Statistik über Verhaftungen nach dem Volksaufstand des 17. Juni 1953
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 1/54, Bl. 2
Nach dem Volksaufstand folgte die Verhaftungswelle. Die Stasi notierte die Zahl der Inhaftierten in einer statistischen Erhebung.
Der Volksaufstand des 17. Juni 1953 bedeutete eine wichtige Zäsur für die DDR. Zum einen musste die SED als selbst erklärte Partei der Arbeiter und Bauern erleben, wie genau diese Gesellschaftsgruppen aus Unzufriedenheit gegen das sozialistische System aufbegehrten – und die gesamte Bevölkerung mitrissen. Außerdem hatten die Sicherheitsorgane dabei versagt, Warnzeichen für eine Aufstandsbewegung zu erkennen.
Zum anderen hatten die Menschen in der DDR die volle Wucht der Staatsmacht erlebt. Der 17. Juni belehrte viele eines Besseren, die nach Stalins Tod und dem Beginn des "Neuen Kurses" an eine Schwäche der SED geglaubt hatten. Vor allem die sowjetische Armee hatte Stärke gezeigt und die Menschen mit Panzern und schweren Waffen erfolgreich eingeschüchtert. Verhaftungswellen der Stasi und die Entlassung von Streikteilnehmern taten ihr übriges, um dem Volk den Traum von einem erfolgreichen Aufstand auszutreiben.
Die SED-Führungsspitze war am 17. Juni ins Hauptquartier der sowjetischen Besatzungsmacht nach Berlin-Karlshorst geflüchtet. Dort fand am Abend eine Krisensitzung statt. An ihr nahmen teil: der hohe Kommissar der UdSSR in der DDR, der Generalstabschef der sowjetischen Armee sowie SED-Generalsekretär Walter Ulbricht, Ministerpräsident Otto Grotewohl und Stasi-Chef Wilhelm Zaisser. Im Rahmen dieser Zusammenkunft entstand jene Legende, mit der die blutige Niederschlagung des Aufstands gerechtfertigt werden sollte. Seither galt der 17. Juni im offiziellen Sprachgebrauch der SED als faschistischer oder konterrevolutionärer Putsch, der von außen gelenkt worden war.
Bereits in der Nacht zum 18. Juni begann das MfS unter Leitung des Staatssekretärs Erich Mielke mit einer massiven Verhaftungswelle. Sämtliche Streikleitungen waren erst einmal ohne vorherige Prüfung festzunehmen. Allein in Berlin wurden innerhalb von zwei Tagen 1.744 Menschen verhaftet, darunter sieben Streikleitungen und Streikkomitees.
Metadaten
- Datum:
- 23.6.1953
- Überlieferungsform:
- Dokument
Statistische Angaben über Personen, die in der Zeit vom 16. - 23.06.1953 vom Ministerium für Staatssicherheit Berlin, den Verwaltungen und Bezirksverwaltungen festgenommen wurden. (Stichtag 23.06.53, 24.00 Uhr)
Verwaltungen u. Bezirksverwaltungen einschließlich Ministerium Berlin; Anzahl der nach $ 106 StPO angeordneten u. in Beabreitung befindlichen Untersuchungsvorgänge; Anzahl der bereits ausgestellten richterlichen Haftbefehle; Anzahl der Personen, die zum genannten Stichtag bereits dem Gericht zur Aburteilung übergeben wurden; Anzahl der bereits Verurteilten; Anzahl der verhafteten Streikleitungen/ Personen; Anzahl der Mitglieder, der Streikleitungen, die gleichzeitig Mitglied der BGL oder AGL sind; Anzahl der Personen, die Mitglied des FDGB sind; Anzahl der Personen, die Mitglieder des FDGB u. gleichzeitig Mitglieder der BGL oder AGL sind; Anzahl der Festgenommenen, die Mitglied der SED sind
1;2;3;4;5;6;;7;8;9;10
Gr.-Berlin; 38; -; -; -; 1/ 10; 1; 35; 2; 1
Cottbus; 64; 64; 53; 14; 8/ 28; 11; 127; 11; 9
Dresden; 121; 121; 19; -; 1/ 10; 3; 101; 6; 7
Erfurt; 69; 69; 18; -; 4/ 39; 2; 62; 5; 28
Frankfurt; 53; 53; 29; 4; 5/ 16; 3; 26; 3; 2
Gera; 109, 109; 13; 13; 4/ 9; 1; 150; 1; 6
Halle; 89; 89; 3; 1; 4/ 16; 8; 182; 10; 33
"W"; 45; 45; 14; -; -/ -; -; 33; 2; 3
K.M.-Stadt; 24; 24; 3; 2; 2/ 28; 1; 28; 1; 1
Leipzig; 96; 96; 18; -; 5/ 17; -; 126; 3; 12
Magdeburg; 46; 46; 4; 2; 10/ 38; 4; 61; 5; 43
Neubrandenburg; 26; 26; 12; -; -/ -; -; 13; -; 4
Potsdam; 93; 93; 18; 14; 5/ 13 ; 1; 81; 6; 3
Rostock; 38; 38; 4; 4; 1/ 3; 2; 39; 3; 6
Schwerin; 27; 27; 11; 1; -/ -; -; 22; 2; 3
Suhl; 8; 8; 6; 6; -/ -; -; 3; 1; 1
Ministerium; 122; 83; 40; 3; 14/ 60; 6; 479; 9; 40
Insgesamt; 1068; 991; 265; 64; 64/ 287; 43; 1568; 70; 202