Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 17059, Bl. 48-50
Im November 1970 lieferten sich an der US-Luftwaffenbasis in Ramstein drei Mitglieder der "Black Panther Party" einen Schusswechsel mit einem deutschen Wachmann der Basis. Einer der Angreifer konnte fliehen – und setzte sich mit Hilfe der Stasi nach Algerien ab.
An der US-amerikanischen Militärflugbasis in Ramstein ereignete sich am 19. November 1970 ein bewaffneter Zwischenfall: Drei Mitglieder der Black Panther Party, einer revolutionär-sozialistischen Bewegung für die Rechte von Schwarzen in den USA, lieferten sich mit einem deutschen Wachposten im Einfahrtsbereich einen Schusswechsel. Der Wachmann wurde verletzt, die Black Panther-Mitglieder flohen. Ein Suchtrupp fasste zwei von ihnen. Einem dritten Mitglied der Gruppe, dem ehemaligen amerikanischen Soldaten David Jenkins, gelang die Flucht. Mit Hilfe von zwei westdeutschen Unterstützern der Black Panther-Bewegung sollte Jenkins mit dem Auto in die DDR gebracht und von dort über den Ost-Berliner Flughafen Schönefeld nach Algerien fliegen.
Zwei Tage später entdeckten Stasi-Mitarbeiter am Grenzübergang Helmstedt/Marienborn bei der Passkontrolle Jenkins im Kofferraum eines Frankfurter PKWs. Zu Befragungen brachte die Stasi alle drei in das konspirative Objekt "Loburg". Die Stasi-Bezirksverwaltung in Magdeburg registrierte die beteiligten Personen in ihrem Karteikartensystem und meldete das "Vorkommnis" wenige Stunden später mit dem Zusatz "dringend" an die Zentrale nach Berlin. Ab diesem Zeitpunkt behandelte die Stasi den Fall auf Leitungsebene. Stimmten die geschilderten Hintergründe des Vorfalls? Unter welchen Voraussetzungen wäre ein Ausflug nach Algerien möglich? Und welche Konsequenzen seien zu befürchten, sollte die Fluchthilfe öffentlich werden? Bis ins kleinste Detail gaben Mitarbeiter Vorlagen und Sachstände zum Fall "Schwarzer Panther" an ihre jeweiligen Leiter weiter.
Über drei Wochen wartete der US-Amerikaner auf die Entscheidung über seine Zukunft. Verzögert hatte sich der Prozess auch, da dieser bei seiner Flucht Verletzungen davongetragen hatte. Erst in der zweiten Dezemberwoche unterschrieb Minister Erich Mielke persönlich die letztendliche Entscheidungsvorlage, in der Oberst Fiedler empfahl, "dem Jenkins die Ausreise nach Algerien zu gestatten."
Der Flug von Schönefeld nach Algier erfolgte laut Unterlagen "ohne Zwischenfälle" am 13. Dezember 1970. Die DDR-Geheimpolizei hatte damit einem in Westdeutschland straffällig gewordenen Mitglied der Black Panther Party geholfen, sich dem Zugriff der Gerichte in der Bundesrepublik zu entziehen und unbemerkt Europa zu verlassen. Die beiden gefassten Mittäter verurteilte ein Gericht in Zweibrücken im Juli 1971 zu Geld- bzw. Gefängnisstrafen. In der Öffentlichkeit blieb die Identität der dritten Person bis zur Öffnung der Stasi-Unterlagen unbekannt.
[Handschriftliche Ergänzung: unleserlich; VE/596/70]
Hauptabteilung VI
Linie Paßkontrolle
Stellv. Operativ
Berlin, 26. November 1970
Hauptabteilung VI
Leiter
im Hause
Sachstand zum operativen Material "Schwarzer Panther"
Bisher erbrachten die bei der Abteilung Agitation und Bereich III durchgeführten Maßnahmen und Überprüfungen keine Bestätigung der von den Personen Jenkins, Schauer und [anonymisiert] zur bewaffneten Auseinandersetzung am Flughafen Ramstein/Pfalz gemachten Angaben. Hinweise in den Aussagen der angeführten Personen, die Verdachtsmomente für eine Provokation enthalten, können jedoch mit gegenwärtigen Mitteln nicht endgültig geklärt werden.
Die Überprüfung durch den Leiter des Büros der Leitung (II) ergab, daß der westdeutsche Bürger Schauer bekannt ist. Er hat in der Vergangenheit an mehreren Aktionen des SDS teilgenommen und soll eine linksradikale Haltung einnehmen. Dieser Haltung entsprechen [durchgestrichen: d] auch Handlungen des Schauer, die in der Vergangenheit von ihm durchgeführt wurden.
