Signatur: BStU, MfS, Sekr. Schwanitz, Nr. 145, Bl. 12-20
Am 25. April 1988 erschwerte die Stasi ein zweites Mal den Empfang von Radio Glasnost mit Störsendern. Damit versuchte das MfS die Auswirkungen der regimekritischen Beiträge von Radio Glasnost auf die DDR zu begrenzen.
Die Sendung "Radio Glasnost - Außer Kontrolle" mit Beiträgen "aus und über die DDR" wurde von dem privaten Alternativkanal Radio 100 in West-Berlin einmal monatlich ausgestrahlt. Das einstündige Programm war zwischen Juli 1987 und dem Mauerfall sowohl im Westen als auch im Osten Berlins zu empfangen. In einer kurzen Pilotsendung kündigte Moderatorin Marenbach am 22. Juli 1987 an, von nun an würden auf diesem Sendeplatz Oppositionelle aus der DDR zu Wort kommen. Deren Beiträge und Diskussionen wurden in Ostdeutschland formuliert oder aufgenommen, über die Grenze geschmuggelt und dann von Radio 100 in West-Berlin ausgestrahlt. Bis November 1989 verband Radio Glasnost auf diesem Wege die Ost-Berliner Opposition mit der freien Welt.
In der DDR waren Reinhard Schult, Ralf Hirsch und andere für Texte und Organisation verantwortlich. Eine kleine West-Berliner Redaktion, gegründet durch den Radio-100-Redakteur Dieter Rulff und den aus der DDR ausgebürgerten Oppositionellen Roland Jahn, sorgte dann dafür, dass die Beiträge im privaten Radio 100 einen festen Sendeplatz bekamen. Es dauerte nicht lange, bis Radio Glasnost sein Publikum in der DDR gefunden hatte. Auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde hellhörig und wertete alle Sendungen im Detail aus. Die Geheimpolizei fahndete nach den Urhebern und untersuchte, welchen Einfluss die Beiträge auf DDR-Bürger haben könnten. Auch erschwerte die Stasi den Empfang von zwei Sendungen durch Störsender.
Die Störsender arbeiteten, wie von der Stasi gewünscht: In vielen Bereichen im Osten Berlins war nun auch die Sendung vom April 1988 nur noch schwer oder gar nicht zu verstehen. Die Gegenmaßnahmen werden hier genau analysiert.
Doch die Störsender hatten eine unbeabsichtigte Konsequenz: Sie hatten zwar das Programm von Radio Glasnost unterbrochen, der Sendung damit aber auch zusätzliche Aufmerksamkeit und neue Hörer beschert. Zwei Wochen nach dem Ende der Aktion "David 2" entschied Mielke, den Empfang von Radio Glasnost vorerst nicht weiter stören zu lassen.
4.1. Kontrollmaßnahmen in der Hauptstadt
Auf der Grundlage der Erfahrungen des Einsatzes vom 28.3.1988 wurde die Wirksamkeit des flächendeckenden Kontrollsystems im Territorium der Hauptstadt weiter erhöht. Insgesamt wurde eine höhere Flächendeckung durch den Einsatz von 64 zeitweiligen Empfangsstützpunkten, die mit ausgewählten zuverlässigen Mitarbeitern besetzt waren, erreicht. Eine individuelle Einweisung aller beteiligten Mitarbeiter in die zu lösende Aufgabe vor Aktionsbeginn trug wesentlich zur Erhöhung dor Effektivität bei.
4.2. Kontrollmaßnahmen in den angrenzenden Bezirken
Zur Kontrolle der Wirksamkeit der Störmaßnahmen außerhalb der Hauptstadt erfolgte die Einbeziehung der strukturmäßigen Erfassungsstützpunkte der Abteilungen III der Bezirke Potsdam, Frankfurt/Oder, Cottbus, Neubrandenburg und Magdeburg sowie ausgewählter inoffizieller Kräfte und Mitarbeiter, die im Territorium der jeweiligen Bezirke verteilt waren.
