Signatur: BStU, MfS, HA IX, Tb, Nr. 3263
Vom 18. bis 21. Dezember 1953 fand vor dem Obersten Gericht der DDR ein auch als "Gehlen-Prozess" bekannter Schauprozess wegen Spionage im Auftrag der Organisation Gehlen statt.
Wolfgang Paul Höher, ehemaliger Angehöriger der SS und hochrangiger Polizeioffizier innerhalb des NS-Regimes und von Mai 1945 bis 1949 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, war seit 1951 Mitarbeiter der Spionageabwehr in der Organisation Gehlen. Im Februar 1953 verschwand Höher aus West-Berlin. Nach bisheriger Quellenlage hatte der sowjetische Geheimdienst seine Entführung inszeniert, um den weitaus wichtigeren sowjetischen "Maulwurf" innerhalb der Organisation Gehlen, Heinz Felfe, zu schützen.
Nicht nur die Länge seiner Aussage verdeutlicht das Gewicht des Zeugen Höher innerhalb des inszenierten Prozesses. Neben der personellen Verankerung in allen wichtigen Institutionen der Bundesregierung erläutert er Aufbau und Aufgabengebiete der Organisation Gehlen sowie deren finanzielle, strukturelle und technische Abhängigkeit von amerikanischen Geheimdiensten. Seine Zeugenaussage sollte darüber hinaus belegen, dass die Organisation Gehlen nicht nur Spionage in den Ländern des sowjetischen Machtbereichs betrieb, sondern auch Verbündete, wie beispielsweise Frankreich, ausspionierte.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ich bitte den Zeugen Höher aufzurufen.
[unbekannte Stimme:]
Zeuge Höher?
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Zeuge Höher, ich bitte Sie ans Mikrofon.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie sollen jetzt als Zeuge vernommen werden. Ich habe Sie gestern bereits darauf hingewiesen, dass Sie die reine Wahrheit sagen müssen und nichts verschweigen dürfen, ich mache Sie, weil Sie sich sonst strafbar machen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, ist klar.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ich mache Sie weiter darauf aufmerksam, dass Sie auf Fragen nicht zu antworten brauchen, wenn Sie sich durch ihre Aussage selber einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würden.
[Wolfgang Paul Höher:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Diese Aussagen, auf diese Fragen können Sie Ihre Aussage verweigern.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ist Ihnen das klar?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ist mir klar.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Haben Sie das verstanden?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, ist mir klar.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie heißen mit Vornamen?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ich heiße Wolfgang Paul.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
[Wolfgang Paul Höher:]
Höher, jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie alt sind Sie?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ich bin 39 Jahre.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Von Beruf?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ich war ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie werden 40?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ich werde 40, jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Von Beruf?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ich war Berufsoffizier und zuletzt hauptamtlicher Mitarbeiter der Organisation Gehlen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und zwar als was, waren Sie da [unverständlich] Mitarbeiter tätig?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ich war stellvertretender Leiter einer Untervertretung.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Stellvertretender Leiter einer Untervertretung. Wohnhaft?
[Wolfgang Paul Höher:]
In Berlin SO 36, Adalbertstraße 5.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Mit den Angeklagten, einen der Angeklagten nicht verwandt oder durch Adoption verbunden?
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein, in keiner Beziehung.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
So, Zeuge Höher, Sie kennen aus Ihrer Tätigkeit die Organisation Gehlen. Schildern Sie uns den, die Gründung, den Aufbau und die Struktur zunächst der Organisation Gehlen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Äh - ich möchte zunächst, um aufzuzeigen - äh - wodurch ich die Kenntnisse über die Organisation Gehlen bekommen habe, kurz - mh - aufzeigen - äh - meine Entwicklung innerhalb der Organisation selbst.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Innerhalb der Organisation selbst. Bitte.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ich bin 1949 aus Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und zu meiner Familie nach West-Berlin. Ich war arbeitslos, konnte also absolut keine Arbeit finden und unter diesen Verhältnissen lernte ich ein Jahr später im Juni 1950 durch einen Bekannten namens [anonymisiert] die Organisation Gehlen kennen. Ich kam in Verbindung mit der Organisation, wurde Vertrauensmann und Vertrauensmannführer innerhalb dieses Geheimdienstes und wurde im Januar - äh - 1951 als hauptamtlicher Mitarbeiter übernommen.
Bis zum Februar 1953 war ich so als stellvertretender Leiter einer Untervertretung des Gehlen-Geheimdienstes in West-Berlin tätig. Diese Untervertretung fungierte unter der Tarnbezeichnung "Firma Heinz Mertens" und beschäftigte sich mit der Abwehr.
Im Zuge meiner ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das war die Abteilung III?
[Wolfgang Paul Höher:]
Abteilung III, Abwehr, ja. Und zwar eine Untervertretung in West-Berlin. Im Zuge meiner Tätigkeit kam ich vor allem durch die Bearbeitung von Abwehrfragen mehrfach mit leitenden Mitarbeitern der Organisation - äh - zusammen und im Gesprächen mit diesen Mitarbeitern lernte ich Zug um Zug die Organisation, den Aufbau, die Ziele und Aufgaben dieses Geheimdienstes kennen, weil ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Schildern Sie uns zunächst noch die Gründung dieser Organisation!
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja. Ende 1946 hat der ehemalige deutsche General und Chef der Abteilung Fremde Heere Ost im deutschen Generalstab Gehlen im Auftrag der Amerikaner einen Geheimdienst aufgebaut.
Dieser Aufbau des Geheimdienstes wurde von Gehlen mit den Kräften durchgeführt, die bereits nachrichtendienstliche Erfahrungen hatten. Er nahm die Kräfte aus der ehemaligen faschistischen Abwehr, er nahm sie aus dem 1C-Apparat, das heißt der militärischen operativen Aufklärung, des ehemaligen deutschen Generalstabes und nahm auch maßgebliche Kräfte aus dem Reichssicherheitshauptamt und aus der Gestapo.
Man kann sagen, dass ungefähr Ende 1950 der Aufbau der Organisation Gehlen als - äh - abgeschlossen angesehen werden kann. Zu der Zeit bereits stand in Westdeutschland und in West-Berlin ein mit erfahrenen Fachleuten aufgebauter Geheimdienst.
Zu der gleichen Zeit, also ungefähr Ende 1950, Anfang 1951 wurde seitens der zentralen Stellen der Organisation Gehlen, also der sogenannten Generaldirektion, wurden Verfügungen erlassen, die sich dahingehend sich ausdrückten, dass die bereits bestehende Abwehr innerhalb der Organisation Gehlen, also der Abwehrapparat - äh - weiter ausgebaut werden soll. Man hatte bis dahin hauptsächlich auf dem Gebiet der militärischen und der wirtschaftlichen Spionage gearbeitet.
Um diesen Ausbau des Abwehrapparates durchzuführen - äh - ermittelte man - äh - in Westdeutschland und West-Berlin vor allem solche ehemaligen Mitarbeiter der Abwehr, des SD, der Gestapo und so weiter, die ganz besondere Erfahrungen auf dem Gebiete des Kampfes gegen die Sowjetunion und gegen - äh - die Widerstandsbewegungen innerhalb Europas während der Hitlerischen Okkupa-, Okkupation hatten.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Durch den Hitlerfaschismus?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja. Okkupation durch den Hitler- ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Innerhalb des [unverständlich]?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja. Diese, mit diesen Kräften und dann einigen hinzugezogenen jüngeren Kräften, die als geeignet erschien, wurde der Abwehrapparat aufgebaut.
Es ist noch eine Sache von besonderer Wichtigkeit, und zwar schuf die Organisation Gehlen in den Jahren 1951 und 1952 ein dichtes Netz von Vertrauensleuten - äh - innerhalb der politischen und wirtschaftlichen Schlüsselstellungen Westdeutschlands und auch West-Berlins. Diese Vertrauensleute wurden also speziell in den Regierungen, der - äh - Regierungsstellen der Bonner Regierung, ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Einzelnen Ministerien?
[Wolfgang Paul Höher:]
... in den Ministerien, in den Länderregierungen, in der Polizei, im Zollgrenzschutz, in der Wirtschaft, in der Partei, in den Partei-, politischen Parteien, in den Gewerkschaften und auch den - ähm - Vetret-, den Vertretungen der Bonner Regierung im Ausland angeworben.
Als Beispiel kann ich hierfür anführen und ich weiß es, dass zum Beispiel der Kommandeur der West-Berliner Schutzpolizei Duensing ein Vertrauensmann von Gehlen ist. Und desgleichen ist der Chef der bayrischen Landpolizei Freiherr von Godin ein Vertrauensmann von Gehlen.
Man ging aber - äh - innerhalb des Gehlen Geheimdienstes noch weiter. Man schuf sich ein Vertrauens-, äh, -mannsnetz auch in den legalen und illegalen - äh - anderen Nachrichtendienstorganisationen Westdeutschlands und West-Berlins. Ich möchte hier einige Beispiele anführen, die das aufzeigen können.
Zum Beispiel - äh - innerhalb des Bundesamtes für Verfassungsschutz und zwar in der Zentrale in Köln ist der leitende Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, praktisch der Stellvertreter des Leiters, ein gewisser Radke, Vertrauensmann von Gehlen. Weitere in der Außenstelle des Bundesamtes für Verfassungsschutz in West-Berlin und zwar - äh - in der Bundesnotaufnahme ist der Leiter der Vorprüfung II, ein gewisser Kossmann, und dessen Stellvertreter Rahn, gleichfalls - äh - Vertrauensleute von Gehlen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Alle beide, ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Kossmann und Rahn?
[Wolfgang Paul Höher:]
Kossmann und Rahn.
In dem sogenannten "Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen" in West-Berlin ist der Sachbearbeiter für die Angelegenheiten des Staatssekretariats für Staatsicherheit der Deutschen Demokratischen Republik, Wolk, ein - äh - Vertrauensmann von Gehlen. Dann - äh - ist innerhalb, also noch ein Beispiel innerhalb der sogenannten "Gruppe Marbach", das ist eine Organisation, die Propaganda und auch Spionage treibt - äh - und zwar in enger Verbindung mit dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, ist der Leiter der nachrichtendienstlichen Tätigkeit innerhalb dieser Gruppe Ohlbrecht, in Verbindung mit der Organisation Gehlen.
Man kann nun etwas zusammenfassend sagen, dass die gesamte Tätigkeit der Organisation Gehlen in einer praktischen, finanziellen und tatsächlichen Abhängigkeit - äh - von den Amerikanern steht und - äh - so, na also selbstverständlich ist, dass diese Organisation die politischen Ziele, das heißt den politisches Kurs der Vereinigten Staaten von Amerika praktisch unterstützt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Und in ... Herr Vorsitzender?
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Zeuge, wie, das ist ja nun mehr oder weniger zunächst eine Behauptung. Können Sie diese Behauptung der finanziellen und der praktischen politischen und militärischen Abhängigkeit des, der Gehlen-Organisation von Amerika, vom amerikanischen Geheimdienst, können sie dafür aus ihrer Tätigkeit Tatsachen anführen?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, dazu bin ich in der Lage. Ich möchte einige Punkte ganz klar herausstellen, die das vielleicht besonders treffend kennzeichnen. Beginnen möchte ich mit der Gründung der Organisation Gehlen selbst.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das war schon 46.
[Wolfgang Paul Höher:]
Das war 46.
Äh - 1946 war die gesamte Situation in Westdeutschland doch so, dass praktisch keine Behörde und auch keine Organisation überhaupt ins Leben gerufen werden konnte ohne die Genehmigung der zuständigen - äh - Besatzungsmacht. Wenn nun zu dieser Zeit sogar ein geheimer Nachrichtendienst aufgebaut werden konnte und noch dazu mit solchen Kräften, die nach den alliierten Bestimmungen einer strengen Kontrolle unterlagen und die nach den bestehenden alliierten Gesetzen sogar praktisch als eine Gefahr galten für die Entmilitarisierung und die Demokratisierung Deutschlands, die ja damals offiziell - äh - propagiert wurde, auf seitens der Westmächte ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nach dem Potsdamer Abkommen durchgeführt sollte.
[Wolfgang Paul Höher:]
... werden sollte, richtig. Dann konnte ein solcher Geheimdienst überhaupt nur mit Wissen und Wollen oder auf direkter Veranlassung irgendeiner Besatzungsmacht gegründet werden.
Diese Tatsache allein, die vollkommen verständlich sein muss, jedem einzelnen, zeigt schon, dass eine Besatzungsmacht die Organisation Gehlen - ähm - unterstützt haben muss seit ihrer Gründung. Die Gründung der Organisation Gehlen und der Aufbau vollzogen sich in Bayern. Nun, Bayern ist und war amerikanisches Besatzungsgebiet, und somit ist also der Amerikaner - äh - nun sagen wir, zunächst einmal der Taufpate der Organisation Gehlen gewesen, um es so auszudrücken.