Weiter sind die im Bericht genannten Brüder Wolff als ehemalige Mitglieder und Funktionäre des SDS bekannt. Negativ sind sie bisher nicht angefallen.
Die im Bericht genannte [anonymisiert] ist nicht bekannt.
Beim ZK der Partei, dem Zentralrat der FDJ oder anderen Stellen, zu denen das Büro der Leitung (II) Verbindung unterhält, wurden keine Nachfragen nach dem Verbleib des Jenkins gehalten.
Das Büro der Leitung (II) ist darüber hinaus informiert, daß am 29.11.1970 mit der Maschine der Interflug nach Algier bis jetzt keine Meldung zur Teilnahme am Flug durch Funktionäre der Partei und der FDJ vorliegen.
Diese Information wurde durch eine Überprüfung bei der Buchungsstelle der Interflug, Zentralflughafen Berlin-Schönefeld bestätigt.
Hauptabteilung VI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel)
Die Hauptabteilung VI befasste sich mit dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr. Sie wurde 1970 durch Fusion der Arbeitsgruppen "Passkontrolle und Fahndung" und "Sicherung des Reiseverkehrs" sowie der Zoll-Abwehr (Überwachung der Zoll-Mitarbeiter) gebildet. Die Hauptabteilung VI hatte an den Grenzübergängen der DDR die Reisenden zu kontrollieren und abzufertigen. Deshalb waren die DDR-Passkontrolleure hauptamtliche Mitarbeiter der Hauptabteilung VI. Zur Tarnung trugen sie Uniformen der Grenztruppen. Zunächst war 1950 die Grenzpolizei mit der Grenzabfertigung beauftragt worden.
Bei der Hauptabteilung VI wurden die Daten der Einreisenden einer ersten Analyse unterzogen, um politisch-operativ interessante Personen herauszufiltern. Die Grenzkontrolle umfasste für die Hauptabteilung VI auch die Überwachung der westlichen Grenzkontrollstellen, in Westberlin auch die der Flughäfen Tegel und Tempelhof sowie der Polizei und des Grenzzolldienstes. Zum Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI gehörte die lückenlose Überwachung der Transitstrecken von und nach Westberlin. Bei ihr liefen Avisierungen für bevorzugte Grenzabfertigungen zusammen.
1970 übernahm sie von der Hauptabteilung XX/5 die Aufgabe, Fluchtversuche zu unterbinden und Fluchthelfer im Westen zu verfolgen, was 1975/76 zu Teilen an die Zentrale Koordinierungsgruppe überging (Republikflucht). Die Hauptabteilung VI überwachte touristische Einrichtungen in der DDR, darunter die Reisebüros und die Interhotels. Ebenso kontrollierte sie DDR-Bürger bei ihren Reisen ins sozialistische Ausland, um Kontakte zu westlichen Staatsbürgern und Fluchtversuche ggf. zu unterbinden.
Die Operativgruppen des MfS in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien waren ihr von 1970 bis 1989 unterstellt. 1989 gab sie deren Leitung an die Hauptabteilung II (HA II) ab. Im Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI wurden 1979–1981 drei Mordanschläge auf den Fluchthelfer Wolfgang Welsch durchgeführt, die dieser nur knapp überlebte.
Charakteristisch für die Hauptabteilung VI war die enge Kooperation mit vielen MfS-Diensteinheiten und anderen Institutionen wie Grenztruppen und Zoll, da im Bereich der Hauptabteilung VI eine Vielzahl von relevanten Erstinformationen und Daten zusammenkam. 1985 führte die Hauptabteilung VI 1.064 IM, darunter 67 West-IM, von denen 62 in Westberlin lebten.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Für Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit zuständige zentrale Diensteinheit, 1955 aus der Abteilung Allgemeines ausgegründet. Sie sorgte für die Erarbeitung von Ausstellungen, Printpublikationen und Filmen zur Tätigkeit des MfS sowie für die Platzierung solcher Themen in den DDR-Medien. Die Abt. stand unter der Leitung von Gustav Borrmann (1955–1957), Günter Halle (1957–1975) und Helmut Bechert (1975–1985). Sie verfügte 1960 über 26, 1970 über 69 und 1985 über 76 Mitarbeiter. 1972–1983 war der Arbeitsbereich, der für die Zusammenarbeit mit betrieblichen Arbeitskollektiven, Schulen und Grenzgemeinden sowie die sog. Patenschaftsarbeit zuständig war, unter der Leitung von Gerhard Kehl als Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen (AÖV) zeitweise ausgegliedert. 1985 wurde der Aufgabenbereich der Abteilung als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Bevor sich Anfang der 80er Jahre der Begriff Öffentlichkeitsarbeit, zumeist als Begriffspaar Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit (ÖTA), durchsetzte, wurde dieses Tätigkeitsfeld im MfS als Agitation bezeichnet. Im Verlauf der MfS-Geschichte nahm sie unterschiedliche Ausprägungen an. Ihren Höhepunkt erlebte sie in den 50er und 60er Jahren, später reduzierte sich ihre Bedeutung deutlich.