Zusätzlich erfolgte wiederum an drei ausgewählten Standorten, die nach Vorausberechnungen nicht durch die Störmaßnahmen betroffen waren, die Aufzeichnung und zeitgleiche Übertragung des Sendebeitrages zum Führungspunkt, um die wirksame Erteilung der Befehle zur Einleitung der Störungen zu gewährleisten. Als störungssichere Standorte haben sich bewährt:
- KD Nauen
- KD Zossen
- Objekt der HA III in Groß Dölln.
4.3. Kontrollmaßnahmen in Westberlin
Durch inoffizielle Kräfte der HV A wurden im Operationsgebiet Westberlin vier Kontrollpunkte zur Kontrolle der Wirksamkeit der Störmaßnahmen besetzt. Diese Kontrollstellen waren vorwiegend in den Stadtbezirken Kreuzberg, Wedding und Neukölln sowie in unmittelbarer Sendernähe disloziert, um ein objektives Bild über eine mögliche Beeinträchtigung zu vermitteln.
5. Einschätzung der Wirksamkeit der Störmaßnahmen
Grundsätzlich ist einzuschätzen, daß die eingeleiteten operativ-technischen Maßnahmen zu einer höheren Wirksamkeit und besseren flächendeckenden Beeinträchtigung des Empfangs, insbesondere auf dem Territorium der Hauptstadt geführt haben. Entsprechend der konkreten inhaltlichen Ausrichtung der Sendebeiträge wurden auf der Grundlage des Maßnahmeplanes insgesamt 14 Minuten des Sendebeitrages gestört.
Im einzelnen wurden folgende Wirkungen erzielt:
Hauptabteilung III (Volkswirtschaft)
Nach dem Vorbild der "Verwaltung für Wirtschaft" in der sowjetischen Hauptverwaltung für Staatssicherheit erhielt das am 8.2.1950 gebildete MfS eine Einrichtung, die zunächst unter der Bezeichnung Abteilung III bzw. Hauptabteilung III agierte. Vorläufer war die von Mielke geleitete Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft im MdI. Die Kernaufgaben bestanden in der Sabotageabwehr, im Schutz des Volkseigentums und in der Überwachung der Betriebe. Für die SAG Wismut wurde 1951 eine separate Struktureinheit, die Objektverwaltung "W" gegründet.
1955 wurde die systematische Überprüfung von Leitungskadern (später Sicherheitsüberprüfungen), 1957 der Aufbau des Informantennetzes, die Zusammenarbeit mit staatlichen Leitern und Parteisekretären, der Aufbau von Operativgruppen und Objektdienststellen sowie die Gewinnung von IM für Schlüsselpositionen in wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Institutionen etabliert. Mit der Auflösung der Abteilung VI erhielt die HA III den Auftrag zur Sicherung volkswirtschaftlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Landesverteidigung.
1964 erfolgte im Zusammenhang mit den Reformen in der DDR-Volkswirtschaft die Umbenennung der HA III in HA XVIII. Die neue Struktur basierte auf dem Produktionsprinzip, das zunächst auf die führenden Wirtschaftszweige Bau und Industrie fokussiert war. Andere Wirtschaftsobjekte wurden nach dem Territorialprinzip von den Kreisdienststellen bearbeitet. Der HA XVIII in der Zentrale entsprachen gemäß dem Linienprinzip auf der Bezirksebene die Abteilungen XVIII der Bezirksverwaltungen. Sicherungsschwerpunkte waren vor allem Außenhandel, Wissenschaft und Technik sowie die Verteidigungsindustrie. Mit der Richtlinie 1/ 82 wurde der Akzent auf die Gewährleistung der inneren Stabilität verschoben. Strukturelle Auswirkungen hatte insbesondere die Hochtechnologie Mikroelektronik. 1983 wurde die für den Bereich KoKo zuständige AG BKK aus der für den Außenhandel zuständigen Abteilung 7 der HA XVIII herausgelöst.
