Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, AIM, Nr. 768/69, Bl. 21
Einen Tag vor Weihnachten 1953 verpflichtete sich Richard Fiolka künftig als Geheimer Informator "Richard" Informationen über Erfurter Bürger an die Stasi zu liefern.
Der Geheime Informator "Richard", alias Richard Fiolka, arbeitete von 1953 bis 1969 inoffiziell mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammen. Während dieser Zeit lieferte Fiolka zu über 5.000 Erfurter Bürgerinnen und Bürgern Informationen an die Stasi. Zuvor war er bereits als Hauptamtlicher Mitarbeiter für die Geheimpolizei tätig.
Das Ende dieser ersten Stasi-Karriere hängt eng mit der Flucht seines Sohnes nach West-Berlin im Mai 1953 zusammen. Die Staatssicherheit verlangte auch von den Familien ihrer Mitarbeiter absolute Linientreue.
Zwar kehrte der Sohn freiwillig in die DDR zurück. Doch nach dessen Befragung und einer Untersuchung des Falles wurde Richard Fiolka im August 1953 entpflichtet. Da er als ehemaliger Mitarbeiter die Methoden und Arbeitsweisen des MfS kannte, wollte die Abteilung VIII den Faden nicht ganz abreißen lassen und führte ihn fortan als "Geheimen Informator".
Entsprechend eines Vorschlages seiner alten Diensteinheit unterschrieb Richard Fiolka am 23. Dezember 1953 eine handschriftliche Verpflichtungserklärung.
Weimar den 23.12.53
Ich, Richard Fiolka verpflichte mich hiermit zur Mitarbeit für das Staatssekretariat für Staatssicherheit.
Ich bin mir als Mitglied der sozialistischen Einheitspartei Deutschlands bewußt, daß ich meine ganze Kraft dafür einsetze die mir übertragenen Arbeiten zur Zufriedenheit auszuführen. Weiterhin verpflichte ich mich über meine Arbeit strengstes Stillschweigen zu bewahren. Ich weiß, wenn ich diese meine Verpflichtung über das Stillschweigen nicht einhalte, ich nach den Gesetzen der Deutschen Demokratischen Republik bestraft werde.
Meine Berichte die ich dem Staatssekretariat für Staatssicherheit abgebe, werde ich mit dem Decknamen "Richard" unterzeichnen.
Richard Fiolka
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
1950 entstanden; 1958 Aufwertung zur HA VIII.
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für die gewöhnlichen inoffiziellen Mitarbeiter, in den ersten Jahren auch nur Informatoren genannt. 1968 wurden die GI überwiegend zu IMS. GI dienten vor allem der allgemeinen Informationsbeschaffung. Sie wurden dabei auch zunehmend zur Sicherung von Institutionen, zur Feststellung der Bevölkerungsstimmung, zur Überprüfung verdächtiger Personen, zur Verhinderung von Republikfluchten oder auch bei Ermittlungen und Fahndungen eingesetzt.
Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit bildeten die personelle Basis des Geheimpolizeiapparates. Sie verstanden sich in der Tradition der sowjetischen Geheimpolizei als "Tschekisten" und Parteisoldaten an der "unsichtbaren Front". Jenseits dieser Selbstmystifizierung repräsentierten sie den gewaltsamen Kern kommunistischer Machtausübung. In der staatssozialistischen Gesellschaft waren sie Teil der staatsloyalen Dienstklasse und pflegten den Korpsgeist einer Elite von "Genossen erster Kategorie" (Wilhelm Zaisser).
Der hauptamtliche Apparat des Ministeriums für Staatssicherheit hatte 1989 einen Umfang von 91.015 Mitarbeitern (Stichdatum: 31.10.1989) und war damit – gemessen an der Bevölkerungszahl – einer der größten geheimen Sicherheitsapparate der Welt.
In den 50er Jahren hatte sich das MfS als stalinistische Geheimpolizei etabliert und erreichte bereits 1956 eine Personalstärke von rund 16 000 Mitarbeitern. Am stärksten wuchs der Stasi-Apparat von 1968 bis 1982. Die Weichenstellungen hierfür gingen seit Mitte der 60er Jahre mit einer neokonservativen Renaissance des Sicherheitsdenkens in der sowjetischen und DDR-Parteiführung einher und wurden durch die Erfahrungen des Prager Frühlings und seiner Niederschlagung 1968 bestätigt.
