Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 6321, Bl. 12-14
Mitglieder der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) erklärten wegen des "Sputnik"-Verbots ihren Austritt und forderten Gespräche mit den Funktionären des Verbandes.
Die sowjetische Monatszeitschrift "Sputnik" existierte seit 1967 in der UdSSR und erschien in mehreren Sprachen. Sie sollte das Erscheinungsbild des Landes in sozialistischen Staaten und in westlichen Ländern verbessern und verzichtete deswegen weitgehend auf sozialistische Rhetorik. Mit Beginn von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion informierte "Sputnik" in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch über die Reformpolitik Gorbatschows und griff frühere Tabuthemen auf, wie die Verbrechen Stalins. In der DDR eröffnete die Zeitschrift ihrer Leserschaft damit eine willkommene Abwechslung in der Medienlandschaft.
Von der SED-Führung wurde sie hingegen zunehmend kritisch betrachtet. Als die November-Ausgabe von 1988 den in der DDR-Geschichtsschreibung geleugneten Hitler-Stalin-Pakt thematisierte sowie die Stalin-hörige KPD der 20er Jahre kritisierte, untersagten SED-Funktionäre am 18. November 1988 den weiteren Vertrieb der Zeitschrift in der DDR. Das Heft wurde eingezogen und eingestampft - mit der Begründung, die Zeitschrift enthalte "keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte".
Mitglieder der DSF, die Eingaben gegen das "Sputnik"-Verbot eingereicht hatten, wurden zu "Gesprächen" eingeladen. Meist akzeptierten sie die Argumente der DSF-Funktionäre jedoch nicht. Im Volkseigenen Betrieb (VEB) Robotron in Dresden etwa fand ein Forum zur Erläuterung des Sputnik-Verbots statt, das für die Befürworter des Verbots zu einem Desaster geriet.
Hauptabteilung XX/1
Berlin, 12.01.1989 [Unterschrift unleserlich]
gefertigt: 4. Exemplare
[Handschriftliche Ergänzung: 1]. Exemplar
Information
über weitere Reaktionen von Mitgliedern der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetischen Freundschaft zur Streichung des "Sputnik" von der Postzeitungsliste der DDR
In Ergänzung und Erweiterung der zu dieser Problematik am 16.12.1988 gefertigten Information wurde durch zuverlässige und überprüfte inoffizielle und offizielle Kräfte zur weiteren Entwicklung der Situation in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (GfDSF) erarbeitet, daß bis zum 31.12.1988 insgesamt 510 Eingaben an den Präsidenten der GfDSF bzw. an den Zentralvorstand gerichtet wurden. Die 125 direkt an den Präsidenten und die 385 an den Zentralvorstand gerichteten Eingaben wurden von 161 Kollektiven und 349 Einzelpersonen verfaßt. Territoriale Schwerpunkte bilden nach wie vor die Hauptstadt Berlin mit 140 und der Bezirk Dresden mit 143 Eingaben.
Darüber hinaus wurden bis zum 23.12.1988 an die Bezirks- und Kreissekretariate der GfDSF 1.186 Eingaben gerichtet, wobei gleichgelagerte territoriale Schwerpunkte sichtbar werden, jedoch der Bezirk Karl-Marx-Stadt mit fast 300 Eingaben (zentral nur 19) deutlich vor Dresden (129), Berlin (120) und Magdeburg (154) auffällig ist.
22 Austrittserklärungen aus der DSF wurden per 21.12.1988 an den Zentralvorstand übermittelt. Auf Bezirks- und Kreisebene lagen bis zum 23.12.1988 weitere 2.103 Austrittserklärungen vor, von denen im Ergebnis von Aussprachen 331 wieder zurückgezogen wurden.
Auf der Grundlage der Orientierungen des Zentralvorstandes der GfDSF und unter aktiver Mitwirkung politischer Mitarbeiter des Zentralvorstandes wurden bis zum Jahresende zur Erledigung der Eingaben insgesamt 145 Gespräche in den Bezirks- und Kreisvorständen in fast allen Bezirken der DDR mit Eingabenverfassern geführt, wobei allein mit 56 Gesprächen im Bezirk Dresden, den dort besonders massiv in Erscheinung tretenden ideologischen Problemen offensiv entgegengetreten wurde.
