Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, AU, Nr. 237/54, GA, Bl. 1-31
In der Kreisstadt Niesky führte der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf den Straßen. Das Bezirksgericht Dresden verurteilte 16 Angeklagte wegen ihrer Beteiligung am Aufstand in Niesky und gegen den SED-Staat gerichteten "Boykotthetze".
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
In der nördlich von Görlitz gelegenen Kreisstadt Niesky entwickelte sich eine geradezu bürgerkriegsähnliche Situation. In der Kleinstadt mit etwa 9.000 Einwohnerinnen und Einwohnern existierten zwei Betriebe (LOWA und Stahlbau), die die bedeutendsten Arbeitgeber in der Region mit insgesamt 4.000 Arbeitsplätzen darstellten. Schon am Morgen traten einzelne Belegschaften in beiden Betrieben sowie auf Baustellen in den Ausstand und zogen für eine Demonstration ins Stadtzentrum.
Höhepunkt der Ereignisse wurde jedoch der Sturm auf die MfS-Kreisdienststelle. Nachdem die herbeigerufenen Polizisten entwaffnet und verjagt worden waren, befand sich das MfS-Gebäude kurzzeitig in der Hand der Aufständischen. Sie nahmen den Dienststellenleiter und drei weitere Mitarbeiter der Geheimpolizei gefangen und sperrten sie in einen Hundezwinger. Erst gegen 20:00 Uhr gelang es Militäreinheiten der Kasernierten Volkspolizei (KVP), das Gebäude zu räumen.
Die Vorkommnisse dienten der politischen Führung dazu, für eine harte Bestrafung der Angeklagten zu plädieren. Die hohen Haftstrafen für die Beteiligten wurden trotz zahlreicher Proteste nicht revidiert. Der Prozess fand vom 13. bis zum 18. Juli 1953 am Bezirksgericht Dresden statt. Gegen 16 Angeklagte wurde einmal lebenslänglich und insgesamt 71 Jahre Zuchthaus verhängt. Die meisten Verurteilten verbüßten mehr als zwei Drittel der Strafe.
Der selbstständige Fotograf Lothar Markwirth wurde von den Staatsorganen zum Haupträdelsführer bei den Ereignissen in der MfS-Dienststelle in Niesky gemacht.
Bereits am Stahlbau machte er von seiner Trillerpfeife Gebrauch, indem er nicht wie die anderen Losungen schrie, sondern pfiff und die dementsprechenden Armbewegungen des Mitkommens machte. Dieselbe wiederholte [handschriftliche Ergänzung: sich] am Rathaus und an der SED-Kreisleitung. Als man jedoch an der SED-Kreisleitung versuchte die Schrift "Ernst Thälmann" abzumachen, pfiff er und machte eine abwehrende Armbewegung, wo dies noch durch die Zurufe anderer unterstützt wurde, die riefen "nicht abmachen". Beim Ministerium für Staatssicherheit hat er auch noch ein paar Mal gepfiffen, jedoch als ermerkte, was dort losging, dann aufgehört, was auch von dem Dienststellenleiter, dem Zeugen [anonymisiert] bestätigt wird. Er machte dann dort auch sein rotes Rangierleiterband von der Mütze ab. Nur noch kurze Zeit beobachtete er vom Schuppendach es Maroske die Vorfälle, da er nach den Warnschüssen von Seiten der Volkspolizei von dort sich zum Werk zurückgab, um seine Sachen zu holen.
Der Angeklagte ist als Rädelsführer dieser öffentlichen Zusammenrottung zu bezeichnen, da er durch das Pfeifen mit seiner Trillerpfeife die Menge in seinem Bereich dauernd in Bewegung hielt, bzw. leitete. Er ist also nach § 125 II StGB schuldig und auch danach zu bestrafen. Nur unter Berücksichtigung dessen, daß er es mit war, der verhinderte den Namen "Ernst Thälmann" zu entfernen und er seine Tätigkeit einstellte, gerade dann als die Wogen höher zu schlagen begannen, [durchgestrichen: [unleserlich]] ließ das Gericht das Vorliegen mildernder Umstände annehmen.
