Signatur: BStU, MfS, HA PS, MF, Nr. 69, Bl. 1-10
In einem Bericht vom 27. März 1970 machte die MfS-Bezirksleitung Erfurt westdeutsche Journalisten für die öffentliche Sympathiebekundung der Bürger für Willy Brandt am Rande seines Treffens mit Willi Stoph in Erfurt verantwortlich.
Als sich am 19. März 1970 Bundeskanzler Willy Brandt und Ministerratsvorsitzender Willi Stoph in Erfurt begrüßten, begann 25 Jahre nach dem Kriegsende zum ersten Mal ein deutsch-deutsches Gipfeltreffen. Die Stasi war schon monatelang vorher im Einsatz. Am 13. März 1970 erließ der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke den Befehl 12/70 zur Aktion "Konfrontation" - der Codename für das Treffen.
Als Willy Brandt am 19. März 1970 mit einem Sonderzug am Hauptbahnhof in Erfurt ankam, hatten sich bereits hunderte Menschen eingefunden. Absperrungen wurden durchbrochen und erste „Willy, Willy“ Rufe waren zu hören. Auf dem Bahnhofsvorplatz und vor dem Hotel "Erfurter Hof" lief die Situation in den folgenden Stunden aus dem Ruder. MfS und Volkspolizei gelang es nicht, zu verhindern, dass neben ausgesuchten Personen, auch andere, "normale" DDR-Bürger auf den Platz vor dem „Erfurter Hof“ gelangten.
280 westliche Medienvertreter waren in Erfurt und trugen die Bilder von den Ereignissen in die Welt. Für die SED-Führung war es eine politische Blamage, wieviel Sympathien der neu gewählte Bundeskanzler auch unter DDR-Bürgern genoss. Die Stasi versuchte die Vorgänge entsprechend ihren Feindperzeptionen auf das Wirken des Westens zurückzuführen, wie aus dem vorliegenden Bericht der MfS-Bezirksleitung Erfurt vom 27. März hervorgeht; dafür gibt es jedoch keinerlei Indizien.
Da von seiten der VP keine aktive Maßnahme in dieser Hinsicht zu erwarten war, wurde die erste Reservegruppe des MfS in Stärke von 12 Genossen und kurze Zeit später die zweite Reservegruppe ebenfalls in Stärke von 12 Genossen an dem vom Durchbruch bedrohten Schwerpunkt zum Einsatz gebracht.
An dieser Stelle muß eingeschätzt werden, daß bei Einsatz der mit der Volkspolizei abgesprochenen Kräfte ein Durchbruch der Sperre hätte verhindert werden können, wenn die festgelegten Maßnahmen
erfolgt wären, zumal ein unmittelbares Durchbrechen bevorstand. (Genosse Leutnant Briesner, Mitarbeiter der Kreisdienststelle Erfurt, der in unserem Führungspunkt eingesetzt war, konnte persönlich wahrnehmen, daß während der Zeit des Durchbruches zum Bahnhofsvorplatz ein beträchtlicher Teil VP-Angehöriger sich im RBD-Gebäude befand und nicht zum Einsatz kam).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
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Bericht über die Maßnahmen zur Absicherung des Treffens zwischen Willi Stoph und Willy Brandt Dokument, 17 Seiten
Abschlussbericht zur Aktion "Konfrontation" anlässlich des DDR-Besuchs von Willy Brandt Dokument, 39 Seiten
Bericht über Reaktionen der DDR-Bevölkerung zum Treffen zwischen Willi Stoph und Willy Brandt in Erfurt Dokument, 11 Seiten
Protokoll zu einer Dienstbesprechung kurz vor dem Mauerbau Dokument, 10 Seiten