Zu beachten ist jedoch, daß bei den geführten Gesprächen die Argumente und Standpunkte der DSF-Funktionäre nur teilweise oder gar nicht akzeptiert wurden. Hierbei werden im wesentlichen nachstehende Gegenargumente angeführt:
- Die Maßnahmen seien eine politische Entmündigung der DDR-Bürger undstünden im Widerspruch zu der bisher vertretenen Theorie von der hohen politischen, fachlichen und Allgemeinbildung unserer Menschen;
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 6321, Bl. 12-14
Mitglieder der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) erklärten wegen des "Sputnik"-Verbots ihren Austritt und forderten Gespräche mit den Funktionären des Verbandes.
Die sowjetische Monatszeitschrift "Sputnik" existierte seit 1967 in der UdSSR und erschien in mehreren Sprachen. Sie sollte das Erscheinungsbild des Landes in sozialistischen Staaten und in westlichen Ländern verbessern und verzichtete deswegen weitgehend auf sozialistische Rhetorik. Mit Beginn von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion informierte "Sputnik" in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch über die Reformpolitik Gorbatschows und griff frühere Tabuthemen auf, wie die Verbrechen Stalins. In der DDR eröffnete die Zeitschrift ihrer Leserschaft damit eine willkommene Abwechslung in der Medienlandschaft.
Von der SED-Führung wurde sie hingegen zunehmend kritisch betrachtet. Als die November-Ausgabe von 1988 den in der DDR-Geschichtsschreibung geleugneten Hitler-Stalin-Pakt thematisierte sowie die Stalin-hörige KPD der 20er Jahre kritisierte, untersagten SED-Funktionäre am 18. November 1988 den weiteren Vertrieb der Zeitschrift in der DDR. Das Heft wurde eingezogen und eingestampft - mit der Begründung, die Zeitschrift enthalte "keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte".
Mitglieder der DSF, die Eingaben gegen das "Sputnik"-Verbot eingereicht hatten, wurden zu "Gesprächen" eingeladen. Meist akzeptierten sie die Argumente der DSF-Funktionäre jedoch nicht. Im Volkseigenen Betrieb (VEB) Robotron in Dresden etwa fand ein Forum zur Erläuterung des Sputnik-Verbots statt, das für die Befürworter des Verbots zu einem Desaster geriet.
- falsche Positionen von UdSSR-Historikern könnten nicht durch Verbote, sondern nur durch wissenschaftliche Polemik geklärt werden;
- die Erklärungen im ND (sowohl der Beitrag der UZ als auch der Leitartikel) hätten die Streichung des "Sputnik" nicht ausreichend begründet;
- es sei eine Illusion zu glauben, durch diese Maßnahmen sowie durch ein übervorsichtiges Herangehen an sowjetische Gegenwartsliteratur, Filme, Kunst und Kultur sich von den Entwicklungsprozessen eines eng befreundeten Landes abschirmen zu können;
- durch derartige Entscheidungen löse man geistige Bewegungen eher aus, als daß man sie damit eindämme;
- die GfDSF müsse sich für die Wiederzulassung des "Sputnik" einsetzen, ansonsten verlöre sie das Vertrauen und die Bereitschaft ihrer Mitglieder zur aktiven Mitwirkung in der Organisation;
- da mit der Streichung des "Sputnik" eine wichtige Informationsquelle für die DDR-Bürger verlorengegangen sei, müßte die Beilage "Für den Funktionär" sowie die gesamte PdSU mehr über die Umgestaltung in der UdSSR berichten.
Zu beachten ist jedoch, daß eine Vielzahl der Eingabenschreiber auf persönlicher Beantwortung ihrer Fragen durch DSF-Funktionäre des Zentralvorstandes oder schriftlicher Stellungnahme beharren.
Am 29.12.1988 mußten im VEB "Robotron" Dresden zwei Foren durchgeführt werden, da eine nicht erwartete Beteiligung von Werktätigen erfolgte (160 Personen). Diese Form der Auswertung war gewählt worden, da aus den Grundeinheiten und Arbeitsgruppen dieses Betriebes konzentriert Kollektive und individuelle Eingaben in Verbindung mit 35 Austrittserklärungen vorlagen.
Die unter Teilnahme bzw. Leitung von jeweils einem Instrukteur und einem Mitglied des Zentralvorstandes und dem 1. Sekretär des Bezirksvorstandes durchgeführten Forum verdeutlichten, daß die durch die DSF-Funktionäre dargelegten Argumente, Standpunkte und Fakten bei der Mehrheit der Teilnehmer keine Zustimmung fanden. Fragen und Auffassungen wie sie bereits oben angeführt sind, dominierten, ebenfalls auf diesem Forum.
