Signatur: BStU, MfS, BV Neubrandenburg, AU, Nr. 109/53, Bd. 2, Bl. 358-369
Während des Volksaufstandes in der DDR legte ein Brigadier bei einer Belegschaftsversammlung der Bau-Union Nord-Ost Torgelow seine Gedanken zu den Ereignissen, die zur Zuspitzung der Lage 1953 führten, dar. Im August wurde er deshalb verhaftet und verurteilt.
Der Bezirk Neubrandenburg war, wie die anderen Bezirke im Norden auch, kein Zentrum des Volksaufstandes. Ein wichtiger Grund hierfür war die agrarisch geprägte Struktur Mecklenburgs. Zudem gelangten die Nachrichten aus dem Süden der DDR nur langsam bis zur Bevölkerung im Norden. Polizei, MfS und SED waren hier ausnahmsweise besser informiert und konnten sich auf Unruhen vorbereiten.
Trotzdem kam es vereinzelt zu Unruhen. Im Bezirk Neubrandenburg kam es in 29 Städten und Gemeinden zu Aktionen, die von Streiks über Demonstrationen bis hin zu Versuchen reichten, politische Gefangene zu befreien. Einzelne Aktionen wie Forderungen nach Auflösung der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft), die Abnahme von Bildern führender Mitglieder der Staats- und Parteiführung an öffentliche Stellen oder Solidaritätskundgebungen mit den streikenden Arbeitern und Bauern führten zu Verhaftungen und Verurteilungen.
Auf einer Belegschaftsversammlung der Bau-Union Nord-Ost Torgelow hielt ein Genosse der IG Bauholz ein Referat. In der anschließenden Diskussion trat ein Brigadier auf und legte seine Gedanken zu den Ereignissen, die zur Zuspitzung der Lage 1953 führten, dar. Im August wurde er verhaftet und später durch das Bezirksgericht Neubrandenburg zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.
gegen die Kontr. Dir. 38 Abschn. II Art. IIIaIII zu einer
Gefängnisstrafe von 1 - einem Jahr u. 6 - sechs - Monaten
verurteilt.
Die Untersuchungshaft wird dem Angeklagten [anonymisiert] seit dem 8. August 1953, dem Angeklagten [anonymisiert] seit dem 27.08.1953 und dem Angeklagten [anonymisiert] seit dem 29.08.1953 in voller Höhe auf die erkannte Freiheitsstrafe angerechnet.
Ihnen werden weiter die Sühnemassnahmen der Ziff. 3 - 9 des Art. IX der Kontr. Dir. 38 auferlegt, wobei die Beschränkung der Ziff. 7 auf 5 Jahre festgesetzt wird.
Das Vermögen des Angeklagten [anonymisiert] wird eingezogen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Angeklagten zu tragen.
Gründe:
Der Angeklagte [anonymisiert] wurde als Sohn des damaligen Vizefeldwebels, der später zur Gendarmerie nach Dresden überging in Dresden geboren. Mit dem 6. Lebensjahr trat er in die Volksschule ein, welche er in Dresden und Kaitz absolvierte. Nach seiner Schulentlassung erlernte er das Bäckerhandwerk in der Bäckerei [anonymisiert] in Dresden - Neustadt. Während dieser Zeit besuchte er ebenfalls die Fach - und Berufsschule in Dresden. Seine Lehrzeit beendete er in der Getreidemühle und Brotfabrik in [anonymisiert] bei Pirna. Nach etwa einhalbjähriger Gesellentätigkeit meldete er sich im Jahre 1920 freiwillig zur ehemaligen Reichsmarine. Nach der Grundausbildung versah er seinen Dienst als Koch auf dem Schulschiff Hay bis 1924. Danach wurde er zum Landkommando abgestellt und im Februar 1925 wegen Borduntauglichkeit entlassen. Nach seiner Entlassung ging er nach Chemnitz und war hier kurze Zeit in seinem Beruf als Bäcker tätig. Im Mai 1925 nahm er auf ein Inserat hin in München die Tätigkeit bei einem Generalvertreter, der Tuche - und Musikinstrumente usw. vertrat, auf. Nach etwa 6 - monatiger Tätigkeit ging die Firma in Konkurs, er ging wieder nach Chemnitz, wo er bis 1933 bei verschiedenen Handwerksmeistern sowie in der Brotfabrikunion tätig war. Er will dann wegen nicht einwandfreier politischer Gesinnung auf der Brotfabrik entlassen worden sein. Von dieser Zeit ab verdiente er sein Geld durch Unterstützung bzw. durch Vertretungen von Personen bei Gerichten und
Vorgangsart von 1953 bis 1960. In Beobachtungsvorgängen wurden Personen erfasst, die als potenziell oder tatsächlich politisch unzuverlässig oder feindlich eingestellt galten und daher vorbeugend beobachtet wurden. Dazu gehörten etwa ehemalige NS-Funktionsträger, ehemalige Sozialdemokraten, Teilnehmer an den Aktionen des 17. Juni 1953 sowie Personen, die aus dem Westen zugezogen waren. Die Vorgangsart verlor nach und nach an Bedeutung. 1960 gingen noch bestehende Beobachtungsvorgänge in den zugehörigen Objektvorgängen auf. Der Beobachtungsvorgang war zentral in der Abteilung XII zu registrieren, die betroffenen Personen in der zentralen Personenkartei F 16 zu erfassen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Untersuchungshaft ist eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens. Die Untersuchungshaft begann nach der Verkündung des Haftbefehls durch einen Richter und endete mit der Überstellung in den Strafvollzug nach Erlangung der Rechtskraft einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, selten auch mit der Freilassung.
