Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 192/56, Bd. 6, Bl. 73-87
Nach zweieinhalb Jahren Untersuchungshaft wurde der SED-Funktionär Paul Merker 1955 vom Obersten Gericht der DDR zu einer achtjährigen Zuchthausstrafe verurteilt, weil er angeblich staatsfeindliche Verbindungen unterhalten habe. Pläne, ihn zum Hauptangeklagten eines großen politischen Schauprozesses zu machen, waren bereits im Frühjahr 1953 gescheitert, trotzdem hielt ihn das MfS weiter gefangen. Das Urteil gegen Merker kam daher einer Verlegenheitslösung gleich.
Paul Merker war maßgeblich am Aufbau der SED-Herrschaft in Ostdeutschland beteiligt. Wie viele der Gründerväter der DDR war er schon in der Weimarer Zeit ein hochrangiger kommunistischer Politiker: Mitglied des Politbüros der KPD, Abgeordneter des Preußischen Landtages sowie Reichsleiter der sogenannten Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wirkte er ab 1936 zunächst in der Exil-Führung der KPD in Frankreich. 1942 floh er dann nach Mexiko, wo er als KPD-Politbüromitglied und Sekretär des Lateinamerikanischen Komitees der Bewegung "Freies Deutschland" die bestimmende Figur in der kommunistischen Emigration war. Nach Kriegsende wurde er 1946 ins Zentralsekretariat der SED berufen und blieb auch 1949 – nach dessen Umwandlung zum Politbüro – Mitglied im höchsten Parteigremium.
Am 22. August 1950, nicht einmal ein Jahr nach der Staatsgründung der DDR, wurde Merker zusammen mit anderen SED-Funktionären aus der Partei ausgeschlossen. Dieser Vorgang stand im Zusammenhang mit dem Budapester Schauprozess gegen den ungarischen Außenminister Lázló Rajk und andere hohe Funktionäre. Bei diesem Prozess wurde Noel Field, der ehemalige Leiter der Flüchtlingshilfsorganisation "Unitarian Service Committee" zur Schlüsselfigur einer imaginären Spionageorganisation stilisiert, die hochrangige Funktionäre einschloss. Das Verschwörungskonstrukt hatte eine ausgeprägt antisemitische Tendenz und diente der politischen Säuberung sowie der Schaffung von Sündenböcken, nicht nur in Ungarn. Auch Merker hatte im Exil Kontakt zu Field gehabt. Anders als andere "Belastete" wurde er aber zunächst nur aus der Partei ausgeschlossen und nicht verhaftet – wahrscheinlich weil der DDR-Staatspräsident Wilhelm Pieck seine Hand über ihn hielt. Zwei Jahre später aber, am 30. November 1952, nahm die Stasi auch Merker fest.
Stalins Tod am 5. März 1953 war für Merker eine glückliche Fügung. Die neue sowjetische Führung wandte sich nach und nach von den extremsten repressiven Exzessen ab. Tatsächlich stellte sich bei der Staatssicherheit Ratlosigkeit ein, wie man mit dem prominenten Häftling weiter verfahren sollte. Merker widerrief die wenigen selbstbelastenden Aussagen, die er in den ersten Wochen seiner Haft gemacht hatte. Am 31. Mai 1954 verfasste die Stasi trotzdem einen Schlussbericht und fünf Wochen später informierte die Oberste Staatsanwaltschaft die SED-Führung über den Sachstand und darüber, dass sie gegen Merker "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" verhandeln und 15 Jahre Zuchthaus fordern wolle.
