Signatur: BStU, MfS, Rechtsstelle, Nr. 120, Bd. 2, Bl. 50-55
Die Verhandlungen zum 1972 geschlossenen "Grundlagenvertrag" führten Egon Bahr für die Bundesrepublik und Michael Kohl für die DDR. Die Stasi war stets in Gespräche zwischen den beiden Delegationen involviert und verfasste zahlreiche Berichte zu den Vertragsverhandlungen.
Am 21. Dezember 1972 wurde in Ost-Berlin der "Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" unterzeichnet. Der sogenannte Grundlagenvertrag, der im Sommer 1973 in Kraft trat, war für beide Seiten ein Meilenstein und ein weiterer Schritt der Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Der Grundlagenvertrag sollte aus der Konfrontation des Kalten Kriegs herausführen und dazu dienen, "normale gutnachbarliche Beziehungen" zwischen der Bundesrepublik und der DDR herzustellen und die Beziehung der beiden deutschen Staaten zu "normalisieren".
Die Stasi allerdings wappnete sich gegen vermeintliche Gefahren, die sich aus dem Entspannungsprozess und der deutsch-deutschen Annäherung für die DDR ergaben. Schon bei Abschluss anderer innerdeutscher Abkommen, wie dem Transitabkommen, das im Dezember 1971 unterzeichnet wurde, hatte sie die Notwendigkeit betont, den Prozess mit erhöhter Aufmerksamkeit und operativen Maßnahmen zu begleiten.
Daher war die Stasi in die Gespräche der beiden Delegationen involviert. Sie war genauestens über die Vertragsverhandlungen informiert, durch die schriftlichen Protokolle der Gespräche und auch Berichte Anwesender. In einer Dienstbesprechung im Juli des Jahres betonte Stasi-Minister Erich Mielke, dass die Verhandlungen "harter Klassenkampf" seien. Es zeige sich "die gesamte imperialistische, antisozialistische, gegen die DDR gerichtete Zielstellung des Imperialismus der BRD und der Brandt/Scheel-Regierung."
Auf bundesrepublikanischer Seite führte die Gespräche der Bundesminister für besondere Aufgaben Egon Bahr, die Leitung der DDR-Abordnung hatte auf Vorschlag von Markus Wolf der Staatssekretär im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Michael Kohl inne. Kohl war bis 1975 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Hauptverwaltung A (HV A) registriert, doch ergibt sich aus den Akten nicht eindeutig, wie weit seine Zusammenarbeit mit dem Auslandsgeheimdienst der Stasi reichte.
Der zentrale Streitpunkt war die Frage nach dem Charakter der zwischenstaatlichen Beziehungen. Die DDR-Führung verlangte die volle völkerrechtliche Anerkennung der DDR als souveränen Staat. Die Bundesregierung vertrat den Standpunkt, dass die einheitliche deutsche Nation weiter existiere und die beiden deutschen Staaten daher eine besondere Beziehung zueinander hätten. Damit hielt die Bundesregierung am grundgesetzlich verankerten Gebot der Wiedervereinigung fest. Über Monate führten die Delegationen und die beiden Verhandlungsführer zähe Gespräche, die auch die Viermächte-Zuständigkeiten, die Frage eines Friedensvertrages und praktische Regelungen wie Reiseerleichterungen, die Einrichtung neuer Grenzübergänge oder die Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten in beiden deutschen Staaten berühren.
Über die Verhandlungen, so auch über die Vier-Augen-Gespräche zwischen Egon Bahr und Michael Kohl, sind in den Stasi-Unterlagen zahlreiche Berichte überliefert. Das vorliegende Dokument fasst ein Gespräch der beiden Unterhändler vom 28. Juni 1972 zusammen. Bahr versuchte darin unter anderem "das Element der Nation" zum Inhalt des Vertrags zu machen und die DDR vom politischen Ziel der Wiedervereinigung zu überzeugen.
[Stempel: VME/ [handschriftliche Ergänzung: 987/72]
29. Juni 1972]
[Stempel: Persönlich
streng geheim]
[Handschriftliche Ergänzung: 15] Exemplare zu [handschriftliche Ergänzung: 6] Blatt
[Handschriftliche Ergänzung 4.] Exemplar zu Blatt
[Handschriftliche Ergänzung: + 8 Be Anlage
EI/103/72]
Zusammenfassender Bericht über den Meinungsaustausch zwischen Genossen Staatssekretär Dr. Kohl und Staatssekretär Bahr am 28. Juni 1972 in Berlin
1. Entsprechend Direktive schlug Genosse Dr. Kohl einleitend vor, nunmehr in [unterstrichen: Sachverhandlungen] zum Vertragsentwurf der DDR einzutreten und zunächst mit den Punkten zu beginnen, in denen sich eine Übereinstimmung oder Annäherung der Standpunkte abzeichnet. Dabei sollten nach Möglichkeit bereits Formulierungen festgehalten werden.