Ein weiterer Punkt, der - äh - die ganze amerikanische Abhängigkeit noch besser kennzeichnet, ist die Finanzierung. Nun, eine solche Organisation wie sie - äh - der Geheimdienst Gehlen darstellt in seinem Umfang und seiner Größe, verschlingt praktisch monatlich Millionensummen. In den ersten Jahren zumindestens und auch auf die jetzige Zeit hineingehend, konnte weder irgendeine westdeutsche Behörde, noch vielleicht die westdeutsche Industrie diese Gelder aufbringen. Innerhalb - äh - der leitenden Mitarbeiter der Organisation Gehlen, mit denen ich ja sehr oft sprechen konnte, ist diese finanzielle Abhängigkeit von den Amerikanern einfach eine Selbstverständlichkeit. Auf direktes Befragen meinerseits wurde mir das mehrfach - äh - fast verwundert, bestätigt, dass ich das überhaupt fragte.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und ganz offen zugegeben?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ganz offen zugegeben!
Und noch im Jahre 1952, und zwar im Juli, als ich zu einer Besprechung bei der Generalvertretung in Karlsruhe war, sagte mir der Chef dieser Generalvertretung, ein gewisser Bentzinger oder mit Decknamen Leidl, dass er in den nächsten Tagen - äh - die Amerikaner zu einer eingehenden Etatbesprechung erwartet. Das Kennzeichen ist jawohl dann ganz klar.
Ein weiterer Punkt ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Vielleicht zur Frage der Finanzierung eines noch. Meinen Sie, dass die Finanzierung ausschließlich von Amerika erfolgt ist oder dass Sie ...?
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein. Mir ist bekannt, dass geringe Mittel auch von westdeutscher Seite, und zwar von Wirtschafts- und Regierungsstellen gegeben werden.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Dass teilweise auch Mittel von der Wirtschaft und Regierungsstellen in Westdeutschland kommen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Westdeutschland, aber die Mittel sind ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Aber die Hauptmittel [unverständlich] stammen aus ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Aber man kann sagen, dass 99 Prozent aus amerikanischer und nur ein Prozent aus westdeutscher Quelle.
Ein weiterer Punkt kann die Sache noch bekräftigen. Bei der Generaldirektion, das heißt bei der zentralen Leitstelle der Organisation Gehlen, sitzen die Verbindungsoffiziere der amerikanischen Nachrichtendienste. Diese Verbindungsoffiziere haben die Aufgabe, die gesamte nachrichtendienstliche Tätigkeit der Organisation Gehlen zu lenken und die Auswertung der - äh - erfolgten oder eingelaufenen Informationen aufzunehmen und dann für die Amerikaner weiter zu verwerten. Die Tätigkeit dieser Verbindungsoffiziere tritt natürlich - äh - offiziell bei den unterliegenden oder unterstehenden operativen Organen nicht in Erscheinung. Man kann sie erkennen - äh - zum Teil aus dem Schriftverkehr, der von den leitenden Dienststellen heruntergeht zu den unteren arbeitenden Organen. Es ist zum Beispiel üblich und wird grundsätzlich im Schriftverkehr durchgeführt, wenn der Amerikaner einen direkten Auftrag stellt, dass es dann heißt, wenn ein solches, solcher Auftrag an eine Untervertretung kommt: "Befreundete Seite bittet" oder "Befreundete Seite bittet, dass" oder "Befreundete Seite teilt mit, dass", wobei die befreundete Seite in Anführungsstrichen eben der Amerikaner ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass dem Hohen Gericht - äh - ein Schriftstück der Generalvertretung - äh - vorliegt - äh - woraus das zu erkennen ist.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun das haben uns auch die Angeklagten bestätigt, dass solche Anweisungen teilweise lauteten: "Befreundete Seite" und haben damit auch ihr Wissen davon bestätigt, dass damit die amerikanische Seite gemeint gewesen ist.
[Wolfgang Paul Höher:]
Weiter wird von den Amerikanern das gesamte technische Material, also die technischen Hilfsmittel für die nachrichtendienstliche Arbeit gestellt. Äh - ich verweise dabei nur auf Funkgeräte für Agentenfunker und für Führungsfunker. Weiter - äh - schaltet sich der Amerikaner in die Schulung ein. Im Allgemeinen wird die Schulung der Agenten und auch der Mitarbeiter durch die Organisation Gehlen selbst durchgeführt. Aber für ganz bestimmte auserwählte, zumeist leitende Mitarbeiter organisiert - äh - der Amerikaner sogenannte Studienreisen in die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Sinn und Zweck dieser Studienreisen ist, dass diese leitenden Mitarbeiter - äh - sowohl die Organisation, als auch die Arbeitsmethoden der FBI, also der amerikanischen Bundeskriminalpolizei, eingehend studieren und kennenlernen und nachher in die Praxis natürlich umsetzen sollen.
Weiter erkennt man den amerikanischen totalen Einfluss auf die Organisation Gehlen daraus, dass der amerikanische Geheimdienst Counter Intelligence Corps, also der CIC - äh - die sogenannte Schutzmacht für die an sich illegal arbeitenden - äh - Agenten und Mitarbeiter der Organisation Gehlen darstellt. Das heißt also, bei irgendwelchen Schwierigkeiten mit örtlichen Polizeibehörden oder sonstigen Dienststellen in Westdeutschland oder West-Berlin tritt grundsätzlich irgendein - äh - Offizier des CIC auf und - äh - bürgt für diese Leute der Organisation Gehlen, schützt sie also vor irgendwelchen Maßnahmen.
Weiter werden sämtliche Dienstreisen mit dem Flugzeug - äh - vor allem eben von Westdeutschland nach West-Berlin und von West-Berlin nach Westdeutschland auf sogenannten "travel order", das heißt Reisebefehle - äh - mit den Flugzeugen der amerikanischen - äh - Luft- - äh - flotte durchgeführt. Weiter werden auch bei Dienstreisen in Westdeutschland selbst auf der Eisenbahn Dienstreisebescheinigungen für die amerikanischen Besatzungsangehörigen benutzt und außerdem hat der Amerikaner eine Reihe von von ihm beschlagnahmten Häusern den leitenden Organen, wie der Generaldirektion, der Generalvertretung, zur Verfügung gestellt, die als sogenannte Gästehäuser fungieren, wo Agenten empfangen werden zu Aussprachen oder kurzen Schulungen und so weiter.
Diese Punkte zeigen, meiner Meinung nach ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Eine Frage noch dazu ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... Zeuge, wie ist das? Es werden doch auch, wir haben das aus den Beweisdokumenten gesehen, über jeden Agenten bestimmte Personalakten geführt.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, richtig.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wissen Sie, wo diese Personalakten letztlich aufbewahrt sind und bleiben?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja - äh - diese Personalakten sowohl der Mitarbeiter der Organisation Gehlen, als auch dieser Fragebogen, worin die Agenten erfasst sind mit ihren Verpflichtungen zusammen, werden in München aufbewahrt, und zwar unter direkter Bewachung von amerikanisch, von Amerikanern, von amerikanischen Dienststellen und, wie man mir auf Befragen mitteilte, zum Zwecke der Sicherheit.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Der Sicherheit. Nun Zeuge, dann schildern Sie uns etwas über die Struktur des Gehlen-Geheimdienstes!
[Wolfgang Paul Höher:]
Die - äh - Struktur des Gehlen-Geheimdienstes sieht, grob aufgerissen, ungefähr folgendermaßen aus:
Die zentrale Leitstelle des gesamten Geheimdienstes ist die sogenannte Generaldirektion, die im gesamten Schriftverkehr GD, also abgekürzt, genannt wird. Diese Generaldirektion - äh - gliedert sich zunächst einmal in die drei Hauptlinien entsprechend der Aufgliederung der früheren deutschen Abwehr, und zwar in die Linie I, das ist Spionage, und in die Linie II, das ist die Sabotage, und in Linie III, das ist die Abwehr.
Diese einzelnen Hauptlinien gliedern sich nun wieder in bestimmte Gruppen und Abteilungen, wo nun ganz bestimmte Sachgebiete bearbeitet werden, zum Beispiel innerhalb der Spionage - äh - die militärische Spionage, diese wieder untergegliedert in Heer, Luftwaffe und Marine und wieder untergegliedert nach den einzelnen Ländern entsprechend. Dann die Wirtschaftsspionage mit ihren Untergliederungen und die politische Spionage und so weiter.
Außer diesen Hauptlinien hat die Generaldirektion noch eine Anzahl von operativen und administrativen Abteilungen, wie zum Beispiel die Personalabteilung, die Schulungsabteilung, die - äh - Kurierabteilung, die - äh - ND-Kartei, das heißt die zentrale Nachrichtendienstkartei, dann - äh - die Funkzentrale, die Finanz- und Wirtschaftsabteilung und so weiter. Diese Generaldirektion ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Diese Unterteilung - äh - nach operativen Abteilungen, das ist noch innerhalb der Generaldirektion selbst?
[Wolfgang Paul Höher:]
Innerhalb der Generaldirektion selbst, ist ein sehr umfangreicher Apparat, der Generaldirektion. Der Generaldirektion unterstehen nun sogenannte Generalvertretungen, im Schriftverkehr GV genannt. Es gibt mehrere Generalvertretungen der Linie I, also der Spionage, und es gibt eine Generalvertretung der Linie III, der Abwehr. Diese ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Generalvertretung der Sabotage?
[Wolfgang Paul Höher:]
Gibt es nicht.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Gibt es nicht?
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Jedenfalls kennen Sie sie nicht.
[Wolfgang Paul Höher:]
Kenn ich nicht, jawoll, richtig. Ich hatte mich auch erkundigt damals und es wurde mir gesagt, sie gibt es nicht.
Die - äh - den Generalvertretungen unterstehen ihrerseits wieder entsprechende den Linien, also der Sabotage I und der Spionage III - äh - der der Spionage I, - Verzeihung - und Abwehr III unterstehen Bezirksvertretungen, die im Schriftverkehr BV genannt werden. Diese - äh - Bezirksvertretungen sind keine nun feststehenden und grundsätzlichen Einrichtungen, sondern sie werden je nach Bedarf eingerichtet oder wieder aufgelöst oder wieder neu eingerichtet.
Diesen Bezirksvertretungen unterstehen nun als unterste operative Organe der nachrichtendienstlichen Arbeit die Untervertretungen mit ihren Filialen. Die Untervertretungen mit ihren Filialen leiten nun entweder direkt oder über Gruppenleiter und Vertrauensmannführer ihre Agenten.
Diese hier aufgezeigte Gliederung der Organisation Gehlen - äh - ist nun kein - äh - unbedingt starres Schema. Es kommt ohne weiteres vor, dass sehr wichtige Agenten direkt von leitenden Führungsstellen, sagen wir der Generalvertretung, geführt werden. Auch sehr wichtige Untervertretungen werden direkt von den Generalvertretungen geführt, ohne dass sie irgendwie über Zwischendienststellen geleitet werden.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Auch von der Generaldirektion?
[Wolfgang Paul Höher:]
Zum Teil auch von der Generaldirektion.
Das wäre also die Gliederung. Nun aus meiner Arbeit ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Der Sitz der Generaldirektion?
[Wolfgang Paul Höher:]
Der Sitz der Generaldirektion ist in München und zwar in dem Vorort Pullach, in der Pullacher Straße. Und dieser ganze, dieses ganze Viertel dort ist das amerikanische Viertel, das heißt das von den Amerikanern besetzte Gebiet.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Erkennt man diese Generalvertretungen auch offen? Wie sind denn die bezeichnet? Also wie, wo ist deren Sitz und wie bezeichnen sich die?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, ich kann das vielleicht aus der Praxis erklären. Zunächst einmal grundsätzlich gesagt, sind sowohl die Generaldirektionen als auch die Generalvertretungen über die Bezirksvertretungen bis runter zur Untervertretung und Filialen abgetarnt. Das heißt also, sie treten natürlich nicht als Organisation Gehlen in Erscheinung, sondern sie sind wirtschaftlich abgetarnt durch Firmen und Industrieunternehmungen. Als praktisches Beispiel aus meiner Arbeit ist mir nun sehr gut die Generalvertretung III - äh - also Abwehr, in Karlsruhe bekannt. Diese Generalvertretung läuft unter der Firmenbezeichnung "Ernst Meissner und Co. Grob- und Feinkeramik". Der Chef dieser Generalvertretung ist ein gewisser Bentzinger, der unter dem Decknamen Leidl in der Organisation Gehlen sehr bekannt ist. Bentzinger war vor dem Kriege als Kaufmann in Frankreich tätig und war geheimer Mitarbeiter der ehemaligen deutschen Abwehr. Und während der Okkupation von Frankreich, während des Krieges also, hat Bentzinger in Paris eine Abwehrstelle geleitet. Der Vertreter von Bentzinger/ Leidl ist ein gewisser Hendrich, der gleichfalls früher Mitarbeiter der deutschen Abwehr war und bereits im Kriege mit Bentzinger zusammen arbeitete. Weiter sind in der Generalvertretung III ehemalige faschistische Offiziere tätig, wie Dr. Althaus, Friesen, Rischke, Wegner und Kugler.
