Signatur: BArch, MfS, BV Cottbus, Ka, Nr. 5a
Depeche Mode gehörte zu den beliebtesten West-Bands in der DDR. Nachdem bekannt wurde, dass die britische Musikgruppe am 7. März 1988 zum ersten Mal ein Konzert in Ost-Berlin geben sollte, versuchte eine Jugendliche aus Hoyerswerda über familiäre Beziehungen an Tickets zu kommen. Beim Telefonat mit dem Großvater traf sie jedoch auf nur wenig Verständnis für das für sie so dringliche Anliegen.
Für große Aufregung sorgte Anfang 1988 bei den Musik-Fans in der DDR die unter der Hand verbreitete Nachricht, die britische Synthie-Pop-Band Depeche Mode werde am 7. März für ein Konzert in der Werner-Seelenbinder-Halle in Ost-Berlin auftreten. Der Termin war im Vorfeld bewusst nicht bekannt gemacht worden. Erst wenige Tage vor dem geplanten Konzert, anlässlich des 42. Jubiläums der Gründung der Freien Deutschen Jugend (FDJ), begann die Jugendorganisation die verfügbaren 6.481 Karten über die Oberschulen in Ost-Berlin an verdiente FDJ-Mitglieder durch Verkauf, Verlosung oder als Auszeichnung zu verteilen.
In der Folge verbreiteten sich Gerüchte über das bevorstehende Konzert in der ganzen DDR, doch gab es für Angehörige der FDJ außerhalb Berlins sowie die anderen Depeche Mode-Fans keine reguläre Möglichkeit an Tickets zu kommen. Dennoch löste die Nachricht einen Ansturm auf die Karten aus, denn Depeche Mode gehörte zu den beliebtesten West-Bands in der DDR. So wurden horrende Preise von teilweise 800 Ostmark, etwa ein durchschnittlicher Netto-Monatslohn, pro Ticket auf dem Schwarzmarkt gezahlt. Andere tauschten ihr Moped gegen ein Ticket ein oder fälschten die Eintrittskarten gleich selbst.
Die für Telefonkontrolle zuständige Abteilung 26 der MfS-Bezirksverwaltung Cottbus überwachte 1988 einen privaten Telefonanschluss in Hoyerswerda. Dabei schnitt sie den Telefonanruf einer Jugendlichen mit, die hoffte, ihr Onkel könne aufgrund seiner vermeintlich einflussreichen Position beim VEB Berlin-Chemie an die begehrten Karten herankommen. Um dessen dienstliche Telefonnummer zu erfahren, rief sie bei ihrem Großvater an, der für die von der Enkelin vorgebrachte Dringlichkeit des Anliegens allerdings nur wenig Verständnis hatte.
[Freizeichen]
[männliche Stimme:] [anonymisiert]
[Anruferin:] Ja, Tag Opa, du sage mal, habt ihr denn - ähm - die Telefonnummer von Onkel [anonymisiert]? Von der Arbeit?
[männliche Stimme:] Hm. Die hab ick jetzt nicht, warum?
[Anruferin:] Na, da wollt ich noch anrufen.
[männliche Stimme:] Der ist sicherlich noch auf der Arbeit um halb, das weeß ich.
[Anruferin:] Doch, halb viere müsste er noch da sein.
[männliche Stimme:] Ich hab die Nummer nicht.
[Anruferin:] Hm. Und und wie wie kann ich da rangehn, also, kann ich mal hier den Betrieb anrufen?
[männliche Stimme:] Welchen Betrieb?
[Anruferin:] Na, da wo der Onkel [anonymisiert] arbeitet.
[männliche Stimme:] Warum ist denn das so wichtig?
[Anruferin:] Ja, das ist sehr wichtig.
[männliche Stimme:] Ja, was issn da so wichtig?
[Anruferin:] Ja, da gibt's ein Depeche-Mode-Konzert in Ost-Berlin und der könnt eher an Karten rankommen.
[männliche Stimme:] Ach du lieber Gott, das ist doch nicht wichtig!
[Anruferin:] Doch, das ist sehr wichtig!
[männliche Stimme:] Also ich habe die Nummer nicht!
[Anruferin:] Und wo arbeitet der genau? In Kali Chemie?
[männliche Stimme:] Das weeß ich och nicht. Und warte du, bis deine deine Mutter oder oder dein Vater zurückkommen, dann kannste weiter-
[Anruferin:] Ne, des geht um Sekunden.
[männliche Stimme:] Des geht nicht um Sekunden.
[Anruferin:] Ach Mann ...
[männliche Stimme:] Du kannst hier jetzt nicht den Betrieb anrufen. Kali Chemie in Berlin. Ja, aber wo der ist, weeß ich doch nicht.
[Anruferin:] Na, ich weeß es, in Adlershof.
[männliche Stimme:] Ja und, hast du'n Telefonbuch von Berlin?
