Signatur: BStU, MfS, SED-Kreisleitung, Nr. 242, Bl. 1-11
Nur sorgfältig ausgewählte Touristen aus der DDR durften zu den Olympischen Spielen reisen. Das Zentralkomitee der SED formulierte Kriterien für die Auswahl geeigneter Kandidaten.
Bei den XX. Olympischen Sommerspielen in München 1972 entsandte die DDR das erste Mal eine Mannschaft mit eigenen Staatssymbolen. Vier Jahre davor in Mexiko gab es zwar auch schon zwei getrennte deutsche Teams, doch traten die noch unter gemeinsamer Flagge und Hymne an. Ausgerechnet in der Bundesrepublik bekam die DDR nun die Möglichkeit, als souveräner Staat aufzutreten und internationale Anerkennung zu verbuchen. Die DDR-Führung betrachtete ihre Athleten gerne als „Diplomaten im Trainingsanzug“. Sie sollten die Welt von der Überlegenheit des Sozialismus überzeugen.
Für das Ministerium für Staatssicherheit bedeuteten die Olympischen Spiele dementsprechend eine große Herausforderung. Es galt die DDR-Mannschaft abzusichern, unabhängige Berichterstattung über die Olympiade möglichst zu unterbinden, Werbung aus dem Westen zu unterfangen, Doping zu verheimlichen und zu verhindern, dass ostdeutsche Athleten in der Bundesrepublik bleiben würden.
Die umfangreichen Maßnahmen erforderten teilweise jahrelange Vorbereitungen. Stasi-intern liefen diese unter dem Decknamen Aktion "Flamme". Dazu gehörten die frühzeitige Überprüfung der Mannschaft und der mitreisenden Touristen als auch später die Überwachung durch Inoffizielle Mitarbeiter während der Olympiade.
SED—Kreisleitung
1. Sekretär
Berlin, 17. Juni 1970
Genosse
Werter Genosse!
In der Anlage übersende ich den Beschluß des Sekretariats des ZK vom 29. 4. 1970
"Vorschlag zur Teilnahme, Zusammensetzung und politischen
Vorbereitung von Touristengruppen an den Olympischen Spielen 1972 in München"
zur Information und persönlichen Verwendung.
Ich bitte, das Material bis 31. Dezember 1970 zurückzugeben.
Mit sozialistischem Gruß
[Unterschrift]
Heidenreich 1. Sekretär
Bei der Werbung handelte es sich um die Herbeiführung einer Entscheidung von Personen (IM-Kandidat) zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS (bis 1968 auch gebräuchlicher bezeichnet als Anwerbung).
Im Operationsgebiet gab es selten auch die Werbung unter falscher Flagge, bei der ein Mitarbeiter des MfS als Angehöriger einer anderen Einrichtung getarnt in Erscheinung trat. Die Durchführung der Werbung war sorgfältig vorzubereiten und hatte in einen Werbungsvorschlag zu münden, der von übergeordneten Leitern bestätigt werden musste. Der Vorschlag sollte eine Analyse der Kandidatenpersönlichkeit, das Werbungsziel, die "Werbungsgrundlage" und das methodische Vorgehen, Zeit, Ort und Inhalt des geplanten "Werbegesprächs", Verhaltensvarianten, Art und Weise der Verpflichtung sowie alle Absicherungsmaßnahmen enthalten. Die getroffenen Festlegungen waren in einem Bericht zu dokumentieren.
Häufig gingen dem eigentlichen Werbungsgespräch Kontaktgespräche voraus, bei denen der Kandidat allmählich an die Werbung herangeführt werden sollte. Bei der Werbung sollten auch Interessen des Kandidaten eine Rolle spielen, da das MfS davon ausging, dass dieser für sich "Aufwand, Nutzen und Risiko" gegeneinander abwägen würde.
Das MfS unterschied drei kategorial unterschiedliche "Werbungsgrundlagen":
Letztere spielten häufig bei Werbung unter Druck, zum Beispiel unter Heranziehung kompromitierender Informationen (Kompromat) eine Rolle.
Bei der Werbung war dem Kandidaten möglichst das Gefühl zu geben, seine Entscheidung würde frei und wohlüberlegt fallen. Ihre Ernsthaftigkeit sollte durch die Preisgabe interner beruflicher oder privater Kenntnisse unterstrichen werden. Ziel der Werbung war im Regelfall eine förmliche Verpflichtung. Teil der Werbung war ein erster operativer Auftrag. Die vorab getroffenen Festlegungen waren im Werbungsvorschlag, die durchgeführte Werbung im Werbungsbericht zu dokumentieren.
Signatur: BStU, MfS, SED-Kreisleitung, Nr. 242, Bl. 1-11
Nur sorgfältig ausgewählte Touristen aus der DDR durften zu den Olympischen Spielen reisen. Das Zentralkomitee der SED formulierte Kriterien für die Auswahl geeigneter Kandidaten.
