Vorschläge über Maßnahmen zur Bekämpfung der Republikflucht von 1956
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 109/65, Bd. 10, Bl. 151-159
1956 rief die SED zur offensiven Bekämpfung der Republikflucht auf. Sie sammelte Vorschläge aller staatlichen Organe, um die "Abstimmung mit den Füßen" unter Kontrolle zu bekommen.
Viele Menschen sahen in den 50er Jahren auf Grund der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in der DDR keine Perspektive. Allein 1953 flohen nach Informationen des MfS über 270.000 Bürger in den Westen. Diese sogenannte "Abstimmung mit den Füßen" wurde zunehmend zu einem Problem, kehrten doch gerade viele junge Leute der DDR den Rücken. 1956 rief die SED zur offensiven Bekämpfung der Republikflucht auf. Das Zentralkomitee versammelte alle staatlichen Organe, um über Vorschläge zur Verhinderung der Republikflucht zu beraten. Als Schild und Schwert der Partei sollte die Stasi dabei eine Schlüsselrolle einnehmen. Das vorliegende Dokument ist die Aufstellung aller Vorschläge der verschiedenen staatlichen Stellen, die in Kopie auch dem MfS zuging und so in die Stasi-Unterlagen gelangte.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Abteilung Information
- Datum:
- 22.2.1956
suchender behandelt und hat mit vorläufiger Unterbringung zu rechnen. Durch Umbelegung freigewordene schlechte Wohnungen sind Rückkehrern zur Verfügung zu stellen.
Durch diese Maßnahmen hätten Republikflüchtige keine Rückversicherung mehr für eine evtl. Rückkehr, falls sich ihre Erwartungen in Westdeutschland nicht erfüllen und würden demzufolge diesen Schritt reiflich überlegen. Außerdem werden dadurch die Forderungen unserer Werktätigen gerechtfertigt. Weiterhin würden negative Argumentationen zerschlagen und Republikfluchten unter den Motiven, dadurch in den Genuß einer Wohnung zu kommen, ausgeschlossen.
Arbeitskräftelenkung:
Durch Ausschöpfung aller verfügbaren Reserven an Arbeitsplätzen soll die Zahl der Schulabgänger verringert werden, die ohne Lehrstelle bzw. Arbeitsplatz sind und aus diesem Grunde abwandern. Schwerpunkte bilden hierbei die Land- und Forstwirtschaft, wo besonders Voraussetzungen zur Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen sind.
Intelligenz:
Die Minister sollten persönlich dafür verantwortlich gemacht werden, daß Intelligenzler innerhalb 4 Wochen nach Eingang der Bewerbung einen annehmbaren Arbeitsplatz erhalten, wenn es sein muß, auch über den Rahmen des Arbeitskräfteplanes hinaus.
Das Ministerium für Arbeit und Berufsausbildung sollte in Presse und Fachzeitschriften den vorausgeplanten Arbeitskräftebedarf - besonders an Spezialisten - popularisieren, um den Fachkräften einen Überblick und eine Perspektive zu geben.
Zulassung von Oberschülern zum Studium:
Hierzu wird vorgeschlagen, die Kapazitäten der Hoch- und Fachschulen konkreter abzustimmen und zu popularisieren, für welche Berufe das Abitur erforderlich ist.
Da unsere Kapazitäten nicht ausreichen, um alle Bewerber zum Studium zuzulassen, sind Vereinbarungen mit den Volksdemokratien zur Bereitstellung von Studienplätzen zu treffen, um zu verhindern, daß Jugendliche in Westdeutschland studieren oder deshalb abwandern.