Hinter der Expansion stand ein groß angelegtes Abwehrprogramm gegen die intensivierten Kontakte nach Westdeutschland im Zuge der Entspannungspolitik. Das ausufernde Aufgabenverständnis mit dem Ziel der Massenüberwachung und die Arbeitsteilung der Großbürokratie erforderten immer mehr Personal. Aufgrund der Krise der Staatsfinanzen in der DDR musste das MfS ab 1983 jedoch die Zuwachsraten beim hauptamtlichen Personal deutlich absenken.
Die hauptamtlichen Mitarbeiter galten als Teil der kommunistischen Parteiavantgarde, von der Stalin gesagt hatte: "Die Kader entscheiden alles." Diesem Verständnis gemäß wählte die Staatssicherheit ihr Personal nach strengen Kriterien aus, was die Linientreue und die Abschottung zum Westen anging. Allgemeinbildung und besondere fachliche Qualifikationen gewannen erst im Laufe der Jahre eine gewisse Bedeutung. Da es in der DDR keine Beamten gab, standen die MfS-Mitarbeiter im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten. Ausnahmen waren neben wenigen Zivilbeschäftigten die Zeitsoldaten des Wachregiments "Feliks Dzierżyński" (sowie an einigen anderen Stellen im Apparat Unteroffiziere auf Zeit).
Die Initiative für die Aufnahme in den MfS-Dienst musste in aller Regel vom MfS ausgehen. Selbstbewerber wurden verdächtigt, feindliche Spione zu sein. Faktisch war die Mitgliedschaft in der SED vorgeschrieben; allerdings durfte bei jungen Einstellungskandidaten die Aufnahme in die Partei auch noch nach Dienstantritt erfolgen. Neben der ideologischen Linientreue stand das Verbot jeglicher Westkontakte im Zentrum der Rekrutierungsregeln: Aus Furcht vor dem Eindringen gegnerischer Geheimdienste durften die Mitarbeiter sowie ihre engere Familie keine persönlichen Verbindungen in den Westen unterhalten. Gab es Verwandte im Westen, so war der Kontakt zu ihnen abzubrechen.
Ehemalige Nationalsozialisten stellte die Stasi grundsätzlich nicht ein.
In den 50er Jahren erfolgte die Werbung häufig aus der Volkspolizei oder hauptamtlichen SED- und FDJ-Funktionen. Außerdem hielten die Offiziere in den Betrieben und Einrichtungen, die sie zu überwachen hatten, Ausschau nach geeigneten Kandidaten. Später suchte das MfS systematisch in den Musterungsjahrgängen. In den 80er Jahren ließ die Bereitschaft jugendlicher Einstellungskandidaten selbst aus dem SED-nahen Milieu nach, sich den Kontaktverboten und rigiden Verhaltensregeln des MfS zu unterwerfen. Ab 1981 beteiligte es sich deshalb mit festen Sollquoten an der militärischen Nachwuchswerbung ab der 7. Klasse der Polytechnischen Oberschule.
An der Spitze des Apparates stand seit 1950 ein harter Kern von erfahrenen kommunistischen Untergrundkadern mit langjährigen Erfahrungen in den Straßenkämpfen und Saalschlachten während der Weimarer Republik, dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der Haft in Zuchthaus und Konzentrationslager, der Emigration in die Sowjetunion, des Militärdienstes im Spanischen Bürgerkrieg sowie in Partisanen- und Agenteneinsätzen im Zweiten Weltkrieg. Nach 1945 hatten diese Kader die Polizei der Sowjetischen Besatzungszone nach kommunistischen Vorstellungen aufgebaut. Einige von ihnen prägten die Atmosphäre im Apparat bis in die späten Jahre, allen voran der seit 1957 amtierende Minister, Armeegeneral Mielke.
Da es nur einige Hundert solcher kommunistischer Polizei- und Militärkader gab, erfolgte der Personalausbau zunächst überwiegend mit jungen Männern, die vor 1945 durch die Hitlerjugend und den Krieg geprägt worden waren und nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches häufig über die Freie Deutsche Jugend (FDJ) zur Volkspolizei gekommen waren. Meist stammten sie aus unterprivilegierten Verhältnissen und hatten nur eine einfache Volksschulbildung.
Prägend für diese Generation waren neben den alten Kommunisten als Vorbilder die Indoktrination durch Stalins Lehre von der ständigen Verschärfung des Klassenkampfs sowie die alltäglichen Erlebnisse im Apparat: die Suche nach angeblichen oder tatsächlichen Agenten westlicher "Feindorganisationen", die Verhaftungen und nächtelangen Verhöre bis zum Geständnis, das Gefühl der schrankenlosen Macht.
Seit den 60er und 70er Jahren stillte das MfS seinen Personalhunger überwiegend aus Elternhäusern der sozialistischen Dienstklasse. Mehr als die Hälfte der eingestellten Nachwuchskräfte waren Funktionärskinder, vorwiegend aus den bewaffneten Organen (MfS, NVA, DVP) und dem SED-Parteiapparat.
