Signatur: BStU, MfS, HA XVIII, Nr. 3374, Bl. 1-14
Die steigende Verschuldung führte dazu, dass der DDR in den 80er Jahren ein Wirtschafts- und Staatsbankrott drohte. Gerhard Schürer, Vorsitzender der Staatlichen Plankommission (SPK), forderte in einem Schreiben an Generalsekretär Erich Honecker im April 1988 einen grundlegenden Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik der DDR.
Seit Beginn der 70er Jahre galt die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" als "Markenzeichen des Sozialismus in der DDR" (Günter Mittag). Konkret waren damit umfangreiche sozialpolitische Maßnahmen wie neue Kindergartenplätze, bezahlter Mutterschutzurlaub, Mietsubventionen, höhere Mindestlöhne und Renten, kürzere Arbeitszeiten für berufstätige Mütter und nicht zuletzt ein großangelegtes Wohnungsbauprogramm verbunden. Bezahlt wurde diese als "Hauptaufgabe" bezeichnete Ausrichtung der Wirtschaftspolitik allerdings mit dem rapiden Verschleiß des Produktionspotentials, ökologischem Raubbau, wachsenden Krediten und einer zu niedrigen Akkumulationsrate (Anteil der Investitionen am Nationaleinkommen) vor allem im produktiven Bereich. Infolgedessen stieg die Verschuldung nach innen und nach außen kontinuierlich an, bis in den 80er Jahren ein Wirtschafts- und Staatsbankrott drohte. Dass sich die DDR am Rand der Zahlungsunfähigkeit bewegte, war vor allem auf ihre Verschuldung gegenüber dem westlichen Ausland zurückzuführen.
Der SED-Apparat befasste sich wie in jedem Jahr auch im Frühjahr 1988 mit dem Volkswirtschafts- und Staatshaushaltsplan für das folgende Jahr. Die Staatliche Plankommission (SPK) entwarf dazu eine Vorlage für das Politbüro. Doch etwas war ungewöhnlich: Am 26. April 1988 fügte der SPK-Vorsitzende und Kandidat des Politbüros Gerhard Schürer dem Entwurf ein Schreiben an Honecker persönlich bei, in dem er angesichts von Bilanzierungslücken und steigender Auslandsverschuldung in zweistelliger Milliardenhöhe gegenüber dem "Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet" (NSW) einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik forderte.
In dem Schreiben an SED-Generalsekretär Honecker zeichnet Planungschef Schürer ein kritisches Bild der Wirtschaftslage und macht verschiedene Vorschläge, um einen Wirtschafts- und Staatsbankrott abzuwenden. Um sich politisch gegen den Vorwurf der "Fraktionsbildung" abzusichern, weist Schürer abschließend darauf hin, dass es sich bei seinen Überlegungen und Vorschlägen "nicht um abgestimmte Maßnahmen [handelt], sondern um Gedanken, die der Erörterung bedürfen".
7. Die Überlegungen dieses Materials stehen im Zusammenhang mit der notwendigen Stärkung der Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR. Im sozialistischen Wirtschaftsgebiet hat die DDR durch ihre Leistungskraft eine starke ökonomische Basis. Auf Grund des hohen wissenschaftlich-technischen Niveaus unserer Erzeugnisse müßten sowohl die UdSSR als auch andere Länder viele dieser Erzeugnisse in kapitalistischen Ländern kaufen, wenn wir sie nicht liefern würden. Wir müssen deshalb aus diesen Qualitätsvorteilen und dem Export von know-how und Software sowie anderen immateriellen Leistungen ökonomische Kraft gewinnen.
Diese Waren und Leistungen können auch in wachsendem Maße als Äquivalent zur Sicherung des Rohstoffimportes ohne Investitionsbeteiligung verhandelt werden.
[Teile des Absatzes wurden im Text handschriftlich markiert.]
Die DDR hat es im Zeitraum 1975 - 1985 möglich gemacht, den durch Preisexplosion auf den Weltmärkten bei Rohstoffen, insbesondere für Erdöl und Erdgas aus der UdSSR, entstandenen Minus-Saldo durch hohe Exportleistung abzubauen.
Der Import aus der UdSSR hat sich z.B. 1975 - 1985 auf 245 % erhöht, [unterstrichen: aber zu vergleichbaren Preisen nur auf 107 %.] Von einem Gesamtimportvolumen von 260 Mrd. VGW in diesem Zeitraum waren [unterstrichen: 145 Mrd. VGW nur Preissteigerungen.]
In unserem Export mußten wir das jedoch mit mehr Ware bezahlen. Die von uns dabei erzielten Preissteigerungen stehen in erster Linie im Zusammenhang mit der Erhöhung der Gebrauchswerte entsprechend dem wissenschaftlich-technischen Prozeß. Mit den Veränderungen der Erdöl- und Erdgaspreise im Import aus der UdSSR kommt die DDR schrittweise (entsprechend dem RGW-Preisbildungsprinzip) in eine günstige Lage und wird in den gegenwärtigen Handelsbeziehungen 1991 - 1995 von dieser neuen Basis ausgehen können.
[Teil des Absatz wurde am linken Rand handschriftlich markiert.]
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Zur Prüfung des Materials des SPK-Vorsitzenden Gerhard Schürer zum Volkswirtschaftsplan 1989 durch Günter Mittag Dokument, 25 Seiten
"Zum Stand der Arbeit an der Staatlichen Aufgabe 1989 und einigen sich dabei abzeichnenden Problemen" Dokument, 11 Seiten
Notizen aus der Politbürositzung zur Schürer-Mittag-Kontroverse Dokument, 29 Seiten
Sicherheitspolitischer Standpunkt zum Ansatz für den Volkswirtschaftsplan 1983 Dokument, 16 Seiten