Schlussbericht zum Untersuchungsvorgang gegen zwei Arbeiter wegen "Kriegshetze"
Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 73/57, Bd. 4, Bl. 4
Im November 1956 führte die Stasi strafrechtliche Ermittlungen gegen mehrere DDR-Bürger, die eine schwarze Fahne gehisst hatten um ihre Solidarität mit den Aufständischen in Ungarn zu bekunden.
Am 23. Oktober 1956 forderten Studenten der Budapester Universitäten auf einer Großdemonstration bürgerliche Freiheitsrechte, ein parlamentarisches Regierungssystem und nationale Unabhängigkeit. Sie bekundeten damit ihre Sympathie für einen Arbeiteraufstand in Polen drei Monate zuvor. Zudem verlangten die Demonstranten die Rückkehr von Imre Nagy als Ministerpräsident. Er hatte das Land von 1953 bis 1955 regiert und dabei einige Reformen angestoßen.
Dieser Volksaufstand in Ungarn vom Herbst 1956 löste beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Unruhe aus. Die Erinnerungen an den Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 waren noch frisch und die ostdeutsche Geheimpolizei wollte um jeden Preis verhindern, dass die explosive Stimmung auf das eigene Land übersprang. Die SED-Parteizeitung "Neues Deutschland" sprach schon am 25. Oktober von einem "Putsch konterrevolutionärer Elemente". Die DDR-Führung versuchte die Bevölkerung durch sozialpolitisches Entgegenkommen zu beruhigen und das MfS wollte die Bürger durch Abschreckung disziplinieren.
So wurden Solidaritätsbekundungen für die Aufständischen in Ungarn umgehend bestraft. Ein Beispiel dafür ist der Fall dreier DDR-Bürger, die am Schornstein eines Kesselhauses der NVA-Dienststelle Cottbus eine schwarze Fahne angebracht hatten. Sie wollten damit ihre Trauer über die Niederschlagung des ungarischen Aufstands zum Ausdruck bringen. Die Stasi ermittelte die Täter und erwirkte Haftbefehle gegen sie. In langen Vernehmungen wurden die Männer nach ihren Beweggründen befragt. Zwei dieser Männer wurden dann durch das Bezirksgericht Dresden wegen "Boykotthetze" zu einem Jahr bzw. zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Das Schicksal des dritten Mannes ist ungeklärt.
Das vorliegende Dokument zeigt den Schlussbericht zu diesem Fall. In der Folge übernahm die Oberste Staatsanwaltschaft den Vorgang und erhob Anklage.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Hauptabteilung IX
- Urheber:
- MfS
- Datum:
- 11. Dezember 1956
- Rechte:
- BStU
- Zustand:
- Gut
- Überlieferungsform:
- Dokument
Auszugsweise Abschrift
Regierung der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium für Staatssicherheit
Berlin, den 11. Dezember 1956
Schlussbericht
Die Beschuldigten
1) [anonymisiert]
geboren am [anonymisiert]
pp.............
2) [anonymisiert]
geboren am [anonymisiert]
pp.............
machten sich der antidemokratischen Tätigkeit schuldig, indem sie am 5.11.1956 als Zivilarbeiter im Objekt der Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee in Cottbus an einem hohen Schornstein, weithin sichtbar, eine schwarze Fahne als Trauerkundgebung für die Niederlage der faschistischen Konterrevolution in Ungarn aufhängten. Sie verfolten damit das Ziel, weitere negative Elemente zu Aktionen gegen die Arbeiter- und Bauernmacht in der Deutschen Demokratischen Republik und den Ländern der Volksdemokratien aufzuputschen.
pp.....
pp.....