Aus meiner Tätigkeit, gerade auf dem Abwehrgebiet in West-Berlin, habe ich sehr oft mit besonderen Vorkommnissen bei - äh - den Ier Vertretungen, also bei den Vertretungen der Spionage zu tun gehabt, vom Abwehrstandpunkt aus. Und so sind mir eine Reihe von Bezirksvertretungen und auch Untervertretungen der Linie I bekannt geworden. Unter anderem liegt eine Bezirksvertretung der Linie I unter der Deckbezeichnung der Firma Wachsmuth in Stuttgart. Und mit dem Kurier dieser Bezirksvertretung - äh - in West-Berlin habe ich selbst im März 1952 Verhandlungen führen müssen, und zwar ist das, war das ein gewisser Ostermann. Eine weitere Bezirksvertretung der Linie I Spionage ist mir in Hamburg bekannt, und zwar unter der Firmenbezeichnung Kühn. Und mit dem BV-Leiter, also mit dem Bezirksvertretungsleiter dieser - äh - Bezirksvertretung habe ich gleichfalls in Berlin zwei Besprechungen durchführen müssen und zwar im Juni 1952. Und zwar ist dieser Leiter war ein gewisser Helmers, der früher - äh - aktiver Mitarbeiter in der deutschen Abwehr war.
Diese Generalvertretungen und Bezirksvertretungen, die sich grundsätzlich in Westdeutschland befinden, haben nun in West-Berlin eine größere Anzahl von Untervertretungen und diese wieder ihre Filialen.
West-Berlin ist, wie auch bei den anderen Nachrichtendiensten, von der Organisation Gehlen, als besonders geeignet zum Eindringen in den Raum der DDR, äh ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Können Sie uns vielleicht zunächst einmal etwas über die Bezirksvertretungen der Abteilung III ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja es gibt - äh ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... sagen, die also der Generalvertretung in Karlsruhe unterstehen?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, richtig. Die Generalvertretung in Karlsruhe hat mehrere Bezirksvertretungen, und zwar sind mir welche bekannt in Hamburg, in Lübeck, in - äh - Düssel-, Dortmund und in - äh - in - äh - in - äh - Kassel.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
In Düsseldorf.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, in Düsseldorf. Verzeihung! In Düsseldorf und Kassel.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Düsseldorf und Kassel, Hamburg, Lübeck, Düsseldorf, Kassel, ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja. Vier, vier Bezirksvertretungen sind mir bekannt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Diese Bezirksvertretungen sind Ihnen bekannt innerhalb der Linie III.
[Wolfgang Paul Höher:]
Es sind mehr, das weiß ich, aber die Sitze kenne ich nicht.
Um auf die Untervertretungen in Berlin zurückzukommen, sind mir auch durch meine Tätigkeit eben mehrere solcher Untervertretungen bekannt geworden. So kenne ich einen Berger, der in Berlin-Neukölln in der Sonnenallee wohnt, früher Kriminalbeamter war und jetzt als Leiter einer Untervertretung in Berlin tätig ist. Mir ist auch aus dieser Untervertretung ein Vertrauensmannführer bekannt, der unter dem Decknamen Grimm - äh - in West-Berlin arbeitete. Eine weitere Untervertretung der Linie I wird von einem Thyssen, das ist ein Deckname allerdings, geleitet, der in Berlin-Neukölln wohnt. Der, er war früher Hauptmann innerhalb der Nachrichtentruppe des Heeres. Er, der Vertreter von Thyssen ist ein ehemaliger SS-Offizier Gröter. Und mir ist auch ein Vertrauensmannführer dieser - äh - Untervertretung der Spionage bekannt, und zwar ist das der ehemalige SS-Untersturmführer Schnuppe, der in Berlin-Wilmersdorf in der Pariser Straße wohnte, zu der damaligen Zeit.
Weiter sind mir Leiter von Untervertretungen bekannt. Es ist in Berlin-Wilmersdorf ein ge-, Koberling, der unter dem Decknamen Kuhn eine Untervertretung leitet. Und in Berlin-Charlottenburg ein Severin, der früher - äh - bei der sogenannten "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" ein Abteilungsleiter war und unter seinem damaligen Decknamen Seeberg recht bekannt ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
[unverständlich] recht bekannt ist.
[Wolfgang Paul Höher:]
... recht bekannt - in Anführungsstrichen , bitte - geworden ist.
Ein Agent des - äh - Koberlings ist mir bekannt, ein gewisser Esbach, der wohnt in Berlin-Reinickendorf. Und ein weiterer Vertrauensmann von Koberling ist der Angestellte des Landesamtes, des West-Berliner Landesamts für Verfassungsschutz Zabel. Dieser Zabel gibt militärische Informationen, die innerhalb, im Rahmen seiner Arbeit anfallen, an - äh - Koberling weiter. Ein V-Mannführer von Severin ist ein West-Berliner Student namens Fritz Schmidt, der in Berlin Zehlendorf-West wohnt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das ist im Wesentlichen, dass was Sie über die Struktur sagen können?
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein, es kommen noch andere Dinge hinzu, die zu erwähnt werden müssen.
In West-Berlin, und zwar in der, in Berlin-Dahlem in der Buggestraße, gibt es ein Büro, das unter der nun Tarnbezeichnung "Werbezentrale Berlin" läuft und dieses Büro ist tatsächlich die zentrale Meldestelle und Kurierstelle für die gesamten in West-Berlin arbeitenden Organisation - äh - Gruppen der Organisation Gehlen. Diese Werbezen-, - äh - Meldezentrale, wie man sie innerdienstlich nennt, wird von dem ehemaligen deutschen General Kleikamp - äh - geleitet, und zwar unter dem Decknamen Kleiber. Kleikamp, General Kleikamp war der Personalchef des ehemaligen deutschen Generalstabes. Das ist im Großen und Ganzen ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... im Wesentlichen das, ...
[Wolfgang Paul Höher:]
... im Wesentlichen das, was ich zur der ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... Struktur ...
[Wolfgang Paul Höher:]
... Struktur ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... der Gehlen-Organisation zu sagen habe ...
[Wolfgang Paul Höher:]
... zu sagen habe.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Aus Ihrer Kenntnis?
[Wolfgang Paul Höher:]
Aus meiner Kenntnis heraus.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was ist denn der Schwerpunkt, das Ziel der Organisation Gehlen, Zeuge Höher, der Schwerpunkt der Tätigkeit?
[Wolfgang Paul Höher:]
Der Schwerpunkt der gesamten nachrichtlichen Tätigkeit der Organisation Gehlen ruht in der Spionage und überhaupt in der gesamten nachrichtendienstlichen Arbeit und Zersetzungsarbeit gegenüber oder gegen die Deutsche Demokratische Republik.
Zu diesem Zweck werden Agentennetze - äh - auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik aufgezogen, durch die nun Informationen aus praktisch allen öffentlichen und privaten Gebieten - äh - der Deutschen Demokratischen Republik gesammelt werden. Das heißt also - äh - man sammelt die Informationen aus den gesellschaftlichen und staatlichen Organisationen. Man geht also in die Regierung, in die Parteien, in die Wirtschaft, in die Industrie, man interessiert sich für die - äh, ähm - Produktionspläne, für den Produktionsaustausch, -ausstoß. Man geht in die demokratischen Massenorganisationen. Man - äh - geht sogar so, man interessiert sich natürlich für die kasernierte Volkspolizei ganz besonders, für ihre Standorte, für ihre - äh - Ausrüstung für ihre militärische Ausbildung, Bewaffnung und so weiter. Und man interessiert sich bis hinein ins Kleinste, das heißt bis in die Stimmung und die politische Meinung der Bevölkerung, um zu sehen, wie die gesamte politische Situation überhaupt aussieht. Äh - was natürlich im Zusammenhang mit den Maßnahmen, die man weiter ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Um dem entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können.
[Wolfgang Paul Höher:]
... um dementsprechende Maßnahmen ergreifen zu können, entweder auf dem Gebiete der Weiterführung der Spionage, der Zersetzung und eventuell auch der Sabotage.
Diese Schwerpunkttätigkeit gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik ist natürlich nicht die gesamte Arbeit der Organisation Gehlen.
Die nachrichtendienstliche Tätigkeit richtet sich weiter gegen die Sowjetunion und die Volksdemokratien. Speziell werden die Agenten, vor allen Dingen auf dem Gebiete der Spionage, gegen die Besatzungstruppen, die sowjetischen Besatzungstruppen, in Deutschland angesetzt. Sie sammeln Informationen über die Stärke dieser Truppen, ihre Bewaffnung, Ausrüstung und so weiter, über die Flugplätze, über Truppenübungsplätze, Versorgungslager, nun und Kraftfahrzeugnummern, Feldpostnummern und so weiter.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das ist uns durch die Vernehmung der Angeklagten schön hinreichend bekannt geworden.
[Wolfgang Paul Höher:]
Äh - besonderes Gewicht legt man in der Organisation Gehlen auf die nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Nachbarstaaten. Das heißt also gegen die - äh - Volksrepublik Polen und gegen die Tschechoslowakische Republik. Mir sind in diesem Zusammenhang bekannt, dass bereits im Juli 1951 ein polnischer Staatsbürger Holitscheck durch die Generalvertretung III nach Polen geschickt wurde - äh - mit dem Auftrag, dort Spionage zu treiben und vor allem mit den nationalistischen Untergrundbewegungen in Polen - äh - Verbindung aufzunehmen.
Um nun die gesamte nachrichtendienstliche Tätigkeit der Organisation Gehlen ganz aufzuzeigen, muss auch auf - äh - das Verhältnis der Organisation Gehlen zu den westlichen Nachbarn eingegangen werden.
Die Organisation Gehlen betreibt ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit nicht nur mit Schwerpunkt gegen die DDR und mit und gegen die Volksdemokratien und auch gegen die Sowjetunion, sondern auch gegen ihre westlichen Nachbarn und zwar ganz speziell gegen Frankreich.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ganz speziell gegen Frankreich?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ganz speziell gegen Frankreich.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Darüber wissen Sie - äh ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Darüber weiß ich Bescheid ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... Positives zu sagen, ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
... und ich werde auch einige Beispiele anführen, die das - äh - aufzeigen.
Es ist bekannt, dass eine der kritischsten Fragen zwischen Deutschland und Frankreich die Saar-Frage ist. Und selbstverständlich steht auch die 0rganisation Gehlen der Lösung dieses Saar-Problems nicht teilnahmslos gegenüber. So hat der Gehlen-Geheimdienst im Saargebiet eine starke - äh - Nachrichtenleitstelle mit einem weitverzweigten Agentennetz. Man will durch dieses Agentennetz die Absichten der französischen Behörden und sonstigen Dienststellen in, hinsichtlich der Saarfrage erkunden. Und gleichzeitig hat man die Absicht, durch diese geworbenen Agenten in die französischen und profranzösischen Kräfte einzudringen, sie zu zersetzen und im Endeffekt das gesamte Saar-Problem positiv für Westdeutschland zu entscheiden.
Aus - äh - persönlichen Unterredungen, Anweisungen und auch schriftlichen Anweisungen, die ich - äh - von der Generalvertretung III in Karlsruhe und speziell von dem Chef der Generalvertretung ebend Bentzinger/ Leidl erhalten habe, wird diese, kann ich dieser - äh, äh - Arbeit gegen Frank-, nachrichtendienstliche Arbeit gegen Frankreich bestätigen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja, geben Sie uns darüber Auskunft.