Schon die Gründung des MfS wurde von einer Medienkampagne gegen westliche "Saboteure und Agenten" begleitet. 1954 wurde für die Öffentlichkeitsarbeit ein eigenes Referat in der für Verwaltungsaufgaben zuständigen Abteilung Allgemeines eingerichtet, das 1955 als selbständige Abteilung Agitation ausgelagert wurde. Der Bereich wurde nach außen als Pressestelle oder Presseabteilung bezeichnet, seine Leiter traten in den 50er und 60er Jahren auch als Pressesprecher des MfS auf. 1985 wurde der Bereich umorganisiert und als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert. In den Bezirksverwaltungen und Hauptabteilungen des Ministeriums lag die Zuständigkeit für die Öffentlichkeitsarbeit bei einzelnen Stabsoffizieren, die nach Einrichtung der AKG 1978/79 diesem Bereich zugeordnet waren. Aufgaben einer wirklichen Pressestelle erfüllte der Agitationsbereich nur begrenzt. Die Medien wurden vom MfS nur sehr restriktiv informiert, aber umso intensiver instrumentalisiert. Es ging primär um Popularisierung der Arbeit der Staatssicherheit; die Abwehr gegnerischer Angriffe stand thematisch im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit Konkrete Angaben zum eigenen Apparat, etwa zu Mitarbeiterzahlen, Aufbau und Arbeitsweise wurden grundsätzlich nicht in die Öffentlichkeit gegeben.
Wie kaum ein anderes Tätigkeitsfeld der Staatssicherheit war die Öffentlichkeitsarbeit in der Ulbricht-Ära unmittelbar in die entsprechenden Aktivitäten des zentralen Parteiapparates der SED (Abteilungen Agitation und Propaganda des ZK, Agitationskommission des ZK) eingebunden. Auch die Beziehungen zu anderen staatlichen Akteuren, etwa dem Amt für Information oder der Generalstaatsanwaltschaft, waren vorrangig offizieller Natur. Der Einsatz von IM oder OibE spielte in diesem Bereich eine untergeordnete Rolle. Eine prominente Ausnahme war der Publizist Julius Mader, der von 1962 bis 1989 OibE des MfS-Agitationsbereichs war und mit seinen geheimdienstspezifischen Büchern (z. B. Nicht länger geheim, 1966; Who’s who in CIA, 1968) durchaus Breitenwirkung erzielte. In den 50er Jahren konzentrierte sich die MfS-Agitation darauf, "Diversanten", "Spione" und ihre westlichen "Hintermänner" anzuprangern. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde ab 1953 im Rahmen der Strategie der "Konzentrierten Schläge" erheblich intensiviert. Große Verhaftungsaktionen mit den Codenamen "Feuerwerk" (1953), "Pfeil" (1954) und "Blitz" (1955), die jeweils zu Hunderten von Festnahmen führten, wurden mit Pressekonferenzen beendet. Hierbei wurden auch "reumütige" Agenten vorgeführt, bei denen es sich zumeist um abgezogene IM der Staatssicherheit handelte. Außerdem gehörten Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und der Kino-Wochenschau ebenso dazu wie Ausstellungen und Vorträge von hohen MfS-Kadern in Betriebsversammlungen.
Ab Ende der 50er Jahre konzentrierten sich die Öffentlichkeitsarbeit des MfS auf die elektronischen Medien und den Film. Besonders erfolgreich war der vom MfS inspirierte und 1963 gedrehte Spielfilm "For eyes only" über die spektakuläre Entwendung einer Agentenkartei aus der Würzburger Dienststelle des amerikanischen Militärgeheimdienstes MID durch den "Kundschafter" Horst Hesse. In den 60er Jahren hatte die Öffentlichkeitsarbeit des MfS in erster Linie Westdeutschland im Blick und arbeitete hierbei mit dem Agitationsapparat des ZK der SED zusammen. In Publikationen und auf internationalen Pressekonferenzen unter dem Vorsitz von Politbüromitglied Albert Norden wurden Themen wie die Aufrüstung der Bundeswehr oder die Nazivergangenheit bundesdeutscher Funktionsträger angeprangert. Diese Kampagnen waren vor allem dann wirkungsvoll, wenn es gelang, auf konspirativem Wege einschlägige Nachrichten in westlichen Medien zu platzieren. Außerdem organisierte das MfS zu dieser Zeit die massenhafte Einschleusung von Propagandaschriften in die Bundesrepublik. Als sich die DDR-Führung mit dem SED-Parteitag 1967 auch offiziell von der gesamtdeutschen Perspektive verabschiedete, wandte sich auch die MfS-Agitation mehr DDR-internen Themen zu. Vorrangige Ziele waren jetzt die Stärkung der "Massenwachsamkeit" und die Pflege des "Vertrauensverhältnisses" zwischen Bevölkerung und MfS.
