Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, AOPK, Nr. 1770/85, Bl. 241-245
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden. Aus Protest löste es die Wohnung auf und beklebte die Fenster mit Papier. Das MfS startete "OPK Sonne" und löste einen Gardinenkrieg damit aus.
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden.
Dennoch löste das Paar im September 1984 seinen Haushalt auf und lebte seitdem auf und aus gepackten Koffern. Die Gardinen der Wohnung hatten die Ausreisewilligen abgenommen und die Fenster mit Papier verklebt, auch, um damit auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Daraufhin wurden sie zum Rat des Kreises Mühlhausen, Abteilung Inneres, vorgeladen. Dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übten überall in der DDR Druck auf Ausreisewillige aus und arbeiteten eng mit der Staatssicherheit zusammen.
Bei der Befragung verteidigte das Ehepaar die zugeklebten Fenster. Diese würden Einblicke von außen verwehren und seien ästhetisch ansprechend. Es gäbe kein Gesetz, das eine derartige Fenstergestaltung verbieten würde.
Der Staatsapparat witterte in dieser Aktion jedoch eine öffentlichkeitswirksame und zur Nachahmung anregende Handlung und stellte der Familie ein Ultimatum. Nach dessen Ablauf müsse das Papier entfernt und die Gardinen wieder aufgehängt sein. Dem Ehepaar wurde mit Konsequenzen gedroht und das MfS setzte vier inoffizielle Mitarbeiter auf die Eheleute an. Den Vorgang nannte das MfS "OPK Sonne".
Doch die Eheleute blieben standhaft – mit Erfolg.
Im Oktober 1984 fertigte das MfS einen sogenannten Übersiedlungsvorschlag an, sodass sie Ende Dezember desselben Jahres in den Westen ausreisen durften.
Nach ihrer Ausreise in den Westen überwachte die Staatssicherheit die Briefpost und Telefonate in die DDR.
Der vorliegende Abschlussbericht gibt einen Überblick über den gesamten Vorgang "OPK Sonne"
Diesen ersten Antrag stellte [anonymisiert] gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau
[anonymisiert] geb. [anonymisiert]
geb. am 11.05.1962
von welcher er am [anonymisiert] vom Kreisgericht [anonymisiert] geschieden wurde und welche nach der Scheidung die Antragstellung zurückzog.
Nach seinem Umzug von [anonymisiert] nach Mühlhausen und der Bekanntschaft mit seiner jetzigen Ehefrau zog [anonymisiert] am 15.11.1983 seinen Antrag vom 13.07.1982 mit der Begründung, ein neues Leben in Mühlhausen aufbauen zu wollen, schriftlich zurück. In diesem Zusammenhang teilte er jedoch gleich mit, daß er einen neuen Antrag stellen wird, falls er nicht seinen gewünschten Studienplatz erhalten wird.
[anonymisiert] stellte erneut mit seiner [anonymisiert] Jahre älteren Ehefrau, welche er nach 4-monatiger Bekanntschaft geheiratet hat, am 09.04.1984 einen Übersiedlungsantrag mit Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR.
Bearbeitung:
Nach der Antragstellung vom 09.04.1984 erfolgten in regelmäßigen Abständen von ca 4 Wochen schriftliche Wiederholungsanträge. In Abstimmung mit geeigneten IM des Verantwortungsbereiches wurden in kurzen Abständen mit dem [anonymisiert] und seiner Ehefrau Aussprachen geführt, um eine Zurückdrängung von der Antragstellung zu erreichen. Im Ergebnis dieser Aussprachen mußte eingeschätzt werden, daß eine Zurückdrängung der Familie [anonymisiert] von der Antragstellung nicht möglich sein wird.
Der [anonymisiert] suchte bereits bei seiner ersten Antragstellung im Jahr 1982 die Ständige Vertretung der BRD in unserer Hauptstadt auf und tat dies nochmals mit seiner jetzigen Ehefrau im Oktober 1985, um seiner Antragstellung Nachdruck zu verleihen.