[Wolfgang Paul Höher:]
Mir ist also, zum Beispiel, erhielt ich Ende 1951 im Rahmen meiner Abwehrarbeit in West-Berlin, Informationen dahingehend, dass man seitens der - äh - Französischen Hohen Kommission die Absicht hatte, mit Regierungsstellen der Deutschen Demokratischen Republik in Verbindung zu treten und zwar mit der Absicht eine Aussprache oder einen Meinungsaustausch hinsichtlich der deutschen Frage durchzuführen. lch habe damals Maßnahmen ergriffen, um auf in dieser Richtung weitere Informationen zu bekommen. lch konnte feststellen, dass mit dieser Fühlungnahme der in West-Berlin bei der dortigen Militär- - äh - französischen Militärbehörde akkreditierte Korrespondenten der "Le Monde", Pochinier [gemeint ist: Georges Penchenier], beauftragt wurde. Und zwar handelte Pochinier [gemeint ist: Georges Penchenier] im Auftrage des politischen Beraters bei der französischen Hohen Kommission, de Noblet [gemeint ist: Jean de Noblet d'Anglure]. Die Organisation Gehlen interessierte sich natürlich brennend dafür, welche Absichten de Noblet [gemeint ist: Jean de Noblet d'Anglure] verfolgte und zwar gerade in seiner, in dessen Eigenschaft als Vertreter der französischen regierenden Kreise.
An Pochinier [gemeint ist: Georges Penchenier] war ein Agent namens Hermann Hüttmann herangespielt und so konnte die Tätigkeit von Pochinier [gemeint ist: Georges Penchenier] überwacht werden und die Ergebnisse - äh - dieser Erkundungen wurden der Generalvertretung III nach Karlsruhe gemeldet, wo man diesen Dingen außerordentliche Bedeutung beimisste - äh - beimaß und auch bei der Generalvertretung, bei der Generaldirektion.
Im Juli 1952, bei Besprechungen in Karlsruhe, wurde ich persönlich durch den Chef Bentzinger/Leidl darauf hingewiesen, dass diese abwehrmäßige Tätigkeit gegen bestimmte Vertreter der französischen Hohen Kommission intensiv-, intensiviert werden muss, da die Organisation Gehlen unter allen Umständen über die Maßnahmen der Franzosen hinsichtlich der deutschen Frage ins Bild gesetzt sein wollte.
Äh - in diesem Zusammenhang verweise ich darauf, dass bei mir die Durchschrift eines Berichtes abgenommen wurde, - äh - den ich im Februar 1953 an die Generalvertretung nach Karlsruhe geschickt habe. Diese, dieser Bericht, den ich damals schickte, stellt eine Antwort dar auf eine Anweisung - äh - der - äh - Generalvertretung III in Karlsruhe und zwar unter der Nummer 7054 vom 18. Dezember 1952 und zwar in der Richtung, dass - äh - abwehrmäßige Tätigkeit gegen bestimmte französische Vertreter in West-Berlin durchgeführt werden sollen und zwar speziell gegen den Vertreter der Agence France Presse, Ravoux und dessen Verbindungen.
Dieser Bericht stellte nun das Ergebnis dieser Überprüfungen dar, die über Ravoux und seine Verbindungen angestellt worden sind. Und zu den Verbindungen zu Ravoux gehörten unter anderem ein Hartenstein und de Noblet [gemeint ist: Jean de Noblet d'Anglure], Lemau, Pochinier [gemeint ist: Georges Penchenier] und Andere, die mir jetzt im Moment nicht mehr einfallen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das ist die Tätigkeit des Geheimdienstes Gehlen gegen Frankreich, im Wesentlichen, ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja , das ist im Wesentlichen, ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Oder haben Sie noch weitere Ausführungen zu machen?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, wenn es interessiert, könnte ich noch ausführen, dass an dieser Arbeit, abwehrmäßigen Arbeit unter anderem der, und zwar als Vertrauensmann der Organisation Gehlen, der Hauptredakteur der West-Berliner Zeitung Telegraf, Werner Nieke mitgearbeitet hat und zwar unter dem Decknamen Neuland.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... auch schon in anderen Prozessen vorm oberen Gericht kennengelernt.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
[unverständlich] eingesetzt war.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, unter anderem.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie haben dann vorhin davon gesprochen, Zeuge Höher, dass die Spionage unterteilt war.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Militärspionage, Wirtschaftsspionage, können Sie auch über die Tätigkeit der Gehlen-Organisation auf wirtschaftlichem spionagemäßigen Gebiete etwas sagen?
[Wolfgang Paul Höher:]
Jawohl. Die bis jetzt von mir aufgezeigte Tätigkeit ist noch nicht völlig erschöpft. Es muss noch erwähnt werden, dass ein sehr starkes Gewicht innerhalb der nachrichtendienstlichen Arbeit der Organisation Gehlen gegen, ja muss man so sagen, die wirtschaftliche Verbindung - äh - Westdeutschlands zur Deutschen Demokratischen Republik gerichtet ist. Und zwar ist es die Absicht dieser nachrichtendienstlichen Tätigkeit, das von den Amerikanern befohlene Embargo - äh - voll und ganz - äh - durchzuführen. Diese wirtschaftliche Aufklärungsarbeit, nachrichtendienstliche Spionage- und auch Abwehrarbeit richtet sich speziell gegen solche Firmen und Handelsvertretungen, die in Westdeutschland und West-Berlin in direkten Handelsbeziehungen zur Deutschen Demokratischen Republik stehen beziehungsweise in Handelsbeziehungen kommen wollen. Diese Firmen wurden eingehend ermittelt und natürlich durch andere Verbindungen zu Vertrauensleuten in Regierungsstellen und diesen - äh - Firmen die erdenklichsten Schwierigkeiten gemacht.
Das wäre so im Großen, alles was ich zu der Tätigkeit zu sagen habe.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun können Sie uns auch etwas über die Arbeitsweise der Organisation Gehlen sagen, Zeuge Höher?
[Wolfgang Paul Höher:]
Sie meinen ...?
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Welche Methoden ...
[Wolfgang Paul Höher:]
... die Arbeitsmethoden und so weiter?
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... die Agentenwerbung und dergleichen, in welcher Form man vorging und so weiter?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja.
Es ist für die Arbeit jedes Nachrichtendienstes von besonderer Wichtigkeit, dass man Agenten hat und zwar, und Arbeitsbereiche für diese Agenten. Das ist eine Selbstverständlichkeit. So legt auch die Organisation Gehlen einen ganz besonderen Wert auf die Werbung von Agenten. Und diese Agentenwerbung wird mit allen Mitteln der nachrichtendienstlichen Tarnung durchgeführt. So hat - äh - zum Beispiel jeder Agent und jeder Vertrauensmann, jeder Vertrauensmannsführer und jeder hauptamtliche Mitarbeiter neben seiner nachrichtendienstlichen Tätigkeit den allgemeinen Auftrag, ständig sein Augenmerk darauf zu richten, wo irgendeine Person - äh - aufgrund seiner gegnerischen politischen Einstellung zur herrschenden gesellschaftlichen Ordnung oder aus irgendwelchen anderen Gründen zu einer Agententätig- oder für eine Agententätigkeit Anfälligkeit zeigt. Und dieses Herumtasten durch persönliche Unterhaltung, durch Briefverkehr und durch Herumhören nennt man mit einem nachrichtendienstlichen fachmännischen Ausdruck Tippen.
Wird nun oder ist eine solcher Person oder Hinweis auf solche Person, ein solcher Tipp, als wertvoll erkannt, so wird gegen diese betreffende Person eine eingehende Forschung angesetzt. Unter Forschung versteht man nun Folgendes: Diese Person wird hinsichtlich seines privaten Lebens, hinsichtlich - äh - seiner beruflichen Tätigkeit, hinsichtlich seiner politischen-weltanschaulichen Einstellung, im Hinblick auf - äh - seine, auf die Möglichkeit, nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu gewinnen und auch auf seine persönlichen charakterlichen Stärken und Schwächen genauestens überprüft.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Macht das auch der Tipper?
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein, das macht nicht der Tipper, sondern das macht ein speziell dafür eingesetzter Forscher. Das ist ein Agent, der eben als Forscher tätig ist oder für diesen Auftrag eben Forschertätigkeit zugewiesen bekommt.
Diese, über diese ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Also der Tipper weiß praktisch nicht mehr, was dann auf Grund seines Tipps geschieht?
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein, das weiß er nicht.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die weitere Bearbeitung des Getippten, die übernimmt ein anderer Agent.
[Wolfgang Paul Höher:]
Übernimmt ein anderer, wenn es fachmännisch durchgeführt wird, was natürlich nicht in allen Fällen geschieht.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
So soll es nach den Weisungen der Gehlen-Organisation geschehen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Geschehen, ja.
Die, von dieser Tätigkeit, also des Auswählens und Überprüfens weiß dieses, ich möchte es mal so ausdrücken, Opfer, zunächst einmal gar nichts. Hat nun die Forschung ergeben, dass - äh - tatsächlich diese ausgesuchte Person gute nachrichtendienstliche Erkenntnisse bringen könnte und hat eine Personalanfrage bei der Generaldirektion ergeben, dass gegen diese Person vom nachrichtendienstlichen Standpunkt nichts einzuwenden ist, wird die sogenannte Ansprache organisiert. Diese Ansprache ist in der gesamten Werbeaktion der kritischste Moment. Darum wird diese Ansprache nun auch - äh - unter genauer Berücksichtigung der persönlichen Lebensgewohnheiten des Kandidaten, um es einmal so auszudrücken und überhaupt nach allen Verhältnissen örtlich und zeitlich genauestens festgelegt.
Der Sinn dieser Ansprache ist es, jetzt durch persönliche Unterhaltung festzustellen, ob bei dieser Person eine innere Bereitschaft zur Agententätigkeit vorliegt.
Die Unterhaltung oder mehrere Unterhaltungen, die mit dieser Person jetzt geführt werden, meistens auch durch den Forscher noch durchgeführt, brauchen bei weitem nicht immer bereits einen absolut nachrichtendienstlichen Charakter zu tragen. Es kommt also vor, und wenn es richtig durchgeführt, soll es so auch sein, dass diese Person noch gar nicht sicher weiß, dass er Agententätigkeit ausführen soll. Es soll also nur die Bereitschaft erkundet werden.
Hat nun die Forschung ergeben, dass dieser Mann zur Agententätigkeit Bereitschaft zeigt, dann wird die Werbung selbst durchgeführt. Auch die Werbung wird natürlich nun entsprechend - äh - der Zeit und des Ortes und der dementsprechenden - äh - unbedingt notwendigen Abtarnung durchgeführt.
Für diese Werbung von Agenten benutzt die Organisation Gehlen, und zwar speziell in West-Berlin, sogar offizielle Dienststellen und Organisationen, in West-Berlin. So zum Beispiel die Bundesnotaufnahme, das heißt also diejenige Dienststelle, wo die gesamten Flüchtlingsfragen bearbeitet werden und die sogenannten politischen Flüchtlinge, anerkannt werden oder aberkannt werden, dann die Flüchtlingslager in West-Berlin, die Heimatvertriebenenverbände und auch ganz bestimmte Dienststellen innerhalb der West-Berliner Kriminalpolizei wie zum Beispiel die Abteilung 51S5, das ist die politische Polizei und die Abteilung 51S4, das ist die Abteilung im West-Berliner Polizeipräsidium, die die Vernehmung geflüchteter Volkspolizisten durchführt.
Innerhalb dieser Organisation und auch noch anderer hat die Organisation Gehlen sich Vertrauensleute geschaffen, die nun ihr Augenmerk darauf richten, wo irgendeine eine, die Dienststelle anlaufende Person selbst zur Agententätigkeit geeignet ist, beziehungsweise Tipps und Hinweise auf Agenten, auf andere Agenten geben kann, die dann geworben werden können. Mir ist zum Beispiel bekannt ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Auch die Paket-Aktion ist doch für diese Zwecke ausgenutzt worden, wie?
[Wolfgang Paul Höher:]
Das ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das wissen Sie nicht.
[Wolfgang Paul Höher:]
Das weiß ich nicht, aber sehr wahrscheinlich.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun das haben wir auch festzustellen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Mir ist zum Beispiel in diesem Zusammenhang bekannt, dass der Kriminalbeamte Klank in West-Berlin unter der Decknummer V3001 - äh - Agent von Gehlen ist, und ein anderer Kriminalbeamter Schiebel unter dem Decknamen Scheuer und ein weiterer Kriminalbeamter Heinke und der Decknummer 2995 auch Agenten - äh - Vertrauensleute von Gehlen sind, die auf diesem Gebiet eben arbeiten.
Die ist nun ein ... Die, der, der Personenkreis, an den man sich nun hier bei dieser Werbung wendet, ist zunächst einmal unbeschränkt, das ist klar. Das heißt es ist praktisch jeder nach Ansicht des Gehlen Geheimdienstes für ein Agenten ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ist bei jedem möglich gewesen.
[Wolfgang Paul Höher:]
... zu einem Agenten geworben zu werden.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Zumindestens zu werben.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ganz besonders wendet man sich natürlich an solche Personen, die auf Grund ihrer reaktionären oder nationalistisch-chauvinistischen oder militaristischen-faschistischen Einstellung oder Vergangenheit ganz besonders für eine Agententätigkeit geeignet erscheinen.
