Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, AU, Nr. 239/53, Bl. 243-251
Der Angestellte Wilhelm Grothaus trat während des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 im Sachsenwerk in Dresden als Redner auf, forderte freie Wahlen und die Freilassung aller politischen Gefangenen. Das Bezirksgericht Dresden verhängte später gegen ihn eine fünfzehnjährige Zuchthausstrafe.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
Von den Nachrichten aus Berlin ermuntert und von den Ausführungen des SED-Parteisekretärs verärgert, begannen auch die Arbeiter des SAG-Betriebs Sachsenwerk Niedersedlitz in Dresden nach und nach, die Arbeit niederzulegen. Das Sachsenwerk war der größte Industriebetrieb Dresdens, im Hauptwerk waren fast 5.500 Mitarbeiter beschäftigt. Innerhalb kurzer Zeit schwoll die Versammlung auf dem Werkshof auf 2.000 Personen an.
Etwa anderthalb Kilometer vom Sachsenwerk entfernt befand sich der VEB Sächsische Brücken- und Stahlhochbau (ABUS). Als gegen 10:00 Uhr die Kollegen vom Sachsenwerk die ABUS-Mitarbeiter aufforderten, ebenfalls zu streiken und sich ihrem Protestzug anzuschließen, folgte ein kleiner Teil der Belegschaft. Der größere verharrte zunächst auf dem Gelände und wartete eine eilig einberufene Belegschaftsversammlung ab, auf der sich Partei- und Betriebsfunktionäre jedoch nicht durchsetzen konnten.
Anschließend sprach Wilhelm Grothaus, ein kaufmännischer Angestellter, der bis 1932 der SPD und anschließend der KPD angehört hatte. Die Situation veränderte sich schlagartig. Grothaus forderte den Rücktritt der Regierung, freie und geheime Wahlen, die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Senkung der HO-Preise sowie die Verbesserung der Sozialfürsorge. Er schlug vor, eine Streikleitung mit zehn Mitgliedern zu wählen. Die Arbeiter wählten jedoch elf Mitglieder, darunter auch Grothaus selbst.
Wilhelm Grothaus wurde in der Nacht vom 17. Juni zum 18. Juni 1953 von der Staatssicherheit in seiner Wohnung verhaftet. Am 23. Juli 1953 verurteilte ihn das Bezirksgericht Dresden wegen "Boykotthetze und faschistischer Propaganda" zu 15 Jahren Zuchthaus – in eben jenem Saal, wo er 1944 als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime schon einmal verurteilt worden war. 1960 kam Wilhelm Grothaus frei und flüchtete in den Westen.
Mitgliedschaft zur ehem. KPD wieder auf. Hier war er in der Wohnbezirksgruppe des 13., Stadtbezirkes Vorsitzender. Er ist heute Mitglied der SED und will nach seinen Angaben seit 1945 ca. 1.000 Referate in den Dresdener Betrieben gehalten haben. Er ist weiter Mitglied des FDGB und war schon vor 1945 gewerkschaftlich organisiert. Auf Grund der Vorkommnisse in der ehemaligen Landesregierung Sachsen erhielt der Angeklagte eine Parteirüge, die er jedoch in der Hauptverhandlung nicht anerkannte. Zu der gleichen Zeit ist ihm angeblich die Ausübung weiterer politischer Funktionen untersagt worden. Seit dieser Zeit hat sich der Angeklagte auch nicht mehr politisch betätigt und nahm u.a. auch nicht an den Partei-Lehrjahren teil. Nach seinem gesamten Leben kann man des Angeklagten eine frühzeitige Aktivität für die Arbeiterklasse nicht absprechen. Bemerkenswert ist aber, daß es auch der Angeklagte in der Zeit der faschistischen Aera verstand, z.B. in das faschistische Finanzamt in Dresden kurzfristig unterzukommen, obwohl er angeblich von der ehemaligen GESTAPo verfolgt wurde. Bezeichnend war auch für den Angeklagten, daß er z.B. von 1934 bis 1937 der Geschäftsführer der Verlags-Gesellschaft des Bundes Deutscher Mietervereine in Dresden war. Wenn man die damalige Zeit berücksichtigt, wo alle Vereinigungen, Bünde usw. "gleichgeschaltet" wurden, so ist die langjährige Tätigkeit des Angeklagten in leitenden Stellen ausserordentlich merkwürdig und zeigte dem Senat, daß es der Angeklagte zweifellos versteht, sich einer neuen politischen Situation anzupassen. Die erteilte Parteirüge muß bei dem Angeklagten eine besondere Reaktion ausgelöst haben, denn in der späteren Zeit kritisierte er sehr auffällig die Maßnahmen unserer Deutschen Demokratischen Republik , was durch die Aussage des Mitangeklagten Saalfrank erwiesen ist. Trotzdem der Angeklagte eine ausreichende theoretische Kenntnis von den Zielen der Arbeiterklasse hat, unterstützte er nicht mehr die Linie unserer Regierung und wurde schließlich zum Verräter an seiner eigenen Arbeiterklasse.