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft waren ein dringender Tatverdacht sowie entweder Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949, § 141 StPO/1952, § 122 StPO/1968). Der Vollzug der Untersuchungshaft war gesetzlich mit nur einem StPO-Paragraphen geregelt (§ 116 StPO/1949, § 147 StPO/1952, § 130 StPO/1968), alles Weitere in internen Ordnungen. Er erfolgte für Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren von der Staatssicherheit geführt wurden, in MfS-Untersuchungshaftanstalten in Berlin bzw. den Bezirksstädten der DDR.
Die Haftbedingungen waren dort von Willkür, völliger Isolation und daraus resultierender Desorientierung der Häftlinge gekennzeichnet. Für den Vollzug der Untersuchungshaft war im MfS die Linie XIV (Abt. XIV) zuständig; die Vernehmungen oblagen den Untersuchungsführern der Linie IX (HA IX).
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Signatur: BStU, MfS, BV Neubrandenburg, AU, Nr. 109/53, Bd. 2, Bl. 358-369
Während des Volksaufstandes in der DDR legte ein Brigadier bei einer Belegschaftsversammlung der Bau-Union Nord-Ost Torgelow seine Gedanken zu den Ereignissen, die zur Zuspitzung der Lage 1953 führten, dar. Im August wurde er deshalb verhaftet und verurteilt.
Der Bezirk Neubrandenburg war, wie die anderen Bezirke im Norden auch, kein Zentrum des Volksaufstandes. Ein wichtiger Grund hierfür war die agrarisch geprägte Struktur Mecklenburgs. Zudem gelangten die Nachrichten aus dem Süden der DDR nur langsam bis zur Bevölkerung im Norden. Polizei, MfS und SED waren hier ausnahmsweise besser informiert und konnten sich auf Unruhen vorbereiten.
Trotzdem kam es vereinzelt zu Unruhen. Im Bezirk Neubrandenburg kam es in 29 Städten und Gemeinden zu Aktionen, die von Streiks über Demonstrationen bis hin zu Versuchen reichten, politische Gefangene zu befreien. Einzelne Aktionen wie Forderungen nach Auflösung der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft), die Abnahme von Bildern führender Mitglieder der Staats- und Parteiführung an öffentliche Stellen oder Solidaritätskundgebungen mit den streikenden Arbeitern und Bauern führten zu Verhaftungen und Verurteilungen.
Auf einer Belegschaftsversammlung der Bau-Union Nord-Ost Torgelow hielt ein Genosse der IG Bauholz ein Referat. In der anschließenden Diskussion trat ein Brigadier auf und legte seine Gedanken zu den Ereignissen, die zur Zuspitzung der Lage 1953 führten, dar. Im August wurde er verhaftet und später durch das Bezirksgericht Neubrandenburg zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.
Rechtsstellen. 1938 nahm er eine Arbeitsstelle bei der ATG in Leipzig an. 1939 wurde er zur ehemaligen Kriegsmarine nach Kiel eingezogen und kam 1945 in ein englisches Internierungslager nach Belgien. Sein letzter Dienstgrad bei der Kriegsmarine war Obermaat. Im März 1946 wurde er aus dem Gefangenenlager 2232 entlassen. Er kam mit einem Gefangenentransport nach Hannover und ging von dort illegal über die Demarkationslinie nach Leipzig. 1946 fand er Arbeit bei der Brotfabrik [anonymisiert] in Leipzig, wo er bis zum Jahre 1950 tätig war. Von 1950 bis 1952 war er wiederum als Bäcker in einem Privatbetrieb beschäftigt. Er will dann aus finanziellen Gründen die Arbeit als Bäcker aufgegeben haben und die Stellung als Transportarbeiter bei einer Bau - Union im Objekt Torgelow aufgenommen haben. Hier war er bis zu seiner Festnahme tätig.
