Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 41/57, Bd. 3, Bl. 74-75
Hermann Flade protestierte gegen die Volkswahlen 1950, deren Ausgang von Anfang an feststand. Die Stasi initiierte einen Schauprozess, in welchem das Gericht das Todesurteil gegen ihn verhängte. Innerhalb und außerhalb der DDR rief das eine Welle der Empörung hervor.
Am 15. Oktober 1950 fanden in der DDR die ersten Volkswahlen statt. Von vornherein stand fest, dass die SED zusammen mit den Abgeordneten der Massenorganisationen die absolute Mehrheit stellen sollte. Gegen diesen offensichtlichen Betrug empörte sich ein 18-jähriger Oberschüler aus dem sächsischen Städtchen Olbernhau. Mit einem Druckkasten stellte Hermann Joseph Flade ungefähr 200 Flugblätter her. Die verstreute er nachts heimlich auf Straßen und Plätzen.
Zunächst ging alles gut, doch am Vorabend der Wahl überraschte ihn eine Streife der Volkspolizei. Hermann Joseph Flade wehrte sich: Er zog ein Taschenmesser, und verletzte einen der Polizisten leicht. Zwei Tage später wurde er festgenommen. Die Stasi brachte ihn ins MfS-Untersuchungsgefängnis Dresden und verhaftete auch seine Eltern und seine Großmutter. Die Geheimpolizei initiierte einen öffentlichen Schauprozess gegen ihn. Am 10. Januar 1951 verhängte das Gericht das drakonische Urteil: Todesstrafe für Hermann Joseph Flade.
Inner- und außerhalb der DDR kam es zu einer großen Protestwelle gegen das Urteil. Die Staatssicherheit sammelte einige der Reaktionen auf das Urteil in ihren Akten - darunter auch das transkribierte Radiointerview des Nordwestdeutschen Rundfunks mit den Eltern des Verurteilten.
Die SED sah sich angesichts der Empörung genötigt, das Todesurteil abzuändern. In zweiter Instanz wurde Flade zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Nordwestdeutscher Rundfunk 29.03.1951 o,15 Uhr
Aus Westberlin gibt es zu berichten: Hier erhoben heute die Eltern Herrmann Josef Flades Anklage gegen das Terrorregime in der sowjetischen Besatzungszone. Die Eltern des achtzehnjährigen Oberschülers der, wie Sie wissen, zuerst zum Tode verurteilt und dann nach einer Revisionsverhandlung zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, sind aus Sachsen nach Westberlin geflüchtet, nachdem der sowjetzonale Staatssicherheitsdienst den Vater Flades zum Spitzeldienst zwingen wollte. Vor der in- und ausländischen Presse betonten sie immer wieder daß die Revision des Sowjetdeutschen Todesurteils entscheidend auf die empörten Proteste des Westens zurückzuführen ist. Und sie seien auch davon überzeugt, so sagte Frau Flade abschließend, daß der Westen gleichfalls über das weitere Schicksal ihres Sohnes wachen werde.
Frau Flade sagte dies in Westberlin. Darum hören wir es auch gern, daß hier heute der Berliner Ausschuß des deutschen Bundestages zusammen trat, um sich an Ort und Stelle über die wirtschaftlichen und sozialen Probleme unserer Stadt zu unterrichten. Und darum hörten wir in Berlin es auch gern, als gestern die Ruinen der Berliner Kroll-Oper in die Luft gesprengt wurden, denn diese Detonationen bedeuten Enttrümmerung und Enttrümmerung bedeutet Arbeit.
Der achtzehnjährige Josef Hermann Flade, der vor kurzem in der Ostzone zum Tode und dann zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, ist Ihnen noch ein Begriff. Ich hatte heute Gelegenheit, mit den Eltern zu sprechen, mit [anonymisiert] und mit [anonymisiert]. Beide sind hier in einer Pressekonferenz der Westberliner Presse vorgestellt worden.
Frau Flade, wir wissen, was sich im Großen und Ganzen ereignet hat, aber vom Jungen wissen wir verhältnismäßig wenig. Sie haben ihn ja noch gesprochen, nachdem er zum Tode verurteilt worden war. Wie benahm er sich?
Ich muß sagen, er wußte genau, wir Eltern sind da, und er machte uns das Herz wohl leicht. Er sagte: Haben sie das Urteil ausgesprochen dann muß es auch ausgeführt werden. Er hat sich von allen möglichen unterhalten. Er wollte es uns leicht machen.
Sie haben dann die Revisionsverhandlung verfolgen können und Sie haben ihn noch in verschiedenen Gefängnissen besuchen können. Sicher wollten Sie ihm da verschiedenes zustecken.
Wir hatten zuerst auch Glück. Wir konnten ihm jedes Mal etwas zustellen. Er freute sich sehr darüber. Und dann plötzlich war es aus. Dann haben wir versucht, ihn wieder zu erreichen. Wir haben auch geschrieben, um Auskunft zu bekommen, konnten sie aber nicht bekommen.
Hatte sein Rechtsanwalt mit ihm Fühlung ?
Er hatte längere Zeit mit ihm Fühlung als wir. Zuletzt sagte er, er sei in Dresden. In Dresden wollten wir ihn wieder aufsuchen. Aber es wurde uns gesagt, er ist nicht da. Natürlich glaubten wir es nicht. Wir sollten es nicht erfahren.
Und dann haben Sie ihn wieder auf der Revisionsverhandlung gesehen. Wie verlief die Verhandlung ?
Wenn der Westen nicht gewesen wäre, wäre es unmöglich zu achtzehn Jahren gekommen. Das war wirklich sein Glück.