[Anruferin:] Ne, kann ich ja die Auskunft anrufen. Ne, und was ich noch sagen wollte: Was issn der direkt auf Arbeit?
[männliche Stimme:] Weeß ick och nicht, was der macht.
[Anruferin:] Parteisekretär oder sowas?
[männliche Stimme:] Na, woher denn?
[Anruferin:] Kulturf- Kulturfunktionär isser.
[männliche Stimme:] Nein, der is - äh - Hauptabteilungsleiter irgendwo, aber was-
[Anruferin:] Hauptabteilungsleiter.
[männliche Stimme:] Ja.
[Anruferin:] Das sagt denen bestimmt och schon was. Werd ich mal sehen, dass ich irgendwie rankomme.
[männliche Stimme:] Warum? Was werden deine Eltern dazu sagen?
[Anruferin:] Das weeß ich nicht.
[männliche Stimme:] Die werden dir ein paar auf Hammel-
[Anruferin:] Ne, ne, das denk ich nicht.
[männliche Stimme:] Aber ich denke das.
[Anruferin:] Wieso denn?
[männliche Stimme:] Kannste machen, was de willst. Also ich hab die Nummer nicht [anonymisiert].
[Anruferin:] Ne? Naja gut. Gut, das war's dann ja. Gut-
[männliche Stimme:] Ja.
[Anruferin:] Sag der Omi schönen Gruß.
[männliche Stimme:] Danke.
[Anruferin:] Hmm - Tschüss.
[männliche Stimme:] Tschüss.
[Rauschen]
Die Abt. 26 war für die Telefonüberwachung in der DDR zuständig. Die Abt. 26 ging 1955 als Abteilung O aus der HA S (Technische Sicherheit) hervor. Sie wurde 1960 in Abt. 26 umbenannt. Neben den Abhörmaßnahmen im Telefonnetz fielen die Kontrolle der Telexnetze (Maßnahme T) ebenso in ihren Aufgabenbereich wie (akustische) Abhörmaßnahmen in Räumen (Maßnahme B), die Beobachtung von Privat- oder Diensträumen (Maßnahme D), die Abwehr von Abhörangriffen westlicher Geheimdienste auf Räume des MfS (Maßnahme X) sowie der Einsatz von chemischen, physikalischen und radioaktiven Markierungsmitteln (Maßnahme S, Markierung).
In den 50er Jahren ging es dem MfS darum, alle drahtgebundenen und drahtlosen Verbindungen in der DDR zu überwachen. Als zu Beginn der 70er Jahre der Fernsprechverkehr zwischen beiden deutschen Staaten erweitert wurde, stieg die Zahl der Abhöraufträge stark an. Durch den Zugriff auf die Nachrichtenverbindungen der Deutschen Post war es möglich, Teilnehmer am grenzüberschreitenden Telefonverkehr zu erfassen. In den 70er und 80er Jahren setzte die Abt. 26 in großem Maße Videokameras und Abhörgeräte in Wohnungen, Hotels, Dienstgebäuden und Haftanstalten ein. Daneben verfügte die Abt. 26 über ein eigenes Referat zur Spionageabwehr, um westliche Spionagetechniken zu beschaffen.
Die seit Anfang der 70er Jahre wachsenden Auslandsbeziehungen der DDR erweiterten das Aufgabenfeld der Abt. 26 zusätzlich. In den Auslandsvertretungen der DDR wurden abhörsichere Telefone eingebaut. Zu Beginn der 80er Jahre überforderte die Ausweitung der Aufgaben im Operationsgebiet die Abt. 26 derart, dass es ihr an Kräften und Mitteln zur Bewältigung der Überwachungsaufträge in der DDR fehlte. Deshalb wurde ihr Operationsfeld 1983 auf die Überwachung des drahtgebundenen Telefonverkehrs innerhalb der DDR eingeschränkt. Die Westarbeit der Abt. 26 wurde von der HA III übernommen. Überwachungsmaßnahmen der Abt. 26 wurden in der Regel durch Aufträge anderer MfS-Diensteinheiten ausgelöst. Sie dienten der Überwachung dem MfS verdächtig erscheinender Personen. Die Abt. 26 überwachte auch Konspirative Wohnungen des MfS, um die Zuverlässigkeit von IM zu überprüfen sowie hauptamtliche Mitarbeiter, die der Verletzung ihrer Dienstpflichten verdächtigt wurden.
Festnahmen am Berliner Alexanderplatz Video, 17 Minuten, 47 Sekunden
Günter Guillaume über seine Tätigkeit als "Kundschafter" in der Bundesrepublik (Teil 2) Audio, 41 Minuten, 9 Sekunden
Beobachtung von Punks in Ost-Berlin Video, 20 Minuten, 56 Sekunden
Vernehmung von Karl Laurenz im Geheimprozess gegen ihn und Elli Barczatis wegen Spionage Audio, 38 Minuten, 31 Sekunden