Man wendet sich aber auch an - äh - und zwar speziell in der Deutschen Demokratischen Republik und in den Volksdemokratien an Mitglieder von Arbeiterparteien, und zwar solche Mitglieder, die aufgrund ihrer sozialdemokratisch-reformistischen Einstellung - äh - bekannt sind, und an solche Personen, die aufgrund ihrer trotzkistischen Einstellung als - äh - oder für eine Werbung als besonders geeignet erscheinen. Für die Spio- ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
An solchen Personen hat man besonderes Interesse?
[Wolfgang Paul Höher:]
Hat man besonderes Interesse, natürlich, weil die Arbeiterparteien in den ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die sich dann leicht für Spionagetätigkeit gewinnen lassen und man dann Eingedrungen ist in diese ...
[Wolfgang Paul Höher:]
... in diese ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... wichtigen ...
[Wolfgang Paul Höher:]
... wichtigen [unverständlich] und so weiter.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... Organisationen, um darüber umfassend Einblick zu gewinnen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja. Richtig.
Für Spionage- und speziell für Sabotageaufgaben - äh - wendet man sich zur Werbung auch an asoziale und kriminelle Elemente. Wenn es - äh - der Organisation Gehlen bisher gelungen ist, innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik einige Erfolge in der Agentenwerbung zu erzielen, so ist das ganz speziell darauf zurückzuführen, dass die Organisation Gehlen, sie nennt sich ja auch "Westdeutscher Nachrichtendienst”, eine nationale Tarnung, und zwar eine vollkommene nationale Tarnung, gegenüber ihren Agenten aufrecht erhält oder aufrecht ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Gegenüber den Mitarbeitern ist man ja dann nicht so empfindlich und so weitgehend in der Tarnung?
[Wolfgang Paul Höhe:]
Man tut es natürlich auch, bis der Mitarbeiter selbst eines Tages ebend ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Bis es sich nicht verhindern lässt, nich.
[Wolfgang Paul Höher:]
... den Pferdefuß sieht, nicht wahr, und dann muss man ihn schon dementsprechend aufklären.
Man spekuliert also ganz bewusst mit dem Patriotismus. Und - äh - das ist eine ganz besondere Irreführung des deutschen Menschen. Denn es ist ja aus meinen bisherigen Aussagen offensichtlich, dass die Organisation Gehlen amerikanische Befehle ausführt und somit ja praktisch antinational ist.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das kann man wohl sagen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Äh - bei, unter dieser Tarnung des Patriotismus und des Nationalgefühls wendet man sich in der Agentenwerbung sehr gern an die Umsiedler. Hier nutzt man die an sich selbstverständliche und natürliche Liebe zur alten Heimat aus, um bei diesen Menschen chauvinistische und Revanchegedanken zu erzeugen. Und indem man den Leuten eine eventuelle Rückkehr in ihre alte Heimat verspricht - äh - treibt man sie zur Agententätigkeit.
Weiter wird für die Anwerbung - äh - von - äh - solchen Agenten auch, - äh - wird die festgestellte wirtschaftliche Notlage benutzt, wo man durch entsprechende Geldangebote den Agenten sich erkauft. Es werden - äh - zwar selten - äh - aber auch folgende Methoden benutzt, dass man bei Personen, wo man charakterliche Schwächen und moralische Mängel feststellt, diese ausgewertet und die Leute mit Geldangeboten - äh - füttert, beziehungsweise einen moralischen Druck ausübt und die Leute praktisch zur Agententätigkeit zwingt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
In Geldangeboten ist man nicht sehr kleinlich, nich?
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein, da ist man nicht kleinlich, in Geldangeboten.
Weiter - äh - möchte ich noch darauf hinweisen, dass für die Werbeaktion, das heißt vor allem für das Tippen und Forschen, die verwandtschaftlichen Verhältnisse zwischen Familien, die zum Teil in Westdeutschland und zum Teil in der Deutschen Demokratischen Republik wohnen, ganz besonders gern ausgewertet werden und ausgenutzt werden.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Welche Methoden werden denn nun angewandt, Zeuge Höher, für eine Agentenwerbung, für eine Spionagetätigkeit, die die Deutsche Demokratische Republik hinaus in die Volksdemokratien gehen soll?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, selbstverständlich legt die Organisation Gehlen im Rahmen ihrer ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das sagten Sie schon, dass das also auch ...
[Wolfgang Paul Höher:]
... gesamten Tätigkeit Wert darauf, dass man also hineindringt, hinein zu dringen versucht in die Volksdemokratien.
Nun man wendet sich hier an einen ganz bestimmten Personenkreis, und zwar an jene Personen in der Deutschen Demokratischen Republik, die aufgrund ihrer - äh - beruflichen Tätigkeit Auslandsreisen unternehmen. Das sind zum Beispiel Vertreter der Wirtschaft und der Industrie oder Ingenieure und Fachleute, die in das Ausland arbeitsmäßig sich verpflichten, oder auch kulturelle Institutionen, die auf Gastspielreisen ins Ausland fahren. Hierüber liegt dem Hohen Gericht, glaube ich, auch eine, ein Dokument in dieser Hinsicht vor.
Wenn nun ein solcher Agent, der nun angeworben ist, wird im allgemeinen Quelle genannt, das heißt die Quelle aus der die Nachrichten sprudeln sollen. Die Quelle wird personell in einem sehr eingehenden Fragebogen erfasst. Und dieser Fragebogen wird der Generaldirektion zugeleitet und, wie ich vorhin schon einmal hinwies, nun unter amerikanische, sichere Bewachung gestellt.
Nach einer gewissen ... Diese Quelle erhält zur Sicherung ihrer eigenen Person, zur Abtarnung einen Decknamen. Nach einer bestimmten Zeit, zumeist nach einer dreimonatigen Probezeit, erhält dann dieser Agent eine Decknummer und zwar eine Nummer, die von der Generaldirektion zugeteilt wird.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wozu bekommt er die?
[Wolfgang Paul Höher:]
Äh - damit kein ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Welchen Zweck hat die Nummer?
[Wolfgang Paul Höher:]
... keine Person, kein Personenname überhaupt im Schriftverkehr und in seinen Meldungen und allem - äh - erscheint.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Auch der Deckname nicht mehr?
[Wolfgang Paul Höher:]
Auch der Deckname nicht mehr.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nur noch die Nummer.
[Wolfgang Paul Höher:]
Es erscheint nur noch die Nummer und damit also jede Personenenttarnung soll damit verhindert werden.
Die Abtarnung bestimmter Agenten, die ganz bestimmte Aufgaben durchführen müssen, ich denke hier zum Beispiel an Kuriere, die - äh - innerhalb der DDR reisen, wird durch die Ausgabe von Tarnpapieren, die werden durch die Ausgabe von Tarnpapieren ganz besonders abgetarnt. Tarnpapiere sind also Personalausweise, die auf einen falschen Namen ausgestellt worden sind. Und zumeist erhält also dieser Agent nicht nur einen gefälschten Personalausweis, sondern einen ganzen Satz von - äh ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Gefälschten Dokumenten.
[Wolfgang Paul Höher:]
... Tarnpapieren: Das heißt also falschen Briefverkehr auf diesen Tarnnamen und Versicherungskarten und Invalidenkarten ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Na, die müssen ja alle auf den gleichen Namen lauten.
[Wolfgang Paul Höher:]
Alles auf den gleichen Namen. Er hat immer gleich eine Brieftasche eben unter dem Namen Meier bei sich.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie nennt man diese Ausrüstung der Agenten?
[Wolfgang Paul Höher:]
Das nennt sich also Tarn-, Tarn-, Tarnpapiere.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja, unter welchem speziellen Ausdruck in der Spionagetätigkeit läuft das, organisatorisch? Unter G-Wesen? Wissen Sie nicht?
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein, unter G-Wesen nicht. Das nennt sich Tarnwesen. Dieses nennt sich Tarnwesen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Tarn-Wesen, ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja. Das sind die Tarnpapiere, das ist Tarnwesen. Das G-Wesen läuft zum Teil in andere Sachen hinein.
Das ist die absolute Abtarnung. Es müssen auch hier für extra Fragebogen ausgestellt werden für diese Person und geht alles zu den Personalakten.
Die, das wäre die Abtarnung der Quelle.
Die Schulung des nun neu geworbenen Agenten, um nun mal in der Reihenfolge zu bleiben, wie ich es hier aufgezeigt habe, erfolgt zumeist durch den Vertrauensmannführer oder durch einen Gruppenleiter und manchmal auch bei den Untervertretungen oder bei den Filialen in einem, in regelmäßigen Abständen. Diese Schulungen finden in West-Berlin statt und zwar in konspirativen Wohnungen oder - äh - unter Umständen auch in abgeschlossenen Gastzimmern irgendwelcher Hotels oder Gaststätten. Diese Schulung des Agenten ist an sich ist eine rein, eine einfache praktische Unterweisung in seiner Tätigkeit - äh - wie er sie ausüben soll, anhand der Aufträge, die er erhält. Es ist also keine umfassende nachrichtendienstliche Schulung, sondern nur hinsichtlich der bestimmten Aufgabe, die der Agent ebend ausführen soll.
Eine Schulung an der Nachrichtenschule der Organisation Gehlen erfolgt nur für V-Mann-, für Vertrauensmannführer, für Filialleiter und andere, für die offiziellen Mitarbeiter.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Hauptamtlichen Mitarbeiter.
[Wolfgang Paul Höher:]
Hauptamtlichen Mitarbeiter.
Eine ganz besondere, einer ganz besonderen Schulung unterliegen diejenigen Agenten, die als Funker ausgewählt worden sind. Ich komme darauf später noch zu sprechen, wenn ich über den Funk noch Einiges aussagen möchte.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Es gibt auch die Möglichkeit, Agenten abzuschalten?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, allerdings. Wenn ein Agent ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie geschieht denn das meist?
[Wolfgang Paul Höher:]
Wenn ein Agent die ihm gestellten nachrichtendienstlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, beziehungsweise wenn er enttarnt ist, das heißt also, man kennt ihn oder wenn vermutet wird, dass man ihn kennt, wird dieser Agent rücksichtslos kurz abgeschaltet. Das heißt also, man bricht jede Verbindung mit diesem Agenten ab. Und diese Abschaltung geschieht in sehr vielen Fällen zumeist so rücksichtslos, dass dieser Agent gar keine Möglichkeit mehr hat, sich noch mit den Stellen in Verbindung zu setzen, vielleicht um Rat oder irgendwelche Hilfe, sondern das man ihn einfach fallen lässt, trotzdem er lange genug gut genug war ebend, die Nachrichten und die Spionageerkenntnisse zusammenzutragen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Na, den Sitz der einzelnen Agenturen kennt er nicht.
[Wolfgang Paul Höher:]
Kennt er nicht, Ausschluss ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die Treffs wurden vorher vereinbart über Telefonbriefkästen oder tote Briefkästen. Man wusste also nichts davon, wo sie sitzen. Man konnte sich ja nur über diese Verbindungen treffen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Richtig.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wenn also abgeschaltet war und mal ließ ihn nicht mehr zu, dann bestand gar keine Möglichkeit für ihn mehr.
[Wolfgang Paul Höher:]
Keine Möglichkeit.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
So war das System durchgeführt ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Richtig, jawoll.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... in der, in der Tarnung, ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie funktionierte denn das Meldesystem?
[Wolfgang Paul Höher:]
Die Durchgabe der Aufklärungsberichte oder Informationen von der Quelle bis zur zentralen Auswertung oben bei der Generaldirektion - äh - wird durch ein tiefgegliedertes Meldesystem aufrecht erhalten. Zunächst einmal, grundsätzlich arbeitet der einzelne Agent, das heißt die Quelle nach dem Einser-System. Das bedeutet der Mann selbst arbeitet allein und kennt, oder sagen wir, soll grundsätzlich nur seinen nächsten Verbindungsmann kennen - äh - was auch in den meisten Fällen durchgeführt wird.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Darüber führt man genau Buch, wen er alles kennt?
[Wolfgang Paul Höher:]
Sehr richtig. Es gibt das WKW-System.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Im WKW-System, ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
Das sagt wer kennt wen und so weiter. Das wird sehr genau - äh - [unverständlich].
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und wo also zu viel Kenntnisse vorliegen, da - äh, äh ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Erfolgt eine Abschaltung.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... ist man leicht geneigt, abzuschalten?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja und zwar wird das meist grundsätzlich durchgeführt nach einer Abschaltung oder einer restlosen Umschaltung, nich?
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Also auch die Verschlechterung des WKW-Schemas kann dann zur Abschaltung eines Agenten führen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Kann zur Abschaltung führen, ohne weiteres oder zur Stilllegung, was ja auch manchmal durchgeführt wird.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ist eine mildere Form der Abschaltung, ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
Jawoll. Man legt ihn für eine geraume Zeit auf Eis.