Am 29.09.1984 erfolgte eine Haushaltsauflösung bei der Familie [anonymisiert] und am 13.10.1984 wurden die Fenster der Wohnung provokatorisch mit Zeitungen und Plakaten verklebt. Während einer Aussprache bei der Abteilung Inneres unterstrich [anonymisiert], daß dieses Fensterverkleben seine Ablehnung gegen die DDR und seinen "zwangsweisen" Aufenthalt in der DDR untermauern soll. Alle Bearbeitungsmaßnahmen der OPK ergaben, daß es sich bei Familie [anonymisiert] um hartnäckige Antragsteller handelt, welche eine feindlich-negative Einstellung zur DDR besitzen und alle Möglichkeiten nutzen werden, um in die BRD übergesiedelt zu werden.
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Die OPK wurde 1971 in Abgrenzung zum Operativen Vorgang eingeführt. Auf der Grundlage der MfS-Richtlinien 1/71 und 1/81 zielte sie auf die Überprüfung von Verdachtsmomenten zu Verbrechen und Straftaten, das Erkennen "feindlich-negativer" Haltungen, aber auch den vorbeugenden Schutz von Personen in sicherheitsrelevanten Positionen. Auch Ausländer konnten unter OPK gestellt werden.
Zur Informationsbeschaffung wurden staatliche Organe, Betriebe und Institute, gesellschaftliche Organisationen, die Deutsche Volkspolizei und andere Stellen sowie, wenn erforderlich, operative Mittel und Methoden einbezogen. Die OPK endete mit einem Abschlussbericht. Die bearbeitete Person galt bis dahin als aktiv erfasst, da OPK zu den registrierpflichtigen Vorgängen zählten.
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Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, AOPK, Nr. 1770/85, Bl. 241-245
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden. Aus Protest löste es die Wohnung auf und beklebte die Fenster mit Papier. Das MfS startete "OPK Sonne" und löste einen Gardinenkrieg damit aus.
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden.
Dennoch löste das Paar im September 1984 seinen Haushalt auf und lebte seitdem auf und aus gepackten Koffern. Die Gardinen der Wohnung hatten die Ausreisewilligen abgenommen und die Fenster mit Papier verklebt, auch, um damit auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Daraufhin wurden sie zum Rat des Kreises Mühlhausen, Abteilung Inneres, vorgeladen. Dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übten überall in der DDR Druck auf Ausreisewillige aus und arbeiteten eng mit der Staatssicherheit zusammen.
Bei der Befragung verteidigte das Ehepaar die zugeklebten Fenster. Diese würden Einblicke von außen verwehren und seien ästhetisch ansprechend. Es gäbe kein Gesetz, das eine derartige Fenstergestaltung verbieten würde.
Der Staatsapparat witterte in dieser Aktion jedoch eine öffentlichkeitswirksame und zur Nachahmung anregende Handlung und stellte der Familie ein Ultimatum. Nach dessen Ablauf müsse das Papier entfernt und die Gardinen wieder aufgehängt sein. Dem Ehepaar wurde mit Konsequenzen gedroht und das MfS setzte vier inoffizielle Mitarbeiter auf die Eheleute an. Den Vorgang nannte das MfS "OPK Sonne".
Doch die Eheleute blieben standhaft – mit Erfolg.
Im Oktober 1984 fertigte das MfS einen sogenannten Übersiedlungsvorschlag an, sodass sie Ende Dezember desselben Jahres in den Westen ausreisen durften.
Nach ihrer Ausreise in den Westen überwachte die Staatssicherheit die Briefpost und Telefonate in die DDR.
Der vorliegende Abschlussbericht gibt einen Überblick über den gesamten Vorgang "OPK Sonne"
Die Bearbeitung der OPK ergab weiterhin, daß die Ehefrau des [anonymisiert] stark vom [anonymisiert] beeinflußt wird, da sie sich in persönlichen Aussprachen stets auf die Antragstellung und Übersiedlungsgründe ihres Ehemannes stützte, diese ebenfalls als ihre eigenen angab und inoffiziell eingeschätzt wurde, daß eine gewisse sexuelle Hörigkeit der [anonymisiert] zu ihrem Ehemann existiert.
