Stasi-Observation ostdeutscher Musikfans am Brandenburger Tor
Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, Abt. XX, Nr. 10564, Bild 21, Bild 1
Die Stasi überwachte die Feierlichkeiten rund um das 750-jährige Stadtjubiläum Berlins 1987. Das in West-Berlin unmittelbar an der Grenze stattfindende "Concert for Berlin" lockte auch ostdeutsche Musikfans an, die die Stasi observierte und auch fotografierte.
Im Ost- wie im Westteil der Stadt feierte Berlin 1987 sein 750-jähriges Jubiläum. Beide Stadthälften hatten das Ziel, sich bestmöglich zu präsentieren. Denn von Anfang an war klar, dass mit den Feierlichkeiten nicht nur die Stadt selbst, sondern Ost- und West-Berlin auch als Aushängeschilder des jeweiligen politischen Systems wahrgenommen wurden.
Um sich als weltoffene Stadt zu präsentieren, lud die SED-Führung eine Vielzahl von internationalen Künstlerinnen und Künstlern nach Ost-Berlin ein. Zu den ersten Großereignissen zählten Mitte März 1987 mehrere Konzerte mit Peter Maffay, Shakin‘ Stevens sowie dem New Orleans Soul Festival in der Werner-Seelenbinder-Halle in Prenzlauer Berg. Die "Sicherung" der Konzerte über viele Tage hinweg war für das MfS eine logistische Herausforderung. Sie sollte "feindliche Einflüsse", ohne Aufsehen zu erregen, unterbinden und verfasste massenhaft entsprechende Maßnahmenpläne. De facto bedeutete dies, die allseits propagierte Weltoffenheit des Regimes zu konterkarieren und zwar im Auftrag des Regimes.
Wie fragil die Situation und wie herausfordernd diese Aufgabe waren, zeigte sich Anfang Juni 1987. Der West-Berliner Senat hatte während des Pfingstfests zum "Concert for Berlin" hochkarätige Musiker und Bands wie David Bowie, Genesis und die Eurythmics eingeladen. Ganz bewusst fand das Konzert vor dem Reichstagsgebäude in unmittelbarer Nähe zur Mauer statt mit einer Vielzahl an Lautsprechern, die Richtung Osten zeigten: eine Jubiläumsfeier über die Mauer hinweg. Von Tag zu Tag strömte auf der Ostseite ein immer größeres Publikum zum Brandenburger Tor. Der Radiosender RIAS 2 übertrug die Konzerte zwar landesweit, aber viele wollten die Atmosphäre vor Ort erleben. Stasi und Volkspolizei waren überfordert. Ihnen entglitt die Situation und die Menschenmenge sollte aufgelöst werden. Entgegen der Anweisung, keine "Vorfälle" entstehen zu lassen, wurden zum Teil Journalisten und Jugendliche niedergeknüppelt.
Der öffentliche Höhepunkt des Jubiläums in Ost-Berlin war der historische Festumzug am 4. Juli 1987. Mehr als 43.000 Teilnehmende stellten die Stadtgeschichte nach, ohne dabei jedoch auf die Nachkriegsgeschichte einzugehen. Für die Stasi bedeutete das die größte Sicherungsmaßnahme während des Jubiläums. Nach den Erfahrungen des Pfingstkonzerts in West-Berlin drängte die Geheimpolizei darauf, mehrere "Handlungsvarianten" im Zusammenspiel mit allen beteiligten Diensteinheiten zu planen, um so bei einem ungeplanten Verlauf effizienter und unauffälliger reagieren zu können. Der historische Festumzug rief bei vielen große Begeisterung hervor, vor allem jedoch, weil er das verkörperte, was die DDR nicht war: innovativ, überraschend und bunt. Die Kluft zum Alltag der Mangelwirtschaft, den zerfallenen Straßen und den fehlenden Freiheiten war danach umso deutlicher.
Am Abend des 6. Juni 1987 observierte und fotografierte die Stasi ostdeutsche Musikfans, die in die Nähe des Brandenburger Tors gingen. Sie wollten das West-Berliner "Concert for Berlin" mitanhören - über die Mauer hinweg.
Metadaten
- Datum:
- 6.6.1987
- Überlieferungsform:
- Schwarz-Weiß-Foto