Signatur: BStU, MfS, BV Berlin, Ka, Nr. 55
Arbeitslos, vereinsamt und entwurzelt - Berichte ehemaliger DDR-Bürger über ihr Leben in der Bundesrepublik sollten das Bild vom "goldenen Westen" trüben. Die Stasi produzierte die Propagandasendung, um DDR-Bürger von einer Ausreise in die Bundesrepublik abzuschrecken.
1985 riefen SED und Stasi eine Kampagne mit ehemaligen DDR-Bürgern ins Leben, die aus der Bundesrepublik in die DDR zurückkehren wollten. So druckte die Partei-Zeitung "Neues Deutschland" unter der Überschrift "Über 20.000 Ehemalige wollen zurück" Aussagen ehemaliger DDR-Bürger: Angesichts von Arbeitslosigkeit und "sozialer Kälte" im Westen würden sie lieber wieder in die DDR zurückkehren. Hatte Ost-Berlin in den 50er Jahren mit ähnlichen Kampagnen noch offensiv für die Zu- und Rückwanderung geworben, sollten nun vor allem Ausreisewillige frühzeitig umgestimmt werden. Zu diesem Zweck wurden in dem Artikel die Zahlen der Rückkehrwilligen weit übertrieben und ihre Lebenswege und Motive teilweise konstruiert. Die Kampagne war eine Reaktion auf den sprunghaft wachsenden Strom von Ausreisewilligen: 1984 hatte die SED in Zusammenhang mit dem Milliardenkredit aus der Bundesrepublik etwa 30.000 Menschen ausreisen lassen.
An der Kampagne beteiligte sich auch die Stasi. Die Abteilung Agitation der Zentralen Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) wollte durch öffentlichkeitwirksame Maßnahmen eine hohe "Massenwachsamkeit" erzielen und erreichen, dass systemloyale Kräfte "erzieherischen Einfluss" auf die Ausreisewilligen nehmen sollten.
So begann 1985 unter dem Arbeitstitel "Heimweh" ein Film- und Tonprojekt mit DDR-Rückkehrern. 1986 wurde es fertiggestellt. Hierbei entstand vermutlich auch die vorliegende Propagandakassette. Gerd Knauer, Mitarbeiter der ZAIG und verantwortlich für das Filmprojekt "Heimweh", schrieb das Textbuch. Laut Kassettenbeschriftung hieß der Autor Gerd Kernau - unter diesem Decknamen schrieb der ausgebildete Journalist und Stasi-Major Knauer auch für das "Neue Deutschland". Vermutlich wurde die Kassette nur für die interne Schulung des MfS verwendet.
Für die Tonaufnahme schnitt die Stasi Passagen verschiedener Beiträge zusammen: Ausschnitte aus westdeutschen Medienberichten über DDR-Übersiedler wurden ergänzt durch Interviews mit zurückgekehrten DDR-Bürgern im Zentralen Aufnahmeheim (ZAH). Das abgeschottete Heim in Röntgental war für die meisten Neuankömmlinge aus dem Westen die erste obligatorische Station in der DDR. Über die Aufnahme der Rückkehrer war zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht entschieden. Indem die Interviewten sagten, was man von ihnen hören wollte, hofften sie wohl, wieder in ihr altes Leben zurückkehren zu können. Ein Sprecher ordnet das Gehörte zudem aus offizieller Warte politisch ein.
Auch wenn suggeriert wurde, dass es vielen Ost-West-Migranten so ergehe wie den Interviewten, gab es im Vergleich zur breiten Ausreisebewegung aus der DDR nur wenige Anträge auf Rückkehr. Die zentrale Botschaft machte der Sprecher mehrfach deutlich: Der "rettende Rückweg in die DDR" stehe nicht jedem offen, was Ausreisewillige von vornherein von ihrem Vorhaben abschreckten sollte. So wurden in den 80er Jahren in Röntgental mehr Anträge auf (Wieder-)Aufnahme in die DDR abgewiesen als befürwortet. Nicht erwähnt wird in dem Tondokument, dass viele Rückkehrwillige sich ihre Aufnahme in die DDR durch Spitzeltätigkeit im Westen erst noch erkaufen sollten - und in Röntgental dann selbst verhört und bespitzelt wurden.
[Musikeinspielung]
[Sprecher 1:]
Nicht nur Heimweh. Eine Tondokumentation zusammengestellt aus Sendebeiträgen westlicher Medien und Originalberichten rückkehrwilliger ehemaliger DDR-Bürger.
[Musikeinspielung; Maschinengeräusche]
[Mann 1:]
Vermutlich gegen 12:00 Uhr kam der ehemalige DDR-Umsiedler und jetzige Bundesbürger die B 173 von Hof den Weg gelaufen Richtung Ulitz. Am Waldrand hier vorne, ging dann also den Weg runter bis zum Hochwald an den Büschen entlang Richtung Landesgrenze. Er sondierte das Gelände, ob er nach drüben kam, weil drüben war niemand. Offensichtlich war ihm der Zaun zu hoch. Er ging dann zurück in den Wald, holte sich zwei Stangen, lehnte die dann an den Zaun, überstieg den Zaun und sprang auf der anderen Seite herunter. Dabei hat er sich vermutlich den Knöchel gebrochen.
[BRD-Sprecher:]
Rückkehr in die DDR – einer kam durch. Andere verstecken sich in den Transitzügen nach Leipzig oder Berlin, schließen auf Toiletten ein, verbergen sich unter den Abteilsitzen. Eine wenig aussichtsreiche Reise.
[Reporter:]
Frau [anonymisiert], kommt es häufiger vor, dass ehemalige DDR-Bürger versuchen hier in Hof, über die Transitstrecke mit dem Zug in die DDR einzureisen, die dann zurückgewiesen werden und sich bei Ihnen melden in der Bahnhofsmission?
[Frau aus der Bahnhofsmission:]
Ja, sind etliche da gewesen. Meistens sind's einzelne Männer, die dann wieder Heimweh haben und immer am Bahnsteig stehen, dem Zug nachschauen, ne, und dann kommen sie zu uns rein und sagen: Ja, sie können nicht Fuß fassen, sie bekommen keine Arbeit, sie waren in Notunterkünften untergebracht und sie möchten wieder Heim.
[BRD-Sprecher:]
Angekommen waren sie mit großen Hoffnungen: Übersiedler aus der DDR. Wer sind die, die heute zurück wollen. In Hof kümmert sich der örtliche Bundestagsabgeordnete um sie.
[Bundestagsabgeordneter aus Hof:]
Nach meiner Erfahrung sind sie in der Regel hochqualifizierte Facharbeiter, - äh - die einfach hier gescheitert sind, das heißt also keine Arbeit gefunden haben oder beziehungsweise ganz kurz Arbeit gefunden haben und sich nicht eingliedern konnten in den Arbeitsprozess und dazu kommt noch, dass sie auf keine hilfsbereite Nachbarschaft stoßen, das heißt also das soziale Umfeld ist nicht gerade aufgeschlossen ihnen gegenüber. Manchmal, so muss man fast sagen, so berichten sie feindlich sei es.
[DDR-Sprecher:]
"Wer sind die, die heute zurück wollen?", fragte der Moderator eines BRD-Senders. Dieser Frage soll im Folgenden etwas genauer nachgegangen werden. Zu fragen ist auch: Warum wollen die denn zurück in die DDR? Mit welchen Erwartungen sind sie zuvor in die BRD oder nach Berlin West übergesiedelt? Weshalb blieben diese Erwartungen unerfüllt? Wer oder was hat die Hoffnungen, die sie in den Westen gesetzt haben, zerschlagen? Lässt sich das verallgemeinern? Zu Worte kommen Übersiedler nach ihrem Schritt in den Westen und später nach ihrer Ernüchterung vom Westen, Bundesbürger, die mit ihnen zu tun hatten und haben, Journalisten, die sie für die Westmedien befragten, Ärzte, die sie behandeln mussten und Soziologen, die nur schwer verstehen, was es ist, dass da so unbarmherzig zurückzieht in die DDR. Zu Wort kommen auch Menschen, für die zum Zeitpunkt als sie interviewt wurden, noch nicht feststand: Muss ich bleiben, wohin es mich einst trieb oder lässt man mich zurück dahin, wohin ich doch eigentlich gehöre?
Zunächst die Stimmen einiger BRD-Neubürger. Westreporter fragten nach ihren Motiven und Erwartungen.
[Reporter:]
Sie sind gerade angekommen. Wie fühlen Sie sich denn im Westen?
[Mann 2:]
Ja, vor allen Dingen frei, ja irgendwie frei, das ist irgendwie ein anderes Gefühl.
[Reporter:]
Was erwarten Sie sich denn jetzt hier vom Westen?
[Frau 1:]
Ja, erwarten, sehr große Erwartungen haben wir in erster Linie nicht gerade, aber erst einmal ...
[Mann 2:]
Einen guten Start, ne Wohnung, die muss nicht groß sein. Kann ne kleine Zweiraumwohnung sein, so, und vor allen Dingen Arbeit.
[Frau 1:]
Wir haben aber auch hier, wo wir angekommen sind, erst mal schon 25 Mark Taschengeld bekommen und ich meine doch, dass das auch erst mal hilft.
[Mann 2:]
Ja, also ich bin ein Mensch, der sich schnell anpasst.
[Frau 1:]
Ja, ich auch.
[Mann 2:]
Ganz schnell.
[Frau 1:]
Kontaktfreudig.
[Mann 2:]
Und alles, also, da wird es bei mir wohl keine Probleme geben.
[Mann 3:]
Natürlich erwarten wir auch, dass wir ein bisschen mehr in Menschlichkeit und humaner Umgebung hier mit unseren Kindern weiterleben können.
[Reporter:]
Haben Sie keine Sorgen wegen der Arbeitslosigkeit hier oder wegen der hohen Mieten?
[Mann 3:]
Das wird die Zeit mit sich bringen, ob Sorgen berechtigt gewesen wären oder nicht. Im Moment sind wir noch optimistisch.
[BRD-Sprecher:]
Verständlicher Optimismus, denn in der DDR hatten sie es auch zu etwas gebracht. Geldsorgen, so haben wir immer wieder erfahren, hatten die wenigsten.
[Reporter:]
Glaubst du, dass du hier willkommen bist?
[Mann 2:]
Ich hoffe. Warum eigentlich nicht? Ich tue ja niemandem was Schlechtes, eigentlich. Ich bin ja vom Prinzip dem Ruf gefolgt hier, der da aus dem Westen kam, ständig. Jahrelang habe ich das gehört, immer so, von klein auf. Die Brüder und Schwestern im Osten, die Armen eigentlich, die da unter der Knechtschaft leiden so mehr oder weniger. Vielleicht ein bisschen überspitzt, aber doch irgendwie eine Freiheit in der Hinsicht wie hier, gibt es da drüben nicht.
[Reporter:]
Nun gibt es ja viele Gründe, weshalb man vielleicht ausreisen will. Was war denn bei Ihnen das Wichtigste?
[Frau 1:]
Die Politik war es bei mir gewesen. Also ich habe denn auch gesagt, dass ich mich eingesperrt gefühlt habe. Und zu Hause hat alles gut geklappt und so, von da hatte ich überhaupt keinen Grund und ...
[Reporter:]
War diese Eingesperrt-Fühlen nur das Nicht-Reisen-Können oder ist das mehr?
[Frau 1:]
Alles. Zu allem wird man gezwungen, zu allem wird man gestoßen, zu allem ist man verpflichtet und muss, muss alles mitmachen. Man kann da nicht raus.
[Reporter:]
Gibt, gibt es da ein Beispiel? Also, was heißt alles muss man mitmachen?
[Frau 1:]
Na ja, was könnte ich denn da nennen?
[Reporter:]
Was ist denn Ihr Lebensziel hier?
[Mann 4:]
Äh - eine normale Existenz aufzubauen, wie sie drüben auch war.
[Reporter:]
Also nur einen Ortswechsel?
[Mann 4:]
Ja, wenn man so will, nur ein Ortswechsel.
[DDR-Sprecher:]
Nur ein Ortswechsel? Wie selbstverständlich auch Arbeit, Wohnung, eine neue Existenz ohne die kleinen Sorgen des DDR-Alltags, vor allem aber Freiheit. Herr [anonymisiert] hat sie ausgekostet.