Der Angeklagte [anonymisiert] ist der Sohn einer Krankenpflegerin. Nach dem Tode seiner Mutter wurde er ab dem 6. Lebensjahr bei seiner Großmutter erzogen. Er hat den Beruf eines Tischlers erlernt und hat diesen bis zur Einberufung zur faschistischen Wehrmacht im Jahre 1941 ausgeübt. Er war als Unteroffizier bei der See-Luftwaffe und geriet am 8. Mai 1945 in englische Kriegsgefangenschaft, in der er nur 3 Wochen war. Da seine Frau aus [handschriftliche Ergänzung: der Gegend von] Niesky stammt, kam er mit dieser Pfingsten 1946 nach [anonymisiert]. Auf Grund dessen, daß seine Schwiegereltern während der Nazizeit die 15 Morgen große Landwirtschaft eingebüßt hatten und im Gefängnis waren, ist seine Frau OdF und als solche erhielt sie eine 48 Morgen große Neubauernstelle, die der Angeklagte bis 1949 bewirtschaftete. Dann gab er wegen Krankheit seiner Frau diese wieder ab und ging als Tischler zur Lowa, wo er auf Grund seiner Kenntnisse dann als Konstrukteur eingesetzt wurde und jetzt als Gruppenleiter im Konstruktionsbüro tätig ist.
Der Angeklagte hat von 1946 bis 1948 der SED angehört und war in der [anonymisiert] Wohngruppe für Presse und Information verantwortlich. Nach seinem Austritt wurde er Mitglied der DBD.
Er ist ausserdem noch Mitglied im FDGB und hat die Funktion eines Gewerkschaftsgruppenorganisators.
Der Angeklagte hat am 17.06.1953 am Demonstrationszug von der Lowa aus teilgenommen und drang in das Werkgelände vom Stahlbau ein um die Arbeiter aufzufor-
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, AU, Nr. 237/54, GA, Bl. 1-31
In der Kreisstadt Niesky führte der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf den Straßen. Das Bezirksgericht Dresden verurteilte 16 Angeklagte wegen ihrer Beteiligung am Aufstand in Niesky und gegen den SED-Staat gerichteten "Boykotthetze".
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
In der nördlich von Görlitz gelegenen Kreisstadt Niesky entwickelte sich eine geradezu bürgerkriegsähnliche Situation. In der Kleinstadt mit etwa 9.000 Einwohnerinnen und Einwohnern existierten zwei Betriebe (LOWA und Stahlbau), die die bedeutendsten Arbeitgeber in der Region mit insgesamt 4.000 Arbeitsplätzen darstellten. Schon am Morgen traten einzelne Belegschaften in beiden Betrieben sowie auf Baustellen in den Ausstand und zogen für eine Demonstration ins Stadtzentrum.
Höhepunkt der Ereignisse wurde jedoch der Sturm auf die MfS-Kreisdienststelle. Nachdem die herbeigerufenen Polizisten entwaffnet und verjagt worden waren, befand sich das MfS-Gebäude kurzzeitig in der Hand der Aufständischen. Sie nahmen den Dienststellenleiter und drei weitere Mitarbeiter der Geheimpolizei gefangen und sperrten sie in einen Hundezwinger. Erst gegen 20:00 Uhr gelang es Militäreinheiten der Kasernierten Volkspolizei (KVP), das Gebäude zu räumen.
Die Vorkommnisse dienten der politischen Führung dazu, für eine harte Bestrafung der Angeklagten zu plädieren. Die hohen Haftstrafen für die Beteiligten wurden trotz zahlreicher Proteste nicht revidiert. Der Prozess fand vom 13. bis zum 18. Juli 1953 am Bezirksgericht Dresden statt. Gegen 16 Angeklagte wurde einmal lebenslänglich und insgesamt 71 Jahre Zuchthaus verhängt. Die meisten Verurteilten verbüßten mehr als zwei Drittel der Strafe.
Der selbstständige Fotograf Lothar Markwirth wurde von den Staatsorganen zum Haupträdelsführer bei den Ereignissen in der MfS-Dienststelle in Niesky gemacht.