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft. In einer Partei war er weder vor 1945 noch nach 1945 nach seinen Angaben organisiert. 1946 trat er dem FdGB bei, ist aber bereits nach einigen Monaten wegen Nichtzahlung von Beiträgen ausgeschlossen worden. Im Mai 1953 stellt er erneut einen Antrag zur Wiederaufnahme in den FdGB. Ihm wurde ein Mitgliedsbesuch ausgehändigt, welches jedoch wieder eingezogen wurde, weil er keine Beiträge zahlte. Drescher hat sich jedoch nach seinen Angaben auf seine Art durch Selbststudium ein politisches Wissen erworben. Er gibt an, er hätte viele fortschrittliche Bücher, so unter anderem Werke von Marx, Engel und Bebel gelesen. Er selbst habe die Absicht gehabt, da nach seinen Angaben die Werke von Marx für die breite Masse zu schwer geschrieben sei, diese Werke in vereinfachter Form und verständlicher herauszubringen.
Der Angeklagte [anonymisiert] wurde am 21. Januar 1925 als Sohn des Arbeiters [anonymisiert] in Kl. Möllen geboren. Er besuchte von 1931-1939 in [anonymisiert] Krs. Greifenhagen die Volksschule. Nach seiner Schulentlassung erlernte er bis Februar 1942 das Mauerhandwerk bei dem Mauermeister [anonymisiert] in Greifenhagen. Nach bestandener Gesellenprüfung war er bis April 1942 bei derselben Firma als Maurer tätig und wurde dann zur faschistischen Kriegsmarine eingezogen. Er erhielt die Grundausbildung in Belgien und wurde dann zunächst in Norwegen bei der Küstenart. eingesetzt. Er wurde dann zur 51. Vorpostenflottille versetzt. Bei
Vorgangsart von 1953 bis 1960. In Beobachtungsvorgängen wurden Personen erfasst, die als potenziell oder tatsächlich politisch unzuverlässig oder feindlich eingestellt galten und daher vorbeugend beobachtet wurden. Dazu gehörten etwa ehemalige NS-Funktionsträger, ehemalige Sozialdemokraten, Teilnehmer an den Aktionen des 17. Juni 1953 sowie Personen, die aus dem Westen zugezogen waren. Die Vorgangsart verlor nach und nach an Bedeutung. 1960 gingen noch bestehende Beobachtungsvorgänge in den zugehörigen Objektvorgängen auf. Der Beobachtungsvorgang war zentral in der Abteilung XII zu registrieren, die betroffenen Personen in der zentralen Personenkartei F 16 zu erfassen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Signatur: BStU, MfS, BV Neubrandenburg, AU, Nr. 109/53, Bd. 2, Bl. 358-369
Während des Volksaufstandes in der DDR legte ein Brigadier bei einer Belegschaftsversammlung der Bau-Union Nord-Ost Torgelow seine Gedanken zu den Ereignissen, die zur Zuspitzung der Lage 1953 führten, dar. Im August wurde er deshalb verhaftet und verurteilt.
Der Bezirk Neubrandenburg war, wie die anderen Bezirke im Norden auch, kein Zentrum des Volksaufstandes. Ein wichtiger Grund hierfür war die agrarisch geprägte Struktur Mecklenburgs. Zudem gelangten die Nachrichten aus dem Süden der DDR nur langsam bis zur Bevölkerung im Norden. Polizei, MfS und SED waren hier ausnahmsweise besser informiert und konnten sich auf Unruhen vorbereiten.
Trotzdem kam es vereinzelt zu Unruhen. Im Bezirk Neubrandenburg kam es in 29 Städten und Gemeinden zu Aktionen, die von Streiks über Demonstrationen bis hin zu Versuchen reichten, politische Gefangene zu befreien. Einzelne Aktionen wie Forderungen nach Auflösung der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft), die Abnahme von Bildern führender Mitglieder der Staats- und Parteiführung an öffentliche Stellen oder Solidaritätskundgebungen mit den streikenden Arbeitern und Bauern führten zu Verhaftungen und Verurteilungen.