[Mann 5:]
Freiheit. Das Wort Freiheit ist das größte sündige Wort des Westens, mit dem Menschen in den Westen gezogen werden, weil das Wort Freiheit baut so viele Hoffnungen auf, die je nach Konfliktsituation, je nach Wunsch der Menschen unterschiedlich ausgelegt werden. Man geht - äh - verblendet mit einem Rucksack voller Hoffnungen rüber. Man geht - äh - mit den Gedanken rüber, sich erst einmal der Konfliktsituation entziehen zu können.
[Reporter:]
Der hiesigen?
[Mann 5:]
Der hiesigen. Man geht auch - äh - mit der Hoffnung rüber, dass die Bundesrepublik, die ja jahrelang schon Menschen, wie sie das hier nennen, aufnimmt - ähm - auch Erkenntnisse gewonnen hat, solchen Menschen zu helfen. In der Praxis ist man nachher erschrocken, wie unbeholfen die Bundesrepublik - äh - solchen Menschen gegenübersteht.
[Sprecher 1:]
In der Bundesrepublik gibt es nur eine einzige Beratungsstelle für DDR-Übersiedler – hier in Hamburg eingerichtet vom Senat. Dort suchen immer mehr Hilfe, die sich ein Leben im anderen Deutschland zu leicht vorgestellt haben.
[Frau 2:]
Sie haben ihre Freunde da, ihre Schulen, sie sind dort aufgewachsen. Ihre Verwandten, ihre Freundinnen. Wenn sie jetzt hier in die Bundesrepublik kommen, haben sie sehr viel guten Willen und wollen also jetzt tausendprozentige Bundesbürger werden und scheitern dann an sehr, sehr vielen Dingen, auf die sie einfach nicht vorbereitet sind und wo sie auch geglaubt haben, dass sie dieses Problem nicht trifft. Zum Beispiel wissen sie wie hoch bei uns die Arbeitslosigkeit ist, aber sie glauben, dass es auf sie nicht zutrifft und dass sie es mit ihrer Tüchtigkeit und Energie schon schaffen. Und dann schaffen sie es nicht und bekommen ganz große Sehnsucht nach den Lebensbezügen in der DDR, wo diese Dinge ja abgesichert waren, wo es dort keine Probleme gab. Und dazu kommt, dass sie hier menschlich so einsam bleiben, dass war in der DDR auch nicht der Fall, da hat man sehr viel mehr zusammengehalten, während sie jetzt hier doch relativ isoliert leben.
[Maschinengeräusche; Musikeinspielung]
[Sprecher 1:]
Zwischenbericht nach 50 Tagen in Westberlin.
[Mann 2:]
Na ja, es geht eben den Umständen entsprechend. Eigentlich besonders ist es nicht. Ich habe seitdem ich hier bin beinahe neun Kilo abgenommen, hab neuerdings sogar Probleme mit dem Blutdruck, beim Einschlafen klappt's nicht und so. Man hat keinen Hunger, man isst nicht viel und hat auch keinen Appetit irgendwie. Die ganze Belastung eigentlich, die auf einen so einströmt, mit dem man eigentlich gar nicht gerechnet hat so an sich. Eigentlich das ganze Bestreben drüben war gewesen, nu, so schnell wie möglich rüberzukommen, wirklich eben alles dranzusetzen, dass man so schnell wie möglich raus kommt. Und da hängt so viel dran dann noch, was man vorher gar nicht sieht, was man gar nicht so richtig gewusst, gerade die Trennung von den Leuten, die man so kennt eigentlich, der ganze Freundeskreis und so, der dann fehlt, das zehrt irgendwie mehr, als man vielleicht eigentlich zugeben will oder das eigentlich sich erwartet. Ich hätte das nie gedacht, dass ich irgendwie da so anfällig bin und mich hier schlaflos hin- und herwerfe und Depressionen kriege oder was, dass ich hier Platzangst habe oder so.
[Frau 1:]
Ich bin eigentlich hergekommen mit dem Gefühl, dass mir so etwas nicht passieren wird wie Existenzangst, Schlafstörungen und solche Dinge. Es hat sich aber eingestellt mehr im Unterbewusstsein.
[Reporter:]
Und sind Sie krankgeschrieben?
[Frau 1:]
Ja, ich bin krankgeschrieben.
[DDR-Sprecher:]
Die Euphorie der ersten Tage verfliegt schnell. Nach einem Jahr Leben in der BRD fragt ein West-Reporter nach Reiseplänen. Von der einst so gepriesenen Reisefreiheit ist in den Antworten keine Rede mehr. Auch dem jungen Mann, der nach seinen drei Wünschen befragt wird, fällt die Antwort schwer und nicht etwa, weil er wunschlos glücklich wäre oder ihm kein exotisches Land mehr einfiele, das er noch nicht bereist hätte.
[Reporter:]
Was gibt's für Pläne? Reisepläne beispielsweise?
[Frau 3:]
Wenn wir können würden wir auch gern in Urlaub fahren, aber wir konnten vorher auch nicht in sonste welche Länder fahren, da war unser Urlaub auch begrenzt. Und man kann auch so schöne Sachen sehen, da braucht man nicht ins Ausland zu fahren.
[Reporter:]
Wenn jetzt die berühmte Fee käme und würde sagen: "Frank, du hast drei Wünsche frei." Was würdst dir denn da wünschen?
[Mann 6:]
Ne Arbeit. Was täte ich mir noch wünschen? Ich weiß auch nich. Is schwer zu sagen. Auf alle Fälle erst mal Arbeit, jetzt. Hmm. Was täte ich mir noch wünschen? Ne gute, ne schöne Zukunft vielleicht noch. Ein dritten Wunsch wüsste ich jetzt gar nich. Is schwer zu sagen.
[Reporter:]
Was ist denn ne schöne Zukunft?
[Mann 6:]
Na, ich weiß auch nicht. Ein geregeltes, ein geregelten Lebensablauf. So was, dass man das hat, was man wirklich brauch und so. Muss kein Luxus sein und so.
[DDR-Sprecher:]
Dass man das hat, was man wirklich braucht. Dass man eine Zukunft hat, selbst gebraucht wird von der Gesellschaft. Dies waren auch die Gründe für Herrn [anonymisiert], den Versuch zu wagen, in die DDR zurückzukehren. Er sitzt uns im Zentralen Aufnahmeheim bei Berlin gegenüber und schildert seinen selbstgewählten Leidensweg. Begonnen hatte es mit einer genehmigten Reise in die BRD zur Silberhochzeit seines Bruders.
[Mann 7:]
Losgefahren bin ich am 2. Oktober und familiär sah das derzeitig so aus, dass ich schon mal die Scheidung eingereicht hatte. Aber ich hab sie dann mit Einvernehmen meiner Frau – wir haben uns ausgesprochen – hab ich die wieder zurückgezogen und als ich den letzten Tag los ging, hatte die Koffer gepackt und ging die Treppe runter, da kam meine Frau etwas verspätet von der Arbeit und war - äh - mächtig aggressiv mir gegenüber und hat sich eben geäußert, dass sie wenn ich zurückkomme, die Scheidung einreichen wird. Da habe ich praktisch eben die Flucht in der falschen Richtung angetreten. Da hab ich wahrscheinlich aus Trotz gedacht, so na ja, denn denn muss ich eben hier anfangen oder das is ... Ich weiß nich. Mir is dann auch so heiß um die Birne geworden. Ich wusste denn auch nicht, machste noch was. Ich hab noch gekämpft bis zum bis zur letzten Minute. Und denn dummerweise habe ich es denn doch gemacht. Da habe ich den Fehler gemacht und habe denn recht bald gemerkt, dass die, in diesem westlichen Land, das ist eine völlig andere Welt, völlig andere Menschen. Und ob man arbeitslos ist, ist, dann ist es ein Dahinvegetieren und hat man Arbeit, ist das Lebensfeld, Leben völlig inhaltslos. Man kann nicht irgendwie in der Weltgeschichte rumfahren, man hat auch nicht das Geld und man wartet bloß immer, dass das Arbeitsamt einem irgendetwas schickt oder, ansonsten ist man praktisch, man vegetiert nur dahin, man hat überhaupt kein, kein Trieb mehr. Das stirbt alles ab und das ist also ... Es ist, es ist ganz furchtbar arbeitslos zu sein und wenn man dann noch eine Ernüchterung auf den Arbeitsämtern widerfährt. Eine nach der anderen. Ich hab das in [anonymisiert] gesehen, speziell auch in [anonymisiert] und [anonymisiert]. Bevor die die Tore aufmachen standen Hunderte früh schon um sechs oder halb sieben oder wann. Und das sind aber alle welche, die arbeiten wollen, denn die nicht arbeiten wollen, die kommen denn erst mittags an oder so, ne. Und das ist alles so, also als ob so, so ne graue trostlose Masse, wenn man das miterlebt, das ist so furchtbar. Das ist so, als ob die alle verurteilt sind und bloß noch jetzt auf die Vollstreckung warten oder so. Also das, wenn man das miterlebt ... Und denn fragen die natürlich mit Recht und sagen: "Was, ihr seid hier rüber gekommen? Na, mit welchen Vorstellungen seid ihr denn hierher gekommen? Wir haben Verwandte in der DDR. Wir wissen, dass es denen drüben gut geht. Da brauch keiner hungern und frieren. Und jeder kann entsprechend seinen Fähigkeiten, kann sich ausbilden und die sozialen Einrichtungen und so weiter, mit welchen Vorstellungen, jeder hat Arbeit bei euch. Mit welchen Vorstellungen seid ihr denn bloß hierher gekommen?" So und da muss ich sagen, die Leute haben Recht.
[DDR-Sprecher:]
Herr [anonymisiert] fand schließlich vorübergehend Beschäftigung bei einer sogenannten Leihfirma, bei einem Unternehmen, das Arbeitskräfte an andere Betriebe vermietet.
[Mann 7:]
Wenn man denn endlich mal Arbeit gefunden hat oder so, dann gehört das erst mal zum guten Ton, dass man ein bis zwei Stunden, wenn nicht länger, jeden Tag länger macht zum Wohle der Firma. Und man wird auch sonnabends und teilweise bis Sonntag Mittag, ist so üblich, oder teilweise bis Nachmittag nach hinten gestellt. Vier bis fünf Jahre hatten die meisten keinen Urlaub gehabt. Und sagen Sie mir mal, was habe ich dann noch vom Leben, [hustet] wenn ich diese Tortur über mich ergehen lasse, wenn ich Arbeit habe. Und was habe ich vom Leben, wenn ich arbeitslos bin? Was nützt mir denn der ganze Westen, der goldene Westen, der angebliche? Das ist bloß für die, die die anderen ausbeuten, für die ist es was. Aber die anderen, die sind, die sind gnadenlos dem ausgeliefert und da gibt es kein Entrinnen, so. Und da hab ich mir, also, die Umwelt, die hat mich dermaßen mit den Fakten, mit den paar, die ich jetzt nannte, die hat mich dermaßen krank gemacht, so. Und denn kommen wir mal zu den Chefs und zu den Arbeitskollegen. Die Chefs, die gehen da teilweise so weit, dass sie im Vertrag eine bestimmte - äh - Summe sagen, so, vielleicht 3.000 Mark oder drei/acht oder 4.000, so. Denn zahlen die aber einfach 2.000 weniger in der Einarbeitungszeit. Und wenn sie das nicht gleich melden [hustet] oder sich beschweren dagegen oder verwahren, denn geht das so weiter und da haben sie, in der Einarbeitungsphase traut sich das meistens keiner, also beiße ich in den sauren Apfel und sage, na gut, dann lasse ich mich – auf deutsch praktisch – bescheissen. Und für jede Dreckarbeit war ich da eingesetzt und die das war auch nicht gleich [unverständlich] Vertrag, der hat mich erst mal so drei Wochen antanzen lassen, ne. Und sagte, so um zu beschnuppern, damit er die Feiertage nicht bezahlen brauch, [hustet] hat er mich praktisch vom 30.11. bis 23.12. schwarz arbeiten lassen und ab 11.1., ab 11. Januar, hat er mich eingestellt, damit er mir praktisch das Geld nicht für die Feiertage, ne, sagt er, einem aber so auf den Kopf zu. Ich meine, hier würde das nie irgendwie einer, da hätte ein staatlicher Leiter Angst, dass er, dass der betreffende neue Kollege eine Eingabe macht, wenn er ...
[Reporter:]
Hmm.