Wie war die Verhandlung selbst ?
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 41/57, Bd. 3, Bl. 74-75
Hermann Flade protestierte gegen die Volkswahlen 1950, deren Ausgang von Anfang an feststand. Die Stasi initiierte einen Schauprozess, in welchem das Gericht das Todesurteil gegen ihn verhängte. Innerhalb und außerhalb der DDR rief das eine Welle der Empörung hervor.
Am 15. Oktober 1950 fanden in der DDR die ersten Volkswahlen statt. Von vornherein stand fest, dass die SED zusammen mit den Abgeordneten der Massenorganisationen die absolute Mehrheit stellen sollte. Gegen diesen offensichtlichen Betrug empörte sich ein 18-jähriger Oberschüler aus dem sächsischen Städtchen Olbernhau. Mit einem Druckkasten stellte Hermann Joseph Flade ungefähr 200 Flugblätter her. Die verstreute er nachts heimlich auf Straßen und Plätzen.
Zunächst ging alles gut, doch am Vorabend der Wahl überraschte ihn eine Streife der Volkspolizei. Hermann Joseph Flade wehrte sich: Er zog ein Taschenmesser, und verletzte einen der Polizisten leicht. Zwei Tage später wurde er festgenommen. Die Stasi brachte ihn ins MfS-Untersuchungsgefängnis Dresden und verhaftete auch seine Eltern und seine Großmutter. Die Geheimpolizei initiierte einen öffentlichen Schauprozess gegen ihn. Am 10. Januar 1951 verhängte das Gericht das drakonische Urteil: Todesstrafe für Hermann Joseph Flade.
Inner- und außerhalb der DDR kam es zu einer großen Protestwelle gegen das Urteil. Die Staatssicherheit sammelte einige der Reaktionen auf das Urteil in ihren Akten - darunter auch das transkribierte Radiointerview des Nordwestdeutschen Rundfunks mit den Eltern des Verurteilten.
Die SED sah sich angesichts der Empörung genötigt, das Todesurteil abzuändern. In zweiter Instanz wurde Flade zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Ich muß sagen, ich habe bemerkt, der Oberpräsident ging immer um den Jungen herum. Er wagte auch garnicht, eine richtige Frage zu stellen, die eigentlich die Sache getroffen hätte, weil er sich wahrscheinlich dachte, er könnte wieder solche Antworten gehen wie bei der ersten Verhandlung. Auf jeden Fall muß ich sagen, daß durch den Westen uns wirklich geholfen wurde.
Wissen Sie im Augenblick, wo ihr Junge ist ?
Jetzt wissen wir es leider nicht. Wir konnten es zuletzt garnicht mehr erfahren.
Nun sind Sie beide nach hierher gekommen, obwohl Sie drüben ein Geschäft haben. Aus welchem Grunde sind Sie hierher gekommen, Herr Flade ?
Ich bin weggegangen, weil man mir am 22. Februar 1951 in Olbernhau zusammen mit [anonymisiert] einen Schein aufsetzte. Den Schein mußte ich unterschreiben. Er betraf Spitzeldienst, und zwar sollte ich Spitzeldienst machen für die DDR und zwar sollte ich verschiedene Fabrikbesitzer und Kreisräte aushorchen, sollte ihnen sozusagen die Zunge lösen und das sollte ich dann sofort dem Sicherheitsdienst melden.
Mußten Sie diese Verpflichtung eingehen ?
Jawohl ich mußte das unterschreiben. Er hat mir das diktiert, Ich mußte es unterschreiben. Und er hat mir auch gesagt: Wenn ich dieses Schreiben nicht unterzeichne, dann könnte ich sofort in Haft genommen werden. Und wenn ich diese Spitzeldienste nicht ausführe, dann wurde ich sofort in Haft genommen.
Und wie haben Sie sich weiter verhalten ?
Ich habe ihm gesagt, er möchte mir doch bis nach der Messe Zeit lassen und dann würde ich mit diesem Dienst beginnen. Ich habe mir im Stillen gedacht, ich bin und bleibe ein Deutscher und werde das nie ausführen. Und jetzt hatte ich Gelegenheit, hier herüberzukommen. Ich habe zu meiner Frau gesagt: Komm, wir machen hinüber. Wenn mich unterwegs jemand schnappt, dann werde ich den Leuten sagen, ich führe eine Geschäftsreise aus.
Glauben Sie Frau Flade, daß Ihre Flucht ungünstige Folgen für Ihren Jungen haben könnte ?
Ich glaube nicht, denn darüber wachen die Augen des Westens.
F.d.R.d.A.:
[Unterschrift]
Schumann
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Die Verpflichtung Bereitschaftserklärung zur Tätigkeit als IM bildete den Abschluss der Werbung. Sie erfolgte in der Regel schriftlich und in Ausnahmefällen mündlich. Schriftliche Verpflichtungen erfolgten stets handschriftlich. Die Verpflichtungserklärung enthielt bestimmte Kernelemente, zu denen der Bezugspartner Staatssicherheit, die Verpflichtung zur Geheimhaltung, ein Deckname und die Unterschrift gehörten.
Protestbrief gegen das Todesurteil gegen Hermann Joseph Flade Dokument, 2 Seiten
Bericht über die Verhandlung gegen Hermann Joseph Flade Dokument, 2 Seiten
Vernehmung von Werner Haase im Schauprozess gegen ihn und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen (Teil 1) Audio, 41 Minuten, 35 Sekunden
Schlusswort Manfred Smolkas beim Strafprozess vor dem Bezirksgericht Erfurt Audio, 42 Minuten, 25 Sekunden