Die, also die Weitergabe ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja.
[Wolfgang Paul Höher:]
... eines solchen Berichtes von der Quelle kann, - ich möchte die einzelnen Systeme aufzählen, wo es vielleicht am besten zu erkennen ist - kann nun dadurch erfolgen, dass dieser Agent nach West-Berlin fährt und sich dort mit seinem V-Mannführer trifft, entweder in einer konspirativen Wohnung, in einer Gaststätte oder an irgendeiner anderen Stelle und nun persönlich, direkt seinem V-Mannführer seine Informationen übergibt, mündlich, was meist erfolgen soll, oder schriftlich, - äh - wo er kleine Notizen gemacht hat unter bestimmten Sicherheitsmaßnahmen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Um ihn zu treffen, sind ja auch schon einige Vorbereitungen nötig?
[Wolfgang Paul Höher:]
Selbstverständlich.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Entweder Verabredung.
[Wolfgang Paul Höher:]
Die Treffs werden festgelegt, nicht wahr ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Festgelegt.
[Wolfgang Paul Höher:]
... oder es wird durch Telefonbriefkasten vereinbart oder durch andere Briefkästen, die eingerichtet sind, aber das ist schon wieder ein besonderes System.
Kann nun ein solcher - äh - Agent nicht nach West-Berlin kommen, so hat er, wenn eine direkte Verbindung bestehen bleiben soll zu seinem Vertrauensmannführer - äh - werden die sogenannte G-Tintenlinien eingeführt. Das heißt also es wird eine postalische Verbindung aufrechterhalten mit Geheimtinte. Äh - die Quelle schreibt also seine Berichte, äh, ihre Berichte auf einen - äh - Briefbogen mit Geheimtinte, die ja nicht zu lesen ist, und die nur durch eine ganz bestimmte chemische Substanz entwickelt werden kann, die sich bei der Untervertretungen befindet. Über diese unsichtbare Schrift schreibt er irgendeinen harmlosen Brieftext, meinetwegen einen Liebesbrief oder irgendetwas Ähnliches. Und - äh - es werden zur Beförderung dieser Post nun Deckadressen benutzt. Neben diesen direkten Verbindungen, die hier also bestehen, werden zur weiteren Sicherung Kurierwege dazwischen geschaltet. Es kann sein, dass also die Quelle auch nach West-Berlin fahren kann, dort aber die Informationen nicht an den V-Mannführer gibt, sondern an irgendeinen Briefkasten, wo man also sehr gern Postschließfächer benutzt oder so etwas Ähnliches. Kann er nicht nach Berlin kommen, dann hat er in dem Raum in der Deutschen Demokratischen Republik, oder wo es sonst, wo er sonst arbeitet, Briefkästen, zu denen er seine Informationen bringt, und von wo er auch seine Anweisungen abholt. Diese Briefkästen sind entweder tote Briefkästen, das heißt also irgendwelche Briefkästen, die an toten Gegenständen oder bei toten Gegenständen oder unter toten Gegenständen sich befinden oder es kann auch eine Person sein, also, und zwar in fast allen Fällen eine Person, die über den nachrichtendienstlichen Charakter der Post, die sie empfängt und die sie weitergibt ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nicht informiert ist.
[Wolfgang Paul Höher:]
... nicht informiert ist. Von diesen Briefkästen werden die Informationen durch Kuriere abgeholt und durch Kuriere dann zu den nächst höheren - äh, äh - Stellen weiterbefördert. Neben diesen angeführten - äh - Nachrichtenübermittlung von der Quelle aus gibt es nun noch die Funklinien - äh - die ja eine weitere Nachrichtenübermittlung gewährleisten.
Bei den nun unteren Arbeiten, untersten arbeitenden operativen Dienststellen der Organisation Gehlen, das heißt also bei den Untervertretungen und zum Teil auch bei ihren Filialen, werden jetzt diese einlaufenden Informationen zu, und zwar entsprechend den von der Generaldirektion genau vorgeschriebenen Meldeform - äh - aufgesetzt und weitergegeben. Die Weitergabe der Meldungen erfolgt wieder auf Kurierwegen. Die Post wird in Briefumschläge getan, die werden mehrfach versiegelt und werden an einen, an festgelegten Tagen von den Kurieren übergeben oder wieder an einen zwischen geschalteten Briefkasten abgegeben, wo sie vom Kurieren abgeholt werden und laufen in West-Berlin alle zentral zusammen, in dem bereits vorher von mir genannten zentralen Briefkasten, also bei der Meldezentrale, die von General Kleikamp geführt wird.
Es gibt nun einige Bezirksvertretungen, vor allem bei der Linie I innerhalb der Spionage, die über ein sehr großes Netz von Untervertretungen und Filialen in West-Berlin - äh - verfügen, die - äh - einen eigenen Meldekopf sich in West-Berlin einrichten. Da laufen nun zunächst einmal von dieser Bezirksvertretung von den einzelnen Untervertretungen in dem Meldekopf die Meldungen zusammen und dieser Meldekopf hat nun direkte Verbindung, Kurierverbindung zu der Meldezentrale in Berlin. Diese Meldezentrale - äh - untersteht entsprechend ihrer Wichtigkeit direkt der Generaldirektion und handelt auf Anweisung der Generaldirektion, also der Zentrale.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie befördert denn diese Meldezentrale ihre Post weiter ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... an die Direktion?
[Wolfgang Paul Höher:]
Diese Meldezentrale hat nun einen Verbindungsmann, und zwar einen Amerikaner bei der - äh - Military Post, also bei der amerikanischen Feldpolizei - äh - Feldpost, in West-Berlin. Dort wird die - äh - Post der einzelnen unteren Arbeitsorgane in amerikanische Postsäcke getan, versiegelt und geht jetzt auf dem Luftwege, das heißt mit amerikanischen Militärflugzeugen vom Flughafen, vom amerikanischen Flugplatz Tempelhof zum amerikanischen Flugplatz auf dem Rhein-Main-Flughafen bei Frankfurt am Main. Und von dort geht sie weiter wieder zu einer zentralen Meldestelle, von wo die Post aus dann an die einzelnen General-, - äh - Generalvertretungen und Bezirksvertretungen und auch an die Generaldirektion weitergeleitet wird. Eine solche Meldezentrale liegt - äh -ganz in der Nähe dieses Flugplatzes, in Neu-Isenburg, das drei Kilometer von dem amerikanischen Flugplatz entfernt ist.
Die Weitergabe der Arbeitsanweisungen und Direktiven von den zentralen Stellen über die unteren Stellen bis hinunter - äh - zu den Quellen erfolgt nun auf dem umgekehrten Wege, unter Ausnutzung der gleichen - äh - Verbindungen. Das wäre zu diesem - äh - Meldesystem.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie wollten uns noch einiges über die Funker sagen.
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja.
Neben diesem - äh - aufgebauten Agentennetz in der Deutschen Demokratischen Republik ist die Organisation Gehlen seit geraumer Zeit mit Nachdruck, - äh - arbeitet sie mit Nachdruck daran, überlagernd ein Funknetz einzurichten. Äh - die Aufgabe des Funknetzes ist es zunächst einmal, die Nachrichtenverbindungen von der Quelle zu den weiteren Stellen zusätzlich zu sichern und besser weitergeben zu können. Die Funker selbst werden in West-Berlin ausgebildet, und zwar in konspirativen Wohnungen, werden dann mit amerikanischen Funkgeräten ausgestattet und in die DDR wieder eingeschleust. Bei den Untervertretungen sitzen sogenannte Führungsfunker, die nu eine ganz besondere Ausbildung auf einer Funkschule in Westdeutschland erhalten und nun die Verantwortung für mehrere - äh - Agentenfunker tragen. Die Agentenfunker arbeiten in folgender, auf folgende Art und Weise: Sie erhalten durch Kuriere aus toten Briefkästen von Agenten Informationen, die sie nicht kennen. Also sie kennen die Agenten nicht, sondern geben nur ebend von meistens drei, vier oder fünf Agenten, die auf einen Agentenfunker angesetzt sind, durch einen toten Briefkasten die - äh - Meldungen durch den Äther weiter.
Nun - äh - ist es eine Tatsache, dass von den ausgebildeten und bereits eingesetzten Agentenfunkern nur ein ganz geringer Teil tatsächlich aktiv in Funkverbindung steht. Die meisten Agentenfunker funken nicht. Das geschieht nun nicht aus Arbeitsmangel oder deshalb, weil die Leute vielleicht keine Lust haben, sondern das geschieht auf eine ganz klare Anweisung und auf eine ganz bestimmte Maßnahme der Generaldirektion. Diese Agentenfunker haben Schweigeverbot, und zwar bis zu diesem Augenblick, den man bei der Organisation Gehlen den E-Fall nennt. E-Fall heißt Ernstfall. Und nach den ganz klaren Richtlinien dieser Richtung seitens der Generaldirektion bedeutet der E-Fall der Beginn des Krieges!
Es ist hieraus ganz klar zu sehen, dass die Organisation Gehlen alle Vorbereitungen treibt für einen Kriegsfall. Und etwas anderes zeigt diese Tatsache noch, dass nämlich durch das Einrichten eines so umfangreichen Agentenfunknetzes auf dem Boden der DDR die Organisation Gehlen genauso wie der Amerikaner fest davon überzeugt ist, dass ein Krieg auf deutschem Boden stattfinden wird.
Das wäre zu diesen Dingen, zu des Einsatzes der Funker zu sagen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja. Sind sicher noch Fragen an den Zeugen? Er hat uns geschildert über die Organisation, über den Aufbau, Struktur, Arbeitsmethoden.
Von mir aus sind Fragen nicht mehr an den Zeugen zu stellen. Haben sie noch ne Frage?
[Richterin Helene Kleine:]
Ja, noch eine Frage zu den, zu der Struktur. Sind die Untervertretungen ausschließlich in West-Berlin oder auch in ...?
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein, es gibt auch in Westdeutschland Untervertretungen, jawohl.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Wir haben festgestellt, dass es Untervertretungen gab, die in West-Berlin saßen und ab September verlegt worden sind nach West.
[Wolfgang Paul Höher:]
Das ist möglich, Herr Generalstaatsanwalt, das weiß ich nicht.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ist Ihnen etwas bekannt, Zeuge Höher, von dem Versuch, die Agententätigkeit auszudehnen auf China?
[Wolfgang Paul Höher:]
Ja, das ist mir bekannt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja. Was ist Ihnen darüber bekannt?
[Wolfgang Paul Höher:]
Und zwar im Rahmen dieser Methoden, die ich Ihnen nannte, wenn Handelsvertretungen der DDR ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das erstreckte sich also nicht nur auf die Volksdemokratien in Europa ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Nein. Ich habe hier also Volkschina miteingeschlossen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... und die Sowjetunion, sondern erstreckte sich auch auf Volkschina?
[Wolfgang Paul Höher:]
Jawohl, jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die Möglichkeit, durch Handelsvertreter, durch ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Es war, mir sind Anweisungen bekannt ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Künstler ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... Wissenschaftler, Ingenieure und so weiter ...
[Wolfgang Paul Höher:]
Wissenschaftler.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... die also rüber reisen um solche Verbindungen dann aufzunehmen, ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
Jawohl, jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Noch weitere Fragen an den Zeugen zu stellen?
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Sie kennen das Dokument, das beginnt: mit den Worten "Es ist von befreundeter Seite gelungen, eine Anzahl Originalpässe zu erwerben", ja?
[Wolfgang Paul Höher:]
Das ist ...
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Sie haben vorhin auf ein Dokument, das im Gericht vorliegt, hingewiesen zum Eingang in ihrer Vernehmung.
[Wolfgang Paul Höher:]
Dieses, dieses Dokument ist mir nicht bekannt.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Nicht bekannt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Noch Fragen an den Zeugen? Bestehen Bedenken gegen die Entlassung des Zeugen? Keine? Dann sind Sie damit entlassen. Sie können sich von der Gerichtsstelle entfernen.
Toter Briefkasten (TBK)
Tote Briefkästen sind ein Mittel im nachrichtendienstlichen Verbindungssystem, das dem MfS eine unpersönliche Verbindung zwischen IM und Kurier bzw. Führungsoffizier ermöglichte und vor allem im sog. Operationsgebiet zur Anwendung kam. Dabei handelte es sich um ein konspirativ angelegtes, gut getarntes Versteck, das zur Übermittlung von Mitteilungen, Materialien, Geld und Geräten diente.