Am 17.06.1953 befand sich der Angeklagte auf seiner Arbeitsstelle in dem VE-Betrieb Abus. Gegen 10.00 Uhr bemerkte er einen Tumult am Eingang des Fabriktores. Den aufgehetzten Elementen des Sachsenwerkes gelang es schließlich in die Abus einzudringen und die Betriebsbelegschaft zu beunruhigen. Darauf wurde von dem BGL-Vorsitzenden und der Betriebspartei-Organisation der SED eine Versammlung in einer Werkhalle einberufen. Dort sprach zuerst der BGL-Vorsitzende [anonymisiert] und versuchte, die Belegschaft zu beruhigen. Er wurde niedergeschrieen. Dasselbe geschah auch mit dem 2. Redner, einem Angehörigen der SED. Darauf hat der Angeklagte Saalfrank den Angeklagten Grothaus aufgefordert, das Wort zu ergreifen. Der Angeklagte stieg auf die große Presse und sprach zur Belegschaft, in negativer Weise zu den neuen Maßnahmen unserer Regierung.
Auf dieser Versammlung hat der Angeklagte 5 Forderungen der Belegschaft in hetzerischer Art und Weise erläutert. Die Forderungen waren: "Rücktritt der Regierung, Freilassung der politischen Gefangenen, freie und geheime Wahlen, Aufhebung der Einschränkungen in der sozialen Fürsorge und Senkung der HO-Preise. Obwohl es dem Angeklagten unzweifelhaft bekannt war, daß diese Forderungen in ihrem Inhalt einen Putsch gegen unsere demokratische Regierung bedeuten, schlug er der Belegschaft vor, eine 10-köpfige Kommission zu wählen, die in einer späteren Beratung die einzelnen Punkte formulierten und den zuständigen Stellen zuleiten [handschriftliche Ergänzung: sollten]. In diese Kommission ist auch der Angeklagte mit gewählt worden. Gegen Mittag fand sich die Kommission in der Bibliothek des Betriebes zusammen, um [handschriftliche Ergänzung: zu] [handschriftliche Ergänzung: zu] beraten. Später sind 4 Vertreter der Werksleitung hinzugekommen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
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Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, AU, Nr. 239/53, Bl. 243-251
Der Angestellte Wilhelm Grothaus trat während des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 im Sachsenwerk in Dresden als Redner auf, forderte freie Wahlen und die Freilassung aller politischen Gefangenen. Das Bezirksgericht Dresden verhängte später gegen ihn eine fünfzehnjährige Zuchthausstrafe.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
Von den Nachrichten aus Berlin ermuntert und von den Ausführungen des SED-Parteisekretärs verärgert, begannen auch die Arbeiter des SAG-Betriebs Sachsenwerk Niedersedlitz in Dresden nach und nach, die Arbeit niederzulegen. Das Sachsenwerk war der größte Industriebetrieb Dresdens, im Hauptwerk waren fast 5.500 Mitarbeiter beschäftigt. Innerhalb kurzer Zeit schwoll die Versammlung auf dem Werkshof auf 2.000 Personen an.
Etwa anderthalb Kilometer vom Sachsenwerk entfernt befand sich der VEB Sächsische Brücken- und Stahlhochbau (ABUS). Als gegen 10:00 Uhr die Kollegen vom Sachsenwerk die ABUS-Mitarbeiter aufforderten, ebenfalls zu streiken und sich ihrem Protestzug anzuschließen, folgte ein kleiner Teil der Belegschaft. Der größere verharrte zunächst auf dem Gelände und wartete eine eilig einberufene Belegschaftsversammlung ab, auf der sich Partei- und Betriebsfunktionäre jedoch nicht durchsetzen konnten.