Gen. Dr. Kohl unterbreitete in diesem Zusammenhang den Zusatzvorschlag, die Begriffe "Selbstbestimmung" und "Menschenrechte" in den Vertrag aufzunehmen, wenn die BRD bereit ist, die Prinzipien der friedlichen Koexistenz in ihrer Gesamtheit zu bekräftigen, insbesondere das Prinzip der souveränen Gleichheit aller Staaten und der Nichteinmischung.
Gen. Dr. Kohl betonte ausdrücklich, daß der Vorschlag der DDR, sich auf die Erörterung des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zu konzentrieren, nicht bedeutet, daß die DDR von ihren Vorschlägen abrückt, sofort diplomatische Beziehungen aufzunehmen und alle notwendigen Schritte einzuleiten, um schnellstmöglich die Mitgliedschaft der DDR und der BRD in der UNO erlangen. Die DDR werde im Rahmen der Verhandlungen darauf zurückkommen.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Die Rechtsstelle war eine fachlich der ZAIG unterstellte selbstständige Abteilung der MfS-Zentrale im Anleitungsbereich des Ministers. Die Rechtsstelle hatte die Aufgabe, die spezifischen Interessen des MfS bei der Ausarbeitung von Gesetzen und anderen Akten der Legislative zu vertreten und einzubringen. Ebenso hatte sie auf die Gestaltung internationaler Verträge und der Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik in der Hinsicht Einfluss zu nehmen, dass die Handlungsmöglichkeiten des MfS gewährleistet und gesichert blieben.
Das primäre Interesse bestand hierbei indes nicht in der rechtlichen Prüfung des sogenannten operativen Vorgehens der Geheimpolizei, sondern darin, die extralegalen Handlungsspielräume des MfS durch entsprechend auslegungsfähige Abfassung von Gesetzen und Verträgen zu sichern. Die Rechtsstelle war überdies für den Rechtsverkehr des MfS, die Unterstützung der MfS-Diensteinheiten und von Mitarbeitern in Rechtsangelegenheiten zuständig.
Die Rechtsstelle wurde 1957 als Referat 5 des Büros der Leitung eingerichtet und 1969 als selbständige Abteilung aus dem BdL herausgelöst. Sie gewann an Bedeutung durch den nicht zuletzt durch internationalen Druck hervorgerufenen Zwang, auch das Handeln des MfS juristisch abzusichern. Leiter der Rechtsstelle waren Hans Filin (1957-1981) und Udo Lemme (1981-1990), der 1989 zwölf hauptamtliche Mitarbeiter führte.
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Signatur: BStU, MfS, Rechtsstelle, Nr. 120, Bd. 2, Bl. 50-55
Die Verhandlungen zum 1972 geschlossenen "Grundlagenvertrag" führten Egon Bahr für die Bundesrepublik und Michael Kohl für die DDR. Die Stasi war stets in Gespräche zwischen den beiden Delegationen involviert und verfasste zahlreiche Berichte zu den Vertragsverhandlungen.
Am 21. Dezember 1972 wurde in Ost-Berlin der "Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" unterzeichnet. Der sogenannte Grundlagenvertrag, der im Sommer 1973 in Kraft trat, war für beide Seiten ein Meilenstein und ein weiterer Schritt der Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Der Grundlagenvertrag sollte aus der Konfrontation des Kalten Kriegs herausführen und dazu dienen, "normale gutnachbarliche Beziehungen" zwischen der Bundesrepublik und der DDR herzustellen und die Beziehung der beiden deutschen Staaten zu "normalisieren".
Die Stasi allerdings wappnete sich gegen vermeintliche Gefahren, die sich aus dem Entspannungsprozess und der deutsch-deutschen Annäherung für die DDR ergaben. Schon bei Abschluss anderer innerdeutscher Abkommen, wie dem Transitabkommen, das im Dezember 1971 unterzeichnet wurde, hatte sie die Notwendigkeit betont, den Prozess mit erhöhter Aufmerksamkeit und operativen Maßnahmen zu begleiten.
Daher war die Stasi in die Gespräche der beiden Delegationen involviert. Sie war genauestens über die Vertragsverhandlungen informiert, durch die schriftlichen Protokolle der Gespräche und auch Berichte Anwesender. In einer Dienstbesprechung im Juli des Jahres betonte Stasi-Minister Erich Mielke, dass die Verhandlungen "harter Klassenkampf" seien. Es zeige sich "die gesamte imperialistische, antisozialistische, gegen die DDR gerichtete Zielstellung des Imperialismus der BRD und der Brandt/Scheel-Regierung."