[Mann 7:]
Wenn er sagt, ich nehm dich erst ab 11.1., da brauche ich dir nicht die Feiertage zu bezahlen, ne. Oder irgendwie die ganze Freizeitgestaltung, das Herausfahren zum Campen oder zum Angeln oder so, das können Sie, können Sie alles abschreiben. Können Sie alles vergessen, die werden völlig umgekrempelt und entweder, entweder - ähm - die fallen, die fallen, also ich muss sagen, ich bin Stufen tiefer gefallen in meinem ganzen, was was was mir hier geboten wurde oder was ich mir selbst erschaffen habe und was ich mir daraufhin leisten konnte, hab ich nen Abgang gemacht, Stufen, Stufen nach unten.
[Reporter:]
Mmm.
[Mann 7:]
Die werden mich alle für verrückt erklären, wenn sie das hören, wenn sie das von Anfang an hören, die mich kennen, werden sie wahrscheinlich nachdenklich werden.
[Reporter:]
Nicht, nicht die Welt, wie sie in, in Spielfilmen oder in, in in Werbefernsehen oder so?
[Mann 7:]
Ach, das können Sie alles vergessen, das können Sie alles vergessen. [unverständlich] Schwarzwaldklinik, die kommen krank zur Arbeit, aber wie krank, die können kaum noch sprechen, mit einem Schal um den Hals oder im Bus, ich habe bei dem einen schon einmal gesehen, der war auch bei Siemens [unverständlich], dass ich weit weg von dem kam, der hat die ganze Grippe, hatte der am Arbeitsplatz, der war käseweiß. Ich dachte immer, der fällt jeden Augenblick um.
[Reporter:]
Mmm.
[Mann 7:]
Es zählen praktisch die, die das ganze Jahr da sind, die jeden Tag länger machen, die man auch Sonnabend und Sonntag bestellen kann und die nie krank sind. Nie krank zu sein, zu denen zu gehören, das ist es. Und darum kämpft jeder, darum kämpft jeder gnadenlos, weil er weiß, irgendwann ist er mal weg vom Fenster.
[DDR-Sprecher:]
Herr [anonymisiert] war dem gnadenlosen Arbeitskampf nicht gewachsen, ihm ging es wie vielen ehemaligen DDR-Bürgern. Das Gespenst der Arbeitslosigkeit kehrte zurück.
[BRD-Sprecher:]
Wie viele scheitern, wie viele schaffen's? Statistiken gibt es keine. Einzelschicksale. Peter und Andreas sind auch nicht zurecht gekommen. Sie trafen sich im Obdachlosenheim. Das plötzliche Abgeschnittensein vom Freundeskreis und allen Verwandten in der DDR hat ihnen, als der Reiz des Neuen im Westen erst einmal vorbei war, am meisten zu schaffen gemacht.
[Mann 8:]
Ich kam aus der DDR hier her und das Leben war neu. Ich habe auch Geld bekommen und ich habe das Geld eben in Alkohol umgesetzt und war in Nachtclubs gewesen, weil das für mich hier alles neu war. Und ich hatte hier keine Freunde und habe heute auch noch keine Freunde gefunden, richtige Freunde jedenfalls. Ich kenne nur Freunde, die eben trinken.
[Mann 9:]
Arbeitsamt keine Arbeit, wissen Sie ja selbst und ist für mich ein schweres Leiden, ja. Ich bin seit drei Jahren schon hier drüben und ich habe bis heute noch keinen Fuß gefasst, noch gar keinen. Nix.
[Reporter:]
Auch sie haben sich bemüht, hier einen Arbeitsplatz zu bekommen, und Ihnen ist, als Sie noch drüben in der DDR tätig waren, Ihnen sind auch Versprechungen gemacht worden, von bundesdeutschen Firmen, und die haben sich nicht erfüllt?
[Frau 4:]
Nein, also mir hat man mehr oder weniger - äh - des öfteren versprochen, da man sich ja aus langjähriger Tätigkeit kannte und Zusammenarbeit kannte, dass wenn wir es wirklich mal geschafft haben, dass wir in der Bundesrepublik sind, dass man mir beruflich behilflich ist, Arbeitsplatzbeschaffung und so weiter. Aber als ich dann, die Realität war leider anders, da musste ich feststellen, dass – gut man hat sich gefreut, dass man da ist, dass man es geschafft hat, aber doch immer mit etwas Abstand hat man es gesehen und da wurde mir auch direkt gesagt: "Also, Sie müssen schon verstehen, aber wir können Sie jetzt nicht einstellen." Oder: "Wir nehmen lieber Türken als Leute aus der DDR." Und so.
[Reporter:]
Als Sie in der DDR gelebt haben und sich gesagt haben, Sie wollen raus, Sie wollen in die Bundesrepublik, haben Sie da damit gerechnet, dass es Ihnen so ergehen könnte, wie es Ihnen jetzt ergeht?
[Mann 8:]
Ich meine, mir war bekannt drüben im, drüben in der DDR war mir schon bekannt, dass es Arbeits- - äh - Platzmangel gibt und sehr viel Arbeitslose gibt, aber ich hatte eigentlich immer noch eine kleine Hoffnung. Bloß jetzt weiß ich eigentlich - äh - ehrlich zu sagen, dass ich - äh - die Leute verstehe, die da laufend warnen, denn es ist wirklich nicht der goldene Westen, ich meine, das den man sich vielleicht drüben noch vorstellt, ne. Das Gold ist weg, der Westen ist noch da.
[Mann 9:]
Ich glaube, dass viele DDR-Bürger nicht wissen, was Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik bedeutet, sondern erwarten, dass ihnen auch über diese Arbeitslosigkeit, in der Weise hinweggeholfen wird, dass das relativ glatt geht. Es kann in der DDR nicht wirklich nachvollzogen werden, was es bedeutet, hier arbeitslos zu sein. Dass einem die Decke auf den Kopf fällt. Dass man plötzlich das Gefühl bekommt, nicht mehr gebraucht zu werden.
[DDR-Sprecher:]
Das Gefühl, von niemandem mehr gebraucht zu werden, wird von kaum einem Übergesiedelten mit der ersehnten Freiheit gleichgesetzt. Es führt ganz im Gegenteil allzu häufig in die Resignation, in die Isolation.
[Frau 2:]
Wenn Menschen so isoliert werden, wenn sie so alleine sind, dann ist der Weg bergab ganz schnell beschritten.
[Maschinengeräusche; Musikeinspielung]
[DDR-Sprecher:]
Nur in Ausnahmefällen gibt es bekanntlich den rettenden Rückweg in die DDR. Eine von denen, die ihn gehen will, ist [anonymisiert]. Im Zentralen Aufnahmeheim legt sie ihren Fall dar, erzählt sie, wie es ihr und anderen erging. Bis vor zwei Jahren arbeitete sie relativ sorglos in einem großen [anonymisiert] Warenhaus.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Und das hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, dort in der Warenbewegung arbeiten zu können als Reklamationsbearbeiter. Ich weiß nicht, ob Sie sich da ein Bild machen können?
[Reporter:]
Ja.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Wareneingänge reklamiert, also Reklamation ist ein Fass ohne Boden, machen wir uns nichts vor, da werden Sie nie arbeitslos und das hat mir unheimlich Spaß gemacht. Ja und denn vor vier, - äh - vor drei Jahren hatte ich meinen Mann kennengelernt. Da bin ich mal in Urlaub gefahren. Ja, wir sind vom Kaufhaus aus, hatte ich eine schöne Reise gekriegt mit einigen Kollegen, und nach Ungarn [anonymisiert]. Und dort war er auch, der BRD-Bürger [anonymisiert], mein damaliger, also der wurde ja dann mein Mann und dort habe ich ihn kennengelernt, in Ungarn.
[Reporter:]
Aha.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Der war aus [anonymisiert].
[Reporter:]
Ja.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Na, und der ist nach Hause und ich bin nach Hause. Und dann haben wir uns immer getroffen. Der ist ja fast alle vierzehn Tage vier Wochen von [anonymisiert] nach [anonymisiert] zu mir gekommen. Der hat mich immer besucht. Also, das war eine wunderbare Zeit, diese anderthalb Jahr. Der ist immer gekommen und durfte auch auf diese Einladung immer kommen.
[Reporter:]
Die erste Zeit ist meistens schön, wenn man sich ...
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Ja.
[Reporter:]
... gerade kennengelernt hat.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Ja, das war auch alles wunderbar, mit [unverständlich] war lieb und nett und alles. Na ja, und dann sind wir, dann haben wir geheiratet. Und im März dann durfte ich schon aussiedeln.
[Reporter:]
Wenn man rübergeht um eines anderen Menschen willen ...
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Das wird, so jetzt kommt's, ich komme dort hin, na ja, da sind private Sachen. Der hatte eine unmögliche Wohnung. So eine Wohnung gibt es in der ganzen DDR nicht! Verkommen, verkrustet, verdreckt, auf deutsch gesagt! Das war schon der erste Hammer dort!
[Reporter:]
Das kannten Sie vorher von ihm nicht?
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Nein, der war gepflegt, und das Auto war pick, man sagt ja immer wie der Herre so das Gescherre.
[Reporter:]
Mmm.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Von dem habe ich mich auch leiten lassen. Ich hatte eine super saubere Wohnung, bin auch von Natur aus sehr sauber und anständig und ordentlich, ja und ich, das war schon der erste Schock, der mich dort be-, getroffen hat. Und dann [unverständlich] habe ich mich arbeitslos gemeldet. Ja, das war das größte Problem für mich, arbeitslos zu sein.
[DDR-Sprecher:]
Ein Problem, dass Frau [anonymisiert] vor ihrer Übersiedlung nicht kannte und nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Nun stand sie diesem Problem – der Herr mit dem schönen Auto hatte sich scheiden lassen – allein gegenüber. Ein Bundesbürger sagt, was viele denken:
[BRD-Bürger:]
Wir haben schon genug Arbeitslose, auch Probleme an und für sich in unserem Staat.
[BRD-Sprecherin:]
Die meisten DDR-Übersiedler kommen allerdings aus Branchen, in denen auch drüben Arbeitsplätze knapp sind. Unsere Arbeitslosen schauen kritisch auf diese beruflich qualifizierte Konkurrenz.
[Mann 10:]
Die meisten sind mit sehr falschen Vorstellungen schon hierher gekommen oder zumindest mit - äh - einfach nur Bildern, die sie über über's Fernsehen oder - äh - aus der Ferne oder durch, durch Besuche sich aufgebaut hatten und diese Bilder die stimmen nun bekanntermaßen nur zum Teil oder häufig auch gar nicht.
[Maschinengeräusche; Musikeinspielung]
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Dann hab ich mich beworben, wollte auch wieder in Handel gehen, hier auch Reklamation, was mir eben sehr gut liegt, war nichts zu machen. Was denk, was glauben Sie, ich war über ein Jahr arbeitslos. Wo ich überall rumgelaufen bin, selbst Annoncen, ich war jede Woche auf dem Arbeitsamt, da war Null. Arbeitsamt konnten sie vergessen in [anonymisiert]. Absolut Null. Und das war, da war ich über ein Jahr arbeitslos. Dann konnte, habe ich ...
[Reporter:]
Haben Sie das vorher vielleicht schon befürchtet, dass es so kommen könnte? Man sieht ja auch fern, und man weiß ja auch ...
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Ja!
[Reporter:]
... wie die Lage drüben ist mit den Arbeitslosen.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Ne, mir haben sie immer gesagt: "Wer Arbeit haben will, kriegt auch Arbeit."
[Reporter:]
Wer hat das gesagt?
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Das sagt man hier im Allgemeinen.
[Reporter:]
Sagt jeder so, ja?
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Das sagt jeder so, und und der Meinung war ich auch. Ja, das ist so, ich kriege Arbeit drüben. Aber die ein anderer gar nicht mehr machen will oder kann. Dann konnte ich ...
[Reporter:]
Zum Beispiel, was wäre das?
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Zum Beispiel habe ich dann nach einem Jahr, hab ich's nicht mehr ausgehalten. Ich bin bald mit dem Kopf durch die Wand, ich bin rumgelungert, ich kam mir schon vor wie'n Gammler. Äh - ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Dann bin ich zu McDonald. Ich weiß nicht, ob Ihnen das ein Begriff ist.
[Reporter:]
Mmm.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
McDonald, das ...