Das Urteil war gleichsam eine Verlegenheitslösung. Am 30. März 1955 erhielt das ehemalige Mitglied des SED-Politbüros Paul Merker in einem Geheimprozess eine Strafe von acht Jahren Zuchthaus. Der 1. Strafsenat des Obersten Gerichtes der DDR unter dem Vorsitz seines Vizepräsidenten Walter Ziegler warf Merker in der strafrechtlich substanzlosen Urteilsbegründung u. a. vor, er unterhalte Verbindungen, die "gegen den Bestand der Deutschen Demokratischen Republik" gerichtet seien. Diese und andere Beschuldigungen, die sich zum Teil auf Zeiten lange vor der DDR-Gründung bezogen, entbehrten jedoch jeglicher Grundlage.
Oberstes Gericht
der
Deutschen Demokratischen Republik
1. Strafsenat
1 Zst (I) 1/55
Im Namen des Volkes!
In der Strafsache
gegen den Kellner Paul Merker, geb. am 1. Februar 1894 in Oberlössnitz, wohnhaft; Luckenwalde, Grabenstr.28;
seit dem 2. Dezember 1952 in Haft;
wegen Verbrechen gegen Art. 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik und Kontrollratsgesetz Nr. 10 Art. II Ziff. 1 a in Verbindung mit der Kontrollratsdirektive Nr. 38 Abschn.II Art. III A III;
hat der 1. Strafsenat des obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik in der Sitzung vom 29. und 30. März 1955 in Berlin, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident Ziegler
als Vorsitzender,
Oberrichter Dr. Löwenthal
Oberrichter Möbius
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt Krügelstein
als Vertreter des Generalstaateanwalts der Deutschen Demokratischen Republik,
Hauptsachbearbeiter Klenke
als Protokollführer,
für Recht erkannt:
Wegen Verbrechen gegen Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik und Kontrollratsgesetz Nr. 10 Art .II Ziff. 1a vom 20. Dezember 1945 in Verbindung mit Abschn. II Art. III A III der Direktive des Kontrollrats Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 wird der Angeklagte Paul Merker zu 8 - acht - Jahren Zuchthaus verurteilt.
Dem Angeklagten werden die Sühnemassnahmen des Abschn.II Art. IX Ziff. 3 bis 9 der Kontrollratsdirektive Nr. 38 auferlegt.
Er darf kein öffentliches Amt einschliesslich Notariat und Anwaltschaft bekleiden.
Staatsverbrechen
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Untersuchungshaft ist eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens. Die Untersuchungshaft begann nach der Verkündung des Haftbefehls durch einen Richter und endete mit der Überstellung in den Strafvollzug nach Erlangung der Rechtskraft einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, selten auch mit der Freilassung.
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft waren ein dringender Tatverdacht sowie entweder Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949, § 141 StPO/1952, § 122 StPO/1968). Der Vollzug der Untersuchungshaft war gesetzlich mit nur einem StPO-Paragraphen geregelt (§ 116 StPO/1949, § 147 StPO/1952, § 130 StPO/1968), alles Weitere in internen Ordnungen. Er erfolgte für Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren von der Staatssicherheit geführt wurden, in MfS-Untersuchungshaftanstalten in Berlin bzw. den Bezirksstädten der DDR.
Die Haftbedingungen waren dort von Willkür, völliger Isolation und daraus resultierender Desorientierung der Häftlinge gekennzeichnet. Für den Vollzug der Untersuchungshaft war im MfS die Linie XIV (Abt. XIV) zuständig; die Vernehmungen oblagen den Untersuchungsführern der Linie IX (HA IX).
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 192/56, Bd. 6, Bl. 73-87
Nach zweieinhalb Jahren Untersuchungshaft wurde der SED-Funktionär Paul Merker 1955 vom Obersten Gericht der DDR zu einer achtjährigen Zuchthausstrafe verurteilt, weil er angeblich staatsfeindliche Verbindungen unterhalten habe. Pläne, ihn zum Hauptangeklagten eines großen politischen Schauprozesses zu machen, waren bereits im Frühjahr 1953 gescheitert, trotzdem hielt ihn das MfS weiter gefangen. Das Urteil gegen Merker kam daher einer Verlegenheitslösung gleich.
