Signatur: BStU, MfS, BV Neubrandenburg, AU, Nr. 109/53, Bd. 2, Bl. 264-269
Während des Volksaufstandes hielt ein Brigadier der Bau-Union Nord-Ost Torgelow eine Rede. Die Stasi nahm eine Abschrift als Beweismittel zum Untersuchungsvorgang gegen den Arbeiter.
Der Bezirk Neubrandenburg war wie die anderen Bezirke im Norden auch kein Zentrum des Volksaufstandes. Ein wichtiger Grund hierfür war die agrarisch geprägte Struktur Mecklenburgs. Zudem gelangten die Nachrichten aus dem Süden der DDR nur langsam bis zur Bevölkerung im Norden. Polizei, MfS und SED waren hier ausnahmsweise besser informiert und konnten sich auf Unruhen vorbereiten.
Trotzdem kam es vereinzelt zu Unruhen. Im Bezirk Neubrandenburg kam es in 29 Städten und Gemeinden zu Aktionen, die von Streiks über Demonstrationen bis hin zu Versuchen reichten, politische Gefangene zu befreien. Einzelne Aktionen wie Forderungen nach Auflösung der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft), die Abnahme von Bildern führender Mitglieder der Staats- und Parteiführung an öffentliche Stellen oder Solidaritätskundgebungen mit den streikenden Arbeitern und Bauern führten zu Verhaftungen und Verurteilungen.
Auf einer Belegschaftsversammlung der Bau-Union Nord-Ost Torgelow hielt ein Genosse der IG Bauholz ein Referat. In der anschließenden Diskussion trat ein Brigadier auf und legte seine Gedanken zu den Ereignissen, die zur Zuspitzung der Lage 1953 führten, dar. Die Stasi nahm eine Abschrift als Beweismittel zum Untersuchungsvorgang gegen den Arbeiter.
Wir haben erlebt, dass [unterstrichen: Unsummen an Plakaten] und sonstigem ausgegeben wurden, die mit unserer Führsorge nichts zu tun hatten. Vom 1. Mai nicht zu sprechen. So wurde uns der BGL entfremdet, da er von der direkten Mitarbeit gerissen wurde. Die Fehler nicht genug, wirbt er heute laut Vorschrift um [unterstrichen: Gruppenorganisatoren] und was mehr. Ja, [unterstrichen: Kollegen, in Wirklichkeit] sind es [unterstrichen: Keimzellen] neuer [unterstrichen: Unzufriedenheit.]
Tatsache bleibt, dass die [unterstrichen: "X - Zeit" ureigenste Angelegenheit] der Arbeiter selbst war und es musste sich die Gewerkschaft sofort einschalten..
Ich glaube, was ich als Gewerkschaftler gesagt habe, dürfte auch für den Parteigenossen zu seinem Parteisekretär Gültigkeit haben.
Man fragt sich, wo unser Deutschland schon einmal 12 Jahre unter dem Druck 1000 jähriger Träumer und Phantasten gestanden hatte und wir an einem wahnsinnigen Krieg verbluteten- und heute nach 8 Jahren haben wir uns noch nicht zusammengefunden? Wie [unterstrichen: ist das möglich, dass wir auf den Westen] geifern und von [unterstrichen: Einheit und Frieden heucheln?] Wie ist das möglich, dass sich der [unterstrichen: Deutsche] in der DDR [unterstrichen: ganz von der Ideologie der Partei einengen liess] und dabei seine eigenen [unterstrichen: Vorkämpfer wie: Karl Marx, Friedrich Engels, August Bebel, Rudolf Breitscheid] und wie sie alle in uns leben, [unterstrichen: in Vergessenheit geraten konnten? Man kündet wohl ihre Namen,] ihre [unterstrichen: Bilder aber nicht ihre Lehren!] Ja wie ist das möglich? -
In kurzen Zügen habe ich aufgezeigt, wie das möglich war. Wir haben uns selbst vergessen! Was die Familie ist, ist der Staat. Ist die Familie gesund, ist also der Staat gestärkt, dann gesunden andere Nationen mit, es sei dann, sie sind mit ihrer Führung nicht mehr zufrieden, dann soll es mir gleich sein, denn ein jedes Volk bestimmt sich selbst sein Los.
