Sicherheitspolitischer Standpunkt zum Ansatz für den Volkswirtschaftsplan 1983
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Sicherheitspolitischer Standpunkt zum Ansatz für den Volkswirtschaftsplan 1983
Signatur: BStU, MfS, HA XVIII, Nr. 20846, Bd. 5, Bl. 447-462
Im Jahr 1983 handelten der Chef der Abteilung Kommerzielle Koordinierung (KoKo), Alexander Schalck-Golodkowski, und der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, einen Milliardenkredit aus, der die DDR vor dem Staatsbankrott bewahrte. Die im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) für die Überwachung der Volkswirtschaft zuständige Hauptabteilung XVIII analysierte die Risiken und Probleme des Volkswirtschaftsplans 1983.
Anfang der 80er Jahre herrschte weltweit eine wirtschaftliche Krisenstimmung. Brisant war die Situation in den Ostblockstaaten. Die Versorgungslage der Bevölkerung war kritisch, die hohen Schulden im Ausland trieben die sozialistischen Staaten zunehmend in den Ruin. Polen erklärte sich bereits 1981 für bankrott, die DDR stand unmittelbar davor. Allein zur Finanzierung ihrer Verbindlichkeiten im Ausland benötigte sie dringend weitere Devisen und neue Kredite, die ihr aber westliche Banken inzwischen verwehrten.
Umso überraschter war die Öffentlichkeit auf beiden Seiten der Mauer, als am 1. Juli 1983 ein westdeutsches Bankenkonsortium unter der Führung der Bayerischen Landesbank der DDR einen Milliardenkredit gewährte. Eingefädelt und vorbereitet hatten ihn der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, und der Chef der Abteilung KoKo im Ministerium für Außenhandel der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski.
Auf Kosten des inländischen Konsums und damit der Versorgung der Bevölkerung verordnete die SED-Führung Ende 1982 eine drastische Drosselung der Importe und eine massive Steigerung der Exporte. Es ging um schnelle Geschäfte, um so viel Export wie möglich – von Grundnahrungsmitteln wie Butter und Fleisch genauso wie von Produkten, die im Westen absatzfähig waren.
Erich Honecker äußerte sich im November des Jahres in einer Politbürositzung folgendermaßen: "Das Entscheidende ist, dass unsere Wirtschaft das produziert, was abgesetzt werden kann und daß nicht auf Lager produziert wird". Investitionen an den maroden Produktionsanlagen hatten bei diesen Planungen keine Priorität. Vorrangiges Ziel war die zügige Ausweitung der Produktion für den Westexport mit Hilfe von Neuanlagen, die umfangreiche Beschaffung von Devisen und die Suche nach neuen Geldgebern. Entsprechend waren die SED-Vorgaben für das Jahr 1983. Erneut wies die HA XVIII in ihren Berichten ausführlich auf die schwierige Lage hin und betonte Risiken, Probleme und "irreale" Vorgaben des Volkswirtschaftsplans 1983: "Die Sicherung der Zahlungsbilanz mit dem NSW erfordert es, einen Exportüberschuß von 9,3 Mrd VM zu erwirtschaften. Das ist mehr als das Doppelte als im Jahr 1982. Der geplante Zuwachs im NSW-Export mit 3,7 Mrd VM ist der höchste, der jemals angesetzt wurde. Mehr als das Doppelte des Zuwachses an Nationaleinkommen muß für den Export eingesetzt werden".
Metadaten
- Datum:
- 4.11.1982
- Rechte:
- BStU
- Transkript
-
Transkript
Diese Senkungsraten, die [Unterstreichung: in einzelnen Kombinaten noch bedeutend] höher sind, werden bisher wissenschaftlich-technisch nicht beherrscht. Das hat negative Wirkungen auf das Leistungsangebot zum Plan 1983 und schafft weitere Unsicherheiten für eine kontinuierliche und effektive Plandurchführung im Jahr 1983.