dern mitzustreiken. Er rief dort mit: "Stahlbau heraus". Auch in das Rathaus drang er mit ein und forderte dort, daß der Oberbürgermeister sprechen soll, was jedoch nicht möglich war durch dessen Abwesenheit. Vor der SED-Kreisleitung forderte er den 1. Sekretär. Er drang dann 2 Mal mit in das Gebäude ein und zwar einmal um die Transparente zu entfernen und das 2. Mal um das Emblem der Gesellschaft für Sport und Technik zu entfernen. Bei dem ersten Eindringen stieg er dann auch im 2. Stock aus dem Fenster und entfernte dort das Transparent mit dem Karl-Marx-Bild. Bei seinem zweiten Eindringen begab er sich in den 3. Stock, wo er wieder aus dem Fenster stieg und nun nicht dort, wie gewollt, das Abzeichen der GST., sondern das Emblem der FDJ sah. Er entfernte daraufhin dieses, wobei ihm noch zwei mit einer Stange behilflich waren. Nach diesen Taten forderte er auf der Straße die Massen auf, mit zum Kreisratsamt zu kommen. Er jedoch begab sich zum M.f.S. und sah dort die Gewalttätigkeiten. Da man davon sprach, daß sich im Keller in den Zellen Foltergegenstände befinden sollen, begab er sich da hinein, um sich diese anzusehen. Er fand jedoch nur ein paar saubere Zellen vor. Gegen 17.00 Uhr begab er sich in seinen Betrieb zurück, wo er das Bild von unserem Ministerpräsidenten Otto Grotewohl von der Wand nahm und zerriß ebenso das Bild von unserem Staatspräsidenten Wilhelm Pieck abnahm und auf einen Schreibtisch legte. An eine Tafel im Konstruktionsbüro schrieb er noch "Wir fordern Freiheit und Einheit". Diese letzten Taten beging er, da er der Meinung war, daß die Regierung zurückgetreten sei. Daß er sich bei seinen Handlungen von seiner feindlichen Einstellung leiten ließ, geht daraus hervor, daß er ca. 10 Tage vorher einem Bekannten gegenüber äusserte, daß sich demnächst etwas abspielen werde.
Der Angeklagte hat sich mit seiner Handlung, die äussert verwerflich ist, einer friedensgefährdenden Boykott- und Kriegshetze schuldig gemacht und ist nach Art. 6 der Verf. d.DDR zbd KRDir. 38, Abschn. II Art. III A III zu bestrafen.
Der Angeklagte [anonymisiert] hat den Beruf eines Schmiedes erlernt und diesen bis zum Jahre 1941 ausgeübt. Auf Grund seiner freiwilligen Meldung wurde er im Februar 1941 zur faschistischen Luftwaffe eingezogen. Am 01.05.1945 geriet er in sowj. Gefangenschaft. Sein letzter Dienstgrad war Obergefreiter. Am 22.07.1949 kam er aus der Gefangenschaft zurück und war seitdem in der Lowa als Schlosser tätig. Er hat sich 1949 im FDGB organisiert und fungiert als Gewerkschaftsgruppenleiter. Bereits im Mai 1951 wurde er als Bestarbeiter und im
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, AU, Nr. 237/54, GA, Bl. 1-31
In der Kreisstadt Niesky führte der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf den Straßen. Das Bezirksgericht Dresden verurteilte 16 Angeklagte wegen ihrer Beteiligung am Aufstand in Niesky und gegen den SED-Staat gerichteten "Boykotthetze".
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
In der nördlich von Görlitz gelegenen Kreisstadt Niesky entwickelte sich eine geradezu bürgerkriegsähnliche Situation. In der Kleinstadt mit etwa 9.000 Einwohnerinnen und Einwohnern existierten zwei Betriebe (LOWA und Stahlbau), die die bedeutendsten Arbeitgeber in der Region mit insgesamt 4.000 Arbeitsplätzen darstellten. Schon am Morgen traten einzelne Belegschaften in beiden Betrieben sowie auf Baustellen in den Ausstand und zogen für eine Demonstration ins Stadtzentrum.
Höhepunkt der Ereignisse wurde jedoch der Sturm auf die MfS-Kreisdienststelle. Nachdem die herbeigerufenen Polizisten entwaffnet und verjagt worden waren, befand sich das MfS-Gebäude kurzzeitig in der Hand der Aufständischen. Sie nahmen den Dienststellenleiter und drei weitere Mitarbeiter der Geheimpolizei gefangen und sperrten sie in einen Hundezwinger. Erst gegen 20:00 Uhr gelang es Militäreinheiten der Kasernierten Volkspolizei (KVP), das Gebäude zu räumen.