Auf bundesrepublikanischer Seite führte die Gespräche der Bundesminister für besondere Aufgaben Egon Bahr, die Leitung der DDR-Abordnung hatte auf Vorschlag von Markus Wolf der Staatssekretär im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Michael Kohl inne. Kohl war bis 1975 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Hauptverwaltung A (HV A) registriert, doch ergibt sich aus den Akten nicht eindeutig, wie weit seine Zusammenarbeit mit dem Auslandsgeheimdienst der Stasi reichte.
Der zentrale Streitpunkt war die Frage nach dem Charakter der zwischenstaatlichen Beziehungen. Die DDR-Führung verlangte die volle völkerrechtliche Anerkennung der DDR als souveränen Staat. Die Bundesregierung vertrat den Standpunkt, dass die einheitliche deutsche Nation weiter existiere und die beiden deutschen Staaten daher eine besondere Beziehung zueinander hätten. Damit hielt die Bundesregierung am grundgesetzlich verankerten Gebot der Wiedervereinigung fest. Über Monate führten die Delegationen und die beiden Verhandlungsführer zähe Gespräche, die auch die Viermächte-Zuständigkeiten, die Frage eines Friedensvertrages und praktische Regelungen wie Reiseerleichterungen, die Einrichtung neuer Grenzübergänge oder die Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten in beiden deutschen Staaten berühren.
Über die Verhandlungen, so auch über die Vier-Augen-Gespräche zwischen Egon Bahr und Michael Kohl, sind in den Stasi-Unterlagen zahlreiche Berichte überliefert. Das vorliegende Dokument fasst ein Gespräch der beiden Unterhändler vom 28. Juni 1972 zusammen. Bahr versuchte darin unter anderem "das Element der Nation" zum Inhalt des Vertrags zu machen und die DDR vom politischen Ziel der Wiedervereinigung zu überzeugen.
2. Im weiteren kam es zu einer längeren Auseinandersetzung über den Vorschlag der DDR, den Meinungsaustausch nunmehr in Verhandlungen überzuleiten. Es wurde deutlich, daß Bahr selbst diese an sich formelle Frage auszunutzen versucht, um die DDR noch vor dem Beginn von Verhandlungen zu Zugeständnissen an die Konzeption der "besonderen" Beziehungen zu veranlassen. In diesem Sinne erklärte er, der bisherige Stand der Gespräche reiche nicht aus, um Verhandlungen zu beginnen. In folgenden Fragen habe die DDR noch keine befriedigende Antwort gegeben:
Über diese drei Komplexe müsse mindestens im Prinzip eine Einigung möglich erscheinen, ehe er der Regierung der BRD die Aufnahme von Verhandlungen vorschlagen könne. Bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge würde sie noch kein "grünes Licht" für Verhandlungen geben: Im folgenden schränkte Bahr diese ultimativen Forderungen ein wenig ein, siehe hierzu im folgenden unter Punkt 7.
Es sei eine mögliche Methode, schwierige Probleme zunächst offenzulassen. In dem konkreten Fall gehe es aber darum, daß viele von der DDR aufgeworfene Fragen mit den erwähnten offenen Problemen zusammenhängt, z.B. das Prinzip der souveränen Gleichheit und das Prinzip der friedlichen Koexistenz. Wenn das Prinzip der friedlichen Koexistenz
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, MfS, Rechtsstelle, Nr. 120, Bd. 2, Bl. 50-55
Die Verhandlungen zum 1972 geschlossenen "Grundlagenvertrag" führten Egon Bahr für die Bundesrepublik und Michael Kohl für die DDR. Die Stasi war stets in Gespräche zwischen den beiden Delegationen involviert und verfasste zahlreiche Berichte zu den Vertragsverhandlungen.
Am 21. Dezember 1972 wurde in Ost-Berlin der "Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" unterzeichnet. Der sogenannte Grundlagenvertrag, der im Sommer 1973 in Kraft trat, war für beide Seiten ein Meilenstein und ein weiterer Schritt der Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Der Grundlagenvertrag sollte aus der Konfrontation des Kalten Kriegs herausführen und dazu dienen, "normale gutnachbarliche Beziehungen" zwischen der Bundesrepublik und der DDR herzustellen und die Beziehung der beiden deutschen Staaten zu "normalisieren".