Wir haben eine Berechnung der Verbrauchsentwicklung für Heizöl, Dieselkraftstoff und Vergaserkraftstoff vorgenommen und unter Berücksichtigung der Ergebnisse 1982 und aller in Beschlüssen festgelegten Maßnahmen zur sparsamen Verwendung eine Vorausschau für das Jahr 1983 erarbeitet. Die Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß die im Planvorschlag 1983 vorgegebenen Zielstellungen sowie ihre Berechnungsbasis nicht real sind. Wir schätzen ein, daß für die Lösung der volkswirtschaftlichen Aufgaben im Jahr 1983
- 160 kt Dieselkraftstoff
- 40 bis 60 kt Vergaserkraftstoff
- 670 kt Heizöl[Unterstreichung: mehr gebraucht werden als der Plan] vorsieht.
Eine zunehmende Komplizierung der Lage ist 1983 in der landwirtschaftlichen Produktion zu erwarten. Die im Vorschlag zur Planausarbeitung vorgegebenen Zielstellungen für die landwirtschaftliche Produktion und für ihre materielle Sicherstellung [Unterstreichung: sind unreal.] Folgendes staatliches Aufkommen ist vorgesehen:
- Schlachtvieh insgesamt; 2.200 kt
- Schlachtvieh Sondergeschäft; 300 kt
- Milch (4 % Fett); 6.500 kt
- Eier; 4.790 Mio StückDiese Planzielstellungen liegen [Unterstreichung: um 90 kt Schlachtvieh, 150 kt Milch und um 90 Mio Stück Eier über] den vom Minister für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft berechneten Produktionsmöglichkeiten.
- Begriffserklärungen
-
Begriffserklärungen
Hauptabteilung XVIII (Volkswirtschaft)
-
Nach dem Vorbild der "Verwaltung für Wirtschaft" in der sowjetischen Hauptverwaltung für Staatssicherheit erhielt das am 8.2.1950 gebildete MfS eine Einrichtung, die zunächst unter der Bezeichnung Abteilung III bzw. Hauptabteilung III agierte. Vorläufer war die von Mielke geleitete Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft im MdI. Die Kernaufgaben bestanden in der Sabotageabwehr, im Schutz des Volkseigentums und in der Überwachung der Betriebe. Für die SAG Wismut wurde 1951 eine separate Struktureinheit, die Objektverwaltung "W" gegründet.
1955 wurde die systematische Überprüfung von Leitungskadern (später Sicherheitsüberprüfungen), 1957 der Aufbau des Informantennetzes, die Zusammenarbeit mit staatlichen Leitern und Parteisekretären, der Aufbau von Operativgruppen und Objektdienststellen sowie die Gewinnung von IM für Schlüsselpositionen in wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Institutionen etabliert. Mit der Auflösung der Abteilung VI erhielt die HA III den Auftrag zur Sicherung volkswirtschaftlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Landesverteidigung.
1964 erfolgte im Zusammenhang mit den Reformen in der DDR-Volkswirtschaft die Umbenennung der HA III in HA XVIII. Die neue Struktur basierte auf dem Produktionsprinzip, das zunächst auf die führenden Wirtschaftszweige Bau und Industrie fokussiert war. Andere Wirtschaftsobjekte wurden nach dem Territorialprinzip von den Kreisdienststellen bearbeitet. Der HA XVIII in der Zentrale entsprachen gemäß dem Linienprinzip auf der Bezirksebene die Abteilungen XVIII der Bezirksverwaltungen. Sicherungsschwerpunkte waren vor allem Außenhandel, Wissenschaft und Technik sowie die Verteidigungsindustrie. Mit der Richtlinie 1/82 wurde der Akzent auf die Gewährleistung der inneren Stabilität verschoben. Strukturelle Auswirkungen hatte insbesondere die Hochtechnologie Mikroelektronik. 1983 wurde die für den Bereich KoKo zuständige AG BKK aus der für den Außenhandel zuständigen Abteilung 7 der HA XVIII herausgelöst.