Charakterlich wurde der [anonymisiert] als unausgeglichener, überheblicher, aroganter und mürrischer junger Mensch eingeschätzt, welcher keine konkreten Lebensvorstellungen besitzt und sich der Heirat seiner Frau ausschließlich eine neue "Heimat" verschaffen wollte. Inoffiziell wurde erarbeitet, daß [anonymisiert] in der BRD vorhat, mit dem erarbeiteten Geld seiner Ehefrau ein Chemie- oder Medizinstudium zu absolvieren.
Über die Abteilung PM des VPKA wurde bekannt, daß die Frau des [anonymisiert], [anonymisiert] freundschaftliche Kontakte zu einer
[anonymisiert]
geb. am [anonymisiert] in [anonymisiert]
wh.: Mühlhausen, [anonymisiert]
Lehrerin, [anonymisiert]
unterhält. Bei der [anonymisiert] handelt es sich um einen AIM.
Im Rahmen der Bearbeitung wurde mit der [anonymisiert] am 25.10.1984 auf der Abteilung Volksbildung eine Aussprache geführt, um eine Beeinflussung hinsichtlich der Zurückdrängung der Familie [anonymisiert] über die [anonymisiert] zu erreichen. Es konnten bei dieser Aussprache neue Hinweise zum Antragsteller [anonymisiert] erarbeitet werden, jedoch teilte die [anonymisiert] mit, daß ihr Einfluß zur [anonymisiert] seit deren Ehe mit dem [anonymisiert] nicht mehr existiert und die [anonymisiert] alles tut, was ihr Ehemann sagt. Die [anonymisiert] bestätigte, daß mehrere Einrichtungsgegenstände der Wohnung fehlen - diese wurden am 29.09.1984 durch den [anonymisiert] bei einer Haushaltsauflösung verkauft. In diesem Zusammenhang teilte die [anonymisiert] mit, daß die beiden Kinder der [anonymisiert] kein Kinderzimmer mehr haben und auf Sesseln schlafen.
Seit Mitte September hatte der [anonymisiert] die Fenster seiner Wohnung mit Zeitungen und Plakaten verklebt. Nach Bekanntwerden o. g. Sachverhalte wurden koordinierte Maßnahmen im Rahmen des Rückdrängungsprozesses mit dem AWG-Vorstand wegen der beklebten Fenster und mit der Jugendhilfe bezüglich der schlechten Lebensbedingungen der Kinder der [anonymisiert] eingeleitet, welche jedoch alle ohne Erfolg blieben.
Bei einer weiteren Aussprache mit dem [anonymisiert] bei der Abteilung Inneres brachte dieser zum Ausdruck, daß Aussprachen nicht nötig sind, da er und seine Frau sich nicht vom Übersiedlungsersuchen abbringen lassen und daß das Fensterverkleben ein Ausdruck dessen ist, daß [anonymisiert] und seine Frau bereits 2 Jahre Widerwillen in der DDR leben müssen.
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Die OPK wurde 1971 in Abgrenzung zum Operativen Vorgang eingeführt. Auf der Grundlage der MfS-Richtlinien 1/71 und 1/81 zielte sie auf die Überprüfung von Verdachtsmomenten zu Verbrechen und Straftaten, das Erkennen "feindlich-negativer" Haltungen, aber auch den vorbeugenden Schutz von Personen in sicherheitsrelevanten Positionen. Auch Ausländer konnten unter OPK gestellt werden.
Zur Informationsbeschaffung wurden staatliche Organe, Betriebe und Institute, gesellschaftliche Organisationen, die Deutsche Volkspolizei und andere Stellen sowie, wenn erforderlich, operative Mittel und Methoden einbezogen. Die OPK endete mit einem Abschlussbericht. Die bearbeitete Person galt bis dahin als aktiv erfasst, da OPK zu den registrierpflichtigen Vorgängen zählten.