Paul Merker war maßgeblich am Aufbau der SED-Herrschaft in Ostdeutschland beteiligt. Wie viele der Gründerväter der DDR war er schon in der Weimarer Zeit ein hochrangiger kommunistischer Politiker: Mitglied des Politbüros der KPD, Abgeordneter des Preußischen Landtages sowie Reichsleiter der sogenannten Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wirkte er ab 1936 zunächst in der Exil-Führung der KPD in Frankreich. 1942 floh er dann nach Mexiko, wo er als KPD-Politbüromitglied und Sekretär des Lateinamerikanischen Komitees der Bewegung "Freies Deutschland" die bestimmende Figur in der kommunistischen Emigration war. Nach Kriegsende wurde er 1946 ins Zentralsekretariat der SED berufen und blieb auch 1949 – nach dessen Umwandlung zum Politbüro – Mitglied im höchsten Parteigremium.
Am 22. August 1950, nicht einmal ein Jahr nach der Staatsgründung der DDR, wurde Merker zusammen mit anderen SED-Funktionären aus der Partei ausgeschlossen. Dieser Vorgang stand im Zusammenhang mit dem Budapester Schauprozess gegen den ungarischen Außenminister Lázló Rajk und andere hohe Funktionäre. Bei diesem Prozess wurde Noel Field, der ehemalige Leiter der Flüchtlingshilfsorganisation "Unitarian Service Committee" zur Schlüsselfigur einer imaginären Spionageorganisation stilisiert, die hochrangige Funktionäre einschloss. Das Verschwörungskonstrukt hatte eine ausgeprägt antisemitische Tendenz und diente der politischen Säuberung sowie der Schaffung von Sündenböcken, nicht nur in Ungarn. Auch Merker hatte im Exil Kontakt zu Field gehabt. Anders als andere "Belastete" wurde er aber zunächst nur aus der Partei ausgeschlossen und nicht verhaftet – wahrscheinlich weil der DDR-Staatspräsident Wilhelm Pieck seine Hand über ihn hielt. Zwei Jahre später aber, am 30. November 1952, nahm die Stasi auch Merker fest.
Stalins Tod am 5. März 1953 war für Merker eine glückliche Fügung. Die neue sowjetische Führung wandte sich nach und nach von den extremsten repressiven Exzessen ab. Tatsächlich stellte sich bei der Staatssicherheit Ratlosigkeit ein, wie man mit dem prominenten Häftling weiter verfahren sollte. Merker widerrief die wenigen selbstbelastenden Aussagen, die er in den ersten Wochen seiner Haft gemacht hatte. Am 31. Mai 1954 verfasste die Stasi trotzdem einen Schlussbericht und fünf Wochen später informierte die Oberste Staatsanwaltschaft die SED-Führung über den Sachstand und darüber, dass sie gegen Merker "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" verhandeln und 15 Jahre Zuchthaus fordern wolle.
Das Urteil war gleichsam eine Verlegenheitslösung. Am 30. März 1955 erhielt das ehemalige Mitglied des SED-Politbüros Paul Merker in einem Geheimprozess eine Strafe von acht Jahren Zuchthaus. Der 1. Strafsenat des Obersten Gerichtes der DDR unter dem Vorsitz seines Vizepräsidenten Walter Ziegler warf Merker in der strafrechtlich substanzlosen Urteilsbegründung u. a. vor, er unterhalte Verbindungen, die "gegen den Bestand der Deutschen Demokratischen Republik" gerichtet seien. Diese und andere Beschuldigungen, die sich zum Teil auf Zeiten lange vor der DDR-Gründung bezogen, entbehrten jedoch jeglicher Grundlage.
Er verliert alle Rechtsansprüche auf eine aus öffentlichen Mitteln zahlbare Pension oder Zuwendung.