Zuletzt wies die Organisationsstruktur 6 Arbeitsbereiche und 62 Referate auf. Sie diente vor allem der Aufklärung gegnerischer Geheimdienste ("Arbeit im und nach dem Operationsgebiet"), der inneren Abwehrarbeit in den Betrieben und Institutionen, der Gewährleistung der inneren Stabilität, der Wahrung von Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz sowie der Unterstützung der Wirtschaft durch "effektivitäts- und leistungsfördernde Maßnahmen". Leiter der HA XVIII waren Knoppe (1950–1953), Hofmann (1953–1957), Weidauer (1957–1963), Mittig (1964–1974) und Kleine (1974–1989). Der hauptamtliche Mitarbeiterbestand stieg 1954–1989 von 93 auf 646, auf der gesamten Linie XVIII waren es zuletzt 1623. 1989 arbeiteten für die Linie XVIII ca. 11.000 IM.
- Abkürzungen
-
Abkürzungen
- HA
- Hauptabteilung
- Kilotonne
- KoKo
- Kommerzielle Koordinierung
- Mrd.
- Milliarden
- Mio.
- Million
- MfS
- Ministerium für Staatssicherheit (MfS)
- SED
- Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
- VM
- Valutamark
- NSW
- nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet
- Inhaltsverzeichnis
Sicherheitspolitischer Standpunkt zum Ansatz für den Volkswirtschaftsplan 1983
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Sicherheitspolitischer Standpunkt zum Ansatz für den Volkswirtschaftsplan 1983
Signatur: BStU, MfS, HA XVIII, Nr. 20846, Bd. 5, Bl. 447-462
Im Jahr 1983 handelten der Chef der Abteilung Kommerzielle Koordinierung (KoKo), Alexander Schalck-Golodkowski, und der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, einen Milliardenkredit aus, der die DDR vor dem Staatsbankrott bewahrte. Die im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) für die Überwachung der Volkswirtschaft zuständige Hauptabteilung XVIII analysierte die Risiken und Probleme des Volkswirtschaftsplans 1983.
Anfang der 80er Jahre herrschte weltweit eine wirtschaftliche Krisenstimmung. Brisant war die Situation in den Ostblockstaaten. Die Versorgungslage der Bevölkerung war kritisch, die hohen Schulden im Ausland trieben die sozialistischen Staaten zunehmend in den Ruin. Polen erklärte sich bereits 1981 für bankrott, die DDR stand unmittelbar davor. Allein zur Finanzierung ihrer Verbindlichkeiten im Ausland benötigte sie dringend weitere Devisen und neue Kredite, die ihr aber westliche Banken inzwischen verwehrten.
Umso überraschter war die Öffentlichkeit auf beiden Seiten der Mauer, als am 1. Juli 1983 ein westdeutsches Bankenkonsortium unter der Führung der Bayerischen Landesbank der DDR einen Milliardenkredit gewährte. Eingefädelt und vorbereitet hatten ihn der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, und der Chef der Abteilung KoKo im Ministerium für Außenhandel der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski.
Auf Kosten des inländischen Konsums und damit der Versorgung der Bevölkerung verordnete die SED-Führung Ende 1982 eine drastische Drosselung der Importe und eine massive Steigerung der Exporte. Es ging um schnelle Geschäfte, um so viel Export wie möglich – von Grundnahrungsmitteln wie Butter und Fleisch genauso wie von Produkten, die im Westen absatzfähig waren.