[Reporter:]
Die Kette.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Ich, ich ... Wissen Sie was, wie sie sagen drüben? Die größte Fresskette der Welt. Und und da, wo die Leute gegessen haben, habe ich die Tische abgewischt und denn ein bissel sauber gemacht und und na ja.
[Reporter:]
Ja, muss auch gemacht werden.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Ich musste eben was machen. Ja, und wissen Sie was, jetzt kommt's ja. Da habe ich die Stunde bekommen acht Mark fünfzig brutto. Jetzt können Sie sich ja ausrechnen, was ich da raus kriege, ungefähr sechs Mark die Stunde. Sechs Mark! Das waren ungefähr tausend Mark im Monat.
[Reporter:]
Das ist ja drüben nicht viel.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Tausend Mark ist drüben, können Sie sich gar nichts leisten. Ich konnte ja noch denn - äh - bei meinem geschiedenen Mann wohnen. Ich bin eigentlich ein kontaktfreudiger Mensch, aber ich komme dort hin: Keine Freunde, keine Bekannten. Jetzt kam das große Heulen auf deutsch. Keine Arbeit, die schlechte Wohnung, das war ne Kette, das war ein Teufelskreis für mich. Das war fand kein Ende. Ich hab ge-, Rotz und Wasser geheult auf deutsch gesagt. Und wissen Sie was? Ich hab so einen großen Bekanntenkreis in [anonymisiert] mir aufgebaut, hier. Bekannte hab, ich kann, kann jeden Tag woanders sein! Oder ich hatte ein wunderbares Kollektiv auf Arbeit. Ich war auch gut im Kollektiv, ich hab auch gesellschaftlich mich sehr arrangiert in allen Richtungen, war auch immer gut im Kollektiv. Wissen Sie was? Das war alles weg. Das hat mir alles gefehlt. Ich habe hier drüben Nervenzusammenbrüche gekriegt.
[Reporter:]
Glaub man vorher nicht, ne?
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Nein, das glaubt man nicht. Man muss selbst mit diesen Sachen konfrontiert werden, man muss das selber live erleben. Ich will Ihnen jetzt eins sagen. Mich haben sie abgeraten, mich haben sie zwei Mal ins Innere bestellt oder gar drei Mal, haben gesagt, ich soll mir das doch überlegen. Die haben mir das alles detailliert, was auch mich zukommen könnte. Ich war aber nicht eines besseren zu belehren. Ich habe gedacht, du bist überall ... Was kann denn dir passieren? du bist überall kontaktfreudig und ... Nein, es war, es war furchtbar für mich. Ich habe zwei Nervenzusammenbrüche gehabt drüben. Ich bin zusammengebrochen, ich hab Schüttelfrost gehabt, ich konnte nichts mehr essen.
[DDR-Sprecher:]
Die Erfahrung der Frau [anonymisiert] ist beispielhaft für viele, die mit positiven Erwartungen in den Westen gegangen sind oder die – geblendet vom schönen Schein – beschlossen von einer Besuchsreise nicht zurückzukehren. Für eine steigende Zahl von Übersiedlern und Nicht-Rückkehrern gilt, was Soziologen und Ärzte der BRD und Westberlins festgestellt haben: Den Illusionen folgen die Depressionen.
[Musikeinspielung; Maschinengeräusche]
[Sprecher 2:]
Ganz so leicht, wie das Wechseln von ein paar Schuhen fällt sie nicht, die Anpassung an den Westen. Für die meisten DDR-Übersiedler bringt der bundesdeutsche Alltag zusätzliche Probleme. Das belegt jetzt erstmals eine Untersuchung der Verwaltungsfachhochschule in Gießen, in der einhundert ehemalige DDR-Bürger zu ihrer psychischen Situation nach der Übersiedlung befragt wurden.
[Mann 11:]
Die Studie hat gezeigt, dass in den ersten Tagen vielleicht sogar in den ersten Wochen DDR-Übersiedler sich in einer Situation von Euphorie befinden, allerdings wenn der bundesrepublikanische Alltag dann einzieht, das heißt die Schwierigkeiten mit Behörden und auch Verwandten auftreten und teilweise ein Gefühl der Isoliertheit und der Anonymisierung hier in der Gesellschaft vorhanden ist, gibt es Probleme. Und diese Probleme wirken sich dann häufig auch in psychosomatischen Störungen aus.
[Sprecher 2:]
Der Wechsel von Ost nach West macht also viele krank. Laut Studie haben DDR-Bürger mehr als andere mit Migräne zu kämpfen. Viele leiden zum Beispiel an Magenschleimhautentzündungen, Magengeschwüren, Hauterkrankungen oder starken Kopfschmerzen – allesamt deutliche Symptome von psychischem Stress. Vor Stellung des Ausreiseantrages - so die Studie – waren diese Störungen nicht aufgetreten. Kommen im Westen dann Startschwierigkeiten zum Beispiel bei der Arbeitsplatzsuche hinzu, verstärkt sich die psychische Not. Ergebnis der Studie: Je länger Übersiedler in der Bundesrepublik leben, desto stärker ihre Neigung zu Depressivität.
[Sprecher 3:]
Es gibt eine beträchtliche Zahl von Aussiedlern aus der DDR die den Übergang vom einen deutschen Staat in den anderen seelisch nicht verkraftet haben und ärztliche Hilfe brauchen. Sie leiden an einer psychischen Erkrankung, die in den Lehrbüchern der Psychiatrie noch nicht beschrieben wurde: Ihr Name Ost-West-Krankheit.
[Mann 11:]
Ja, es stimmt, dass wir in unserer stationär-psychiatrischen Behandlung ständig ca. 20 bis 30 ehemalige DDR-Bewohner in Behandlung haben. Nach einer anfänglichen Phase der Initiative und des Schwungs habe ich oft beobachtet, dass es dann zu einer Phase der Resignation auch kommt. Das äußert sich darin, dass die Menschen körperlich erkranken, plötzlich - ähm - Schmerzen - äh - haben und - äh - also Leiden im körperlichen Bereich hinter denen dann sehr oft - äh - die Verzweiflung, die Traurigkeit steckt.
[Sprecher 2:]
Nach unseren Schätzungen sind es allein in Westberlin rund eintausend ehemalige DDR-Bürger gewesen, die ambulante oder stationäre psychologische Hilfe in Anspruch nahmen. Viele trauen sich nicht einmal das. Dabei kommt die Krise schon bald nach der Ankunft in den Lagern und Wohnheimen, Mitarbeiter und Bewohner erleben das immer wieder.
[Sprecher 3:]
Die persönliche Habe muss unterm Bett Platz finden, die Zahnbürste direkt neben den Schuhen. "Am schlimmsten ist es", sagt eine alleinstehende Frau, die Anfang August aus Ostberlin herüber kam: "Am schlimmsten ist es, dass ich mich nicht umziehen kann, ohne dass jeder zusehen kann." Jede Nacht nimmt sie alle zwei bis drei Stunden eine Schlaftablette, um in der ständigen Unruhe überhaupt ein Auge zu tun zu können. Früh um sechs ist die Nacht zu Ende, da stehen die meisten der Aussiedler auf, um einen langen Tag in den Behörden zu verbringen.
[Mann 12:]
Meine Frau ist nervlich so weit fertig, dass sie eben fast gar nicht schlafen tut. Im Grunde genommen ist es unzumutbar.
[Sprecher 2:]
Draußen auf der Wiese stehen zwei Bauwagen mit vier Toiletten für die über fünfzig Menschen und vier duschen, von denen zwei meistens kaputt sind. Für diese Unterkunft hat jeder Bewohner 150 Mark monatlich zu zahlen, Ehepaare zahlen 200. Ein Familienvater unter dem Eindruck der schlimmen Verhältnisse im Gemeindesaal:
[Familienvater:]
Mein Selbstwertgefühl ist am tiefsten Punkt, den ich je hatte, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, ja. Man kommt sich eben nicht wie ein vollwertiger Mensch vor, ja. Man ist eben doch der aus dem Osten und damit ist man nichts.
[Mann 13:]
In einem Fall hatte sich die junge Dame die Pulsadern aufgeschnitten und die andere hatte eine größere Menge an Tabletten zu sich genommen.
[Sprecher 2:]
Oft bleibt nur noch der Notarztwagen. Jeder Fall ist ein individuelles Schicksal, dennoch gibt es Gemeinsamkeiten. Kein zurück mehr in die alte Heimat, nur DDR im Fernsehen, wie hier im Gemeinschaftsraum eines Berliner Wohnheims.
Viele scheuen sich, ihre Herkunft überhaupt noch Preis zu geben. Meist der Beginn der Krise.
[Frau 5:]
Wenn ich nicht direkt da aufgefordert werde - äh - zu sagen, wo ich herkomme - äh - fühle ich mich nicht genötigt - äh - zu sagen, da und da komme ich her. Äh - ich habe die Erfahrung gemacht, es schlägt aus in, in Desinteresse, es ist unattraktiv. Es ist nicht exotisch und es ist belastend wahrscheinlich. Und - äh - das spüre ich und ich - äh - gebe der Sache keine Nahrung, indem ich nun erzähle, wie schlecht es mir geht oder ich suche gar nicht erst ein Gegenüber, was nun ein ach so offenes Ohr hat, das habe ich mir abgewöhnt.
[Sprecher 2:]
Jeder dritte Obdachlose in Großstädten wie Berlin und Hamburg kommt aus der DDR. Manche stellen den Rückreiseantrag, andere ziehen wenigstens von Westdeutschland nach Westberlin – als Therapie gewissermaßen.
[Mann 11:]
Wegen der Nähe zur DDR. Sie können an der Mauer entlanggehen, sie können einen speziellen Geruch, der von den Brennstoffen herrührt in der DDR - ähm - riechen, sie können zum Teil in die Landschaft rüber blicken und das unterstreicht noch mal, wie eng doch diese, das Heimatgefühl ist und wie schwer es ihnen fällt auf - äh - diesen Anteil zu verzichten und wie groß dieser Verlust doch ist, den sie dann nach einer Phase der Entlastung spüren.
[Mann 14:]
Es ist ein Betrug, wenn man denkt, dass man nicht in die Fremde kommt, nur weil man die gleiche Sprache - ähm - besitzt. Man geht nicht mehr weg, also man geht nicht mehr auf die Straße, man geht nicht mehr unter Menschen und man führt erst ein Einsiedlerleben, mit dem man ganz schlecht natürlich zurechtkommt. Und man geht auch nicht mehr zu auf andere Leute, - äh - man nimmt nicht mehr am lebendigen Leben teil. Und ich kenne auch Freunde – und ich habe viele Freunde, die diesen schlimmen Weg beschritten haben, die jetzt in Arbeitslosigkeit und Alkoholismus eigentlich gelandet sind, eigentlich mit einer Erfahrung, die ganz schrecklich ist - äh - mit diesen - ähm, äh - mit dieser Einsicht - ähm: Sie können dich nicht brauchen. Ähm - Hölderlin ging damals weg aus Deutschland mit diesem Satz und es ist etwas, was einem ganz schnell begegnet hier in der Bundesrepublik, - ähm - dass man eigentlich nicht mehr gebraucht wird, und dann wirklich allein Zuhause in der Wohnung sitzt.
[DDR-Sprecher:]
Im Westen in Freiheit. Eine Freiheit, die auch Bahnhof heißen kann, Abrisshaus oder Parkbank.
[Maschinengeräusche; Musikeinspielung]
[DDR-Sprecher:]
Wie werden Übersiedler aus der DDR drüben aufgenommen, angesehen? Prinzipiell nicht unbedingt unfreundlich. "Herzlich willkommen in der Freiheit!" und "Wir sind doch alle Deutsche!", sind so Sprüche, die zu hören sind, doch der Alltag sieht oft anders aus. Im Aufnahmeheim sitzt Frau [anonymisiert], die als Ur-Berlinerin glaubte, auch in Westberlin heimisch werden zu können. Sie wirkt dynamisch, kontaktfreudig und durchaus nicht in sich zurückgezogen.
[Berlinerin:]
Die sind ja immer freundlich, die Leute, ja, aber irgendwie haben sie immer das Gefühl, so na ja: Aus der DDR, wieder einer mehr. Ja, irgendwie kommen Sie sich da vor, wie der deutsche Türke, ja.
[Reporter:]
Trotz als Berlinerin in Berlin?
