftbefehl bildete die Grundlage für eine reguläre Verhaftung (§ 114 StPO/1949; § 142 StPO/1952; § 124 StPO/1968). Beschuldigte oder Angeklagte mussten unverzüglich, spätestens am Tage nach ihrer Ergreifung dem zuständigen Gericht vorgeführt werden (§§ 114 b, 128 StPO/1949; §§ 144, 153 StPO/1952; § 126 StPO/1968) – vor allem in den frühen 50er Jahren wurde diese Frist vom MfS teilweise überschritten und der Zeitpunkt der Festnahme entsprechend geändert. Auch wurden die Festgenommenen nicht bei Gericht vorgeführt, die vom MfS ausgewählten Haftrichter kamen zur Ausstellung des Haftbefehls in die Untersuchungshaftanstalten.
Rechtliche Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls waren ein dringender Tatverdacht und ein gesetzlich definierter Haftgrund, z. B. Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949; § 141 StPO/1952; § 122 StPO/1968) sowie während des Ermittlungsverfahrens ein Antrag des Staatsanwaltes; im Hauptverfahren konnte das Gericht auch ohne Antrag einen Haftbefehl erlassen. Laut einer Richtlinie des Obersten Gerichts der DDR vom 17.10.1962 lag ein Haftgrund auch vor bei "Verbrechen im Auftrag feindlicher Agenturen, bei konterrevolutionären Verbrechen" und "bei anderen schweren Verbrechen".
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.