Erich Honecker äußerte sich im November des Jahres in einer Politbürositzung folgendermaßen: "Das Entscheidende ist, dass unsere Wirtschaft das produziert, was abgesetzt werden kann und daß nicht auf Lager produziert wird". Investitionen an den maroden Produktionsanlagen hatten bei diesen Planungen keine Priorität. Vorrangiges Ziel war die zügige Ausweitung der Produktion für den Westexport mit Hilfe von Neuanlagen, die umfangreiche Beschaffung von Devisen und die Suche nach neuen Geldgebern. Entsprechend waren die SED-Vorgaben für das Jahr 1983. Erneut wies die HA XVIII in ihren Berichten ausführlich auf die schwierige Lage hin und betonte Risiken, Probleme und "irreale" Vorgaben des Volkswirtschaftsplans 1983: "Die Sicherung der Zahlungsbilanz mit dem NSW erfordert es, einen Exportüberschuß von 9,3 Mrd VM zu erwirtschaften. Das ist mehr als das Doppelte als im Jahr 1982. Der geplante Zuwachs im NSW-Export mit 3,7 Mrd VM ist der höchste, der jemals angesetzt wurde. Mehr als das Doppelte des Zuwachses an Nationaleinkommen muß für den Export eingesetzt werden".
Metadaten
- Datum:
- 4.11.1982
- Rechte:
- BStU
- Transkript
-
Transkript
[Unterstreichung: Das Hauptproblem] aber ist, daß die für die planmäßige Pro[Unterstreichung: duktion notwendigen Futtermittel nicht zur Verfügung stehen.] Die Trockenheit im Jahr 1982 hat einen bedeutenden Futterausfall zur Folge. Für die Winterfütterung stehen nur
- 76 % Silagen
- 90 % Heu und Trockengrüngut
- 81,5 % Grobfutter
- 89,8 % Konzentratfutter
[Auflistung wurde am Rand handschriftlich markiert.][Unterstreichung: zur Verfügung.] Eine Erhöhung des Futtermittelaufkommens aus Importen ist wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeiten bis auf das geplante Sondergeschäft zur Zeit nicht vorgesehen.
Zur Sicherung der für das IV. Quartal und für das 1. Halbjahr 1983 geplanten Tierproduktion fehlt zur Zeit Futterenergie von [Unterstreichung: rund 2 Mio t Getreideeinheiten.] Das hat folgende Auswirkungen:
- Der Planrückstand in der Milchproduktion wird sich im IV. Quartal 1982 von 300 kt per 30.09.1982 voraussichtlich auf 440 bis 480 kt erhöhen. Im I. Quartal 1983 wird eine weitere Zuspitzung der Lage eingeschätzt, weil durch Futtermangel [Unterstreichung: die Körpersubstanzreserven der Kühe verbraucht sind.] Die voraussichtliche Milchproduktion wird im I. Quartal 1983 1,2 bis 1,3 Mio t betragen. Das sind etwa [Unterstreichung: 85 % der Leistung] des I. Quartals 1982. Für die Versorgung der Bevölkerung wird aber eine Milchproduktion von etwa 1,4 Mio t gebraucht. Aus der voraussichtlichen Mindermenge ist eine [Unterstreichung: geringere] Bereitstellung [Unterstreichung: von 5 bis 10 kt Butter] im I. Quartal 1983 [Unterstreichung: zu erwarten.]
- Ende August 1982 hatte sich gegenüber dem gleichen Zeitpunkt des Vorjahres der Bestand
- an Mastschweinen um 700 TStück auf 88,9 %
- an Mastrindern um 100 TStück auf 85,5 %verringert.
- Begriffserklärungen
-
Begriffserklärungen
Hauptabteilung XVIII (Volkswirtschaft)
-
Nach dem Vorbild der "Verwaltung für Wirtschaft" in der sowjetischen Hauptverwaltung für Staatssicherheit erhielt das am 8.2.1950 gebildete MfS eine Einrichtung, die zunächst unter der Bezeichnung Abteilung III bzw. Hauptabteilung III agierte. Vorläufer war die von Mielke geleitete Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft im MdI. Die Kernaufgaben bestanden in der Sabotageabwehr, im Schutz des Volkseigentums und in der Überwachung der Betriebe. Für die SAG Wismut wurde 1951 eine separate Struktureinheit, die Objektverwaltung "W" gegründet.