[Berlinerin:]
Ja, ja. Ich meine, ich hätte es vielleicht nicht so schwer gehabt, da gibt es andere Leute, die jetzt vielleicht aus Sachsen kommen.
[Reporter:]
Ja.
[Berlinerin:]
Aus Dresden und so ...
[Reporter:]
Ja, ja ...
[Berlinerin:]
... wo der Dialekt schon sehr stark durchkommt, bei denen ist es schon etwas schwieriger, ja. Also ich meine, ich hätte da unter - äh - so einschlüpfen können, ohne dass mich jemand bemerkt hätte, ja.
[Reporter:]
Mmm.
[Berlinerin:]
Aber, trotzdem, nee, die Menschen sind zwar auch freundlich, aber ich kann das nicht beschreiben.
[Reporter:]
[Unverständlich]
[Berlinerin:]
Nee, die sind so gefühlskalt, ja, die lassen auch so ... Ich hab eben auch so Begegnungen und so in der U-Bahn gehabt, so Erlebnisse. Da ist ja auch ein Mann umgefallen, so runtergefallen vom Sitz, ja. Da hat sich, die Leute haben sich nur umgedreht, haben geguckt, ja, und kein Mensch hat dem geholfen, ja. Da bin ich mit so einer älteren Dame und hab den Burschen da hochgezerrt – der war nicht betrunken, der, dem war irgendwie schlecht oder weiß ich was. Auf jeden Fall, der sah ganz mies aus, als wenn er vielleicht tagelang nichts gegessen hatte.
[Reporter:]
Mmm.
[Berlinerin:]
Kein Mensch hat sich um diesen Menschen gekümmert. Ja, so eiskalt, ja.
[Reporter:]
Das hätten Sie sich vorher nicht so vorgestellt?
[Berlinerin:]
Nee. Also, wenn Sie mal nur so ein paar Tage rüber fahren, dann sehen Sie nur alles high life, alles schön, die Geschäfte, alles toll, aber nee, die Menschen sind ganz anders wie wir. Ich meine, unsere Leute sind auch nicht immer freundlich, ja die Verkäuferinnen haben auch manchmal so eine garstige Art, aber nee. Und im Nachhinein, was ich so gehört habe. Im Grunde genommen haben alle die gleichen Erfahrungen gemacht. Sie können sich auch nicht, Sie können sich nicht so richtig in diese Gesellschaft integrieren. Geht nicht. Sie sind im Prinzip für sich alleine. Ja, Sie laufen da rum, Sie haben Ihre Ängste, Ihre Hoffnungen und irgendwie haben Sie immer Angst, ja, zu versagen oder so.
[Reporter:]
Mmm.
[Berlinerin:]
Hier habe ich dieses Gefühl nie gehabt. Auch so, da wird Ihnen auch ständig der Spiegel vorgehalten, ja, wenn Sie jetzt wieder Ende dreißig sind, solche Leute sollten das echt nicht mehr tun, da rüber zu gehen. Das ist zu spät, ja, Ende dreißig sind Sie für die Leute Asbach uralt, ja. Ich hab da auch junge Leute kennengelernt, die sind – Wie alt war der? – 24, der hatte hier irgendwas im Bankgewerbe gelernt ...
[Reporter:]
Mmm.
[Berlinerin:]
... der bekommt drüben keine Arbeit.
[Reporter:]
Mmm.
[Berlinerin:]
Der hat sich bei 700 Stellen beworben in den Jahren. Zwei Jahre ist der, glaube ich, drüben. Der hat bis zum heutigen Tage keine Arbeit gekriegt. Die sagen eben, er ist ein ...
[Reporter:]
Als unzuverlässig eingeschätzt?
[Berlinerin:]
Ja, als Sicherheitsrisiko, ja, er kann da nicht arbeiten, geht nicht. Dann hat er hier so bei den Amis gearbeiten, gearbeitet, wohl auf dem Flughafen, hat da so - äh - Flugzeuge entladen, aber das war nicht so locker oder so, die müssen da asten und schleppen, ja, der hat vierzig Pfund abgenommen. Ja, der war mit einem Mal total abgemagert. Ja, da denkt wirklich jeder nur an sich und denkt nur an seinen kleinen Bereich und dass er seine Arbeit jetzt vielleicht nicht verliert. Manche haben gute Jobs und die können sich auch gut da in ... Aber manchmal reicht das wirklich schon irgendwie mal krank zu werden oder so, dann sind Sie weg vom Fenster. Ich meine, so lange der Rubel rollt, da sind Sie drüben der Größte, aber, aber da gibt's irgendwie nicht so ne Freundschaften oder so, nicht so wie in der DDR, die meisten sind total unglücklich. Irgendwie erholen die sich alle nicht mehr. Das ist ja auch so, Sie haben ja nicht mehr dieses, dieses Selbstwertgefühl, ja. Ich meine so als Frau ist mir das da drüben ja auch sehr stark aufgefallen. Wenn Sie hier als junge Frau mal ein bisschen nett gekleidet sind, dann pfeift auch mal jemand oder sagt: "Ah hmm - bist ja nett." oder so. Da drüben haben Sie das überhaupt nicht. Da sagt nicht einer mal: "Ach - bist ja heute nett angezogen." oder so. Das gibt es da drüben nicht. Überhaupt nicht. Da sagt keiner zum anderen mal was Nettes.
[Reporter:]
Hmm.
[Berlinerin:]
Im Grunde genommen sind alle DDR-Bürger da untereinander wie eine Clique, nur die Freundschaften sind da vorhanden. Es ist ganz selten, dass mal jemand mit einem Westler da irgendwie Freundschaft hält, ganz selten. Ich meine die unterhalten sich so alle oder da hilft mal einer den anderen aber bei den Westdeutschen nüscht. Auch bei Arbeitskollegen, da sagt einem keiner irgendwie was, wie es gemacht wird, das behält jeder für sich, ja, die andere könnte ja vielleicht auch so gut werden, ist dieser Konkurrenzkampf dann noch stärker, ja. [Unverständlich] Ich find's ganz schlimm.
[DDR-Sprecher:]
Herr [anonymisiert] hat ganz ähnliche Erfahrungen im Berufsleben machen müssen.
[Mann 15:]
Da kriegt man bloß ein paar Brocken gesagt, wenn zum Schluss die anderen sagen, - äh - na ja, wenn man die Kollegen denn mal denkt, dass man die fragen kann, die sagen dann scherzhaft und kloppen einem auf die Schulter: "Ach wissen Sie was, das weiß ich auch nicht, aber als Ausgleich werden Sie sicherlich irgendwas wissen, was ich wieder nicht weiß." oder so. Und auf galante Art und Weise zieht sich jeder aus der Affäre und keiner will praktisch der Letzte sein, der der Nächste ist, der ausgewechselt wird. Und das Ausgewechselt-Werden geht gnadenlos vor sich: Hilf dir oder stirb. Wenn du nicht kannst, kannste ja gehen oder so.
[Musikeinspielung; Maschinengeräusche]
[Sprecher 2:]
Die Behörden der DDR ließen sie ungern gen Westen ziehen, dem Glücksgefühl endlich im Westen zu sein, wird bei manchen der Ausgereisten auch Trauer über das aufgegebene Zuhause folgen, besonders wenn die Nachbarn in der neuen Heimat vor ihnen die Tür verschließen.
[Frau 6:]
Mmm, Sie haben doch so das Gefühl, dass man - äh - Sie nicht ganz ernst nimmt oder dass man Sie nicht so willkommen heißt in der Praxis, wie Sie das eigentlich glaubten von Ihrer oder von den politischen Worten, die man auch drüben ja hört. Wenn Sie auf dem Arbeitsamt, wenn Sie bei den Behörden sind, kommt – ja, auf dem Arbeitsamt vor allen Dingen, dann werden Sie, fühlen Sie sich nicht gleichwertig behandelt, wie einer der aus, der vom Westen stammt. Es ist auch manchmal eben so im ganzen Kontakt mit Westdeutschen, Sie sprechen zwar die gleiche Sprache, aber Sie haben andere Probleme und Sie haben immer so das Gefühl, man würde Sie nicht verstehen.
[Frau 7:]
Bei Ingenieuren, bei Seeleuten, bei allem Möglichen sagt man natürlich: "Zuerst kommt ein Hiesiger." Sie sagen es sogar auf dem Arbeits- - äh - amt, sagen sie das.
[Frau 6:]
Es ist auch eine gewisse Schwierigkeit, weil - äh - sie eine andere Ausbildung haben, weil sie auch anders berufstätig waren. Insofern haben die Leute sicher auch Schwierigkeiten hier und man zögert manchmal so ein bisschen, Leute aus der DDR zu nehmen. Wir haben also Fälle, da weiß ich positiv, dass man sie abgelehnt hat, als sie sagten, sie kämen aus der DDR.
[DDR-Sprecher:]
Zwei Bundesbürger gefragt, warum es DDR-Übersiedler so schwer haben in der BRD.
[Mann 16:]
In erster Linie würde ich denken - äh - dass man da auch - äh - bleiben sollte, wo man auch - äh - sein, seine Heimat und seine Verwandten und seine Bekannten und alles hat.
[Frau 8:]
Wir haben ja selbst nix hier, geh, dass man sagt, dass die Konjunktur ist ja rückläufig, ne.
[Frau 9:]
Ich hatte ärztliche Atteste, die nervenärztlichen Atteste, ich muss unbedingt wieder in die DDR zurück. Ich konnte dort nicht mehr leben. Ich wär dort psychisch, ich wär langsam zugrunde gegangen da drüben, allmählich. Ich war weg, ich bin ja schon apathisch durch die Gegend gerannt und alles mögliche.
[Sprecher 3:]
Ist es wirklich so schwer für DDR-Aussiedler sich bei uns zurecht zu finden. Gibt es in unserer an Erfolg und wirtschaftlichem Wohlstand orientierten Gesellschaft so viel Kälte, so viel Desinteresse, dass Neuankömmlinge aus dem anderen Staat darüber buchstäblich krank werden können?
[Sprecher 2:]
Zuwanderer aus der DDR: Im Westen fühlen sie sich oft ausgeschlossen und in die alte Heimat gibt es kein zurück.
[Maschinengeräusche]
[DDR-Sprecher:]
In der Regel gibt es kein zurück, so verständlich der Wunsch nach sozialer Sicherheit und Wärme auch sein mag. Auf die Konsequenzen einer Übersiedlung in die kapitalistische Welt wurde eindringlich hingewiesen. Nur in wenigen begründeten Ausnahmefällen wird Rücksiedlungsersuchen stattgegeben. Einige unserer Gesprächspartner zählen zu ihnen. Lassen wir sie abschließend noch einmal zu Wort kommen.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Jetzt will ich Ihnen eines erzählen: Ich kannte noch eine DDR-Bürgerin, der ging es genauso wie mir. Die hat auch, wir haben beide um die Wette geheult, haben wir gesagt. Wir, die war auch, die war schon ein bisschen älter als ich, hat gesagt: "Was wollen wir hier drüben? Wir hatten alles, was uns ein angenehmes Leben bieten kann hier in der DDR." Sie war in Neubrandenburg Bibliothekarin, hatte so einen schönen Beruf, hatte Wohnung und alles. Und die ist ja denn auch rüber zu ihrer Tochter, die wurde auch nicht, die, wir waren beide fertig. Die ist auch, nur Heimweh. Dann kannte ich noch eine, will ich auch erzählen. Die ist auch aus dem Kaufhaus gewesen, auch ausgesiedelt, rüber nach Westberlin. Die hat, mit der hab ich mich ein paar Mal unterhalten, hat sie gesagt. Die ist fix und fertig, sagt sie. "Westberlin wird nie meine Heimat, warum sind wir weggemacht?" Das war die zwei, die dritte, die ich gesprochen hab, persönlich! Dann war ich bei meinem Cousin, der ist schon fünf Jahre drüben. Er gibt es nicht zu, dass es ihm nicht gefällt, das hört man ja aus den Gesprächen. Die Frau hat auch geheult, hat gesagt: "Warum sind wir rüber?" Überall spricht das Heimweh, aus jedem Menschen, den sie dort sprechen, der in der DDR war, spricht das Heimweh! Keine Kontakt - äh - jeder lebt dort drüben meistens für sich selber.
[Reporter:]
Sie hatten also auch Heimweh?