Es gab TBK in Zügen, "Aufbewahrungsverstecke" und "Übergabeverstecke". Für jeden TBK waren "Sicherungszeichen" ("Entleerungs- und Belegungszeichen", "Vor- und Nachzeichen") anzubringen. Am TBK musste eine "Kontrollmaßnahme" festgelegt werden, aus der ersichtlich wurde, ob eine unbefugte Person am Versteck gewesen war. Von jedem TBK war eine Dokumentation anzulegen.
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Entführungen, also Verschleppungen im Sinne des Strafrechts (in den Akten auch Überführung ), waren bis in die 70er Jahre elementare Bestandteile in der Strategie und Taktik der DDR-Geheimpolizei.
In dem 1969 von der Juristischen Hochschule des MfS erarbeiteten "Wörterbuch der politisch-operativen Arbeit" wird das Delikt einer Entführung als "Erscheinungsform von Terrorverbrechen" definiert. "Sie ist das Verbringen von Menschen gegen ihren Willen unter Anwendung spezifischer Mittel und Methoden (Gewalt, Drohung, Täuschung, Narkotika, Rauschmittel u. a.) von ihrem ursprünglichen Aufenthaltsort in andere Orte, Staaten oder Gebiete." Unbeabsichtigt erfasst diese Definition exakt auch die Entführungen, die das MfS "im Operationsgebiet" verübt hat.
Entführungen entsprachen den Traditionen und Praktiken der sowjetischen "Tschekisten". Nicht zufällig haben Instrukteure und Agenten der KGB-Dependance in Ostberlin bis Mitte der 50er Jahre auch bei Entführungen aus Westberlin und Westdeutschland mit dem MfS eng kooperiert. Entführungen wurden in der Verantwortung jedes der drei Minister für Staatssicherheit durchgeführt, die die DDR unter der Diktatur der SED hatte. Weder Zaisser noch Mielke setzten sie allerdings so planmäßig und aggressiv ein wie Wollweber. Unter seiner Ägide fanden die meisten Entführungen statt – wenn auch unter Mielkes verantwortlicher Mitwirkung.
Die Zuständigkeit für Entführungsaktionen im Apparat der Staatssicherheit ist anhand interner Direktiven, Befehle und Maßnahmenpläne genau bestimmbar. Erstens waren sie stets Chefsache. Der Minister war jeweils in die Pläne zur Vorbereitung und Durchführung einer Verschleppung eingebunden. Die letzte Entscheidung lag bei ihm. Unmittelbar mit Entführungen befasst waren im MfS zweitens die Leiter verschiedener Hauptabteilungen, in deren Diensteinheiten operative Vorgänge zu entsprechenden Zielpersonen bearbeitet wurden. Das konnte die für Spionageabwehr zuständige Hauptabteilung II sein oder die seinerzeitige Hauptabteilung V (seit 1964 Hauptabteilung XX), der u. a. die Bekämpfung "politischer Untergrundarbeit" zugewiesen war. Überläufer aus den bewaffneten Organen wurden von Diensteinheiten der Hauptabteilung I – der sog. Militärabwehr – operativ bearbeitet. Sie alle verfügten zum Zweck grenzüberschreitender Aktionen über geeignete IM und spezielle Einsatzgruppen. Flankierende Hilfsdienste hatten die Hauptabteilung VIII zu leisten, die für Operative Ermittlungen und Festnahmen zuständig war, sowie die für Spionage und aktive Maßnahmen zuständige Hauptverwaltung A.
Die Gesamtzahl der vom MfS versuchten und vollendeten Entführungen ist nach empirischen Untersuchungen, die für die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit" durchgeführt wurden, auf maximal 700 zu veranschlagen. Die Historikerin Susanne Muhle beziffert sie für die Zeit zwischen 1950 und Mitte der 60er Jahre auf 400 bis 500. Exakte Angaben sind infolge der streng konspirativ abgeschirmten Vorgehensweise des MfS bei Entführungsaktionen nicht möglich. Sie sind im Grunde genommen auch irrelevant. Entscheidend ist, dass Entführungen im Apparat des MfS institutionell verankert waren.
Ganz im Sinne der MfS-spezifischen Definition sind generell drei taktische, manchmal kombinierte Entführungsvarianten zu unterscheiden: Verschleppungen unter Anwendung physischer Gewalt; Verschleppungen unter Anwendung von Betäubungsmitteln sowie Entführungen vermittelst arglistiger Täuschung.
Die Zielgruppen MfS-getätigter Entführungen lassen sich wie folgt umreißen: hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des MfS, die zu "Verrätern" geworden und "zum Klassenfeind übergelaufen" waren; Mitarbeiter westlicher Nachrichtendienste; Mitarbeiter der Ostbüros von SPD, CDU, LDP und DGB sowie der KgU und des UFJ in Westberlin; Überläufer aus der Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee; abtrünnige Genossen aus den Reihen der SED; regimekritische Journalisten und westliche Fluchthelfer speziell nach dem 13. August 1961.
Während MfS-extern Entführungen strengster Geheimhaltung unterlagen, wurden sie in den 50er Jahren MfS-intern in Befehlen bekannt gegeben, soweit es sich um "zurückgeholte" Überläufer gehandelt hatte. Potenzielle Nachahmer sollten abgeschreckt werden. Zum Beispiel hieß es in dem Stasi-Befehl 134/55 vom 7. Mai 1955, mit dem intern die Hinrichtung zweier "Verräter" zur Kenntnis gebracht wurde:"Wer aus unseren Reihen Verrat an der Partei, an der Arbeiterklasse und an der Sache des Sozialismus übt, hat die strengste Strafe verdient. Die Macht der Arbeiterklasse ist so groß und reicht so weit, dass jeder Verräter zurückgeholt wird oder ihn in seinem vermeintlich sicheren Versteck die gerechte Strafe ereilt." "Strengste Strafe" hieß unter Umständen Todesstrafe. In mindestens 20 Fällen ist sie gegen Entführungsopfer verhängt und vollstreckt worden. Zumeist wurden langjährige Freiheitsstrafen ausgesprochen. Nicht wenige Entführungsopfer sind in der Haft verstorben – in Einzelfällen durch Suizid.
Entführungen, also Verschleppungen im Sinne des Strafrechts (in den Akten auch Überführung ), waren bis in die 70er Jahre elementare Bestandteile in der Strategie und Taktik der DDR-Geheimpolizei.
In dem 1969 von der Juristischen Hochschule des MfS erarbeiteten "Wörterbuch der politisch-operativen Arbeit" wird das Delikt einer Entführung als "Erscheinungsform von Terrorverbrechen" definiert. "Sie ist das Verbringen von Menschen gegen ihren Willen unter Anwendung spezifischer Mittel und Methoden (Gewalt, Drohung, Täuschung, Narkotika, Rauschmittel u. a.) von ihrem ursprünglichen Aufenthaltsort in andere Orte, Staaten oder Gebiete." Unbeabsichtigt erfasst diese Definition exakt auch die Entführungen, die das MfS "im Operationsgebiet" verübt hat.
Entführungen entsprachen den Traditionen und Praktiken der sowjetischen "Tschekisten". Nicht zufällig haben Instrukteure und Agenten der KGB-Dependance in Ostberlin bis Mitte der 50er Jahre auch bei Entführungen aus Westberlin und Westdeutschland mit dem MfS eng kooperiert. Entführungen wurden in der Verantwortung jedes der drei Minister für Staatssicherheit durchgeführt, die die DDR unter der Diktatur der SED hatte. Weder Zaisser noch Mielke setzten sie allerdings so planmäßig und aggressiv ein wie Wollweber. Unter seiner Ägide fanden die meisten Entführungen statt – wenn auch unter Mielkes verantwortlicher Mitwirkung.
Die Zuständigkeit für Entführungsaktionen im Apparat der Staatssicherheit ist anhand interner Direktiven, Befehle und Maßnahmenpläne genau bestimmbar. Erstens waren sie stets Chefsache. Der Minister war jeweils in die Pläne zur Vorbereitung und Durchführung einer Verschleppung eingebunden. Die letzte Entscheidung lag bei ihm. Unmittelbar mit Entführungen befasst waren im MfS zweitens die Leiter verschiedener Hauptabteilungen, in deren Diensteinheiten operative Vorgänge zu entsprechenden Zielpersonen bearbeitet wurden. Das konnte die für Spionageabwehr zuständige Hauptabteilung II sein oder die seinerzeitige Hauptabteilung V (seit 1964 Hauptabteilung XX), der u. a. die Bekämpfung "politischer Untergrundarbeit" zugewiesen war. Überläufer aus den bewaffneten Organen wurden von Diensteinheiten der Hauptabteilung I – der sog. Militärabwehr – operativ bearbeitet. Sie alle verfügten zum Zweck grenzüberschreitender Aktionen über geeignete IM und spezielle Einsatzgruppen. Flankierende Hilfsdienste hatten die Hauptabteilung VIII zu leisten, die für Operative Ermittlungen und Festnahmen zuständig war, sowie die für Spionage und aktive Maßnahmen zuständige Hauptverwaltung A.
Die Gesamtzahl der vom MfS versuchten und vollendeten Entführungen ist nach empirischen Untersuchungen, die für die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit" durchgeführt wurden, auf maximal 700 zu veranschlagen. Die Historikerin Susanne Muhle beziffert sie für die Zeit zwischen 1950 und Mitte der 60er Jahre auf 400 bis 500. Exakte Angaben sind infolge der streng konspirativ abgeschirmten Vorgehensweise des MfS bei Entführungsaktionen nicht möglich. Sie sind im Grunde genommen auch irrelevant. Entscheidend ist, dass Entführungen im Apparat des MfS institutionell verankert waren.
Ganz im Sinne der MfS-spezifischen Definition sind generell drei taktische, manchmal kombinierte Entführungsvarianten zu unterscheiden: Verschleppungen unter Anwendung physischer Gewalt; Verschleppungen unter Anwendung von Betäubungsmitteln sowie Entführungen vermittelst arglistiger Täuschung.
Die Zielgruppen MfS-getätigter Entführungen lassen sich wie folgt umreißen: hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des MfS, die zu "Verrätern" geworden und "zum Klassenfeind übergelaufen" waren; Mitarbeiter westlicher Nachrichtendienste; Mitarbeiter der Ostbüros von SPD, CDU, LDP und DGB sowie der KgU und des UFJ in Westberlin; Überläufer aus der Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee; abtrünnige Genossen aus den Reihen der SED; regimekritische Journalisten und westliche Fluchthelfer speziell nach dem 13. August 1961.
Während MfS-extern Entführungen strengster Geheimhaltung unterlagen, wurden sie in den 50er Jahren MfS-intern in Befehlen bekannt gegeben, soweit es sich um "zurückgeholte" Überläufer gehandelt hatte. Potenzielle Nachahmer sollten abgeschreckt werden. Zum Beispiel hieß es in dem Stasi-Befehl 134/55 vom 7. Mai 1955, mit dem intern die Hinrichtung zweier "Verräter" zur Kenntnis gebracht wurde:"Wer aus unseren Reihen Verrat an der Partei, an der Arbeiterklasse und an der Sache des Sozialismus übt, hat die strengste Strafe verdient. Die Macht der Arbeiterklasse ist so groß und reicht so weit, dass jeder Verräter zurückgeholt wird oder ihn in seinem vermeintlich sicheren Versteck die gerechte Strafe ereilt." "Strengste Strafe" hieß unter Umständen Todesstrafe. In mindestens 20 Fällen ist sie gegen Entführungsopfer verhängt und vollstreckt worden. Zumeist wurden langjährige Freiheitsstrafen ausgesprochen. Nicht wenige Entführungsopfer sind in der Haft verstorben – in Einzelfällen durch Suizid.
Spionageabwehr beinhaltete nicht nur defensives Abwehren westlicher Spionage, sondern auch offensive Bekämpfung westlicher (zumeist bundesdeutscher) Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Das MfS fasste den Spionagebegriff sehr weit, so dass auch Angehörige oppositioneller Gruppen oder westliche Korrespondenten und Diplomaten regelmäßig im Visier der Spionageabwehr standen.
Das MfS unterschied drei Arten der Spionageabwehr. Die innere Spionageabwehr agierte innerhalb der DDR. Die äußere (auch: offensive) Spionageabwehr sollte bundesdeutsche Sicherheitsbehörden direkt bekämpfen, sich dabei aber auf deren Außenstellen und nachgeordnete Diensteinheiten konzentrieren. Die Gegenspionage hatte die Aufgabe, Spione in den Zentralen bundesdeutscher Sicherheitsbehörden zu platzieren, um die westliche Spionage gegen die DDR schon im Vorfeld zu paralysieren. In der Praxis waren die Grenzen zwischen äußerer Spionageabwehr, für die die Hauptabteilung II zuständig war, und der Gegenspionage, die Sache der Abt. IX der HV A war, fließend.