In der Phase der Entspannungspolitik veränderte sich der Charakter der Öffentlichkeitsarbeit beträchtlich. Mediale Angriffe auf die Bundesrepublik ließen stark nach. Künstlerische und journalistische Projekte des Agitationsbereichs, etwa zur "BRD-Menschenrechtsdemagogie" oder zur Übersiedlungsproblematik, erhielten von der politischen Führung kein grünes Licht mehr, weil sie nicht in die Politik der internationalen Normalisierung passten oder an tabuisierten innenpolitischen Problemen rührten. Die Medienpräsenz von MfS-Themen ging stark zurück. Ausnahmen blieben in den 70er Jahren die beiden großen, vom MfS inspirierten Fernsehfilmserien "Das unsichtbare Visier" (mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle) und "Rendezvous mit Unbekannt", die sich mit politisch unbedenklichen Sujets, der Auslandsspionage und der Frühzeit des MfS, befassten. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkte sich ansonsten auf ADN-Meldungen zu Kleinereignissen, wie z. B. dem "Missbrauch von Transitwegen" durch Fluchthelfer. Ab Mitte der 80er Jahre beklagten die Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit im MfS die mangelnde Verwertbarkeit von internen Ermittlungsergebnissen und die abnehmende Bereitschaft von Autoren, mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten.
Die Öffentlichkeitsarbeit konzentrierte sich ab Mitte der 70er Jahre vorrangig auf die Traditions- und Patenschaftsarbeit im direkten Kontakt mit Arbeitskollektiven und Schulen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Traditionspflege war aber auch nach innen, auf den eigenen Apparat, und auf andere bewaffnete Organe ausgerichtet. Diese sehr begrenzten Personenkreise erhielten Zugang zu Ausstellungen im sog. Informationszentrum des MfS in Berlin-Mitte und zu Broschüren mit den klassischen Geheimdienstthemen wie "CIA und BND", "Zersetzung der DDR-Jugend" oder "Tätigkeit des MfS gegen innere und äußere Feinde". Wie selbst eine interne Forschungsarbeit von 1989 bilanziert, scheiterte die Staatssicherheit in den 80er Jahren mit ihrem Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit die Verbundenheit der Bevölkerung mit dem MfS zu fördern.
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Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 17059, Bl. 48-50
Im November 1970 lieferten sich an der US-Luftwaffenbasis in Ramstein drei Mitglieder der "Black Panther Party" einen Schusswechsel mit einem deutschen Wachmann der Basis. Einer der Angreifer konnte fliehen – und setzte sich mit Hilfe der Stasi nach Algerien ab.
An der US-amerikanischen Militärflugbasis in Ramstein ereignete sich am 19. November 1970 ein bewaffneter Zwischenfall: Drei Mitglieder der Black Panther Party, einer revolutionär-sozialistischen Bewegung für die Rechte von Schwarzen in den USA, lieferten sich mit einem deutschen Wachposten im Einfahrtsbereich einen Schusswechsel. Der Wachmann wurde verletzt, die Black Panther-Mitglieder flohen. Ein Suchtrupp fasste zwei von ihnen. Einem dritten Mitglied der Gruppe, dem ehemaligen amerikanischen Soldaten David Jenkins, gelang die Flucht. Mit Hilfe von zwei westdeutschen Unterstützern der Black Panther-Bewegung sollte Jenkins mit dem Auto in die DDR gebracht und von dort über den Ost-Berliner Flughafen Schönefeld nach Algerien fliegen.