Darüber hinaus wurden massive Forderungen an den Zentralvorstand als gewähltes Organ und Interessenvertreter der DSF-Mitglieder erhoben, gegenüber dem ZK der SED und gegebenenfalls auch gegenüber dem Präsidenten der GfDSF, wenn dieser der Entscheidung zustimmte, Protest zum Verbot des "Sputnik" einzulegen.
Austritte seien erfolgt, da sich der Vorstand nicht als Interessenvertreter der Mitglieder bewährt habe.
Durch die DSF-Funktionäre wurden im Ergebnis dieser Aussprachen im VEB "Robotron" Dresden folgende Einschätzungen zur Situation im Betrieb und Schlußfolgerungen für die weitere ideologishe Auseinandersetzung gezogen:
Überwachung des Kulturbereichs
Die für Kultur, Kunst und Literatur zuständigen Diensteinheiten des MfS hatten die kulturpolitische Linie der Partei zu unterstützen und durchzusetzen. Geheimpolizeiliche Überwachung im Kultur- und Medienbereich bedeutete zunächst "Objektsicherung", die nach dem Mauerbau durch eine personenbezogene Überwachung ergänzt und in den 70er Jahren durch eine angestrebte "flächendeckende Überwachung" drastisch erweitert wurde. Im letzten Jahrzehnt bestimmten subtilere Formen der Einflussnahme die geheimpolizeiliche Durchdringung des künstlerisch-kulturellen Bereiches der DDR.
In den 50er Jahren intensivierte das MfS seine operative Tätigkeit im Kulturbereich immer nur dann, wenn es "ideologische Aufweichungstendenzen" unter den Kulturschaffenden, speziell den Schriftstellern, befürchtete, was in der Regel mit bestimmten außen- oder innenpolitischen Prozessen im Zusammenhang stand. Derartige Tendenzen beobachtete es im Juni 1953 nicht, dafür aber umso mehr 1956/57 nach den Systemkrisen in Ungarn und Polen. Nach 1957 intensivierte das MfS die Überwachung im Verantwortungsbereich "Kultur" (K.). Beispielsweise geriet das Verlagswesen stärker ins Visier.
Nach dem Mauerbau wurde die geheimpolizeiliche Durchdringung des künstlerisch- kulturellen Bereiches verstärkt. Die Stasi meinte dort erste Anzeichen für das Entstehen eines "politischen Untergrundes" auszumachen. Das anfänglich eher sporadische Interesse wich einer zunehmenden Aufmerksamkeit, die sich speziell auf die Abläufe im Literaturbetrieb ausrichtete. Das MfS forcierte eine "unsichtbare Front" im Innern und fungierte fortan verstärkt als Wächter und Häscher der Kulturpolitik der SED.
In der Folge nahm in den 60er Jahren das Ausmaß der personenbezogenen Überwachung stetig zu. Aus verstörenden Erfahrungen mit dem Prager Frühling (1967/68) wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass "der Klassenfeind bei der Organisierung der Konterrevolution […] immer von dem scheinbar unpolitischen Bereich der Kunst ausgeht". Vor diesem Hintergrund sind die 1969 eingeleiteten strukturellen und organisatorischen Veränderungen zur Kontrolle und Überwachung der Sicherungsbereiche Kultur und "Massenkommunikationsmittel" (M.) zu sehen.
Der Befehl 20/69 regelte den Aufbau der "Linie XX/7" mit den Zuständigkeitsbereichen Kultur / Massenmedien in der HA XX/7 und den Abt. XX/7 in den BV. In den KD standen, den regionalen Besonderheiten entsprechend, häufig nur einzelne Mitarbeiter zur zeitweiligen Erledigung operativer Aufgaben im Sicherungsbereich Kultur zur Verfügung. Fortan richtete das MfS sein Augenmerk auf die Felder Fernsehen, Rundfunk, den ADN und die Printmedien sowie auf alle kulturellen Institutionen vom Ministerium für Kultur bis hin zum Theater in der Provinz.
Entsprechend der DA 3/69 sollten zukünftig "alle inoffiziellen und offiziellen Möglichkeiten zur zielgerichteten und ständigen Informationsbeschaffung und zur operativen Bearbeitung feindlicher Kräfte" eingesetzt und zur offensiven Abwehr der feindlichen Angriffe entsprechend der Sicherung der zentralen Objekte, Einrichtungen und Organisationen im Bereich der Kultur / Massenmedien gewährleistet werden". Dieses grundsätzliche Aufgabenprofil zur Kontrolle und reibungslosen Durchsetzung der SED-Kulturpolitik blieb bis Ende 1989 gültig.