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Signatur: BStU, MfS, BV Erfurt, AOPK, Nr. 1770/85, Bl. 241-245
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden. Aus Protest löste es die Wohnung auf und beklebte die Fenster mit Papier. Das MfS startete "OPK Sonne" und löste einen Gardinenkrieg damit aus.
Ein Ehepaar aus Mühlhausen stellte in den 1980er Jahren mehrere Ausreiseanträge, die stets abgelehnt wurden.
Dennoch löste das Paar im September 1984 seinen Haushalt auf und lebte seitdem auf und aus gepackten Koffern. Die Gardinen der Wohnung hatten die Ausreisewilligen abgenommen und die Fenster mit Papier verklebt, auch, um damit auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Daraufhin wurden sie zum Rat des Kreises Mühlhausen, Abteilung Inneres, vorgeladen. Dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übten überall in der DDR Druck auf Ausreisewillige aus und arbeiteten eng mit der Staatssicherheit zusammen.
Bei der Befragung verteidigte das Ehepaar die zugeklebten Fenster. Diese würden Einblicke von außen verwehren und seien ästhetisch ansprechend. Es gäbe kein Gesetz, das eine derartige Fenstergestaltung verbieten würde.
Der Staatsapparat witterte in dieser Aktion jedoch eine öffentlichkeitswirksame und zur Nachahmung anregende Handlung und stellte der Familie ein Ultimatum. Nach dessen Ablauf müsse das Papier entfernt und die Gardinen wieder aufgehängt sein. Dem Ehepaar wurde mit Konsequenzen gedroht und das MfS setzte vier inoffizielle Mitarbeiter auf die Eheleute an. Den Vorgang nannte das MfS "OPK Sonne".
Doch die Eheleute blieben standhaft – mit Erfolg.
Im Oktober 1984 fertigte das MfS einen sogenannten Übersiedlungsvorschlag an, sodass sie Ende Dezember desselben Jahres in den Westen ausreisen durften.
Nach ihrer Ausreise in den Westen überwachte die Staatssicherheit die Briefpost und Telefonate in die DDR.
Der vorliegende Abschlussbericht gibt einen Überblick über den gesamten Vorgang "OPK Sonne"
Am 19.10.1984 wurde nach den bereits genannten Maßnahmen durch die KD Mühlhausen ein Übersiedlungsvorschlag zum [anonymisiert], seiner Frau und deren Kinder erarbeitet, da die [anonymisiert] im Verantwortungsbereich einen Unsicherheitsfaktor darstellten und die bisherigen Aktivitäten zur Erreichung einer Übersiedlung zunehmend von demonstrativ-provokatorischen Handlungen und aggressiven Reagieren gekennzeichnet waren.
Die bis zum Zeitpunkt der Übersiedlung eingeleiteten operativ-technischen Kontrollmaßnahmen brachten keinerlei Ergebnisse und es konnten keine NSW-Kontakte, auch nicht vom [anonymisiert] zu seinem in Westberlin lebenden Bruder, festgestellt werden.
Am 29.12.1984 erfolgte die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR und die Übersiedlung nach der BRD.
Die Zielperson war eine
[anonymisiert]
geb.[anonymisiert]
wh.: [anonymisiert]
Hausfrau
bei welcher es sich um eine Tante der [anonymisiert] handeln sollte.
Bereits 3 Wochen nach der Übersiedlung meldete sich die [anonymisiert] postalisch aus
1 Berlin (West) 48
Marienfelder Allee 66-80
bei ihrer Mutter
[anonymisiert] geb. [anonymisiert]
wh.: Mühlhausen, [anonymisiert]
Sekretärin, [anonymisiert]
und forderte die Übersendung einiger persönlicher Unterlagen. Weiterhin wurde über die Abteilung M bekannt, daß die [anonymisiert] postalische Kontakte zu der
[anonymisiert]
ehemals wh.: Mühlhausen
ehemalige Tätigkeit: Lehrerin
welche ebenfalls einen Übersiedlungsantrag gestellt hatte und bereits übergesiedelt wurde.