1955 wurde die systematische Überprüfung von Leitungskadern (später Sicherheitsüberprüfungen), 1957 der Aufbau des Informantennetzes, die Zusammenarbeit mit staatlichen Leitern und Parteisekretären, der Aufbau von Operativgruppen und Objektdienststellen sowie die Gewinnung von IM für Schlüsselpositionen in wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Institutionen etabliert. Mit der Auflösung der Abteilung VI erhielt die HA III den Auftrag zur Sicherung volkswirtschaftlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Landesverteidigung.
1964 erfolgte im Zusammenhang mit den Reformen in der DDR-Volkswirtschaft die Umbenennung der HA III in HA XVIII. Die neue Struktur basierte auf dem Produktionsprinzip, das zunächst auf die führenden Wirtschaftszweige Bau und Industrie fokussiert war. Andere Wirtschaftsobjekte wurden nach dem Territorialprinzip von den Kreisdienststellen bearbeitet. Der HA XVIII in der Zentrale entsprachen gemäß dem Linienprinzip auf der Bezirksebene die Abteilungen XVIII der Bezirksverwaltungen. Sicherungsschwerpunkte waren vor allem Außenhandel, Wissenschaft und Technik sowie die Verteidigungsindustrie. Mit der Richtlinie 1/82 wurde der Akzent auf die Gewährleistung der inneren Stabilität verschoben. Strukturelle Auswirkungen hatte insbesondere die Hochtechnologie Mikroelektronik. 1983 wurde die für den Bereich KoKo zuständige AG BKK aus der für den Außenhandel zuständigen Abteilung 7 der HA XVIII herausgelöst.
Zuletzt wies die Organisationsstruktur 6 Arbeitsbereiche und 62 Referate auf. Sie diente vor allem der Aufklärung gegnerischer Geheimdienste ("Arbeit im und nach dem Operationsgebiet"), der inneren Abwehrarbeit in den Betrieben und Institutionen, der Gewährleistung der inneren Stabilität, der Wahrung von Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz sowie der Unterstützung der Wirtschaft durch "effektivitäts- und leistungsfördernde Maßnahmen". Leiter der HA XVIII waren Knoppe (1950–1953), Hofmann (1953–1957), Weidauer (1957–1963), Mittig (1964–1974) und Kleine (1974–1989). Der hauptamtliche Mitarbeiterbestand stieg 1954–1989 von 93 auf 646, auf der gesamten Linie XVIII waren es zuletzt 1623. 1989 arbeiteten für die Linie XVIII ca. 11.000 IM.
- Abkürzungen
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Abkürzungen
- HA
- Hauptabteilung
- KoKo
- Kommerzielle Koordinierung
- Mrd.
- Milliarden
- Mio.
- Million
- MfS
- Ministerium für Staatssicherheit (MfS)
- SED
- Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
- VM
- Valutamark
- NSW
- nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet
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Sicherheitspolitischer Standpunkt zum Ansatz für den Volkswirtschaftsplan 1983
Signatur: BStU, MfS, HA XVIII, Nr. 20846, Bd. 5, Bl. 447-462
Im Jahr 1983 handelten der Chef der Abteilung Kommerzielle Koordinierung (KoKo), Alexander Schalck-Golodkowski, und der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, einen Milliardenkredit aus, der die DDR vor dem Staatsbankrott bewahrte. Die im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) für die Überwachung der Volkswirtschaft zuständige Hauptabteilung XVIII analysierte die Risiken und Probleme des Volkswirtschaftsplans 1983.
Anfang der 80er Jahre herrschte weltweit eine wirtschaftliche Krisenstimmung. Brisant war die Situation in den Ostblockstaaten. Die Versorgungslage der Bevölkerung war kritisch, die hohen Schulden im Ausland trieben die sozialistischen Staaten zunehmend in den Ruin. Polen erklärte sich bereits 1981 für bankrott, die DDR stand unmittelbar davor. Allein zur Finanzierung ihrer Verbindlichkeiten im Ausland benötigte sie dringend weitere Devisen und neue Kredite, die ihr aber westliche Banken inzwischen verwehrten.
