Signatur: BArch, MfS, WR Berlin, Nr. 25264, Bl. 27
Der Tierpark Berlin-Friedrichsfelde war in seinen Anfangsjahren auf Spenden angewiesen, um seinen Tierbestand aufbauen zu können. Zu den Spendern gehörte auch das MfS-Wachregiment "Feliks Dzierżyński", das zwei Brillenbären stiftete.
Am 2. Juli 1955 öffnete der Tierpark auf dem Gelände des enteigneten Schlossparks Friedrichsfelde in Ost-Berlin seine Tore. Er war in nur drei Monaten durch das Nationale Aufbauwerk mit freiwilliger Unterstützung aus der Bevölkerung realisiert worden. Die SED-Propaganda feierte das Projekt als wichtigen Beitrag zum "Aufbau des Sozialismus". Direktor wurde der Zoologe Heinrich Dathe, der den Tierpark bis 1990 leitete.
Die Entstehung des Tierparks war eng mit den politischen Entwicklungen der Nachkriegsjahre verknüpft: Der 1844 eröffnete und weltweit renommierte Berliner Zoologische Garten gehörte nach der Teilung zum Westteil der Stadt. Im Kontext des Kalten Krieges und der Systemkonkurrenz wollte die SED-Führung verhindern, dass die DDR auf diesem Gebiet ins Hintertreffen geriet. Mit dem Aufbau eines eigenen Tierparks erhoffte sie sich internationale Anerkennung der noch jungen DDR.
Trotz seiner bevorzugten Behandlung gegenüber anderen DDR-Zoos wie Leipzig, Dresden oder Halle war der Tierpark auch nach seiner Eröffnung weiterhin auf Spenden angewiesen. Schließlich musste zunächst einmal ein Grundbestand an Tieren aufgebaut werden. Hier kamen die anderen Zoos, Städte, Betriebe und Ministerien ins Spiel, die den Tierpark finanziell unterstützten: Die brandenburgische Stadt Strausberg stiftete Strauße, der Volkseigene Betrieb "Kälte" Berlin Eisbären, das Ministerium für Schwerindustrie einen Elefanten – und das Ministerium für Staatssicherheit zwei Brillenbären.
Die Spende stammte vom Wachregiment "Feliks Dzierżyński". Das Schreiben des Kommandeurs vom 31. Oktober 1957 und der Scheck über 7.671,65 Mark sind als Foto im Stasi-Unterlagen-Archiv überliefert. Tierpark-Direktor Dathe bedankte sich einen Tag später mit einer Urkunde.
[Hier ist eine Schwarz-Weiß Fotografie zu sehen. Auf der linken Seite ist der Spendenscheck des MfS-Wachregiments über 7671,65 DM an den Tierpark Berlin. Dieser wurde über das Berliner Stadtkontor am 01.11.1957 ausgestellt.
Auf der rechten Seite der Fotografie befindet sich ein zum Spendenscheck dazugehöriges Schreiben des MfS-Wachregiments mit folgendem Inhalt:
Ministerium für Staatssicherheit
Berlin, den 31.10.1957
Wachregiment Berlin
Der Kommandeur
Sehr verehrter Herr Professor Doktor Dathe!
Werte Mitarbeiter des Berliner Tierparks!
Die Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere des Wachregiments Berlin beim Ministerium für Staatssicherheit haben, dem Aufruf einer unserer Einheiten folgend, eine Sammelaktion zum Kauf eines Brillenbären für den Berliner Tierpark durchgeführt.
Unsere Genossen meinten, ein Brillenbär würde sich langweilen und so fand dieser Aufruf einen solchen Widerhall, daß das Ergebnis das Dreifache der geplanten Summe ausmachte. Alle unsere Genossen haben freudig ihren Beitrag dazu geleistet um auch auf diese Art mitzuhelfen den Berliner Tierpark zum schönsten seiner Art in Europa werden zu lassen.
Wir überreichen Ihnen die Summe von 7671,65 DM und hoffen, daß Sie und alle Besucher des Tierparks rechte Freude an den Vettern des Berliner Wappentieres haben.
Stellv. Polit des Regts.-Kdrs.
[Unterschrift]
(Klingbeil)
Major
Kommandeur des Wachregiments
[Unterschrift]
(Liebig)
Major
Wachregiment des MfS "Feliks Dzierżyński"
Das am 1.1.1951 als "Wachbataillon A" gegründete Wachregiment des MfS, welches seit 1967 den Namen des ersten sowjetischen Geheimdienstchefs Feliks Dzierżyński trug, wuchs im Laufe der Jahrzehnte zu einer Wach- und Sicherungstruppe mit 11.000 Angehörigen an (1989). Als militärisch-operativer Arm des MfS bezeichnet, hatte das Wachregiment, in und um Ostberlin stationiert, in erster Linie die Aufgabe, Partei- und Staatsobjekte wie die Politbürosiedlung Wandlitz zu bewachen sowie zeitweilig bestimmte Einsatzräume zu beziehen, um die Sicherheit führender Repräsentanten der DDR einschließlich ihrer Gäste zu gewährleisten.
Im Krisen- und Kriegsfall sollten die "Dzierżyński-Soldaten" die SED-Parteiführung schützen und bei inneren Unruhen eingreifen. Ihre "militärisch-tschekistische" Ausbildung war auf den Orts- und Häuserkampf ausgerichtet. Die Bewaffnung bestand zuletzt neben den üblichen Infanteriewaffen aus Panzerbekämpfungsmitteln, Flugabwehrraketen und mehr als 400 Schützenpanzerwagen.
Das Wachregiment rekrutierte sich zu etwa 80 Prozent aus freiwillig drei Jahre dienenden Soldaten und Unteroffizieren. Die SED-Führung und Mielke wollten in den Angehörigen des Wachregiments politische Soldaten sehen, die in einem besonderen Treueverhältnis zur Partei- und Staatsführung stehen sollten. Ihre Sonderstellung wurde durch einen besonderen Fahneneid, Uniformen aus Offiziersstoff, Ärmelstreifen und durch eine bessere Besoldung unterstrichen.
Gegenüber anderen bewaffneten Organen entwickelten die MfS-Soldaten deshalb gelegentlich Formen überheblichen Verhaltens. Es existierte zeitweise so etwas wie ein Korpsgeist, man begriff sich als eine Art "Rote Garde". Einsätze am 17. Juni 1953 und am 13. August 1961 stellte man in der Traditionspflege besonders heraus.
Im Oktober 1989 erfolgte gegen Demonstranten in Ostberlin der letzte "Sicherungseinsatz" von kleineren Teilen des Wachregiments; danach verweigerte die Mehrheit der Soldaten den bisherigen "absoluten Gehorsam". Die Modrow-Regierung löste das Wachregiment im Dezember 1989 auf.
Übergabe einer Spende des MfS-Wachregiments an Tierpark-Direktor Heinrich Dathe für den Kauf von zwei Brillenbären 3 Fotografien
Spendenaufruf der SED-Grundorganisation 6 der MfS-Verwaltung Groß-Berlin für den Tierpark Dokument, 1 Seite
Gespräch des MfS mit Tierpark-Direktor Heinrich Dathe im Zuge von Ermittlungen 1959 Dokument, 3 Seiten
Verpflichtungserklärung eines Tierpflegers Dokument, 1 Seite