Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, AU, Nr. 48/53, Bl. 172-178
Auf einer Einwohnerversammlung in Hellingen am 17. Juni kam es zu Tumulten und Zwischenrufen. Vier Bürger wurden später wegen "Boykotthetze" zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde.
Der Bezirk Suhl gehörte in den Junitagen 1953 zu den wenigen Territorien der DDR, in denen nicht der Ausnahmezustand verhängt wurde. Neben den typischen sozialen und politischen Forderungen spielten in den Diskussionen der Bevölkerung in Suhl im Juni 1953 vor allem Zwangsumsiedlungen im Bezirk eine große Rolle. Ein Jahr zuvor hatte die DDR-Führung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Sperrzonen an der innerdeutschen Grenze eingerichtet. Wer als politisch unzuverlässig galt, musste diese Gebiete verlassen.
In den ländlichen Regionen des Bezirks lösten sich unter dem Eindruck der Ereignisse im Rest des Landes elf Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) auf. Andere blieben zwar bestehen, büßten jedoch nach massenhaften Austritten ihrer Mitglieder ihre Arbeitsfähigkeit ein. Schwerpunkte dieser Entwicklung waren die Landkreise Hildburghausen, Sonneberg und Meiningen. Auch in Hellingen, einer kleinen Gemeinde im Kreis Hildburghausen, waren am 17. Juni durch den RIAS und den Sender Frankfurt die Ereignisse in Berlin und anderen Orten der DDR bekannt geworden.
Am 17. Juni wurden die Einwohner zu einer Versammlung einberufen, die um 21:15 Uhr beginnen sollte. Dort sprach ein Referent aus der Kreisstadt über die "Gründung von Haus- und Hofgemeinschaften". Das wollten die Hellinger an diesem Tag jedoch überhaupt nicht hören. Sie erwarteten eine Stellungnahme zu den Ereignissen in Berlin und den anderen Orten. Es kam zu Zwischenrufen und Tumulten. Mehrere Redner kritisierten unter großem Beifall die Politik der Regierung. Das letzte Jahr war für die Bauern besonders hart gewesen. Sie mussten ihre Produkte zu festgesetzten, geringen Preisen abgeben. Wer sich weigerte, dem drohte Gefängnis.
Zwei Tage später, am 19. Juni, marschierten Bewaffnete – darunter auch Sowjetsoldaten – in den Ort. MfS-Mitarbeiter verhafteten vier Hellinger Einwohner und verhörten sie die ganze Nacht. Bereits am nächsten Tag fand der Prozess vor dem 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Suhl in Meiningen statt.
Am 22. Juni, früh um 5:30 Uhr, verkündete das Gericht im Namen des Volkes die Urteile gegen die vier Personen: zwei Bauern erhielten Gefängnisstrafen wegen Staatsverleumdung bzw. Störung einer Versammlung. Der Landwirt Knopf jedoch wurde zu zweieinhalb und der Landwirt Stärker zu eineinhalb Jahre Zuchthaus wegen Boykotthetze verurteilt. Diese harten Urteile gegen die angesehenen Bauern lösten große Unruhe und Empörung aus, nicht nur in Hellingen. Jeder konnte sich hier vorstellen, was es bedeutet, wenn in der Erntezeit oder in der Zeit der Feldbestellung der Bauer fehlte.
Der Angeklagte Knopf hat eine massive Hetze gegen unsere Regierung betrieben. Das hat er sich schon vor Beginn der Versammlung vorgenommen wie seine Äusserungen in der Gaststube zeigen. Dieser Angeklagte hat von den Berliner Provokationen gehört und die Situation in gefährlicher Weise ausgenutzt um in Hellingen eine republikfeindliche Stimmung zu erzeugen. Er hat die Fehler unserer Regierung "Verbrechen" genannt und gefordert, dass die Regierung dafür zur Verantwortung gezogen würde. Gerade seine Hetze als erster hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Erregung in der Versammlung immer mehr stieg. Es wäre ihm auch recht gewesen, wenn sich die Menge auf die Funktionäre gestürzt hätte und in Hellingen ähnliche Ausschreitungen vorgekommen wären wie in Berlin. Der Angeklagte ist ein alter Faschist und ein Feind unserer Republik der glaubte, dass für ihn jetzt die Stunde gekommen sei um Verwirrung in der Bevölkerung zu stiften und gegen unsere Regierung zu hetzen. Bei ihm ist der Tatbestand des Art. 6 d. Verf. in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt und wegen der Propagierung faschistischer Terrormethoden musste auch eine Bestrafung aus KD 38 Abschnitt II Art. III A II erfolgen. Das Gericht hatte keine Veranlssung von der beantragten Strafe mit 2 Jahren und 6 Monaten [unkenntlich] Zuchthaus mit den obl. Sühnemassnahmen abzuweichen da diese Strafe der gesellschaftlichen Gefährlichkeit der Handlungsweise des Angeklagten, seiner Person und der möglichen Folgen seiner Tat durchaus entspricht.