[Mann 17:]
Selbstverständlich hatte ich Heimweh, das spielt sogar in der Situation, wenn eine Familie auseinanderbricht, und es gibt eine Studie von der sogenannten Flüchtlingshilfe e.V. in Hamburg, dass etwa 80 Prozent aller derzeit übersiedelnden Familien auseinanderbrechen. Das ist wahrscheinlich damit zu begründen, dass ja der eine gern geht und der andere mitgeht, das ist in vielen Familien der Fall. Man geht nicht gleichwertig mit, in den seltensten Fällen. Meine Gespräche, die ich mit DDR-Bürgern drüben geführt habe, waren immer so, dass einer mitgegangen und einer gegangen ist und dass derjenige den Westen, man sagt, wir sagen immer dazu "verblitzt" sieht, er möchte jetzt das, was so zieht. Das, Erfolg, das Aneignen dieser in den Schaufenstern dargestellten Mitteln schnellstmöglich haben und überfordert seinen Partner. Der kann nicht mithalten, die Familie bricht auseinander.
[Reporter:]
Was würden Sie jemandem empfehlen, der in einer vergleichbaren Lage ist, einer ähnlichen Lage wie Sie vor zwei Jahren waren?
[Frau 10:]
Also, wenn ich, wenn jemand in einem ähnlichen Fall ist wie ich, wenn er jetzt mit nem Partner rüber geht oder wegen einem Partner rüber geht, sollte er sich vorher mal die Frage stellen: Wenn alles schief geht, kann ich dann drüben auch existieren, kann ich ohne Partner existieren, was heißt existieren, leben? Kann ich ohne Arbeit, ist das mein Lebensziel? Ja, das muss man halt so wissen. Kann ich - äh - ohne Beruf nur Zuhause sitzen, kann ich letztendlich, wenn's die vorletzte Stufe, wenn ich die vorletzte Stufe der sozialen Leiter erreiche, dass es für mich, ist jetzt meine persönliche Interpretation, das ist das Sozialamt.
[Reporter:]
Mmm.
[Frau 10:]
Die letzte Stufe ist dann der Bettler.
[Reporter:]
Mmm.
[Frau 10:]
Kann ich so leben? Das sollte man sich mal durch den Kopf gehen lassen.
[Mann 17:]
Und das ist auch der Punkt, wo viele, würde ich sagen, ewig - äh - ewig ungeklärt, die werden nie wieder glücklich. Die sind zwar in den Augen derer, die hier sind: "Mann, der hat's richtig gemacht. Der aus'm Westen" oder so. "Der hat da jetzt ..." und was der hat und so. "du lieber Himmel!" Na gut, da hat er vielleicht ein Auto, was ein bisschen besser aussieht und technisch weiter entwickelt ist, aber für den Preis und ewig unglücklich zu sein, nur damit hier, wenn er vielleicht mal wieder zu Besuch kommen darf oder so, dass er da auf die Schulter geklopft und in Wirklichkeit ist er praktisch in, er hat, er hat - äh - er hat was, aber im Grunde genommen hat er nichts. Und selbst - äh - ich war zum Schluss so weit, dass ich, selbst wenn ich im Lotto gewonnen hatte, hätte, ich wär, ich wär ja auch wieder zurückgekommen. Alles in allem, insgesamt betrachtet kann ich nur sagen, es soll sich jeder für das sozialistische System entscheiden, hier mit anzupacken, dass es so weitergeht, wie es in den letzten Jahren, ist es ja immer, immer weitergegangen und das zu verteidigen. Echt, ich hab da früher auch immer mal ein bisschen gegrinst oder so, wenn es hieß um Errungenschaften, aber ich hab jetzt erst mal durch das Drüben-Sein kennengelernt, was wir für Errungenschaften haben, das praktisch alles sozial abgesichert ist, bis ans Lebensende. Kann ich nur jedem sagen. Echt, das was sich hier die Leute geschaffen haben, was der Staat hier vollbracht hat, das zu festigen und und das aufzugreifen, zu helfen, zuzupacken, dass es weitergeht, aber nicht, aber nicht dort, aber nicht dort. Die sind es erstens nicht wert und und alles im Querschnitt gesehen machen die, die von hier dort rüber gehen, die machen nur Miese, die machen nur Miese.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Also, Sie werden es nicht glauben, jetzt sage ich Ihnen was, was, was ich wirklich gemacht habe. Ich hab, ich war drüben in [anonymisiert], das ist bei [anonymisiert], in einer Gnadenkapelle, in einer Wallfahrtskirche, so ne Wallfahrtskapelle.
[Reporter:]
Mmm.
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Wunderschön da drinne. Da ist die Mutter Maria, Sie werden es nicht glauben, ich habe gebetet. Ich habe gebetet, dass ich wieder zurück kann in die DDR.
[Reporter:]
Mutter Maria hat Sie erhört, ja?
[ehemalige Reklamationsbearbeiterin:]
Ja, und nach 14 Tagen hatte ich Bescheid und da hat mein Bekannter gesagt: "Na, Mutter Maria musst du 14 Tage Bearbeitungszeit geben." [Lacht] Ja, und da konnten wir. Ich war so glücklich, dass war der schönste Tag mit in meinem Leben, als das Schreiben kam vom Ministerium, dass ich mich in der Parkstraße melden soll. Also, wissen Sie, wie glücklich ich bin? Ich bin jetzt, ich bin mir, ich bin unserem Staat jetzt irgendwas schuldig.
[eingespielte Musik]
[DDR-Sprecher:]
Nicht nur Heimweh. Eine Tondokumentation zusammengestellt aus Sendebeiträgen westlicher Medien und Originalberichten rückkehrwilliger ehemaliger DDR-Bürger.
[eingespielte Musik]
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Für Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit zuständige zentrale Diensteinheit, 1955 aus der Abteilung Allgemeines ausgegründet. Sie sorgte für die Erarbeitung von Ausstellungen, Printpublikationen und Filmen zur Tätigkeit des MfS sowie für die Platzierung solcher Themen in den DDR-Medien. Die Abt. stand unter der Leitung von Gustav Borrmann (1955–1957), Günter Halle (1957–1975) und Helmut Bechert (1975–1985). Sie verfügte 1960 über 26, 1970 über 69 und 1985 über 76 Mitarbeiter. 1972–1983 war der Arbeitsbereich, der für die Zusammenarbeit mit betrieblichen Arbeitskollektiven, Schulen und Grenzgemeinden sowie die sog. Patenschaftsarbeit zuständig war, unter der Leitung von Gerhard Kehl als Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen (AÖV) zeitweise ausgegliedert. 1985 wurde der Aufgabenbereich der Abteilung als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert.
Für Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit zuständige zentrale Diensteinheit, 1955 aus der Abteilung Allgemeines ausgegründet. Sie sorgte für die Erarbeitung von Ausstellungen, Printpublikationen und Filmen zur Tätigkeit des MfS sowie für die Platzierung solcher Themen in den DDR-Medien. Die Abt. stand unter der Leitung von Gustav Borrmann (1955–1957), Günter Halle (1957–1975) und Helmut Bechert (1975–1985). Sie verfügte 1960 über 26, 1970 über 69 und 1985 über 76 Mitarbeiter. 1972–1983 war der Arbeitsbereich, der für die Zusammenarbeit mit betrieblichen Arbeitskollektiven, Schulen und Grenzgemeinden sowie die sog. Patenschaftsarbeit zuständig war, unter der Leitung von Gerhard Kehl als Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen (AÖV) zeitweise ausgegliedert. 1985 wurde der Aufgabenbereich der Abteilung als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert.
Die DDR-Geschichte war von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende auch eine Geschichte der Flucht. Der Bau der Mauer 1961 steht dafür ebenso symbolisch wie der von der Gesellschaft schließlich erzwungene Mauerdurchbruch 1989, der das Ende des SED-Staates markiert.
Zu einem Schwerpunkt in der Arbeit des MfS rückte ab den 70er Jahren das Vorgehen gegen "Antragsteller auf ständige Ausreise aus der DDR in die BRD bzw. nach Berlin (West)" (AStA) auf. Hierfür waren zwei Gründe ausschlaggebend: Mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki 1975 verpflichtete sich die DDR, nachdem sie bereits die UN-Menschenrechtscharta unterzeichnet hatte, das Recht auf Freizügigkeit anzuerkennen. Trotzdem gewährte die DDR aber auch weiterhin nur Rentnern und Invaliden die Übersiedlung in die Bundesrepublik. Bereits einen Ausreiseantrag zu stellen, galt - da die Rechtsgrundlage in der DDR fehlte - als illegal und konnte mit Gefängnisstrafen geahndet werden. Das geschah auch häufig.
Nicht nur die Zahl der Anträge nahm seit Mitte der 70er Jahre zu, Ausreisewillige traten nun auch immer häufiger öffentlich mit Protesten in Erscheinung, wobei sie die Möglichkeit einer Inhaftierung in Kauf nahmen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Entschlossenheit, mit den Verhältnissen in der DDR konsequent zu brechen, wurden sie in den Augen des MfS zu einem Sicherheitsrisiko. Auch die 1983 erlassene Verordnung zur Regelung von Fragen der Familienzusammenführung und Eheschließung zwischen Bürgern der DDR und Ausländern brachte keine Entlastung, da der Personenkreis eingeschränkt blieb. Ab Herbst 1983 bezeichnete das MfS diese Personengruppe als Übersiedlungsersuchende (ÜSE).
Obwohl Menschen, die die DDR verlassen wollten, ihren Antrag nur als Einzelperson oder ggf. gemeinsam mit ihren Familienangehörigen stellten, kann ab Mitte der 70er Jahre von einer Ausreisebewegung die Rede sein. Die Zahl der Ausreiseanträge war groß (zu den Zahlen der Republikflucht). Die Ausreiseantragsteller versuchten sich zu vernetzen und traten öffentlich in Erscheinung. Bereits 1973 ging von den auf die Genehmigung ihrer Ausreise hoffenden Familien Faust und Hauptmann in Pirna eine Unterschriftensammlung aus; 1976 gelangte die Petition des Riesaer Arztes Karl-Heinz Nitschke "zur vollen Erlangung der Menschenrechte" in die Westmedien. Die Petition war von 79 Personen unterzeichnet worden.
Bekannt wurden insbesondere die "weißen Kreise" (ausgehend von Jena Anfang der 80er Jahre, später auch in anderen Städten): Ausreiseantragsteller stellten sich auf zentralen Plätzen im Kreis auf und machten so auf ihr Begehren aufmerksam. Um sich untereinander zu erkennen und ihren Protest auszudrücken, trugen sie weiße Kleidung. Das MfS griff wiederholt ein und inhaftierte die Protestierenden.
Neben dem Besuch oder auch der Besetzung westlicher Botschaften in der DDR, insbesondere der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin, und im kommunistischen Ausland organisierten sich Ausreiseantragsteller ab 1987 in Gruppen, die zumeist bei evangelischen Kirchengemeinden Zuflucht fanden. In Ostberlin konstituierte sich im Herbst 1987 die Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht in der DDR, die Rechtsberatungen durchführte, die Solidarität unter Antragstellern organisierte und mit Protesterklärungen auf das Schicksal der Antragsteller aufmerksam machte. Weitere Gruppen entstanden in Leipzig, Berlin-Treptow, Stralsund, Greifswald, Dresden und vielen anderen Städten.
Es kam immer häufiger zu öffentlichen Protesten. An Autos oder in Wohnungsfenstern wurden Symbole angebracht, um auf den gestellten Ausreiseantrag öffentlich aufmerksam zu machen. Mehrfach kam es auch zu Besetzungen von Kirchen, wobei die Kirchenleitungen nicht immer im Sinne der Besetzer agierten. Fanden Gespräche oder Rechtsberatungen mit Ausreiseantragstellern außerhalb kirchlicher Räume statt (wie in einem Jugendklub in Potsdam-Babelsberg), so intervenierte das MfS und nahm die unmittelbar Beteiligten meist in Haft.
Um gegen die zunehmende Zahl der Ausreiseanträge vorzugehen, erließ MfS-Minister Erich Mielke am 18.3.1977 den Befehl 6/77 zur "Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung rechtswidriger Übersiedlungsersuchen". Geregelt wurden hier auch die Informationspflicht und die Zusammenarbeit zwischen der 1975 (Befehl 1/75) gebildeten Zentralen Koordinierungsgruppe bzw. den Bezirkskoordinierungsgruppen, die für die Zusammenarbeit mit dem MdI und kommunalen Instanzen verantwortlich zeichneten, und den zuständigen MfS-Diensteinheiten.