Umso überraschter war die Öffentlichkeit auf beiden Seiten der Mauer, als am 1. Juli 1983 ein westdeutsches Bankenkonsortium unter der Führung der Bayerischen Landesbank der DDR einen Milliardenkredit gewährte. Eingefädelt und vorbereitet hatten ihn der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, und der Chef der Abteilung KoKo im Ministerium für Außenhandel der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski.
Auf Kosten des inländischen Konsums und damit der Versorgung der Bevölkerung verordnete die SED-Führung Ende 1982 eine drastische Drosselung der Importe und eine massive Steigerung der Exporte. Es ging um schnelle Geschäfte, um so viel Export wie möglich – von Grundnahrungsmitteln wie Butter und Fleisch genauso wie von Produkten, die im Westen absatzfähig waren.
Erich Honecker äußerte sich im November des Jahres in einer Politbürositzung folgendermaßen: "Das Entscheidende ist, dass unsere Wirtschaft das produziert, was abgesetzt werden kann und daß nicht auf Lager produziert wird". Investitionen an den maroden Produktionsanlagen hatten bei diesen Planungen keine Priorität. Vorrangiges Ziel war die zügige Ausweitung der Produktion für den Westexport mit Hilfe von Neuanlagen, die umfangreiche Beschaffung von Devisen und die Suche nach neuen Geldgebern. Entsprechend waren die SED-Vorgaben für das Jahr 1983. Erneut wies die HA XVIII in ihren Berichten ausführlich auf die schwierige Lage hin und betonte Risiken, Probleme und "irreale" Vorgaben des Volkswirtschaftsplans 1983: "Die Sicherung der Zahlungsbilanz mit dem NSW erfordert es, einen Exportüberschuß von 9,3 Mrd VM zu erwirtschaften. Das ist mehr als das Doppelte als im Jahr 1982. Der geplante Zuwachs im NSW-Export mit 3,7 Mrd VM ist der höchste, der jemals angesetzt wurde. Mehr als das Doppelte des Zuwachses an Nationaleinkommen muß für den Export eingesetzt werden".
Metadaten
- Datum:
- 4.11.1982
- Rechte:
- BStU
- Transkript
-
Transkript
Ende September betrug der Planrückstand bei Schlachtvieh 30 kt. Die kritische Grenze für die Versorgung der Bevölkerung liegt bei 60 kt. Um zum Jahresende 1982 diese Größenordnung nicht zu überschreiten, müßten [Unterstreichung: beginnend im September] bis zum Jahresende 5,4 Mio Stück Schweine und 400 TStück Mast[unleserlich]rinder geschlachtet werden. Das sind alle am 31.08.1982 vorhandenen Mastschweine und 68 % der vorhandenen Mastrinder. Eine solche Entscheidung würde aber tiefgreifende Wirkungen und Folgen für 1983 und später haben. Sie ist deshalb auszuschließen. Der Minister für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft rechnet damit, daß sich die Planrückstände bei Schlachtvieh bis zum Jahresende auf 100 bis 120 kt erhöhen werden. Wenn die Bevölkerungsversorgung gesichert werden soll, dann [Unterstreichung: sind hier kurzfristig Entscheidungen] zu den bisher noch geplanten Exporten in das NSW zu treffen.
[Teile des Absatzes wurden am Rand markiert]Im 1. Halbjahr 1983 wird, ausgehend von der gegenwärtigen Lage, mit einem Schlachtviehaufkommen von 0,9 bis 1,0 Mio t gerechnet. Das voraussichtliche Fehl zum geplanten Aufkommen wird 110 bis 180 kt betragen.
Um diese Gesamtproblematik zu beherrschen, ist es nach Berechnungen des Ministers für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft notwendig, zusätzliches Futtergetreide aus Importen bereitzustellen.
[Unterstreichung: 1,1 Mio t Getreide], um die Planzielstellungen 1983 materiell sicher zu machen.
