Signatur: BStU, MfS, AKK, Nr. 10454/76, Bild 45
Im August 1970 wollte die RAF-Terroristin Ulrike Meinhof in Ost-Berlin ausloten, ob die Gruppe den "bewaffneten Kampf" von dort aus koordinieren könnte. Mit einem gefälschten Pass versuchte Meinhof über den Grenzübergang Friedrichstraße einzureisen. Die Stasi-Mitarbeiter der Passkontrolleinheit vor Ort kopierten das Dokument.
Anfang der siebziger Jahre entstanden in der Bundesrepublik linksterroristische Gruppen, wie die Rote Armee Fraktion (RAF) und die Bewegung 2. Juni. Die Staatssicherheit befürchtete zunächst, dass die Gewalt der Linksterroristen auch in die DDR „überschwappen“ könnte. Mitglieder beider Gruppen reisten gelegentlich durch die DDR, teilweise mit Handfeuerwaffen und unter falschem Namen und damit unerkannt.
Tatsächlich hofften die Terroristen, in der DDR ein sicheres Hinterland zu finden. Dies wollte etwa Ulrike Meinhof, als Mitglied der RAF bereits steckbrieflich gesucht, im August 1970 ausloten. Mit einem Pass der französischen Journalistin Michèle Susanne Ray, versehen mit ihrem Bild, reiste sie in die DDR ein und verlangte im Gebäude des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend (FDJ) mit „verantwortlichen Genossen“ ein Kontaktgespräch zu führen. Den Linksterrorismus im Westen zu unterstützen erschien der Staatssicherheit jedoch als politisch zu heikel. Wäre dies ruchbar geworden, hätte das einen schweren Imageschaden und diplomatische Verwerfungen zur Folge gehabt. Dies wollten das MfS und die SED nicht riskieren. Es kam hinzu, dass "individueller Terror" aus traditionell marxistischer Sicht als kritikwürdig galt.
Aus diesem Grund wurde Meinhof bei ihrem ersten Besuch am 17. August 1970 hingehalten. Als sie am darauf folgenden Tag nochmals unter falschem Namen einzureisen versuchte, wurde sie am Grenzübergang Friedrichstraße abgewiesen. Denn zwischenzeitlich hatte die Staatssicherheit eine Einreisesperre gegen sie verhängt.
Auf diesem Bild wird ein gefälschter Reisepass von Ulrike Meinhof gezeigt. Der Pass ist auf den Namen "Michele Suzanne Ray" ausgestellt.
Der komplette Reisepass wurde bei einer Passkontrolle an der Grenze zur DDR abfotografiert. Der Pass ist in französischer und englischer Sprache.
Die hier aufgeschlagene Seite zeigt auf der linken Seite einige Eintragungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Größe, Augenfarbe und Besonderheiten der führenden Person. Es befindet sich lediglich eine Eintragung bei der Größe: "1 m 71". Der Rest der Seite wurde durchgestrichen.
Auf der rechten Seite befindet sich ein Bild von Ulrike Meinhof, welches mit zwei Nieten links oben und rechts unten befestigt wurde. Unter dem Bild befindet sich die Unterschrift von "Michele Ray".
In der unteren linken Ecke sieht man einen Finger, der verhindert, dass die aktuelle Seite des Passes wieder zuklappt.
An den Grenzübergangsstellen (Güst) der DDR führten Passkontrolleinheiten (PKE) der Staatssicherheit die Identitätskontrollen und Fahndungsmaßnahmen durch und überwachten auf diese Weise den gesamten grenzüberschreitenden Verkehr. Im Zuge der Kontrollen realisierten sie auch operative Maßnahmen im Auftrag anderer Diensteinheiten des MfS. Die in den Uniformen der Grenztruppen auftretenden Angehörigen der PKE gehörten zur Linie VI des MfS (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel).
Die Passkontrolle war seit 1962 in der Kompetenz des MfS, als das Aufgabengebiet vom Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs auf die damals neu gegründete Arbeitsgruppe Passkontrolle und Fahndung überging. Hintergrund war u. a. die sich nach dem Mauerbau entwickelnde Fluchthilfe.
Aktennotiz zur versuchten Einreise von Ulrike Meinhof in die DDR unter dem Namen Michèle Susanne Ray Dokument, 1 Seite
Aktennotiz über die versuchte Einreise Ulrike Meinhofs in die DDR unter dem Namen Michèle Susanne Dokument, 4 Seiten
Bildfahndung zu Ulrike Meinhof 1 Fotografie
Anweisung des Ministers für Staatssicherheit Ulrike Meinhof bei einem Einreiseversuch in die DDR zu verhören Dokument, 1 Seite