Zwei Tage später entdeckten Stasi-Mitarbeiter am Grenzübergang Helmstedt/Marienborn bei der Passkontrolle Jenkins im Kofferraum eines Frankfurter PKWs. Zu Befragungen brachte die Stasi alle drei in das konspirative Objekt "Loburg". Die Stasi-Bezirksverwaltung in Magdeburg registrierte die beteiligten Personen in ihrem Karteikartensystem und meldete das "Vorkommnis" wenige Stunden später mit dem Zusatz "dringend" an die Zentrale nach Berlin. Ab diesem Zeitpunkt behandelte die Stasi den Fall auf Leitungsebene. Stimmten die geschilderten Hintergründe des Vorfalls? Unter welchen Voraussetzungen wäre ein Ausflug nach Algerien möglich? Und welche Konsequenzen seien zu befürchten, sollte die Fluchthilfe öffentlich werden? Bis ins kleinste Detail gaben Mitarbeiter Vorlagen und Sachstände zum Fall "Schwarzer Panther" an ihre jeweiligen Leiter weiter.
Über drei Wochen wartete der US-Amerikaner auf die Entscheidung über seine Zukunft. Verzögert hatte sich der Prozess auch, da dieser bei seiner Flucht Verletzungen davongetragen hatte. Erst in der zweiten Dezemberwoche unterschrieb Minister Erich Mielke persönlich die letztendliche Entscheidungsvorlage, in der Oberst Fiedler empfahl, "dem Jenkins die Ausreise nach Algerien zu gestatten."
Der Flug von Schönefeld nach Algier erfolgte laut Unterlagen "ohne Zwischenfälle" am 13. Dezember 1970. Die DDR-Geheimpolizei hatte damit einem in Westdeutschland straffällig gewordenen Mitglied der Black Panther Party geholfen, sich dem Zugriff der Gerichte in der Bundesrepublik zu entziehen und unbemerkt Europa zu verlassen. Die beiden gefassten Mittäter verurteilte ein Gericht in Zweibrücken im Juli 1971 zu Geld- bzw. Gefängnisstrafen. In der Öffentlichkeit blieb die Identität der dritten Person bis zur Öffnung der Stasi-Unterlagen unbekannt.
Nach einer Mitteilung des Leiters der Abteilung VI Magdeburg, Genossen Major Ziegenhorn, befindet sich der Jenkins weiterhin im Objekt Loburg und ist noch in ärztlicher Behandlung. Am 26.11.1970 wird der Arzt die Binden von den Füßen entfernen, so daß Jenkins am 27.11.1970 wieder Schuhe tragen könnte. Major Ziegenhorn machte weiter davon Mitteilung, daß der Zustand der Bekleidung des Jenkins äußerst mangelhaft ist. Zum Beispiel kann er die Schuhe, die er im Besitz hat, nicht mehr benutzen. Seine Unterwäsche, Strümpfe usw. sind dermaßen alt und verschmutzt, daß er sie unter normalen Umständen nicht mehr tragen kann.
Eine Überprüfung auf dem Zentralflughafen Berlin-Schönefeld ergab, daß nachfolgende Verbindungen zwischen Berlin und Algier bestehen:
Freitag und Sonnabend bestehen bei Benutzung sozialistischer Fluggesellschaften keine Möglichkeiten, um nach Algier zu kommen.
Der Preis für einen Flug vom Zentralflughafen Berlin-Schönefeld nach Algier beträgt 407,-- Mark West.
Zur Vorbereitung, Durchführung und Sicherung der Ausschleusung des Jenkins aus der DDR werden nachfolgende Maßnahmen vorgeschlagen:
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Vorgangsart von 1953 bis 1960. In Beobachtungsvorgängen wurden Personen erfasst, die als potenziell oder tatsächlich politisch unzuverlässig oder feindlich eingestellt galten und daher vorbeugend beobachtet wurden. Dazu gehörten etwa ehemalige NS-Funktionsträger, ehemalige Sozialdemokraten, Teilnehmer an den Aktionen des 17. Juni 1953 sowie Personen, die aus dem Westen zugezogen waren. Die Vorgangsart verlor nach und nach an Bedeutung. 1960 gingen noch bestehende Beobachtungsvorgänge in den zugehörigen Objektvorgängen auf. Der Beobachtungsvorgang war zentral in der Abteilung XII zu registrieren, die betroffenen Personen in der zentralen Personenkartei F 16 zu erfassen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Bericht zur erfolgten Ausreise eines Aktivisten der "Black Panther Party" über den Flughafen Schönefeld Dokument, 2 Seiten
Entscheidungsvorlage für Erich Mielke zum Vorgang "Schwarzer Panther" Dokument, 5 Seiten
Hinweiskartei zur "Einreise von BRD-Bürgern im grenznahen Bereich" der Abteilung VI zu David Jenkins Dokument, 4 Seiten
Anlagekarte mit Bildern zum Arbeitsvorgang "Schwarzer Panther" Dokument, 5 Seiten