Signatur: BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 2557, Bl. 226-230
Am 3. März 1988 fand das Treffen zwischen SED-Generalsekretär Erich Honecker und dem Vorsitzenden des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) Bischof Leich statt. Der BEK berichtete den Landeskirchen anschließend von dem Treffen und fügte als Anlage Leichs Ansprache zu den besprochenen Fragen bei.
Anfang 1988 war das Verhältnis zwischen Kirche und Staat auf einem Tiefpunkt angekommen. Insbesondere die evangelische Kirche bot für zahlreiche Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler sowie Ausreisewillige einen Schutzschirm. Sie konnten dort ihre Forderungen öffentlich vortragen. Die Partei- und Staatsführung reagierte ihrerseits mit Druck. Als einziger Ausweg aus der festgefahrenen Situation erschien den Kirchenvertretern ein Gespräch auf höchster Ebene, wie es am 6. März 1978 bereits stattgefunden hatte.
Am 3. März 1988 empfing SED-Chef Erich Honecker den Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, den thüringischen Landesbischof Werner Leich. Dieser thematisierte bei der Gelegenheit die restriktiven Regelungen zur Ausreise aus der DDR und die Unterdrückung jeglicher freien Meinungsäußerung durch die Staatssicherheitsorgane.
Über das Treffen von Bischof Leich mit Honecker berichtete der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR den Landeskirchen noch am gleichen Tag. Als Anlage beigefügt war der "Wortlaut der Ansprache" von Bischof Leich bei diesem Treffen. Hierin bekräftigte er, dass sich die Kirche nicht als Oppositionspartei betrachtet und sich ihre Rolle als Dialogpartnerin für Ausreisewillige und Bürgerrechtsgruppen nicht selbst ausgesucht habe. Außerdem plädierte er für ein transparenteres Verfahren bei den Ausreiseanträgen und die Einführung eines zivilen Wehrersatzdienstes.
Sekretariat
A 5521-2-585/88
Bei Beantwortung
bitte Aktenzeichen
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Bund
der
Evangelischen
Kirchen
In der Deutschen Demokratischen Republik
An die
Empfänger der Schnellinformation
des Bundes
1040 Berlin, den 3. März 1988
Auguststraße 80; Telefon 28860
Schnellinformation
des Sekretariates des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR
Am 3. März 1988 fand im Gebäude des Staatsrats zu Berlin ein Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Staatsrates, Erich Honecker, und dem Vorsitzenden der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR, Landesbischof Dr. Leich, statt.
Der Vorsitzende des Staatsrates entsprach mit seiner Einladung einem von den Kirchen lange geäußerten Wunsch. Das Gespräch dauerte 2 1/4 Stunden und verlief in einer sachlichen, offenen und freimütigen Atmosphäre.
Landesbischof Dr. Leich hatte Gelegenheit, die die Kirchen bewegenden Fragen konkret darzulegen. Der Vorsitzende des Staatsrates ging auf alle Fragen ein und stellte die Sicht der Regierung der DDR dazu dar: Lösungen für angeschnittene Einzelprobleme wurden nicht besprochen, doch zeigte sich der Vorsitzende des Staatsrates offen für weiterführende Gespräche auch auf höchster Ebene, für die jedoch weitere spezielle Vorarbeiten nötig wären.
über die Begegnung wird von ADN eine Pressemeldung veröffentlicht. Sie wurde nicht gemeinsam vereinbart, aber den kirchlichen Gesprächsteilnehmern vor der Veröffentlichung zur Kenntnis gegeben.
Wir fügen in der Anlage den vollen Wortlaut der Ansprache des Vorsitzenden der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen bei.
An der Begegnung nahmen teil Staatssekretär Frank Joachim Herrmann, Leiter der Kanzlei des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, und Oberkirchenrat Martin Ziegler, Leiter des Sekretariats des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR.
Anlage
Wortlaut der Ansprache des Vorsitzenden der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen.
Nicht zur Veröffentlichung
USB Nr. 189/88
Sammelruf: 2 88 60; Bank: BSK 6651-37-102; PSchA Berlin 7199-58-122 024; BN 9000[unleserlich]001
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
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Signatur: BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 2557, Bl. 226-230
Am 3. März 1988 fand das Treffen zwischen SED-Generalsekretär Erich Honecker und dem Vorsitzenden des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) Bischof Leich statt. Der BEK berichtete den Landeskirchen anschließend von dem Treffen und fügte als Anlage Leichs Ansprache zu den besprochenen Fragen bei.
Anfang 1988 war das Verhältnis zwischen Kirche und Staat auf einem Tiefpunkt angekommen. Insbesondere die evangelische Kirche bot für zahlreiche Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler sowie Ausreisewillige einen Schutzschirm. Sie konnten dort ihre Forderungen öffentlich vortragen. Die Partei- und Staatsführung reagierte ihrerseits mit Druck. Als einziger Ausweg aus der festgefahrenen Situation erschien den Kirchenvertretern ein Gespräch auf höchster Ebene, wie es am 6. März 1978 bereits stattgefunden hatte.
Am 3. März 1988 empfing SED-Chef Erich Honecker den Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, den thüringischen Landesbischof Werner Leich. Dieser thematisierte bei der Gelegenheit die restriktiven Regelungen zur Ausreise aus der DDR und die Unterdrückung jeglicher freien Meinungsäußerung durch die Staatssicherheitsorgane.