Anschließend sprach Wilhelm Grothaus, ein kaufmännischer Angestellter, der bis 1932 der SPD und anschließend der KPD angehört hatte. Die Situation veränderte sich schlagartig. Grothaus forderte den Rücktritt der Regierung, freie und geheime Wahlen, die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Senkung der HO-Preise sowie die Verbesserung der Sozialfürsorge. Er schlug vor, eine Streikleitung mit zehn Mitgliedern zu wählen. Die Arbeiter wählten jedoch elf Mitglieder, darunter auch Grothaus selbst.
Wilhelm Grothaus wurde in der Nacht vom 17. Juni zum 18. Juni 1953 von der Staatssicherheit in seiner Wohnung verhaftet. Am 23. Juli 1953 verurteilte ihn das Bezirksgericht Dresden wegen "Boykotthetze und faschistischer Propaganda" zu 15 Jahren Zuchthaus – in eben jenem Saal, wo er 1944 als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime schon einmal verurteilt worden war. 1960 kam Wilhelm Grothaus frei und flüchtete in den Westen.
Als ein Vertreter der Werkleitung, der Zeuge [anonymisiert] verlangte, daß am Anfang der Forderung die Einheit Deutschlands und der Frieden gestellt werden sollte, erklärte der Angeklagte, der den Vorsitz führte, sinngemäß, daß, wenn diese Forderungen erfüllt sind, der obengenannte Antrag automatisch erledigt ist. Auf dieser Sitzung wurde ein Beschluß gefasst, die Betriebsbelegschaft, die inzwischen ihre Arbeit nicht mehr aufgenommen hatte, aufzufordern, nach dem Sachsenwerk in Niedersedlitz zu gehen. Dort sollte der Alterspräsident Buchwitz sprechen. Nachdem noch einige Sicherungen in dem Betrieb veranlasst worden waren, ging der Angeklagte an der Spitze der Belegschaft zum Sachsenwerk. Als er den Hof des Sachsenwerkes [durchgestrichen: be] trat, sprach der Alterspräsident Buchwitz und nahm zur gegenwärtigen Lage Stellung. Der Redner konnte sich später, infolge der Zwischenrufe nicht mehr restlos durchsetzen. Der Angeklagte ging an das Mikrofon und gab die obengenannten Forderungen den ca. 3.000 Anwesenden Sachsenwerkern und Abus-Leuten bekannt.
Als der Alterspräsident Buchwitz bei der 2. Forderungen "Freilassung der politischen Gefangenen ", den Einwurf machte "Auch die, die in den KZ's unsere Leute totgeschlagen haben?" nahm der Angeklagte keine Notiz davon und wiederholte noch einmal durch das Mikrofon diesen Punkt. Schließlich forderte der Angeklagte die Betriebsangehörigen vom Sachsenwerk auf, ebenfalls eine Kommission zu wählen, was auf die Initiative des Angeklagten auch geschah. Beide Kommissionen wollten nun mit dem Alterspräsidenten Buchwitz in Verhandlungen treten, was der Alterspräsident in der Gegenwart der aufgeputschten Menge ablehnte. Er erklärte sich schließlich bereit, die Kommissionen in dem BGL-Zimmer zu hören. Ehe der Angeklagte mit seiner Kommission das BGL-Zimmer aufsuchte, gab er dem Kommissionsmitglied [anonymisiert] den Auftrag, die aufgestellten Forderungen an den Angehörigen eines anderen Werkes zu geben, weil der Angeklagte nicht in der Lage war, zu diesen Betriebsangehörigen persönlich zu sprechen. Weiter beauftragte der Angeklagte die [anonymisiert], an dem Demonstrationszug teilzunehmen. Der Angeklagte suchte dann mit den anderen Kommissionsmitgliedern das BGL-Zimmer auf und trug die einzelnen Punkte noch einmal dem Alterspräsidenten vor. Dieser erklärte ihm, , daß die [durchgestrichen: ersten] 2 Punkte "Rücktritt der Regierung" und "Senkung der HO-Preise" für ihn undiskutabel seien. Er erklärte sich aber schließlich bereit, die Kommission am anderen Tage früh noch einmal zu empfangen und gab ihnen auf, die Forderungen schriftlich genauestens zu formulieren. Darauf verließ der Angeklagte das Sachsenwerk und beauftragte später den Mitangeklagten Saalfrank, dem Demonstrationszug mit seinem Rad nachzufahren, [durchgestrichen: wo] um zu sehen, was aus diesem geworden ist. Ogleich der Alterspräsident bei seiner Rede auf dem Hof des Sachsenwerkes den Ausnahmezustand bekanntgegeben hatte, unternahm der Angeklagte nichts, die Abusleute von der von der gesetzeswidrigen Demonstration abzuhalten. Er ging in der VEB Abus zurück und begab sich später nach Hause.