Er verliert das aktive und passive Wahlrecht, das Recht, sich irgendwie politisch zu betätigen oder Mitglied einer politischen Partei zu sein.
Er darf weder Mitglied einer Gewerkschaft noch einer wirtschaftlichen oder beruflichen Vereinigung sein.
Es ist ihm auf die Dauer von fünf Jahren nach seiner Freilassung untersagt:
a) in einem freien Beruf oder selbstständig in irgendeinem gewerblichen Betriebe tätig zu sein, sich an einem solchen zu beteiligen oder dessen Aufsicht oder Kontrolle auszuüben,
b) in nicht selbstständiger Stellung anders als in gewöhnlicher Arbeit beschäftigt zu sein,
c) als Lehrer, Prediger, Redakteur, Schriftsteller oder Rundfunk-Kommentator tätig zu sein.
Er unterliegt Wohnraum- und Aufenthaltsbeschränkungen.
Er verliert alle ihm erteilten Aprobationen, Konzessionen und Vorrechte sowie das Recht ein Kraftfahrzeug zu halten.
Das Vermögen des Angeklagten wird eingezogen.
Die Untersuchungshaft wird angerechnet.
Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte zu tragen.
Gründe:
I.
Der Ausgang des 1. Weltkrieges und die Errichtung der Sowjetmacht auf einem Sechstel der Erde bedeutete für das kapitalistische Wirtschaftssystem eine schwere Erschütterung. Es trat die allgemeine Krise des Kapitalismus ein. Die imperialistischen Machthaber waren seit dieser Zeit bestrebt, mit allen Mitteln das Rad der Geschichte zurückzudrehen, den Sozialismus auszurotten und das Gebiet der Sowjetunion wieder in ihre Machtsphäre einzubeziehen. Zu diesem Zweck schreckten sie vor keinem Verbrechen zurück. Angefangen von der bewaffneten militärischen Intervention gleich nach der siegreichen Oktoberrevolution bis zu hinterhältigen Sabotageakten und Mordüberfällen auf hervorragende sowjetische Politiker, über den massiven Überfall des Faschismus bis zur Einschleusung von Spionen und Saboteuren in das Gebiet der Sowjetunion und die Drehung mit der Atom- und Wasserstoffbombe, haben sie nichts unversucht gelassen, um ihre Ziele zu erreichen. Trotz aller dieser Verbrechen
Staatsverbrechen
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Untersuchungshaft ist eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens. Die Untersuchungshaft begann nach der Verkündung des Haftbefehls durch einen Richter und endete mit der Überstellung in den Strafvollzug nach Erlangung der Rechtskraft einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, selten auch mit der Freilassung.
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft waren ein dringender Tatverdacht sowie entweder Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949, § 141 StPO/1952, § 122 StPO/1968). Der Vollzug der Untersuchungshaft war gesetzlich mit nur einem StPO-Paragraphen geregelt (§ 116 StPO/1949, § 147 StPO/1952, § 130 StPO/1968), alles Weitere in internen Ordnungen. Er erfolgte für Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren von der Staatssicherheit geführt wurden, in MfS-Untersuchungshaftanstalten in Berlin bzw. den Bezirksstädten der DDR.
Die Haftbedingungen waren dort von Willkür, völliger Isolation und daraus resultierender Desorientierung der Häftlinge gekennzeichnet. Für den Vollzug der Untersuchungshaft war im MfS die Linie XIV (Abt. XIV) zuständig; die Vernehmungen oblagen den Untersuchungsführern der Linie IX (HA IX).
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Aufhebung des Urteils gegen Paul Merker am 13. Juli 1956 Dokument, 3 Seiten
Sachstandsbericht zum Untersuchungsvorgang Paul Merker Dokument, 3 Seiten
Abschrift des Vernehmungsprotokolls von Paul Merker Dokument, 2 Seiten
Einlieferungsanzeige von Paul Merker wegen "Agententätigkeit" Dokument, 1 Seite