Frauen waren im MfS-Apparat mit einem Anteil von ca. 16 bis 19 Prozent stets eine Minderheit und überwiegend auf typische Berufe wie Sekretärinnen usw. festgelegt. Für die eigentliche geheimdienstliche Arbeit spielten sie nur in der Informationsauswertung sowie bei der Postkontrolle eine gewisse Rolle. Weibliche Führungsoffiziere für inoffizielle Mitarbeiter oder Vernehmungsoffiziere gab es selten, weibliche Generäle gar nicht.
Die Besoldungsregeln der MfS-Mitarbeiter entsprachen formell weitgehend denen der anderen bewaffneten Organe (NVA, DVP). Die Eingruppierung erfolgte beim MfS jedoch bei vergleichbarem Qualifikationsniveau und Tätigkeitsprofil mehrere Dienststellungs- und Dienstgradstufen höher. Dadurch kam eine erheblich höhere Bezahlung zustande.
Nach den Beschlüssen zur Auflösung des MfS wurden die hauptamtlichen Mitarbeiter bis zum 31.3.1990 aus dem militärischen Dienstverhältnis entlassen. In der vereinigten Bundesrepublik sind sie häufig in privaten Sicherheitsunternehmen, Detekteien, Versicherungen sowie im Bereich der öffentlichen Beschäftigungsförderung tätig geworden. Etwa 1 500 hauptamtliche Mitarbeiter sind in den Polizeidienst des Bundes und der neuen Länder übernommen worden. Die Gesamtzahl der MfS-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ist nicht bekannt. Strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wurden nach 1990 nur wenige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit.
Am 23.7.1953 wurde durch formellen Regierungsbeschluss das Ministerium für Staatssicherheit zu einem Staatssekretariat herabgestuft und in das Ministerium des Innern (MdI) eingegliedert. Diese Maßnahme erschien als Reaktion der SED auf dessen (vermeintliches) Versagen im Zusammenhang mit dem Juniaufstand. Denn sie ging mit der Absetzung Wilhelm Zaissers als Minister, der Einsetzung Ernst Wollwebers als Staatssekretär und einer harten Abrechnung Walter Ulbrichts mit der Arbeit der Staatssicherheit auf dem 15. ZK-Plenum einher.
Die naheliegende zeitgenössische und auch heute noch vorherrschende Deutung ist nicht vollkommen zutreffend. Die Veränderung entsprach der damaligen Zuordnung der sowjetischen Staatssicherheit, die seit dem 15.3.1953 ebenfalls Teil des Innenministeriums war, und auch der der meisten anderen "Bruderorgane".
Sie war zudem schon am 30.6.1953, also noch bevor der Machtkampf in der SED Führung sich zuungunsten Zaissers entwickelt hatte, auf Betreiben von Lawrentij Berija vom SED-Politbüro beschlossen worden. Dabei ging es nicht um eine Abstrafung der DDR-Staatssicherheit, sondern um ein (kosmetisches) Entspannungssignal an den Westen. Wahrscheinlich war zu diesem Zeitpunkt Zaisser noch als Chef des erweiterten Innenministeriums vorgesehen.
Im unmittelbaren Kontext seiner Verkündung wurde der Beschluss als demonstrative Degradierung der Staatssicherheit aufgefasst, zumal Wollweber anders als sein Vorgänger nicht in das Politbüro kooptiert wurde. Das Staatssekretariat war dem Innenminister Willi Stoph gleichwohl nur formal unterstellt. Es erhielt ein eigenes Kollegium und nicht Stoph, sondern Wollweber vertrat die Staatssicherheitsangelegenheiten gegenüber der SED-Führung und in der Sicherheitskommission des ZK.
Die Staatssicherheit betreffende dienstliche Weisungen gingen ausschließlich vom Staatssekretär und seinen Stellvertretern aus, nicht vom Innenminister. Am 24.11.1955 wurde das Staatssekretariat durch Ministerratsbeschluss wieder in den Rang eines Ministeriums erhoben.
Die Verpflichtung Bereitschaftserklärung zur Tätigkeit als IM bildete den Abschluss der Werbung. Sie erfolgte in der Regel schriftlich und in Ausnahmefällen mündlich. Schriftliche Verpflichtungen erfolgten stets handschriftlich. Die Verpflichtungserklärung enthielt bestimmte Kernelemente, zu denen der Bezugspartner Staatssicherheit, die Verpflichtung zur Geheimhaltung, ein Deckname und die Unterschrift gehörten.