Auch bei dem Angeklagten Stärker musste der Art. 6 d. Verf. u. KD 38 Abschnitt II Art. III A III zur Anwendung kommen. Seine Aufforderung, die Funktionäre aus dem Saal zu entfernen stellt Boykotthetze gegen unsere demokratischen Parteien und Massenorganisationen dar.
Es wäre ihm durchaus recht gewesen, wenn sich einige Anwesende auf die Funktionäre gestürzt hätten und diese niederschlugen. Mit seiner Äusserung dass sich die Bauern ebenso wie die Arbeiter in Berlin zusammenschliessen müssten und die Regierung zum Teufel gejagt werden solle zeigte er seine Verbundenheit zu den Provokationen in Berlin und wäre auch damit einverstanden gewesen, wenn sich ähnliches in Hellingen abgespielt hätte. Derartige Äusserunge können nur ihr Motiv in einer feindlichen Einstellung zu unserer Republik und Regierung haben. Sie zeugen von einer Gesellschaftsgefährlichkeit die entsprechend dem Antrage des St.A. mit einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit den obl. Sühnemassnahmen, der KD 38 zu ahnden sind.
Das sich der Verdacht gegen den Angeklagten Voit, dass dieser zum Sturz der Regierung aufgefordert hat, nicht bestätigte, konnte eine Bestrafung nach Art. 6 d. Verf. u. KD 38 nicht erfolgen. Seine Handlungsweise stellt jedoch eine bewusste Staatsverleumdung gem. § 131 St.G.B. dar. Er hat die Tatsache der Ausbildung unserer Lehrer wissentlich entstellt indem er in einer Versammlung von 200 Personen öffentlich von einem Zustand ausging, wie er vor sieben Jahren einmal gewesen ist und dabei die derzeitige Ausbildung unserer Lehrer bewusst verschwiegen um einen möglichst schlechten Eindruck von unserer demokratischen Schule und der Erziehung unserer Jugend zu erwecken. Mit dieser Handlungsweise hat er unsere demokratische Schule in der Öffentlichkeit verächtlich gemacht und war entsprechend zu bestrafen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
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Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, AU, Nr. 48/53, Bl. 172-178
Auf einer Einwohnerversammlung in Hellingen am 17. Juni kam es zu Tumulten und Zwischenrufen. Vier Bürger wurden später wegen "Boykotthetze" zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde.
Der Bezirk Suhl gehörte in den Junitagen 1953 zu den wenigen Territorien der DDR, in denen nicht der Ausnahmezustand verhängt wurde. Neben den typischen sozialen und politischen Forderungen spielten in den Diskussionen der Bevölkerung in Suhl im Juni 1953 vor allem Zwangsumsiedlungen im Bezirk eine große Rolle. Ein Jahr zuvor hatte die DDR-Führung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Sperrzonen an der innerdeutschen Grenze eingerichtet. Wer als politisch unzuverlässig galt, musste diese Gebiete verlassen.
In den ländlichen Regionen des Bezirks lösten sich unter dem Eindruck der Ereignisse im Rest des Landes elf Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) auf. Andere blieben zwar bestehen, büßten jedoch nach massenhaften Austritten ihrer Mitglieder ihre Arbeitsfähigkeit ein. Schwerpunkte dieser Entwicklung waren die Landkreise Hildburghausen, Sonneberg und Meiningen. Auch in Hellingen, einer kleinen Gemeinde im Kreis Hildburghausen, waren am 17. Juni durch den RIAS und den Sender Frankfurt die Ereignisse in Berlin und anderen Orten der DDR bekannt geworden.
Am 17. Juni wurden die Einwohner zu einer Versammlung einberufen, die um 21:15 Uhr beginnen sollte. Dort sprach ein Referent aus der Kreisstadt über die "Gründung von Haus- und Hofgemeinschaften". Das wollten die Hellinger an diesem Tag jedoch überhaupt nicht hören. Sie erwarteten eine Stellungnahme zu den Ereignissen in Berlin und den anderen Orten. Es kam zu Zwischenrufen und Tumulten. Mehrere Redner kritisierten unter großem Beifall die Politik der Regierung. Das letzte Jahr war für die Bauern besonders hart gewesen. Sie mussten ihre Produkte zu festgesetzten, geringen Preisen abgeben. Wer sich weigerte, dem drohte Gefängnis.
Zwei Tage später, am 19. Juni, marschierten Bewaffnete – darunter auch Sowjetsoldaten – in den Ort. MfS-Mitarbeiter verhafteten vier Hellinger Einwohner und verhörten sie die ganze Nacht. Bereits am nächsten Tag fand der Prozess vor dem 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Suhl in Meiningen statt.