Auf einer Belegschaftsversammlung der Bau-Union Nord-Ost Torgelow hielt ein Genosse der IG Bauholz ein Referat. In der anschließenden Diskussion trat ein Brigadier auf und legte seine Gedanken zu den Ereignissen, die zur Zuspitzung der Lage 1953 führten, dar. Im August wurde er verhaftet und später durch das Bezirksgericht Neubrandenburg zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.
dieser Einheit verblieb er bis er im Mai 1945 interniert wurde. Sein letzter Dienstgrad war Obergefreiter. Er kam in ein englisches Internierungslager, wurde später dem Amerikaner und dann dem Franzosen übergeben. [anonymisiert] wurde 1947 aus der französischen Gefangenschaft entlassen. Er hielt sich zunächst in Westdeutschland auf und kam im Frühjahr 1948 illegal über die D-Linie zu seiner Mutter nach Torgelow. Im Juni 1948 fand er eine Beschäftigung bei der Firma [anonymisiert] in Torgelow als Maurer und war hier bis Ende 1948 tätig. Er wechselte dann mehrere Male seine Arbeitsstellen bis er im Juni 1951 als Maurer zum Kohlenbergbau nach [anonymisiert] ging. Bereits im September 1951 kehrte er wieder nach Torgelow zurück. Seit dieser Zeit ist er bei der Bau - Union [anonymisiert]. Im Juli bzw. August 1952 fand er eine Anstellung bei der Bau - Union [anonymisiert] zunächst als Maurer, später als [unterstrichen: hauptamtlicher Arbeitsschutzbeauftragter.] Diese Stellung hatte er bis zu seiner Inhaftnahme inne.
[anonymisiert] ist nicht vorbestraft. Nach seinen Angaben war er vor 1945 politisch nicht organisiert. Im Jahre 1949 wurde er Mitglied des FDGB und stellte im Mai 1953 den Antrag auf Aufnahme als Kandidat der SED. Er wollte Mitglied der SED werden, wie er selbst erklärt, um dort mehr zu erfahren und den [anonymisiert] hierüber zu informieren. Aus politischer Überzeugung habe er keinen Antrag gestellt.
Der Angeklagte [anonymisiert] wurde 1912 in [anonymisiert] bei Torgelow als Sohn eines Land - und Gastwirts geboren. Vom 6. bis zum 14. Lebensjahr besuchte er die Volksschule in [anonymisiert]. Anschliessend besuchte er vom Herbst bis zum Frühjahr einen Halbjahreskursus in Berlin, Alexanderplatz. von 1928 bis 1931 erlernte er im Hotel Deutsches Haus in [anonymisiert] den Kellnerberuf. Er wechselte verschiedentlich seine Arbeitsstellen und war später von 1932 bis 1934 auf der elterlichen Wirtschaft tätig. 1934 trat er der SA bei und meldete sich einige Monate später als Freiwilliger zur Wehrmacht. Bei der Wehrmacht war er bis April 1945. Sein letzter Dienstgrad war Oberfeldwebel.
Von Mai 1945 bis April 1946 war er in Westdeutschland in englischer Kriegsgefangenschaft. Im April 1946 wurde er entlassen und ging illegal über die Demarkationslinie zu seiner Familie nach [anonymisiert]. Im Mai 1946 übernahm er das Grundstück seiner Eltern. Im April 1953 stellte er dem Konsum sein Kolonialwarengeschäft zur Verfügung und er selbst wurde als Verkaufsstellenleiter vom Konsum eingesetzt.
Vorgangsart von 1953 bis 1960. In Beobachtungsvorgängen wurden Personen erfasst, die als potenziell oder tatsächlich politisch unzuverlässig oder feindlich eingestellt galten und daher vorbeugend beobachtet wurden. Dazu gehörten etwa ehemalige NS-Funktionsträger, ehemalige Sozialdemokraten, Teilnehmer an den Aktionen des 17. Juni 1953 sowie Personen, die aus dem Westen zugezogen waren. Die Vorgangsart verlor nach und nach an Bedeutung. 1960 gingen noch bestehende Beobachtungsvorgänge in den zugehörigen Objektvorgängen auf. Der Beobachtungsvorgang war zentral in der Abteilung XII zu registrieren, die betroffenen Personen in der zentralen Personenkartei F 16 zu erfassen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Haftbefehl gegen einen Brigadier wegen "Boykotthetze" Dokument, 1 Seite
Urteil gegen einen Postangestellten wegen "Boykotthetze" während des Volksaufstandes Dokument, 3 Seiten
Urteil gegen Beteiligte einer Streikkundgebung während des Volksaufstandes in Groß Dölln Dokument, 3 Seiten
Anklageschrift gegen einen Postangestellten wegen "Boykotthetze" während des Volksaufstandes Dokument, 4 Seiten