Die Stasi allerdings wappnete sich gegen vermeintliche Gefahren, die sich aus dem Entspannungsprozess und der deutsch-deutschen Annäherung für die DDR ergaben. Schon bei Abschluss anderer innerdeutscher Abkommen, wie dem Transitabkommen, das im Dezember 1971 unterzeichnet wurde, hatte sie die Notwendigkeit betont, den Prozess mit erhöhter Aufmerksamkeit und operativen Maßnahmen zu begleiten.
Daher war die Stasi in die Gespräche der beiden Delegationen involviert. Sie war genauestens über die Vertragsverhandlungen informiert, durch die schriftlichen Protokolle der Gespräche und auch Berichte Anwesender. In einer Dienstbesprechung im Juli des Jahres betonte Stasi-Minister Erich Mielke, dass die Verhandlungen "harter Klassenkampf" seien. Es zeige sich "die gesamte imperialistische, antisozialistische, gegen die DDR gerichtete Zielstellung des Imperialismus der BRD und der Brandt/Scheel-Regierung."
Auf bundesrepublikanischer Seite führte die Gespräche der Bundesminister für besondere Aufgaben Egon Bahr, die Leitung der DDR-Abordnung hatte auf Vorschlag von Markus Wolf der Staatssekretär im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Michael Kohl inne. Kohl war bis 1975 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Hauptverwaltung A (HV A) registriert, doch ergibt sich aus den Akten nicht eindeutig, wie weit seine Zusammenarbeit mit dem Auslandsgeheimdienst der Stasi reichte.
Der zentrale Streitpunkt war die Frage nach dem Charakter der zwischenstaatlichen Beziehungen. Die DDR-Führung verlangte die volle völkerrechtliche Anerkennung der DDR als souveränen Staat. Die Bundesregierung vertrat den Standpunkt, dass die einheitliche deutsche Nation weiter existiere und die beiden deutschen Staaten daher eine besondere Beziehung zueinander hätten. Damit hielt die Bundesregierung am grundgesetzlich verankerten Gebot der Wiedervereinigung fest. Über Monate führten die Delegationen und die beiden Verhandlungsführer zähe Gespräche, die auch die Viermächte-Zuständigkeiten, die Frage eines Friedensvertrages und praktische Regelungen wie Reiseerleichterungen, die Einrichtung neuer Grenzübergänge oder die Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten in beiden deutschen Staaten berühren.
Über die Verhandlungen, so auch über die Vier-Augen-Gespräche zwischen Egon Bahr und Michael Kohl, sind in den Stasi-Unterlagen zahlreiche Berichte überliefert. Das vorliegende Dokument fasst ein Gespräch der beiden Unterhändler vom 28. Juni 1972 zusammen. Bahr versuchte darin unter anderem "das Element der Nation" zum Inhalt des Vertrags zu machen und die DDR vom politischen Ziel der Wiedervereinigung zu überzeugen.
den ausschließlichen Kern bilden solle, auf den sich das Verhältnis DDR—BRD reduziere, so sei das für die BRD nicht annehmbar. Das Prinzip der souveränen Gleichheit könne in den Beziehungen DDR—BRD nur Platz greifen, wenn die beiden Staaten ihr Verhältnis "in Respekt vor ihren Verfassungen und den Rechten der vier Mächte" regeln.
3. Eigentlicher Kernpunkt der Ausführungen Bahrs war das Problem "Nation". Dabei wurde erneut der Versuch deutlich, die DDR mit allen Mitteln zu einem Entgegenkommen hinsichtlich des "besonderen" Verhältnisses zu veranlassen.
Der wesentliche Inhalt der Ausführungen Bahrs zu dieser Frage: war:
Diese Frage sei von elementarer Bedeutung für die BRD hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Verhandlungen. Im Prinzip müsse eine Verständigung über die Notwendigkeit erfolgen, daß das Element der Nation zum Inhalt des Vertrages gehöre. Der Vertrag dürfe nicht den Charakter eines Teilungsvertrages erhalten. Mit dem Verweis auf frühere Dokumente der DDR (u.a. Nationales Dokument von 1962, Verfassung von 1968) versuchte Bahr erneut nachzuweisen, daß sich auch die DDR auf die Nation beziehe und die Wiedervereinigung als wichtiges Ziel ihrer Politik betrachte. Auch sie gehe davon aus, daß es sich um zwei Staaten einer Nation handle.
Wenn die DDR heute einen Bruch in diesen Auffassungen vollziehen würde, wäre das ein Schritt von elementarem Gewicht mit großen internationalen Auswirkungen. Dann habe es wenig Sinn, hier weiter zu sprechen. Dann wären die Voraussetzungen für die "neue" Politik der Regierung der BRD verändert, die ihren Niederschlag in den Abmachungen mit der Sowjetunion
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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