Mitte der 70er Jahre weitete das MfS seinen Überwachungsapparat im Bereich Kultur erheblich aus, weil "die ideologisch leicht anfälligen Kulturschaffenden" von der SED-Führung und dem MfS nicht mehr nur als Saboteure der Kulturpolitik der Partei eingestuft wurden, sondern zunehmend für potentielle oder tatsächliche Gegner des Sozialismus schlechthin gehalten wurden. Infolgedessen strebte das MfS die "flächendeckende Kontrolle" der kulturellen Szene an, in der möglichst jegliche kritische Entwicklung bereits im Keim erstickt werden sollte.
Nach der Ratifizierung der KSZE-Schlussakte 1975 ließ Mielke die nach innen gerichtete Tätigkeit seines Apparates in jenen gesellschaftlichen Bereichen verstärken, die ihm für die "Politik der menschlichen Kontakte" (Kontaktpolitik) besonders anfällig schien. Betroffen waren davon auch die Künstler und Schriftsteller, die nach Einschätzung des MfS einen Hauptangriffsbereich des Klassengegners" (des Westens) darstellten. Um die internationale Reputation der DDR nicht zu gefährden, war Aufsehen möglichst zu vermeiden. Es gewannen subtile Formen der Einflussnahme und differenzierte Zersetzungsmethoden" an Bedeutung.
Diese Tendenz verstärkte sich nach dem aufsehenerregenden Protest gegen die Ausbürgerung von Biermann 1976. Im Zusammenhang mit der Gründung der Solidarność in Polen im Jahr 1980 verlagerte das MfS den Schwerpunkt seiner operativen Arbeit im Kulturbereich von der "Objektsicherung" auf die Überwachung einzelner Personen. Das Ministerium konzentrierte sich nunmehr auf die Bearbeitung von institutionell gebundenen Akteuren des Kunst- und Kulturbetriebes, die der PUT verdächtigt wurden.
Mit der DA 2/85 "zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der PUT" versuchte das MfS, das allmählich anwachsende oppositionelle Potenzial gezielter zu "bearbeiten". Die Einflussmöglichkeiten des MfS waren sehr stark von den lokalen Gegebenheiten, der aktuellen politischen bzw. kulturpolitischen Linie der SED und der Prominenz des jeweils bearbeiteten Künstlers/Schriftstellers abhängig. Demzufolge waren die Eingriffsmöglichkeiten bei prominenten Kulturschaffenden tendenziell erheblich geringer als beispielsweise bei noch unbekannten Nachwuchsautoren, die über keine Lobby verfügten und an Orten lebten und arbeiteten, für die sich Westmedien kaum interessierten.
Seit den 80er Jahren wurde die Veranlassung der Künstler zu "gesellschaftsgemäßem Verhalten" zu einer zentralen methodischen Variante der Staatssicherheit. Hierbei ging es nicht mehr darum, kritisches Denken strafrechtlich zu verfolgen oder das Entstehen partiell kritischer Werke zu verhindern, sondern deren Veröffentlichung "nur" noch einzuschränken und die betreffenden Personen von dem Bereich zu isolieren, den das MfS mit "politischer Untergrund" beschrieb. In solchen Fällen beschränkte es sich zunehmend darauf, "vorbeugende Aufklärungsarbeit" zu leisten, ohne repressive Maßnahmen einzuleiten.
Dafür rückte verstärkt jene nachgewachsene Generation ins Blickfeld der politischen Geheimpolizei, die sich ästhetisch alternativ definierte und organisatorisch nicht in den staatlich organisierten Kulturbetrieb eingebunden war. Speziell für diesen Personenkreis wurde 1981 die "Linie XX/9" gegründet.
Der Instrukteur unterhielt im Auftrag des Führungsoffiziers die persönliche Verbindung zu dem im "Operationsgebiet" eingesetzten inoffiziellen Mitarbeiter oder Residenten. Er beauftragte und instruierte den IM und nahm dessen Berichte entgegen. In der Regel waren die Instrukteure DDR-Bürger und erhielten in den 80er Jahren den Status von Hauptamtlichen IM. Zuletzt gab es 777 Instrukteure.
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Reaktionen von Mitgliedern der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) Dokument, 4 Seiten
Reaktionen der Bevölkerung auf die Streichung des "Sputnik" von der Postzeitungsvertriebsliste der DDR Dokument, 6 Seiten
Maßnahmen des Postzeitungsvertriebs zur Zeitschrift "Sputnik" Dokument, 3 Seiten
Reaktionen auf das "Sputnik"-Verbot von Beschäftigten des Verkehrs- und Nachrichtenwesens Dokument, 5 Seiten