[Unterstreichung: 0,5 Mio t Getreide,] um die 1982 eingetretenen Produktionsrückstände aufzuholen und sie 1983 nachzuliefern. Darüber hinaus muß noch eine Lösung gefunden werden, um die KIM-Betriebe [Unterstreichung: mit 240 kt Futter zu versorgen.]Der Minister für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft hat entsprechende zusätzliche Importe gefordert. In den Vorschlag für den Plan 1983 wurden diese Importe nicht eingeordnet, weil sie volkswirtschaftlich [Unterstreichung: nicht bilanzierbar] sind.
- Begriffserklärungen
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Begriffserklärungen
Hauptabteilung XVIII (Volkswirtschaft)
-
Nach dem Vorbild der "Verwaltung für Wirtschaft" in der sowjetischen Hauptverwaltung für Staatssicherheit erhielt das am 8.2.1950 gebildete MfS eine Einrichtung, die zunächst unter der Bezeichnung Abteilung III bzw. Hauptabteilung III agierte. Vorläufer war die von Mielke geleitete Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft im MdI. Die Kernaufgaben bestanden in der Sabotageabwehr, im Schutz des Volkseigentums und in der Überwachung der Betriebe. Für die SAG Wismut wurde 1951 eine separate Struktureinheit, die Objektverwaltung "W" gegründet.
1955 wurde die systematische Überprüfung von Leitungskadern (später Sicherheitsüberprüfungen), 1957 der Aufbau des Informantennetzes, die Zusammenarbeit mit staatlichen Leitern und Parteisekretären, der Aufbau von Operativgruppen und Objektdienststellen sowie die Gewinnung von IM für Schlüsselpositionen in wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Institutionen etabliert. Mit der Auflösung der Abteilung VI erhielt die HA III den Auftrag zur Sicherung volkswirtschaftlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Landesverteidigung.
1964 erfolgte im Zusammenhang mit den Reformen in der DDR-Volkswirtschaft die Umbenennung der HA III in HA XVIII. Die neue Struktur basierte auf dem Produktionsprinzip, das zunächst auf die führenden Wirtschaftszweige Bau und Industrie fokussiert war. Andere Wirtschaftsobjekte wurden nach dem Territorialprinzip von den Kreisdienststellen bearbeitet. Der HA XVIII in der Zentrale entsprachen gemäß dem Linienprinzip auf der Bezirksebene die Abteilungen XVIII der Bezirksverwaltungen. Sicherungsschwerpunkte waren vor allem Außenhandel, Wissenschaft und Technik sowie die Verteidigungsindustrie. Mit der Richtlinie 1/82 wurde der Akzent auf die Gewährleistung der inneren Stabilität verschoben. Strukturelle Auswirkungen hatte insbesondere die Hochtechnologie Mikroelektronik. 1983 wurde die für den Bereich KoKo zuständige AG BKK aus der für den Außenhandel zuständigen Abteilung 7 der HA XVIII herausgelöst.
Zuletzt wies die Organisationsstruktur 6 Arbeitsbereiche und 62 Referate auf. Sie diente vor allem der Aufklärung gegnerischer Geheimdienste ("Arbeit im und nach dem Operationsgebiet"), der inneren Abwehrarbeit in den Betrieben und Institutionen, der Gewährleistung der inneren Stabilität, der Wahrung von Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz sowie der Unterstützung der Wirtschaft durch "effektivitäts- und leistungsfördernde Maßnahmen". Leiter der HA XVIII waren Knoppe (1950–1953), Hofmann (1953–1957), Weidauer (1957–1963), Mittig (1964–1974) und Kleine (1974–1989). Der hauptamtliche Mitarbeiterbestand stieg 1954–1989 von 93 auf 646, auf der gesamten Linie XVIII waren es zuletzt 1623. 1989 arbeiteten für die Linie XVIII ca. 11.000 IM.
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Abkürzungen
- HA
- Hauptabteilung
- KIM
- Kombinat industrielle Mast
- KoKo
- Kommerzielle Koordinierung
- Mrd.
- Milliarden
- Mio.
- Million
- MfS
- Ministerium für Staatssicherheit (MfS)
- SED
- Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
- VM
- Valutamark
- NSW
- nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet
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