Bei den XX. Olympischen Sommerspielen in München 1972 entsandte die DDR das erste Mal eine Mannschaft mit eigenen Staatssymbolen. Vier Jahre davor in Mexiko gab es zwar auch schon zwei getrennte deutsche Teams, doch traten die noch unter gemeinsamer Flagge und Hymne an. Ausgerechnet in der Bundesrepublik bekam die DDR nun die Möglichkeit, als souveräner Staat aufzutreten und internationale Anerkennung zu verbuchen. Die DDR-Führung betrachtete ihre Athleten gerne als „Diplomaten im Trainingsanzug“. Sie sollten die Welt von der Überlegenheit des Sozialismus überzeugen.
Für das Ministerium für Staatssicherheit bedeuteten die Olympischen Spiele dementsprechend eine große Herausforderung. Es galt die DDR-Mannschaft abzusichern, unabhängige Berichterstattung über die Olympiade möglichst zu unterbinden, Werbung aus dem Westen zu unterfangen, Doping zu verheimlichen und zu verhindern, dass ostdeutsche Athleten in der Bundesrepublik bleiben würden.
Die umfangreichen Maßnahmen erforderten teilweise jahrelange Vorbereitungen. Stasi-intern liefen diese unter dem Decknamen Aktion "Flamme". Dazu gehörten die frühzeitige Überprüfung der Mannschaft und der mitreisenden Touristen als auch später die Überwachung durch Inoffizielle Mitarbeiter während der Olympiade.
Anlage Nr. 6 zum Protokoll Nr. 36 vom 29.4.1970
Vorschlag zur Teilnahme, Zusammensetzung und politischen Vorbereitung von Touristengruppen an den Olympischen Spielen 1972 in München
1. Die in der Anlage genannten Grundprinzipien für die Auswahl, die Teilnahme und politische Vorbereitung von Touristengruppen sowie die Zusammensetzung der Hautreiseleitung werden bestätigt.
2. Den Vorbereitungsarbeiten für die Entsendung von Touristen-gruppen zu den Olympischen Spielen ist die Variante mit 2 mal 5.000 Touristen zugrunde zu legen,
Die endgültige Entscheidung, wieviel Touristen entsandt werden, wird entsprechend der politischen Situation Anfang des Jahres 1972 vom Sekretariat des ZK getroffen.
3. Zur Auswahl der Touristen ist in jeder Bezirksleitung der SED unter Leitung des 2. Sekretärs eine Kaderkommission zu bilden.
Die Auswahl der Touristen durch die Bezirksleitungen der SED hat nach einheitlichen Prinzipien zu erfolgen Hierfür ist eine Direktive zu erarbeiten, die den Sekretariat des ZK zur Bestätigung vorzulegen ist.
Termin: 30. Juni 1970
Verantwortlich: Abt. Sicherheitsfragen, Abt Kaderfragen, Abt. Parteiorgane.
Bei der Werbung handelte es sich um die Herbeiführung einer Entscheidung von Personen (IM-Kandidat) zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS (bis 1968 auch gebräuchlicher bezeichnet als Anwerbung).
Im Operationsgebiet gab es selten auch die Werbung unter falscher Flagge, bei der ein Mitarbeiter des MfS als Angehöriger einer anderen Einrichtung getarnt in Erscheinung trat. Die Durchführung der Werbung war sorgfältig vorzubereiten und hatte in einen Werbungsvorschlag zu münden, der von übergeordneten Leitern bestätigt werden musste. Der Vorschlag sollte eine Analyse der Kandidatenpersönlichkeit, das Werbungsziel, die "Werbungsgrundlage" und das methodische Vorgehen, Zeit, Ort und Inhalt des geplanten "Werbegesprächs", Verhaltensvarianten, Art und Weise der Verpflichtung sowie alle Absicherungsmaßnahmen enthalten. Die getroffenen Festlegungen waren in einem Bericht zu dokumentieren.
Häufig gingen dem eigentlichen Werbungsgespräch Kontaktgespräche voraus, bei denen der Kandidat allmählich an die Werbung herangeführt werden sollte. Bei der Werbung sollten auch Interessen des Kandidaten eine Rolle spielen, da das MfS davon ausging, dass dieser für sich "Aufwand, Nutzen und Risiko" gegeneinander abwägen würde.
Das MfS unterschied drei kategorial unterschiedliche "Werbungsgrundlagen":
Letztere spielten häufig bei Werbung unter Druck, zum Beispiel unter Heranziehung kompromitierender Informationen (Kompromat) eine Rolle.
Bei der Werbung war dem Kandidaten möglichst das Gefühl zu geben, seine Entscheidung würde frei und wohlüberlegt fallen. Ihre Ernsthaftigkeit sollte durch die Preisgabe interner beruflicher oder privater Kenntnisse unterstrichen werden. Ziel der Werbung war im Regelfall eine förmliche Verpflichtung. Teil der Werbung war ein erster operativer Auftrag. Die vorab getroffenen Festlegungen waren im Werbungsvorschlag, die durchgeführte Werbung im Werbungsbericht zu dokumentieren.
Befehl Erich Mielkes zur Zusammenstellung der Touristendelegation Dokument, 7 Seiten
Information Anfragen - Spiele der XX. Olympiade 1972 in München Dokument, 2 Seiten
Anfrage Bürger der Bundesrepublik - Information Spiele der XX. Olympiade 1972 in München Dokument, 4 Seiten
Abschlussbericht des Zentralen Operativstabs zur Aktion "Leder" während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 Dokument, 16 Seiten