Im Fall von auffällig "feindlich-negativen" Antragstellern, von denen potenziell Aktivitäten zur "Erzwingung" der Ausreise ausgingen, wurde seitens des MfS der Abteilung Inneres beim Rat des Bezirks oder Kreises die Option eingeräumt, eine "vorbeugende Übersiedlung" des Antragstellers zu veranlassen. Im Jahr 1988 musste das MfS immer wieder "öffentlichkeitswirksame Provokationen" von "aktiv handelnden Zusammenschlüssen" - Demonstrationen mit Hunderten, in Ausnahmefällen sogar mehreren Tausend Teilnehmern - in fast allen DDR-Bezirken feststellen.
Als wenig erfolgreich galten die in Verantwortung der Abteilung Inneres durchgeführten "Zurückdrängungsgespräche", die mit Antragstellern auf Weisung des MfS zu führen waren - nicht selten wurden diesen dabei eine Verbesserung der Wohnraumsituation oder die Aufhebung von Diskriminierungen am Arbeitsplatz in Aussicht gestellt. Antragstellern, die sich mehrfach an staatliche Stellen gewandt hatten (im MfS-Sprachgebrauch: "hartnäckige Antragsteller"), wurden strafrechtliche Sanktionen angedroht, und sie wurden nicht selten vom MfS inhaftiert. Dies traf vor allem dann zu, wenn Antragsteller Konsequenzen angekündigt oder westliche Stellen von ihrem Antrag in Kenntnis gesetzt hatten.
Von 1977 bis zum Sommer 1989 wurden in der DDR etwa 20.000 Ermittlungsverfahren gegen Antragsteller eingeleitet. Zuständig für die Bearbeitung war jeweils das MfS und deren Untersuchungsorgan; inhaftierte Antragsteller wurden in die MfS Untersuchungshaftanstalten überstellt und gelangten oft nach einer gerichtlichen Verurteilung über den Häftlingsfreikauf in die Freiheit. Flucht und Ausreise stellten ganz wesentliche Destabilisierungs- und Delegitimierungsfaktoren der SED-Herrschaft von 1949 bis 1989 dar.
Die DDR-Geschichte war von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende auch eine Geschichte der Flucht. Der Bau der Mauer 1961 steht dafür ebenso symbolisch wie der von der Gesellschaft schließlich erzwungene Mauerdurchbruch 1989, der das Ende des SED-Staates markiert.
Zu einem Schwerpunkt in der Arbeit des MfS rückte ab den 70er Jahren das Vorgehen gegen "Antragsteller auf ständige Ausreise aus der DDR in die BRD bzw. nach Berlin (West)" (AStA) auf. Hierfür waren zwei Gründe ausschlaggebend: Mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki 1975 verpflichtete sich die DDR, nachdem sie bereits die UN-Menschenrechtscharta unterzeichnet hatte, das Recht auf Freizügigkeit anzuerkennen. Trotzdem gewährte die DDR aber auch weiterhin nur Rentnern und Invaliden die Übersiedlung in die Bundesrepublik. Bereits einen Ausreiseantrag zu stellen, galt - da die Rechtsgrundlage in der DDR fehlte - als illegal und konnte mit Gefängnisstrafen geahndet werden. Das geschah auch häufig.
Nicht nur die Zahl der Anträge nahm seit Mitte der 70er Jahre zu, Ausreisewillige traten nun auch immer häufiger öffentlich mit Protesten in Erscheinung, wobei sie die Möglichkeit einer Inhaftierung in Kauf nahmen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Entschlossenheit, mit den Verhältnissen in der DDR konsequent zu brechen, wurden sie in den Augen des MfS zu einem Sicherheitsrisiko. Auch die 1983 erlassene Verordnung zur Regelung von Fragen der Familienzusammenführung und Eheschließung zwischen Bürgern der DDR und Ausländern brachte keine Entlastung, da der Personenkreis eingeschränkt blieb. Ab Herbst 1983 bezeichnete das MfS diese Personengruppe als Übersiedlungsersuchende (ÜSE).
Obwohl Menschen, die die DDR verlassen wollten, ihren Antrag nur als Einzelperson oder ggf. gemeinsam mit ihren Familienangehörigen stellten, kann ab Mitte der 70er Jahre von einer Ausreisebewegung die Rede sein. Die Zahl der Ausreiseanträge war groß (zu den Zahlen der Republikflucht). Die Ausreiseantragsteller versuchten sich zu vernetzen und traten öffentlich in Erscheinung. Bereits 1973 ging von den auf die Genehmigung ihrer Ausreise hoffenden Familien Faust und Hauptmann in Pirna eine Unterschriftensammlung aus; 1976 gelangte die Petition des Riesaer Arztes Karl-Heinz Nitschke "zur vollen Erlangung der Menschenrechte" in die Westmedien. Die Petition war von 79 Personen unterzeichnet worden.
Bekannt wurden insbesondere die "weißen Kreise" (ausgehend von Jena Anfang der 80er Jahre, später auch in anderen Städten): Ausreiseantragsteller stellten sich auf zentralen Plätzen im Kreis auf und machten so auf ihr Begehren aufmerksam. Um sich untereinander zu erkennen und ihren Protest auszudrücken, trugen sie weiße Kleidung. Das MfS griff wiederholt ein und inhaftierte die Protestierenden.
Neben dem Besuch oder auch der Besetzung westlicher Botschaften in der DDR, insbesondere der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin, und im kommunistischen Ausland organisierten sich Ausreiseantragsteller ab 1987 in Gruppen, die zumeist bei evangelischen Kirchengemeinden Zuflucht fanden. In Ostberlin konstituierte sich im Herbst 1987 die Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht in der DDR, die Rechtsberatungen durchführte, die Solidarität unter Antragstellern organisierte und mit Protesterklärungen auf das Schicksal der Antragsteller aufmerksam machte. Weitere Gruppen entstanden in Leipzig, Berlin-Treptow, Stralsund, Greifswald, Dresden und vielen anderen Städten.
Es kam immer häufiger zu öffentlichen Protesten. An Autos oder in Wohnungsfenstern wurden Symbole angebracht, um auf den gestellten Ausreiseantrag öffentlich aufmerksam zu machen. Mehrfach kam es auch zu Besetzungen von Kirchen, wobei die Kirchenleitungen nicht immer im Sinne der Besetzer agierten. Fanden Gespräche oder Rechtsberatungen mit Ausreiseantragstellern außerhalb kirchlicher Räume statt (wie in einem Jugendklub in Potsdam-Babelsberg), so intervenierte das MfS und nahm die unmittelbar Beteiligten meist in Haft.
Um gegen die zunehmende Zahl der Ausreiseanträge vorzugehen, erließ MfS-Minister Erich Mielke am 18.3.1977 den Befehl 6/77 zur "Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung rechtswidriger Übersiedlungsersuchen". Geregelt wurden hier auch die Informationspflicht und die Zusammenarbeit zwischen der 1975 (Befehl 1/75) gebildeten Zentralen Koordinierungsgruppe bzw. den Bezirkskoordinierungsgruppen, die für die Zusammenarbeit mit dem MdI und kommunalen Instanzen verantwortlich zeichneten, und den zuständigen MfS-Diensteinheiten.
Im Fall von auffällig "feindlich-negativen" Antragstellern, von denen potenziell Aktivitäten zur "Erzwingung" der Ausreise ausgingen, wurde seitens des MfS der Abteilung Inneres beim Rat des Bezirks oder Kreises die Option eingeräumt, eine "vorbeugende Übersiedlung" des Antragstellers zu veranlassen. Im Jahr 1988 musste das MfS immer wieder "öffentlichkeitswirksame Provokationen" von "aktiv handelnden Zusammenschlüssen" - Demonstrationen mit Hunderten, in Ausnahmefällen sogar mehreren Tausend Teilnehmern - in fast allen DDR-Bezirken feststellen.
Als wenig erfolgreich galten die in Verantwortung der Abteilung Inneres durchgeführten "Zurückdrängungsgespräche", die mit Antragstellern auf Weisung des MfS zu führen waren - nicht selten wurden diesen dabei eine Verbesserung der Wohnraumsituation oder die Aufhebung von Diskriminierungen am Arbeitsplatz in Aussicht gestellt. Antragstellern, die sich mehrfach an staatliche Stellen gewandt hatten (im MfS-Sprachgebrauch: "hartnäckige Antragsteller"), wurden strafrechtliche Sanktionen angedroht, und sie wurden nicht selten vom MfS inhaftiert. Dies traf vor allem dann zu, wenn Antragsteller Konsequenzen angekündigt oder westliche Stellen von ihrem Antrag in Kenntnis gesetzt hatten.
Von 1977 bis zum Sommer 1989 wurden in der DDR etwa 20.000 Ermittlungsverfahren gegen Antragsteller eingeleitet. Zuständig für die Bearbeitung war jeweils das MfS und deren Untersuchungsorgan; inhaftierte Antragsteller wurden in die MfS Untersuchungshaftanstalten überstellt und gelangten oft nach einer gerichtlichen Verurteilung über den Häftlingsfreikauf in die Freiheit. Flucht und Ausreise stellten ganz wesentliche Destabilisierungs- und Delegitimierungsfaktoren der SED-Herrschaft von 1949 bis 1989 dar.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Bevor sich Anfang der 80er Jahre der Begriff Öffentlichkeitsarbeit, zumeist als Begriffspaar Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit (ÖTA), durchsetzte, wurde dieses Tätigkeitsfeld im MfS als Agitation bezeichnet. Im Verlauf der MfS-Geschichte nahm sie unterschiedliche Ausprägungen an. Ihren Höhepunkt erlebte sie in den 50er und 60er Jahren, später reduzierte sich ihre Bedeutung deutlich.
Schon die Gründung des MfS wurde von einer Medienkampagne gegen westliche "Saboteure und Agenten" begleitet. 1954 wurde für die Öffentlichkeitsarbeit ein eigenes Referat in der für Verwaltungsaufgaben zuständigen Abteilung Allgemeines eingerichtet, das 1955 als selbständige Abteilung Agitation ausgelagert wurde. Der Bereich wurde nach außen als Pressestelle oder Presseabteilung bezeichnet, seine Leiter traten in den 50er und 60er Jahren auch als Pressesprecher des MfS auf. 1985 wurde der Bereich umorganisiert und als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert. In den Bezirksverwaltungen und Hauptabteilungen des Ministeriums lag die Zuständigkeit für die Öffentlichkeitsarbeit bei einzelnen Stabsoffizieren, die nach Einrichtung der AKG 1978/79 diesem Bereich zugeordnet waren. Aufgaben einer wirklichen Pressestelle erfüllte der Agitationsbereich nur begrenzt. Die Medien wurden vom MfS nur sehr restriktiv informiert, aber umso intensiver instrumentalisiert. Es ging primär um Popularisierung der Arbeit der Staatssicherheit; die Abwehr gegnerischer Angriffe stand thematisch im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit Konkrete Angaben zum eigenen Apparat, etwa zu Mitarbeiterzahlen, Aufbau und Arbeitsweise wurden grundsätzlich nicht in die Öffentlichkeit gegeben.
Wie kaum ein anderes Tätigkeitsfeld der Staatssicherheit war die Öffentlichkeitsarbeit in der Ulbricht-Ära unmittelbar in die entsprechenden Aktivitäten des zentralen Parteiapparates der SED (Abteilungen Agitation und Propaganda des ZK, Agitationskommission des ZK) eingebunden. Auch die Beziehungen zu anderen staatlichen Akteuren, etwa dem Amt für Information oder der Generalstaatsanwaltschaft, waren vorrangig offizieller Natur. Der Einsatz von IM oder OibE spielte in diesem Bereich eine untergeordnete Rolle. Eine prominente Ausnahme war der Publizist Julius Mader, der von 1962 bis 1989 OibE des MfS-Agitationsbereichs war und mit seinen geheimdienstspezifischen Büchern (z. B. Nicht länger geheim, 1966; Who’s who in CIA, 1968) durchaus Breitenwirkung erzielte. In den 50er Jahren konzentrierte sich die MfS-Agitation darauf, "Diversanten", "Spione" und ihre westlichen "Hintermänner" anzuprangern. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde ab 1953 im Rahmen der Strategie der "Konzentrierten Schläge" erheblich intensiviert. Große Verhaftungsaktionen mit den Codenamen "Feuerwerk" (1953), "Pfeil" (1954) und "Blitz" (1955), die jeweils zu Hunderten von Festnahmen führten, wurden mit Pressekonferenzen beendet. Hierbei wurden auch "reumütige" Agenten vorgeführt, bei denen es sich zumeist um abgezogene IM der Staatssicherheit handelte. Außerdem gehörten Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und der Kino-Wochenschau ebenso dazu wie Ausstellungen und Vorträge von hohen MfS-Kadern in Betriebsversammlungen.