Am 22. Juni, früh um 5:30 Uhr, verkündete das Gericht im Namen des Volkes die Urteile gegen die vier Personen: zwei Bauern erhielten Gefängnisstrafen wegen Staatsverleumdung bzw. Störung einer Versammlung. Der Landwirt Knopf jedoch wurde zu zweieinhalb und der Landwirt Stärker zu eineinhalb Jahre Zuchthaus wegen Boykotthetze verurteilt. Diese harten Urteile gegen die angesehenen Bauern lösten große Unruhe und Empörung aus, nicht nur in Hellingen. Jeder konnte sich hier vorstellen, was es bedeutet, wenn in der Erntezeit oder in der Zeit der Feldbestellung der Bauer fehlte.
Der St.A. beantragte eine Gefängnisstrafe von einem Jahr.
Mit Rücksicht darauf, dass als das Hauptmotiv bei der Handlungsreise des Angeklagten dessen Erbitterung zu erkennen war, dass er der scheinbar sehr an seinem Beruf hängt - nicht mehr Lehrer sein darf, glaubt der Senat, dass auch eine solche von neun Monaten ein ausreichendes Erziehungsmittel darstellt um den Angeklagten in Zukunft davon abzuhalten sich derart abfällig und verächtlich über unsere demokratische Schule in der Öffentlichkeit zu äussern.
Bei dem Angeklagten Schwesinger war ebenfalls die Anwendung des Art. 6 und der KD 38 zu verneinen. Dieser fast 70 Jahre alte Angeklagte hat impulsiv eine Äusserung getan die ihre wahre Ursache in dem Ärger hatten, dass sein Schwiegersohn umgesiedelt wurde und er die ganze Landwirtschaft allein machen musste. Der Angeklagte ist herbei aber doch zu weit gegangen indem er davon sprach, dass die Stricke zum Aufhängen unserer Regierung schon bereit lägen. Auch er mit seiner Äusserung hat dazu beigetragen, dass die Versammlung ihre eigentliches Ziel nicht erreichte und es hierbei zu Provokationen kam. Durch seinen Hinweis mit den Stricken hat er die Bedrohungen mit einem Verbrechen wesentlich unterstützt. Der St.A. beantragte eine [unkenntlich] Gefängnisstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Das Gericht sah jedoch die Gesellschaftsgefährlichkeit des Angeklagten - infolge seine Alters - und seiner Tat - nur eine kurze Äusserung - nicht so schwer an, dass eine solche Strafe erforderlich wäre um den Angeklagten zu erziehen und andere Personen von ähnlicher Handlungsweise abzuhalten. Es wird auch eine Gefängnisstrafe von acht Monaten als Erziehungs- und Schutzmassnahme ausreichend sein.
Die Anrechnung der verbüssten Untersuchungshaft beruht auf § 219 (2), die Kostenentscheidung auf § 353 St.P.O
[Unterschrift: unleserlich]
[Unterschrift: unleserlich]
[Unterschrift: unleserlich]
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Untersuchungshaft ist eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens. Die Untersuchungshaft begann nach der Verkündung des Haftbefehls durch einen Richter und endete mit der Überstellung in den Strafvollzug nach Erlangung der Rechtskraft einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, selten auch mit der Freilassung.
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft waren ein dringender Tatverdacht sowie entweder Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949, § 141 StPO/1952, § 122 StPO/1968). Der Vollzug der Untersuchungshaft war gesetzlich mit nur einem StPO-Paragraphen geregelt (§ 116 StPO/1949, § 147 StPO/1952, § 130 StPO/1968), alles Weitere in internen Ordnungen. Er erfolgte für Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren von der Staatssicherheit geführt wurden, in MfS-Untersuchungshaftanstalten in Berlin bzw. den Bezirksstädten der DDR.
Die Haftbedingungen waren dort von Willkür, völliger Isolation und daraus resultierender Desorientierung der Häftlinge gekennzeichnet. Für den Vollzug der Untersuchungshaft war im MfS die Linie XIV (Abt. XIV) zuständig; die Vernehmungen oblagen den Untersuchungsführern der Linie IX (HA IX).
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
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Schreiben des Suhler Bezirksstaatsanwalts zu einem "Justizausspracheabend" über vier verhaftete Hellinger Bauern Dokument, 2 Seiten
Schreiben an den Generalstaatsanwalt der DDR zur Verhandlung gegen vier Hellinger Bürger Dokument, 2 Seiten
Urteil gegen einen Streikführer aus Niemegk Dokument, 6 Seiten
Urteil gegen zwei Landwirte wegen "Boykotthetze" Dokument, 4 Seiten