Abteilung M (Postkontrolle)
Die 1951/52 entstandene Abt. M im MfS Berlin und in den BV führte die bis 1952 von den Abt. VIa betriebene Postkontrolle fort. Die Abt. M gliederte sich anfangs in die Leitung und die Referate I (Information/Stimmungsberichte), II (Haupttelegrafenamt) und III (Kontrollpunkt 1). In den BV hießen die Außenstellen AFAS (Aussortierungsstellen für antidemokratische Schriften bzw. Auftragsfahndung bei abgehenden Sendungen). Die Postkontrolle war bis 1989 als Abt. 12 bzw. Abt. XII in die Struktur der Deutschen Post eingebaut. Die auf der Grundlage der Postauswertung erstellten Stimmungsberichte sollten das MfS in die Lage versetzen, jederzeit ein Bild über die Stimmung der Bevölkerung der verschiedenen sozialen Schichten zu erhalten. Mitte der 50er Jahre wurde begonnen, die Möglichkeiten der Abt. M bei Personenüberprüfungen systematisch zu nutzen.
Im Zusammenhang mit der internationalen Anerkennung der DDR richtete die Abt. M 1973 die "Kurierstelle für Botschaftspost" (KfB) ein. In den 70er Jahren kam es zur verstärkten Entwicklung sowie zum Einsatz von Brieföffnungsautomaten, Briefschließmaschinen und der Röntgentechnik. Um die zwischen der Bundespost und der Deutschen Post der DDR vereinbarte verkürzte Bearbeitungszeit im Postverkehr zu gewährleisten, wurde 1984 die Abt. PZF als neue Abt. M 4 in die Linie M übernommen und dadurch Doppelarbeit abgebaut. Von 1979 bis 1983 war der Mitarbeiterbestand um 41,5 Prozent gestiegen.
Nach dem Tode des bis zu diesem Zeitpunkt zuständigen Stellv. des Ministers Beater übernahm Mielke die HA II und die dieser zugeordnete Abt. M des MfS Berlin in seinen Verantwortungsbereich. Im Oktober 1989 gehörten der Linie M 2192 Offiziere an (MfS Berlin 516, BV 1676). Da das Postgeheimnis in den Verfassungen der DDR seit 1949 nominell verbrieft war, räumte der letzte Leiter der Abt. M, Generalmajor Rudi Strobel, im November 1989 ein, dass für die Tätigkeit der Linie M eine eindeutige gesetzliche Regelung fehle.
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Die OPK wurde 1971 in Abgrenzung zum Operativen Vorgang eingeführt. Auf der Grundlage der MfS-Richtlinien 1/71 und 1/81 zielte sie auf die Überprüfung von Verdachtsmomenten zu Verbrechen und Straftaten, das Erkennen "feindlich-negativer" Haltungen, aber auch den vorbeugenden Schutz von Personen in sicherheitsrelevanten Positionen. Auch Ausländer konnten unter OPK gestellt werden.
Zur Informationsbeschaffung wurden staatliche Organe, Betriebe und Institute, gesellschaftliche Organisationen, die Deutsche Volkspolizei und andere Stellen sowie, wenn erforderlich, operative Mittel und Methoden einbezogen. Die OPK endete mit einem Abschlussbericht. Die bearbeitete Person galt bis dahin als aktiv erfasst, da OPK zu den registrierpflichtigen Vorgängen zählten.
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Übersichtsbogen zur "OPK Sonne" Dokument, 2 Seiten
Aussprache mit einem Übersiedlungsersuchenden und einem Vertreter der Abteilung Inneres Dokument, 6 Seiten
Abschlußbericht zur Operativen Personenkontrolle "Abflug II" Dokument, 4 Seiten
Bericht zum Trägerkreis für die Schaffung eines Kommunikationszentrums Dokument, 4 Seiten