2. [anonymisiert]
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
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Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, AU, Nr. 239/53, Bl. 243-251
Der Angestellte Wilhelm Grothaus trat während des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 im Sachsenwerk in Dresden als Redner auf, forderte freie Wahlen und die Freilassung aller politischen Gefangenen. Das Bezirksgericht Dresden verhängte später gegen ihn eine fünfzehnjährige Zuchthausstrafe.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
Von den Nachrichten aus Berlin ermuntert und von den Ausführungen des SED-Parteisekretärs verärgert, begannen auch die Arbeiter des SAG-Betriebs Sachsenwerk Niedersedlitz in Dresden nach und nach, die Arbeit niederzulegen. Das Sachsenwerk war der größte Industriebetrieb Dresdens, im Hauptwerk waren fast 5.500 Mitarbeiter beschäftigt. Innerhalb kurzer Zeit schwoll die Versammlung auf dem Werkshof auf 2.000 Personen an.
Etwa anderthalb Kilometer vom Sachsenwerk entfernt befand sich der VEB Sächsische Brücken- und Stahlhochbau (ABUS). Als gegen 10:00 Uhr die Kollegen vom Sachsenwerk die ABUS-Mitarbeiter aufforderten, ebenfalls zu streiken und sich ihrem Protestzug anzuschließen, folgte ein kleiner Teil der Belegschaft. Der größere verharrte zunächst auf dem Gelände und wartete eine eilig einberufene Belegschaftsversammlung ab, auf der sich Partei- und Betriebsfunktionäre jedoch nicht durchsetzen konnten.
Anschließend sprach Wilhelm Grothaus, ein kaufmännischer Angestellter, der bis 1932 der SPD und anschließend der KPD angehört hatte. Die Situation veränderte sich schlagartig. Grothaus forderte den Rücktritt der Regierung, freie und geheime Wahlen, die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Senkung der HO-Preise sowie die Verbesserung der Sozialfürsorge. Er schlug vor, eine Streikleitung mit zehn Mitgliedern zu wählen. Die Arbeiter wählten jedoch elf Mitglieder, darunter auch Grothaus selbst.
Wilhelm Grothaus wurde in der Nacht vom 17. Juni zum 18. Juni 1953 von der Staatssicherheit in seiner Wohnung verhaftet. Am 23. Juli 1953 verurteilte ihn das Bezirksgericht Dresden wegen "Boykotthetze und faschistischer Propaganda" zu 15 Jahren Zuchthaus – in eben jenem Saal, wo er 1944 als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime schon einmal verurteilt worden war. 1960 kam Wilhelm Grothaus frei und flüchtete in den Westen.
Infolge seiner Verwundung kam er nicht in Gefangenschaft.
Von 1946 bis 1952 war er als Montage-Arbeiter im VEB-Abus in Niedersedlitz beschäftigt. Seit 1952 ist er kaufmännischer Sachbearbeiter im gleichen Betrieb bei einem monatlichen Bruttogehalt von 450,- DM. Der Angeklagte ist Inhaber von mehreren Kriegsauszeichnungen, so, das Deutsche Kreuz in Gold, das Infanterie-Sturmabzeichen und Verwundete-Abzeichen in Gold. Nach Bl. 42 und 43 d.A. steht der Angeklagte in dem dringenden Verdacht, am 22. April 1945 in der Nähe von Senftenberg ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.
