Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5566, Bl. 2-4
Musiker und Diskjockeys in der DDR, die Lindenbergs Hit "Sonderzug nach Pankow" öffentlich spielten, mussten mit harten Strafen rechnen.
Im Februar 1983 veröffentlichte Udo Lindenberg seine Single "Sonderzug nach Pankow" in der Bundesrepublik. Darin malte er sich aus, mit dem Zug von West- nach Ostberlin zu fahren und in der DDR aufzutreten. Ein Traum, der in Ost-Berlin nicht nur auf Begeisterung stieß. Das Lied wurde in der DDR verboten, weil Lindenberg darin Honecker direkt ansprach und verunglimpfte. Musiker und Diskjockeys, die es öffentlich abspielten, mussten mit einer Geldstrafe und dem Entzug der Lizenz rechnen. Im vorliegenden Fall verurteilte ein Gericht zwei Personen zu einer fünfmonatigen Haftstrafe – die im Nachhinein zu einer Bewährungsstrafe abgeändert wurde.
Vorschläge
über das Vorgehen gegen Personen, die unter Mißbrauch ihrer beruflichen Tätigkeit oder gesellschaftlichen Funktion bzw. anderweitig in der Öffentlichkeit Liedtexte feindlich-negativen Inhalts des Rock-Sängers und Liedermachers Udo Lindenberg verbreiten
Im Zusammenhang mit der Publizierung des durch den BRD-Rock-Sänger und Liedermacher Udo Lindenberg arrangierten und interpretierten, gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung der DDR und ihre führenden Repräsentanten gerichteten Liedtextes mit dem Titel "Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow?" durch [geschwärzt] in Wilhelm-Pieck-Stadt Guben, Bezirk Cottbus (26 und 27 Jahre, nicht vorbestraft), während einer Diskoveranstaltung wurden gegen beide Personen durch die Deutsche Volkspolizei am 31. Januar 1983 Ermittlungsverfahren gemäß § 220 StGB (öffentliche Herabwürdigung) eingeleitet und auf gleicher Rechtsgrundlage Haftbefehle erlassen.
Sie wurden am 1. Februar 1983 durch das Kreisgericht Wilhelm-Pieck-Stadt Guben zu je 5 Monaten Haftstrafe verurteilt.
Durchgeführte Überprüfungen ergaben, daß im Strafbefehlverfahren des Gerichtes eine ungenügende Sachaufklärung bezüglich der Persönlichkeitsentwicklung sowie der Motivation der Täter und der von ihnen mit der Tat verfolgten Zielstellung erfolgt ist.
Es wird deshalb vorgeschlagen, beiden Personen Strafaussetzung auf Bewährung gemäß § 349 StPO zu gewähren, sie unverzüglich aus der Haft zu entlassen und ihnen gemäß § 4 der Anordnung über die Zulassung von frei- und nebenberuflich tätigen Künstlern auf dem Gebiet der Unterhaltungskunst vom 21. Juni 1971 die Zulassung als Schallplattenunterhalter zu entziehen.
Dem MfS liegen Hinweise aus weiteren Bezirken der DDR einschließlich der Hauptstadt der DDR, Berlin, vor, wonach der genannte
Der schriftliche richterliche Haftbefehl bildete die Grundlage für eine reguläre Verhaftung (§ 114 StPO/1949; § 142 StPO/1952; § 124 StPO/1968). Beschuldigte oder Angeklagte mussten unverzüglich, spätestens am Tage nach ihrer Ergreifung dem zuständigen Gericht vorgeführt werden (§§ 114 b, 128 StPO/1949; §§ 144, 153 StPO/1952; § 126 StPO/1968) – vor allem in den frühen 50er Jahren wurde diese Frist vom MfS teilweise überschritten und der Zeitpunkt der Festnahme entsprechend geändert. Auch wurden die Festgenommenen nicht bei Gericht vorgeführt, die vom MfS ausgewählten Haftrichter kamen zur Ausstellung des Haftbefehls in die Untersuchungshaftanstalten.
Rechtliche Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls waren ein dringender Tatverdacht und ein gesetzlich definierter Haftgrund, z. B. Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949; § 141 StPO/1952; § 122 StPO/1968) sowie während des Ermittlungsverfahrens ein Antrag des Staatsanwaltes; im Hauptverfahren konnte das Gericht auch ohne Antrag einen Haftbefehl erlassen. Laut einer Richtlinie des Obersten Gerichts der DDR vom 17.10.1962 lag ein Haftgrund auch vor bei "Verbrechen im Auftrag feindlicher Agenturen, bei konterrevolutionären Verbrechen" und "bei anderen schweren Verbrechen".
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5566, Bl. 2-4
Musiker und Diskjockeys in der DDR, die Lindenbergs Hit "Sonderzug nach Pankow" öffentlich spielten, mussten mit harten Strafen rechnen.
Im Februar 1983 veröffentlichte Udo Lindenberg seine Single "Sonderzug nach Pankow" in der Bundesrepublik. Darin malte er sich aus, mit dem Zug von West- nach Ostberlin zu fahren und in der DDR aufzutreten. Ein Traum, der in Ost-Berlin nicht nur auf Begeisterung stieß. Das Lied wurde in der DDR verboten, weil Lindenberg darin Honecker direkt ansprach und verunglimpfte. Musiker und Diskjockeys, die es öffentlich abspielten, mussten mit einer Geldstrafe und dem Entzug der Lizenz rechnen. Im vorliegenden Fall verurteilte ein Gericht zwei Personen zu einer fünfmonatigen Haftstrafe – die im Nachhinein zu einer Bewährungsstrafe abgeändert wurde.
Liedtext vorrangig in Diskotheken zunehmend verbreitet wird.
Um einem weiteren öffentlichkeitswirksamen Verbreiten dieses Liedes und anderer Liedtexte feindlich-negativen Inhalts des Udo Lindenberg vorzubeugen, ist vorgesehen, verstärkt auf die zuständigen staatlichen Organe und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen und Kräfte Einfluß zu nehmen, damit sie konsequent ihrer Verantwortung bei der Durchsetzung der bestehenden rechtlichen Bestimmungen auf dem Gebiet der Unterhaltungskunst und zur Durchführung öffentlicher Veranstaltungen und bei der vorbeugenden Verhinderung und konsequenten Unterbindung derartiger Handlungen, die geeignet sind, die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung und deren Repräsentanten zu diskreditieren, jederzeit gerecht werden.
Im Falle eines öffentlichen Abspielens von Liedtexten feindlich-negativen Inhalts des Udo Lindenberg durch Berufs-, Laienoder nebenberuflich tätige Musiker, frei- oder nebenberuflich tätige Schallplattenunterhalter oder andere Personen wird vorgeschlagen, auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten nach gründlicher Prüfung der Täterpersönlichkeit sowie der konkreten Umstände und Motive der Tat folgende Disziplinär-, Ordnungsstraf- und Strafmaßnahmen differenziert zur Anwendung zu bringen:
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Einreiseverbot für Udo Lindenberg in die DDR Dokument, 1 Seite
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