Ab Ende der 50er Jahre konzentrierten sich die Öffentlichkeitsarbeit des MfS auf die elektronischen Medien und den Film. Besonders erfolgreich war der vom MfS inspirierte und 1963 gedrehte Spielfilm "For eyes only" über die spektakuläre Entwendung einer Agentenkartei aus der Würzburger Dienststelle des amerikanischen Militärgeheimdienstes MID durch den "Kundschafter" Horst Hesse. In den 60er Jahren hatte die Öffentlichkeitsarbeit des MfS in erster Linie Westdeutschland im Blick und arbeitete hierbei mit dem Agitationsapparat des ZK der SED zusammen. In Publikationen und auf internationalen Pressekonferenzen unter dem Vorsitz von Politbüromitglied Albert Norden wurden Themen wie die Aufrüstung der Bundeswehr oder die Nazivergangenheit bundesdeutscher Funktionsträger angeprangert. Diese Kampagnen waren vor allem dann wirkungsvoll, wenn es gelang, auf konspirativem Wege einschlägige Nachrichten in westlichen Medien zu platzieren. Außerdem organisierte das MfS zu dieser Zeit die massenhafte Einschleusung von Propagandaschriften in die Bundesrepublik. Als sich die DDR-Führung mit dem SED-Parteitag 1967 auch offiziell von der gesamtdeutschen Perspektive verabschiedete, wandte sich auch die MfS-Agitation mehr DDR-internen Themen zu. Vorrangige Ziele waren jetzt die Stärkung der "Massenwachsamkeit" und die Pflege des "Vertrauensverhältnisses" zwischen Bevölkerung und MfS.
In der Phase der Entspannungspolitik veränderte sich der Charakter der Öffentlichkeitsarbeit beträchtlich. Mediale Angriffe auf die Bundesrepublik ließen stark nach. Künstlerische und journalistische Projekte des Agitationsbereichs, etwa zur "BRD-Menschenrechtsdemagogie" oder zur Übersiedlungsproblematik, erhielten von der politischen Führung kein grünes Licht mehr, weil sie nicht in die Politik der internationalen Normalisierung passten oder an tabuisierten innenpolitischen Problemen rührten. Die Medienpräsenz von MfS-Themen ging stark zurück. Ausnahmen blieben in den 70er Jahren die beiden großen, vom MfS inspirierten Fernsehfilmserien "Das unsichtbare Visier" (mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle) und "Rendezvous mit Unbekannt", die sich mit politisch unbedenklichen Sujets, der Auslandsspionage und der Frühzeit des MfS, befassten. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkte sich ansonsten auf ADN-Meldungen zu Kleinereignissen, wie z. B. dem "Missbrauch von Transitwegen" durch Fluchthelfer. Ab Mitte der 80er Jahre beklagten die Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit im MfS die mangelnde Verwertbarkeit von internen Ermittlungsergebnissen und die abnehmende Bereitschaft von Autoren, mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten.
Die Öffentlichkeitsarbeit konzentrierte sich ab Mitte der 70er Jahre vorrangig auf die Traditions- und Patenschaftsarbeit im direkten Kontakt mit Arbeitskollektiven und Schulen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Traditionspflege war aber auch nach innen, auf den eigenen Apparat, und auf andere bewaffnete Organe ausgerichtet. Diese sehr begrenzten Personenkreise erhielten Zugang zu Ausstellungen im sog. Informationszentrum des MfS in Berlin-Mitte und zu Broschüren mit den klassischen Geheimdienstthemen wie "CIA und BND", "Zersetzung der DDR-Jugend" oder "Tätigkeit des MfS gegen innere und äußere Feinde". Wie selbst eine interne Forschungsarbeit von 1989 bilanziert, scheiterte die Staatssicherheit in den 80er Jahren mit ihrem Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit die Verbundenheit der Bevölkerung mit dem MfS zu fördern.
Bevor sich Anfang der 80er Jahre der Begriff Öffentlichkeitsarbeit, zumeist als Begriffspaar Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit (ÖTA), durchsetzte, wurde dieses Tätigkeitsfeld im MfS als Agitation bezeichnet. Im Verlauf der MfS-Geschichte nahm sie unterschiedliche Ausprägungen an. Ihren Höhepunkt erlebte sie in den 50er und 60er Jahren, später reduzierte sich ihre Bedeutung deutlich.
Schon die Gründung des MfS wurde von einer Medienkampagne gegen westliche "Saboteure und Agenten" begleitet. 1954 wurde für die Öffentlichkeitsarbeit ein eigenes Referat in der für Verwaltungsaufgaben zuständigen Abteilung Allgemeines eingerichtet, das 1955 als selbständige Abteilung Agitation ausgelagert wurde. Der Bereich wurde nach außen als Pressestelle oder Presseabteilung bezeichnet, seine Leiter traten in den 50er und 60er Jahren auch als Pressesprecher des MfS auf. 1985 wurde der Bereich umorganisiert und als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert. In den Bezirksverwaltungen und Hauptabteilungen des Ministeriums lag die Zuständigkeit für die Öffentlichkeitsarbeit bei einzelnen Stabsoffizieren, die nach Einrichtung der AKG 1978/79 diesem Bereich zugeordnet waren. Aufgaben einer wirklichen Pressestelle erfüllte der Agitationsbereich nur begrenzt. Die Medien wurden vom MfS nur sehr restriktiv informiert, aber umso intensiver instrumentalisiert. Es ging primär um Popularisierung der Arbeit der Staatssicherheit; die Abwehr gegnerischer Angriffe stand thematisch im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit Konkrete Angaben zum eigenen Apparat, etwa zu Mitarbeiterzahlen, Aufbau und Arbeitsweise wurden grundsätzlich nicht in die Öffentlichkeit gegeben.
Wie kaum ein anderes Tätigkeitsfeld der Staatssicherheit war die Öffentlichkeitsarbeit in der Ulbricht-Ära unmittelbar in die entsprechenden Aktivitäten des zentralen Parteiapparates der SED (Abteilungen Agitation und Propaganda des ZK, Agitationskommission des ZK) eingebunden. Auch die Beziehungen zu anderen staatlichen Akteuren, etwa dem Amt für Information oder der Generalstaatsanwaltschaft, waren vorrangig offizieller Natur. Der Einsatz von IM oder OibE spielte in diesem Bereich eine untergeordnete Rolle. Eine prominente Ausnahme war der Publizist Julius Mader, der von 1962 bis 1989 OibE des MfS-Agitationsbereichs war und mit seinen geheimdienstspezifischen Büchern (z. B. Nicht länger geheim, 1966; Who’s who in CIA, 1968) durchaus Breitenwirkung erzielte. In den 50er Jahren konzentrierte sich die MfS-Agitation darauf, "Diversanten", "Spione" und ihre westlichen "Hintermänner" anzuprangern. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde ab 1953 im Rahmen der Strategie der "Konzentrierten Schläge" erheblich intensiviert. Große Verhaftungsaktionen mit den Codenamen "Feuerwerk" (1953), "Pfeil" (1954) und "Blitz" (1955), die jeweils zu Hunderten von Festnahmen führten, wurden mit Pressekonferenzen beendet. Hierbei wurden auch "reumütige" Agenten vorgeführt, bei denen es sich zumeist um abgezogene IM der Staatssicherheit handelte. Außerdem gehörten Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und der Kino-Wochenschau ebenso dazu wie Ausstellungen und Vorträge von hohen MfS-Kadern in Betriebsversammlungen.
Ab Ende der 50er Jahre konzentrierten sich die Öffentlichkeitsarbeit des MfS auf die elektronischen Medien und den Film. Besonders erfolgreich war der vom MfS inspirierte und 1963 gedrehte Spielfilm "For eyes only" über die spektakuläre Entwendung einer Agentenkartei aus der Würzburger Dienststelle des amerikanischen Militärgeheimdienstes MID durch den "Kundschafter" Horst Hesse. In den 60er Jahren hatte die Öffentlichkeitsarbeit des MfS in erster Linie Westdeutschland im Blick und arbeitete hierbei mit dem Agitationsapparat des ZK der SED zusammen. In Publikationen und auf internationalen Pressekonferenzen unter dem Vorsitz von Politbüromitglied Albert Norden wurden Themen wie die Aufrüstung der Bundeswehr oder die Nazivergangenheit bundesdeutscher Funktionsträger angeprangert. Diese Kampagnen waren vor allem dann wirkungsvoll, wenn es gelang, auf konspirativem Wege einschlägige Nachrichten in westlichen Medien zu platzieren. Außerdem organisierte das MfS zu dieser Zeit die massenhafte Einschleusung von Propagandaschriften in die Bundesrepublik. Als sich die DDR-Führung mit dem SED-Parteitag 1967 auch offiziell von der gesamtdeutschen Perspektive verabschiedete, wandte sich auch die MfS-Agitation mehr DDR-internen Themen zu. Vorrangige Ziele waren jetzt die Stärkung der "Massenwachsamkeit" und die Pflege des "Vertrauensverhältnisses" zwischen Bevölkerung und MfS.
In der Phase der Entspannungspolitik veränderte sich der Charakter der Öffentlichkeitsarbeit beträchtlich. Mediale Angriffe auf die Bundesrepublik ließen stark nach. Künstlerische und journalistische Projekte des Agitationsbereichs, etwa zur "BRD-Menschenrechtsdemagogie" oder zur Übersiedlungsproblematik, erhielten von der politischen Führung kein grünes Licht mehr, weil sie nicht in die Politik der internationalen Normalisierung passten oder an tabuisierten innenpolitischen Problemen rührten. Die Medienpräsenz von MfS-Themen ging stark zurück. Ausnahmen blieben in den 70er Jahren die beiden großen, vom MfS inspirierten Fernsehfilmserien "Das unsichtbare Visier" (mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle) und "Rendezvous mit Unbekannt", die sich mit politisch unbedenklichen Sujets, der Auslandsspionage und der Frühzeit des MfS, befassten. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkte sich ansonsten auf ADN-Meldungen zu Kleinereignissen, wie z. B. dem "Missbrauch von Transitwegen" durch Fluchthelfer. Ab Mitte der 80er Jahre beklagten die Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit im MfS die mangelnde Verwertbarkeit von internen Ermittlungsergebnissen und die abnehmende Bereitschaft von Autoren, mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten.
Die Öffentlichkeitsarbeit konzentrierte sich ab Mitte der 70er Jahre vorrangig auf die Traditions- und Patenschaftsarbeit im direkten Kontakt mit Arbeitskollektiven und Schulen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Traditionspflege war aber auch nach innen, auf den eigenen Apparat, und auf andere bewaffnete Organe ausgerichtet. Diese sehr begrenzten Personenkreise erhielten Zugang zu Ausstellungen im sog. Informationszentrum des MfS in Berlin-Mitte und zu Broschüren mit den klassischen Geheimdienstthemen wie "CIA und BND", "Zersetzung der DDR-Jugend" oder "Tätigkeit des MfS gegen innere und äußere Feinde". Wie selbst eine interne Forschungsarbeit von 1989 bilanziert, scheiterte die Staatssicherheit in den 80er Jahren mit ihrem Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit die Verbundenheit der Bevölkerung mit dem MfS zu fördern.
Diskussion von Mitarbeitern der BV Cottbus zu aktuellen politischen Problemen Audio, 1 Stunde, 18 Minuten, 51 Sekunden
Vernehmung einer männlichen Person wegen versuchter Flucht aus der DDR Video, 33 Minuten, 39 Sekunden
Günter Guillaume über seine Tätigkeit als "Kundschafter" in der Bundesrepublik (Teil 2) Audio, 41 Minuten, 9 Sekunden
Podiumsveranstaltung mit George Blake als Redner in der Schule der Hauptverwaltung A in Belzig Video, 1 Stunde, 47 Minuten, 45 Sekunden