Von 1931 bis zur Auflösung gehörte er der ehem. NSDAP an. Seit dieser Zeit ist er auch in der ehem. SA organisiert und war zuletzt Ober-Truppführer. Schon sein Rang beweist, daß er sich damals aktiv für die faschistische Gewaltpolitik eingesetzt hat. Der Angeklagte hat die Partei-Dienstauszeichnung in Bronze und das SA-Wehrabzeichen verliehen bekommen. Seit 1951 gehört er dem FDGB ohne Funktion an. Obgleich der Angeklagte seit 1946 längere Zeit als einfacher Arbeiter tätig war und später auf Grund seiner beruflichen Qualifikation in die kaufmönnische Abteilung des VE-Betriebes Abus berufen wurde, steht er noch in der Hauptverhandlung auf dem Standpunkt, daß unsere demokratische Regierung durch eine faschistische Regierung oder eine Regierung Weimaer Zeit ersetzt werden müsste. Das beweist dem Senat, daß der Angeklagte am 17.06.1953 ernstlich den Sturz unserer demokratischen Regierung gewollt hat.
Der Angeklagte kam in seiner beruflichen Eigenschaft im Monat etwa 1 - 2 Mal mit dem Mitangeklagten Grothaus zusammen. Bei dieser Gelegenheit hatte er die anti-demokratische Einstellung des Mitangeklagten Grothaus festgestellt. Als am 17.06.1953 gegen 10.00 bis 11.00 Uhr die Versammlung in der Werkhalle der Abus stattfand, beteiligte er sich mit an den hetzerischen Zwischenrufen, die schließlich den BGL-Vorsitzenden und den Vertreter der SED am Weitersprechen zur Belegschaft hinderten. Darauf ging der Angeklagte an den Rednerplatz der großen Presse und kündigte eine Ansprache des Mitangeklagten Grothaus an die Belegschaft an. Kurz vorher hatte sich der Angeklagte bei Grothaus erkundigt, ob Grothaus zu der Belegschaft sprechen will. Der Angeklagte war derjenige, der die oben genannten 5 Forderungen schriftlich fixierte. Der Angeklagte wurde schließlich mit in die Kommission gewählt und nahm an der Sitzung im Bibliotheksz[anonymisiert]r teil. Hier unterstützte er die aufrührerischen Forderungen und begab sich später mit an der Spitze der Belegschaft zum Sachsenwerk. Dort hat er sich an den hetzerischen Zwischenrufen mit beteiligt, die schließlich den Alterspräsidenten Buchwitz zwangen, abzubrechen. Auch bei der späteren Besprechung im BGL-Z[anonymisiert]r war er mit anwesend und unterstützte die Forderungen. Nachdem der Angeklagte das Sachsenwerk verlassen hatte, setzte er sich auf sein Rad und fuhr dem Demonstrationszug nach, um zu sehen, was geworden ist. Als er auf dem Postplatz die Auflösung des Demonstrationszuges feststellte, ging er nach Hause.
3. Der 24-jährige, ledige Angeklagte [anonymisiert], ist der Sohn eines [anonymisiert]. Er wurde im Elternhaus erzogen und besuchte von 1936 bis 1945 die Volksschule und später das Realgymnasium in Erfurt. Nachdem erlernte er bis 1948 den Bauschlosserberuf. Er war kurze Zeit als Brückenbauer tätig und besuchte dann von 1948 bis 1951 die Ingenieurschule in [anonymisiert].
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
Konspirative Ermittlungsmethode, auch "Maßnahme A" genannt. Die Telefonüberwachung zählte zu den Hauptaufgaben der Abt. 26. Die Einleitung einer telefonischen Abhörmaßnahme erfolgte in den Schaltstellen der Deutschen Post durch dort tätige OibE oder IM, die Aufzeichnung der Gespräche in den Abhörstützpunkten des MfS.
In den 50er Jahren wurden die Inhalte der Telefonüberwachung handschriftlich protokolliert. Seit Mitte der 60er Jahre kamen manuell bediente Kassettenrekorder zum Einsatz, seit 1978 Geräte, die ein automatisches Mitschneiden von Telefongesprächen erlaubten. Seit 1986 wurden die verschiedenen Abhörgeräte durch ein einheitliches Abhörsystem abgelöst.
Die Auswerter zeichneten je nach Auftrag die Gespräche auszugsweise oder ganz auf. Die Gesprächsteilnehmer wurden in einer Arbeitskartei der Abt. 26 registriert. Darüber hinaus wurde ein Datenspeicher zu Personen und Sachverhalten und eine Stimmendatenbank zur Identifikation verdächtiger Personen geführt.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
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