Die Vorkommnisse dienten der politischen Führung dazu, für eine harte Bestrafung der Angeklagten zu plädieren. Die hohen Haftstrafen für die Beteiligten wurden trotz zahlreicher Proteste nicht revidiert. Der Prozess fand vom 13. bis zum 18. Juli 1953 am Bezirksgericht Dresden statt. Gegen 16 Angeklagte wurde einmal lebenslänglich und insgesamt 71 Jahre Zuchthaus verhängt. Die meisten Verurteilten verbüßten mehr als zwei Drittel der Strafe.
Der selbstständige Fotograf Lothar Markwirth wurde von den Staatsorganen zum Haupträdelsführer bei den Ereignissen in der MfS-Dienststelle in Niesky gemacht.
im Oktober 1951 als Aktivist ausgezeichnet. Er hat 7 Verbesserungsvorschläge eingereicht und hat von 1951 bis 1952 eine Brigade der besten Qualität geleitet.
Der Angeklagte verließ am 17.06.1953 mit dem Demonstrationszug die Lowa und rief am Stahlbau mit: "Stahlwerker raus". Gegenüber dem Rathaus an der Buchhandlung Jenke hat er ein Transparent mit der Aufschrift: "Alle Kraft zur Erfüllung des 3. Planjahres" abgenommen. Dies tat er aus Verärgerung darüber, weil die Materialbeschaffung zur Erfüllung des Planjahres nicht klappte. An der SED-Kreisleitung warf er als erster 2 Steine gegen die Tür. Als dann ein Angehöriger der VP erschien, sagte er zu diesem: "Bis jetzt habt ihr die Butter gefressen, jetzt fressen wir sie". Dies tat er, weil er der Meinung war, daß die VP-Angehörigen eine bessere Kartengruppe wie die Arbeiter bekommen und da er sah, wie seine Frau auf ihre Butter verzichtete, nur um [handschriftliche Ergänzung: Ihn] nicht mit Magarineschnitten auf Arbeit [durchgestrichen: ihn] gehen zu lassen. Er ging dann mit in den Hof des M.f.S. Da ihn das Geschehnis von dort anekelte, ging er mit seinem Kollegen weg. Als er durch das Kino kam, nahm er das Bild des Staatspräsidenten Wilhelm Pieck weg, um es vor dem im Nebengrundstück tätigen Mob, der alles zerschlug, zu bewahren und übergab es dem hinzukommenden Kinoverwalter.
Der Angeklagte hat sich an einer öffentlichen Zusammenrottung beteiligt, wo er noch selbst Gewalttätigkeiten beging. Er ist demzufolge nach § 125 II StGB. schuldig und danach zu bestrafen. Auf Grund dessen, daß der Angeklagte während der Hauptverhandlung einen sehr guten Eindruck hinterließ und offenbar aus einer gewissen Verärgerung über die in der letzten Zeit aufgetretenen Schwierigkeiten tätig wurde, ließ das Gericht das Vorliegen mildernder Umstände annehmen.
Der Angeklagte [anonymisiert] stammt aus einer 25 ha großen Landwirtschaft und hat selbst den Beruf eines Landwirtes ergriffen. 1940 meldete er sich freiwillig zur Waffen-SS und war als Panzerfahrer, zuletzt als Komandant mit in der Sowjetunion. Sein letzter Dienstgrad war SS-Unterscharführer. Bei der Kapitulation Hitlerdeutschlands befand er sich in Schleswig-Holstein, wurde dort interniert und nach der englischen Besatzungszone entlassen. Nach einem Jahr Aufenthalt in Westdeutschland kehrte er zurück und übernahm dann 1948 die väterliche Landwirtschaft in Bewirtschaftug. Diese umfasst jetzt 29,42 ha. und auf ihr sind 2 fremde Arbeitskräfte beschäftigt. 1947 organisierte er sich im VdGB, war im Wirtschaftsrat und im Aufsichtsrat der BHG. Zwei Jahre lang war er Vorsitzender der Demokratischen Sportbewegung, Sparte Radsport in Niederseifersdorf.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Zurückweisung der Berufungen gegen das Urteil der am Volksaufstand in Niesky beteiligten Demonstranten Dokument, 2 Seiten
Protokoll über die Vernehmung Lothar Markwirths zu den Ereignissen während des Volksaufstands in Niesky Dokument, 6 Seiten
Mitteilung des Staatsanwalts an die Ehefrau von Lothar Markwirth Dokument, 1 Seite
Urteil gegen Beteiligte einer Streikkundgebung während des Volksaufstandes in Groß Dölln Dokument, 3 Seiten