Wolf Biermann bei der Ausreise am Grenzübergang Friedrichstraße
Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 15072, Bild 149
1976 ließ die DDR den kritischen Liedermacher Wolf Biermann für eine Konzerttournee in die Bundesrepublik ausreisen – nur um ihn hinterrücks auszubürgern. Während er den Grenzübergang Friedrichstraße Richtung Westen passierte, fotografierte die Stasi ihn während der Passage.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Darüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab. Die einzige Ausnahme sei, so bestimmte SED-Chefideologe Kurt Hager, „dass Biermann eine Ausreise in kapitalistische Länder gestattet werden sollte in der Hoffnung, dass er nicht in die DDR zurückkehrt“. Das aber lag dem Sänger fern.
Deshalb entwickelte das MfS 1973 einen Plan, Biermann gegen seinen Willen auszubürgern. Die Stasioffiziere entwarfen eine Strategie, die vorsah, den Liedermacher in den Westen reisen zu lassen, um ihm dann, wenn er dort seine Lieder öffentlich singt, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Drei Jahre später bot sich die Gelegenheit, den Plan umzusetzen. Vordergründig erlaubten die Machthaber Biermann, auf Einladung der Gewerkschaft IG Metall in Köln aufzutreten. Bei diesem Konzert versuchte er leidenschaftlich, die dem Westen fremd gewordene DDR zu erklären. Das Konzert diente der SED-Führung als Vorwand, den Künstler am 16. November hinterrücks auszubürgern und ihm die Rückkehr zu verweigern.
Die Hauptabteilung VI, zuständig unter anderem für die Passkontrollen an den Grenzübergängen, fotografierte den Liedermacher bei dessen Ausreise am 11. November 1976 über den Grenzübergang Friedrichstraße.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Hauptabteilung VI
- Urheber:
- MfS
- Datum:
- 11.11.1976
- Rechte:
- BStU
- Überlieferungsform:
- Positiv