Wochenübersicht Nr. 43/89 vom 23. Oktober 1989
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4599, Bl. 104-128
Am 18. Oktober 1989 dankte Erich Honecker, bis dahin mächtigster Mann der DDR, ab und die Stasi musste ihre Mitarbeiter auf eine politische "Wende" einschwören. Der Wochenbericht an die MfS-Führung beschäftigte sich unterdessen sehr genau mit den Forderungen der tausenden Demonstranten auf den Straßen des Landes.
Seit den 70er Jahren fungierte die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit (ZAIG) als Schaltstelle der Geheimpolizei. Kernaufgaben dieser Diensteinheit waren die Auswertung von Informationen und die Erarbeitung von Berichten und Materialien zur Information des Ministers sowie der Partei- und Staatsführung. Diese Tätigkeit ging auf den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zurück, der das MfS und die SED überrascht hatte.
Die ZAIG fertigte u.a. Wochenberichte an, welche die wichtigsten Ereignisse der vorangegangenen Tage zusammenfassten. Das vorliegende Dokument umfasst den Zeitraum vom 17. bis zum 23. Oktober 1989. Am 18. Oktober wurde Erich Honecker "auf eigenen Wunsch" von seinen Ämtern entbunden, nur drei Tage später schwor die Stasi ihre Mitarbeiter auf eine politische "Wende" ein. Die Demonstrationen gegen das SED-Regime liefen unterdessen weiter.
Im Wochenbericht ist die Rede davon, dass die Protestmärsche angeblich rückläufig seien. Sehr detailgenau werden die Losungen und Aussagen der Demonstranten wiedergegeben. Zudem sind im Bericht alle größeren Demonstrationen in der DDR jeweils mit Datum und Teilnehmerzahl aufgelistet.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe
- Datum:
- 23.10.1989
24. Oktober 1989
Hinweis über die Wirksamkeit des konzentrierten Einsatzes gesellschaftlicher Kräfte im Rahmen der Großkundgebung auf dem Alten Garten in Schwerin am 23.10.1989
Nachdem internen Hinweisen zufolge die Sammlungsbewegung "Neues Forum" für den 23.10.1989, um 17.00 Uhr eine Demonstration durch die Schweriner Innenstadt vorbereitete, wurde unter Führung der Bezirksleitung der SED für den gleichen Tag, jedoch zeitlich vorverlegt, eine machtvolle Kundgebung organisiert, an der ca. 40000 Bürger teilnahmen.
Nach Festlegung konkreter Verantwortlichkeiten für die einzelnen Mitglieder der Bezirkseinsatzleitung wurden unter Führung der Parteiorganisationen von Betrieben und Einrichtungen tausende gesellschaftliche Kräfte mobilisiert, die in einer Willenskundgebung ihre Zustimmung zur Dialogpolitik - wie auf dem 9. Plenum des ZK der SED gefordert - zum Ausdruck brachten.
Die in Abstimmung mit der DVP eingeleiteten Sicherungsmaßnahmen waren auf die Vermeidung jeglicher Konfrontationen gerichtet.
Durch den systematisch vorbereiteten Einsatz einer Vielzahl gesellschaftlicher Kräfte (klassenbewußte Arbeiter, mutige Agitatoren und Propagandisten der Partei)
wurde das politische Ziel der Veranstaltung erreicht, der Wille und die Macht der Arbeiterklasse beim weiteren Aufbau des Sozialismus wurden überzeugend zum Ausdruck gebracht,
wurde die Konzeptionslosigkeit der Führungskräfte des "Neuen Forums" deutlich, denen es nicht gelang, echte Dialogangebote zu formulieren, sondern die nur provokative Sprechchöre zu Wege brachten, wie z.B. "Neuer Wagen mit alten Pferden", "Keine Kosmetik - Chirurgie".