Wir Deutschen hätten doch allen Grund besonders stolz auf unsere Vorfahren zu sein. Ob das Leben eines Sebastian Bach, eines Fr. v. Schiller, eines Karl Marx, deren Biographie sollte uns ein Denkstein aller Zeiten sein, ihre Werke haben Ewigkeitsdauer. [unterstrichen: Deutscher] Arbeiter, du bist schon seit über [unterstrichen: 50 Jahren als Bestarbeiter in der Welt] bekannt. Wo ich hinkam bei meinen Auslandsreisen, da hörte ich nur von deutschen Maschinen und deutschen Ingeneuren und deutschen Arbeitern, die man hatte kommen lassen. [unterstrichen: Bewahre dein Ansehen,] doch kannst [unterstrichen: du dein Ansehen nur behalten,] wenn du dich [unterstrichen: behauptest.] Von dir hat jede Nation gelernt! Zu Deinen Leistungen hast du dich schon zu Vorzeiten emporgearbeitet, als Zeichen, dass deine Methoden gut, ja ausgezeichnet sind.
Ich denke nur an die Weltausstellung, wo deutsche Wertarbeit die grössten Auszeichnungen holte.
Jedes Land, auch [unterstrichen: die Sowjets haben tüchtige Fachleute, doch krieche nicht zu Kreuze,] dass [unterstrichen: geziemt sich eines Deutschen nicht.] Damit will ich niemanden eine gewisse Verehrung absprechen. Ich kann neben Bunckner auch Tschaikowski oder neben Karl Marx auch Lenin oder Stalin verehren. Alles das ist Privatsache, doch vergesse nicht, was du ererbt von deiner Mutter, deinem Vater.
Kollege Staatsrat, Kolleginnen und Kollegen!
Alles in allem, wir wollen arbeiten und verdienen, wir wollen mitarbeiten zu besseren Lebensverhältnissen. Die Welt hat genug vom Krieg, doch zur Einheit und einem dauerhaften Frieden gehört Liebe und Glauben. Beides hat uns in den letzten Jahren besonders gefehlt! Ich schäme mich meines Evangeliums nicht, [unterstrichen: auch der Christ] kann der [unterstrichen: beste Sozialist sein.]
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
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Signatur: BStU, MfS, BV Neubrandenburg, AU, Nr. 109/53, Bd. 2, Bl. 264-269
Während des Volksaufstandes hielt ein Brigadier der Bau-Union Nord-Ost Torgelow eine Rede. Die Stasi nahm eine Abschrift als Beweismittel zum Untersuchungsvorgang gegen den Arbeiter.
Der Bezirk Neubrandenburg war wie die anderen Bezirke im Norden auch kein Zentrum des Volksaufstandes. Ein wichtiger Grund hierfür war die agrarisch geprägte Struktur Mecklenburgs. Zudem gelangten die Nachrichten aus dem Süden der DDR nur langsam bis zur Bevölkerung im Norden. Polizei, MfS und SED waren hier ausnahmsweise besser informiert und konnten sich auf Unruhen vorbereiten.
Trotzdem kam es vereinzelt zu Unruhen. Im Bezirk Neubrandenburg kam es in 29 Städten und Gemeinden zu Aktionen, die von Streiks über Demonstrationen bis hin zu Versuchen reichten, politische Gefangene zu befreien. Einzelne Aktionen wie Forderungen nach Auflösung der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft), die Abnahme von Bildern führender Mitglieder der Staats- und Parteiführung an öffentliche Stellen oder Solidaritätskundgebungen mit den streikenden Arbeitern und Bauern führten zu Verhaftungen und Verurteilungen.
Auf einer Belegschaftsversammlung der Bau-Union Nord-Ost Torgelow hielt ein Genosse der IG Bauholz ein Referat. In der anschließenden Diskussion trat ein Brigadier auf und legte seine Gedanken zu den Ereignissen, die zur Zuspitzung der Lage 1953 führten, dar. Die Stasi nahm eine Abschrift als Beweismittel zum Untersuchungsvorgang gegen den Arbeiter.
Bleiben wir weiter besonnen, sowie überhaupt unsere Bau - Union Nord Ost stolz auf seine Arbeiter sein kann. Ein Zeichen der guten Zusammenarbeit aller Organisationen.
Lasst mich schliessen, dass es weiter so unter uns bleiben möchte und wollen wir Wegbereiter sein zu weiterem Verständnis.
Appelieren wir an die Regierung, sie möchte sich ebenfalls besinnen und ihre Versprechungen einlösen zum Wohlstand und besserer Verständigung mit unseren Brüdern und Schwestern im ganzen deutschen Vaterland.
Wir sind alle Brüder!
Es lebe Karl Marx!
Es lebe Deutschland!
Es lebe der Friede!
Bach, Schiller u. Marx wurden durch ihre gesunde harmonische Ehe zu ihren Werken mit gefördert, also durch die Frau.
Holzscheine, HO. Verkäuferin und Kellner, Friseure nur bis Mittag für uns an.
F.d.R.d.A.
[Unterschrift]
(Jost)
Gefreiter
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
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