Die Spionageabwehr des MfS reagierte einerseits auf die tatsächliche Spionage gegen die DDR. Vor allem der BND und sein Vorgänger, die Organisation Gehlen, unterhielten in der DDR bis zum Mauerbau 1961 ein großes Agentennetz. In den Folgejahren brachen viele Kontakte westlicher Geheimdienste zu ihren Agenten in der DDR ab, auch enttarnte die Spionageabwehr viele von ihnen.
Der BND setzte daraufhin verstärkt Bundesbürger zur Informationsgewinnung ein, die als Besucher oder Transitreisende in der DDR unterwegs waren ("Reise- und Transitspione"). Seit den 70er Jahren versuchte der BND vor allem DDR-Bürger, die als Dienstreisende in den Westen kamen, als Agenten anzuwerben. Westliche Geheimdienste betrieben in der DDR schwerpunktmäßig Militärspionage.
Das MfS ging andererseits von der unzutreffenden Annahme aus, dass politisch widerständiges Verhalten von DDR-Bürgern zumeist von westlichen Geheimdiensten inspiriert würde (Diversion, politisch-ideologische), sodass die Bekämpfung politischer Gegner oft in den Bereich der Spionageabwehr fiel, ebenso wie die Überwachung westlicher Journalisten und Diplomaten. Aufgrund des weit gefassten Spionagebegriffs waren zahlreiche MfS-Abteilungen mit Spionageabwehr befasst, was zu Ineffizienz führte. Mielke wies deshalb 1987 der Hauptabteilung II die Federführung bei der Spionageabwehr zu.
1953 bis 1955 verhaftete das MfS in drei Großaktionen 1.200 Personen in der DDR und Westberlin, die pauschal als westliche Agenten bezeichnet wurden. Tatsächlich befanden sich darunter etliche Personen, die nur politischen Widerstand gegen die SED geleistet hatten. In vielen Fällen wurden hohe Haftstrafen verhängt, mindestens zehn Menschen wurden hingerichtet. Zugleich nutzte das MfS diese Aktionen erfolgreich als Vorlagen für ausgeklügelte Pressekampagnen.
Auch in späteren Jahren wurden Erfolge der Spionageabwehr popularisiert, nicht zuletzt um spionagebereite DDR-Bürger abzuschrecken. Schwerpunktaktionen der Hauptabteilung II in den 70er und 80er Jahren richteten sich u. a. gegen Transitspione sowie gegen die Anwerbung von Angehörigen bestimmter Personengruppen durch westliche Dienste (beispielsweise Militärangehörige, Reisekader). Erfolge erzielte die HV A im Rahmen der Gegenspionage in den 70er und 80er Jahren u. a. aufgrund ihrer Top-Quellen im BND (Gabriele Gast, Alfred Spuhler), BfV (Klaus Kuron) und MAD (Joachim Krase).
Seit den 70er Jahren intensivierte das MfS die Strategie der "vorbeugenden Verhinderung": Immer mehr Bürger wurden als potenziell spionageverdächtig observiert, immer mehr Berufsgruppen zu Geheimnisträgern erklärt, das Personal der Hauptabteilung II aufgestockt, auch die Kreisdienststellen setzten nun einen Mitarbeiter ausschließlich für Aufgaben der Linie II (Linienprinzip) ein.
Generell profitierte die Spionageabwehr von der geschlossenen Gesellschaft der DDR, der flächendeckenden Observierung der Bevölkerung, der Kooperation mit anderen sozialistischen Geheimdiensten sowie der Strategie, Verdächtige mitunter über einen sehr langen Zeitraum zu observieren. Post- und Telefonkontrolle und die Funküberwachung im In- und Ausland dienten in erheblichem Maße der Spionageabwehr.
Die überzogene Sicherheitsdoktrin führte dazu, dass das MfS in der ersten Hälfte der 70er Jahre dem Hirngespinst eines Hochstaplers aufsaß und 144 DDR-Bürger als angebliche "Agenten mit spezieller Auftragsstruktur" (AsA), quasi als Eliteagenten westlicher Dienste, einstufte und es auf dieser fiktiven Grundlage zu zahlreichen Verurteilungen kam.
Vagen Schätzungen zufolge spionierten zwischen 1949 und 1989 rund 10.000 Ost- und Westdeutsche für den BND in der DDR, viele von ihnen nur für kurze Zeit und nicht in Schlüsselpositionen. Etwa 4.000 Agenten bundesdeutscher Dienste sollen in dieser Zeit durch die Spionageabwehr der DDR erkannt und festgenommen worden sein.
Etwa 90 Prozent der "Innenquellen" des BND in der DDR (Agenten, die direkt in einem auszuspionierenden Objekt tätig waren) sollen in den 70er und 80er Jahren als Doppelagenten auch dem MfS gedient haben. Darunter waren offenbar viele, die "überworben" wurden, das heißt, das MfS hatte ihre BND-Anbindung erkannt, sie aber nicht verhaftet, sondern als IM angeworben und nun gegen den BND eingesetzt.
Sichere Angaben darüber, in welchem Umfang westliche Agenten in der DDR unerkannt geblieben sind, liegen nicht vor. Insofern kann noch keine abschließende Bilanz der Wirksamkeit der Spionageabwehr gezogen werden.
Spionageabwehr beinhaltete nicht nur defensives Abwehren westlicher Spionage, sondern auch offensive Bekämpfung westlicher (zumeist bundesdeutscher) Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Das MfS fasste den Spionagebegriff sehr weit, so dass auch Angehörige oppositioneller Gruppen oder westliche Korrespondenten und Diplomaten regelmäßig im Visier der Spionageabwehr standen.
Das MfS unterschied drei Arten der Spionageabwehr. Die innere Spionageabwehr agierte innerhalb der DDR. Die äußere (auch: offensive) Spionageabwehr sollte bundesdeutsche Sicherheitsbehörden direkt bekämpfen, sich dabei aber auf deren Außenstellen und nachgeordnete Diensteinheiten konzentrieren. Die Gegenspionage hatte die Aufgabe, Spione in den Zentralen bundesdeutscher Sicherheitsbehörden zu platzieren, um die westliche Spionage gegen die DDR schon im Vorfeld zu paralysieren. In der Praxis waren die Grenzen zwischen äußerer Spionageabwehr, für die die Hauptabteilung II zuständig war, und der Gegenspionage, die Sache der Abt. IX der HV A war, fließend.
Die Spionageabwehr des MfS reagierte einerseits auf die tatsächliche Spionage gegen die DDR. Vor allem der BND und sein Vorgänger, die Organisation Gehlen, unterhielten in der DDR bis zum Mauerbau 1961 ein großes Agentennetz. In den Folgejahren brachen viele Kontakte westlicher Geheimdienste zu ihren Agenten in der DDR ab, auch enttarnte die Spionageabwehr viele von ihnen.
Der BND setzte daraufhin verstärkt Bundesbürger zur Informationsgewinnung ein, die als Besucher oder Transitreisende in der DDR unterwegs waren ("Reise- und Transitspione"). Seit den 70er Jahren versuchte der BND vor allem DDR-Bürger, die als Dienstreisende in den Westen kamen, als Agenten anzuwerben. Westliche Geheimdienste betrieben in der DDR schwerpunktmäßig Militärspionage.
Das MfS ging andererseits von der unzutreffenden Annahme aus, dass politisch widerständiges Verhalten von DDR-Bürgern zumeist von westlichen Geheimdiensten inspiriert würde (Diversion, politisch-ideologische), sodass die Bekämpfung politischer Gegner oft in den Bereich der Spionageabwehr fiel, ebenso wie die Überwachung westlicher Journalisten und Diplomaten. Aufgrund des weit gefassten Spionagebegriffs waren zahlreiche MfS-Abteilungen mit Spionageabwehr befasst, was zu Ineffizienz führte. Mielke wies deshalb 1987 der Hauptabteilung II die Federführung bei der Spionageabwehr zu.
1953 bis 1955 verhaftete das MfS in drei Großaktionen 1.200 Personen in der DDR und Westberlin, die pauschal als westliche Agenten bezeichnet wurden. Tatsächlich befanden sich darunter etliche Personen, die nur politischen Widerstand gegen die SED geleistet hatten. In vielen Fällen wurden hohe Haftstrafen verhängt, mindestens zehn Menschen wurden hingerichtet. Zugleich nutzte das MfS diese Aktionen erfolgreich als Vorlagen für ausgeklügelte Pressekampagnen.
Auch in späteren Jahren wurden Erfolge der Spionageabwehr popularisiert, nicht zuletzt um spionagebereite DDR-Bürger abzuschrecken. Schwerpunktaktionen der Hauptabteilung II in den 70er und 80er Jahren richteten sich u. a. gegen Transitspione sowie gegen die Anwerbung von Angehörigen bestimmter Personengruppen durch westliche Dienste (beispielsweise Militärangehörige, Reisekader). Erfolge erzielte die HV A im Rahmen der Gegenspionage in den 70er und 80er Jahren u. a. aufgrund ihrer Top-Quellen im BND (Gabriele Gast, Alfred Spuhler), BfV (Klaus Kuron) und MAD (Joachim Krase).
Seit den 70er Jahren intensivierte das MfS die Strategie der "vorbeugenden Verhinderung": Immer mehr Bürger wurden als potenziell spionageverdächtig observiert, immer mehr Berufsgruppen zu Geheimnisträgern erklärt, das Personal der Hauptabteilung II aufgestockt, auch die Kreisdienststellen setzten nun einen Mitarbeiter ausschließlich für Aufgaben der Linie II (Linienprinzip) ein.
Generell profitierte die Spionageabwehr von der geschlossenen Gesellschaft der DDR, der flächendeckenden Observierung der Bevölkerung, der Kooperation mit anderen sozialistischen Geheimdiensten sowie der Strategie, Verdächtige mitunter über einen sehr langen Zeitraum zu observieren. Post- und Telefonkontrolle und die Funküberwachung im In- und Ausland dienten in erheblichem Maße der Spionageabwehr.
Die überzogene Sicherheitsdoktrin führte dazu, dass das MfS in der ersten Hälfte der 70er Jahre dem Hirngespinst eines Hochstaplers aufsaß und 144 DDR-Bürger als angebliche "Agenten mit spezieller Auftragsstruktur" (AsA), quasi als Eliteagenten westlicher Dienste, einstufte und es auf dieser fiktiven Grundlage zu zahlreichen Verurteilungen kam.
Vagen Schätzungen zufolge spionierten zwischen 1949 und 1989 rund 10.000 Ost- und Westdeutsche für den BND in der DDR, viele von ihnen nur für kurze Zeit und nicht in Schlüsselpositionen. Etwa 4.000 Agenten bundesdeutscher Dienste sollen in dieser Zeit durch die Spionageabwehr der DDR erkannt und festgenommen worden sein.
Etwa 90 Prozent der "Innenquellen" des BND in der DDR (Agenten, die direkt in einem auszuspionierenden Objekt tätig waren) sollen in den 70er und 80er Jahren als Doppelagenten auch dem MfS gedient haben. Darunter waren offenbar viele, die "überworben" wurden, das heißt, das MfS hatte ihre BND-Anbindung erkannt, sie aber nicht verhaftet, sondern als IM angeworben und nun gegen den BND eingesetzt.
Sichere Angaben darüber, in welchem Umfang westliche Agenten in der DDR unerkannt geblieben sind, liegen nicht vor. Insofern kann noch keine abschließende Bilanz der Wirksamkeit der Spionageabwehr gezogen werden.
Das Wer-kennt-wen-Schema (WKW) war ein Arbeitsmittel, um die familiären, freundschaftlichen und sonstigen relevanten Beziehungen einer Person zu erfassen und darzustellen. Es diente dem Zweck, die Konspiration und Sicherheit von IM zu gewährleisten, deren Einsatz zu koordinieren und für sie neue Einsatzmöglichkeiten aufzuzeigen.
In einer graphischen Darstellung wurden hierzu die Verbindungen, die der IM zu anderen Personen unterhielt und diese wiederum untereinander hatten, aufgezeichnet. Um den unterschiedlichen Charakter der Personen in diesem System und der Verbindungen darzustellen, fanden Farben und Symbole Verwendung. Das WKW fand vorrangig in IM-Akten, aber auch in unterschiedlichen Operativen Vorgängen Anwendung.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Vernehmung von Werner Haase im Schauprozess gegen ihn und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen (Teil 2) Audio, 58 Minuten, 26 Sekunden
Vernehmung von Werner Haase im Schauprozess gegen ihn und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen (Teil 1) Audio, 41 Minuten, 35 Sekunden
Vernehmung von Walter Schneider im Schauprozess gegen ihn wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 41 Minuten, 45 Sekunden
Eröffnung des Schauprozesses gegen Werner Haase und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 41 Minuten, 8 Sekunden