Über das Treffen von Bischof Leich mit Honecker berichtete der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR den Landeskirchen noch am gleichen Tag. Als Anlage beigefügt war der "Wortlaut der Ansprache" von Bischof Leich bei diesem Treffen. Hierin bekräftigte er, dass sich die Kirche nicht als Oppositionspartei betrachtet und sich ihre Rolle als Dialogpartnerin für Ausreisewillige und Bürgerrechtsgruppen nicht selbst ausgesucht habe. Außerdem plädierte er für ein transparenteres Verfahren bei den Ausreiseanträgen und die Einführung eines zivilen Wehrersatzdienstes.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Ich danke Ihnen für das Angebot einer persönlichen Begegnung. Ich habe es gern angenommen und verbinde mit ihm eine große Erwartung. Die Begegnung gibt mir die Gelegenheit, ihnen für Ihren persönlichen Einsatz zur Sicherung des Friedens unter den Völkern mit dem Ziel konsequenter Abrüstung und völliger Befreiung der Menschheit von atomaren Waffen zu danken. Dieser Einsatz ist vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR wiederholt gewürdigt worden. Er trifft auf große Gemeinsamkeit. Sie können diese Gemeinsamkeit an der Unterstützung erkennen, die Ihre Initiativen, z.B. für atomwaffenfreie Zonen, durch unsere Kirchen erfahren. Sie kommt auch zum Ausdruck, wenn die evangelischen Kirchen der DDR ihr Friedenszeugnis in die internationalen Gremien der Weltchristenheit einbringen. Das ist wiederholt und eindeutig geschehen; das wird auch weiterhin so sein.
Schon in dem Gespräch, das Sie am 6. März 1978 mit dem Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen geführt haben, war die gemeinsame Sorge um die Erhaltung des Friedens ein wichtiges Bindeglied zwischen Staat und Kirche. Heute überblicken wir eine zehnjährige Entwicklung nach jenem Gespräch. Wir stellen dankbar ihren Ertrag fest: Wir konnten Gemeindehäuser oder Kirchen in Neubaugebieten bauen, die Seelsorge in Pflegeheimen erweitern, das Lutherjahr mit weit beachteten öffentlichen Veranstaltungen durchführen, die Kirchentage mit spürbarer Unterstützung des Staates abhalten und geregelte Sendezeiten im 2. Programm des Fernsehens erhalten. Wir sehen auch dankbar das Bemühen, den Grundsatz der Gleichberechtigkung und Gleichachtung des Bürgers mit christlichem Bekenntnis auf allen Ebenen zur Geltung zu bringen.
Sowohl Sie, Herr Vorsitzender, als auch der damalige Vorsitzende der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen haben den notwendigen - wenn auch langen - Weg beschrieben, den das Grundsatzgespräch bis hinein in die letzte Gemeinde und Kirchgemeinde nehmen muß. Bischof Schönherr hat damals festgestellt, das Verhältnis zwischen Staat und Kirche sei so gut, wie es der einzelne christliche Bürger in seiner gesellschaftlichen Situation vor Ort erfährt. Heute können wir sagen: Wir sind auf dem Weg vorangekommen; abgeschlossen ist der Weg nicht. Letzteres ist wohl auch nicht möglich. Die Gesellschaft, der Staat, die Kirche sind Gemeinschaftsformen unterschiedlicher Aufgabenstellung. Aber sie haben die Dynamik und die Vielfalt des Lebens gemeinsam, die Menschen in ihren Gemeinschaften hervorbringen.
Zu den Grundsätzen vom 6. März 1978 gibt es keine Alternative. Bei verfassungsmäßiger Trennung von Kirche und Staat werden im Rahmen dieser Verfassung alle den Staat und die Kirche gemeinsam berührenden Fragen im offenen und sachlichen Dialog auf der Grundlage des gewachsenen Vertrauens angesprochen. Nach zehn Jahren ist uns nun das Nachdenken über den gegenwärtigen Umgang mit den Ergebnissen des Grundsatzgespräches angesichts gewordener und möglicher Entwicklungen in Gesellschaft und Kirche aufgetragen. Als evangelische Kirche wollen wir dieses Nachdenken in der Haltung vollziehen, die wir mit der Kurzformel "Kirche im Sozialismus" beschrieben haben. Wir wollen Gottes Willen annehmen, in einer sozialistischen Gesellschaft mit einem sozialistischen Staat als Kirche Gott zu dienen. Wir wollen dies tun als ein an den Willen Gottes gebundener, konstruktiv mitarbeitender Partner, der das Wohl des Gemeinwesens und die Möglichkeit des Sozialismus als einer gerechteren Form des Miteinanders von Menschen bejaht. Wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, eine Oppositionspartei zu sein oder Akklamationen abzugeben. Vielmehr gilt: Wo wir sagen können "Gott sei Dank!", werden wir zur Mitarbeit bereit sein. Wo wir dies nicht vermögen, werden wir uns zu Wort melden und freimütig sprechen.
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
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Reaktionen auf das Gespräch zwischen Honecker und Bischof Leich Dokument, 5 Seiten
Vermerk über ein Gespräch zwischen Landesbischof Werner Leich und Politbüromitglied Werner Jarowinsky bzw. Klaus Gysi Dokument, 3 Seiten
Vermerk über die Reaktion Bischof Leichs auf ein Gespräch mit Politbüromitglied Jarowinsky Dokument, 2 Seiten
Schreiben vom Leiter der Zentralen Koordinierungsgruppe Gerhard Niebling zum Verhältnis von Kirche und Ausreisewilligen Dokument, 5 Seiten