Zuletzt wies die Organisationsstruktur 6 Arbeitsbereiche und 62 Referate auf. Sie diente vor allem der Aufklärung gegnerischer Geheimdienste ("Arbeit im und nach dem Operationsgebiet"), der inneren Abwehrarbeit in den Betrieben und Institutionen, der Gewährleistung der inneren Stabilität, der Wahrung von Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz sowie der Unterstützung der Wirtschaft durch "effektivitäts- und leistungsfördernde Maßnahmen". Leiter der HA XVIII waren Knoppe (1950–1953), Hofmann (1953–1957), Weidauer (1957–1963), Mittig (1964–1974) und Kleine (1974–1989). Der hauptamtliche Mitarbeiterbestand stieg 1954–1989 von 93 auf 646, auf der gesamten Linie XVIII waren es zuletzt 1623. 1989 arbeiteten für die Linie XVIII ca. 11.000 IM.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Mit Operationsgebiet bezeichnete das MfS zusammenfassend alle Länder, in denen bzw. gegen die es geheimdienstliche Aktionen durchführte. Zumeist waren damit die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin gemeint, der Begriff konnte aber auch jedes andere westliche oder neutrale Land einschließen. Aufgrund besonderer innenpolitischer Entwicklungen galten 1968/69 auch die Tschechoslowakei, spätestens seit den 70er Jahren faktisch Rumänien und in den 80er Jahren auch Polen als Operationsgebiet.
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Signatur: BStU, MfS, Sekr. Schwanitz, Nr. 145, Bl. 12-20
Am 25. April 1988 erschwerte die Stasi ein zweites Mal den Empfang von Radio Glasnost mit Störsendern. Damit versuchte das MfS die Auswirkungen der regimekritischen Beiträge von Radio Glasnost auf die DDR zu begrenzen.
Die Sendung "Radio Glasnost - Außer Kontrolle" mit Beiträgen "aus und über die DDR" wurde von dem privaten Alternativkanal Radio 100 in West-Berlin einmal monatlich ausgestrahlt. Das einstündige Programm war zwischen Juli 1987 und dem Mauerfall sowohl im Westen als auch im Osten Berlins zu empfangen. In einer kurzen Pilotsendung kündigte Moderatorin Marenbach am 22. Juli 1987 an, von nun an würden auf diesem Sendeplatz Oppositionelle aus der DDR zu Wort kommen. Deren Beiträge und Diskussionen wurden in Ostdeutschland formuliert oder aufgenommen, über die Grenze geschmuggelt und dann von Radio 100 in West-Berlin ausgestrahlt. Bis November 1989 verband Radio Glasnost auf diesem Wege die Ost-Berliner Opposition mit der freien Welt.
In der DDR waren Reinhard Schult, Ralf Hirsch und andere für Texte und Organisation verantwortlich. Eine kleine West-Berliner Redaktion, gegründet durch den Radio-100-Redakteur Dieter Rulff und den aus der DDR ausgebürgerten Oppositionellen Roland Jahn, sorgte dann dafür, dass die Beiträge im privaten Radio 100 einen festen Sendeplatz bekamen. Es dauerte nicht lange, bis Radio Glasnost sein Publikum in der DDR gefunden hatte. Auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde hellhörig und wertete alle Sendungen im Detail aus. Die Geheimpolizei fahndete nach den Urhebern und untersuchte, welchen Einfluss die Beiträge auf DDR-Bürger haben könnten. Auch erschwerte die Stasi den Empfang von zwei Sendungen durch Störsender.
Die Störsender arbeiteten, wie von der Stasi gewünscht: In vielen Bereichen im Osten Berlins war nun auch die Sendung vom April 1988 nur noch schwer oder gar nicht zu verstehen. Die Gegenmaßnahmen werden hier genau analysiert.
Doch die Störsender hatten eine unbeabsichtigte Konsequenz: Sie hatten zwar das Programm von Radio Glasnost unterbrochen, der Sendung damit aber auch zusätzliche Aufmerksamkeit und neue Hörer beschert. Zwei Wochen nach dem Ende der Aktion "David 2" entschied Mielke, den Empfang von Radio Glasnost vorerst nicht weiter stören zu lassen.
5.1. Wirksamkeit der Störung in der Hauptstadt und Potsdam
Die eingeleiteten Maßnahmen führten im gesamten Territorium der Hauptstadt und im Stadtgebiet von Potsdam zu einer wirksamen Beeinträchtigung des Empfangs und teilweise totalen Störung der Aussendung von "Radio Glasnost".
Gegenüber den Maßnahmen vom 28.3.1988 wurde insbesondere in den Stadtbezirken
eine flächendeckende Störung erreicht und der Effekt einer totalen Empfangsstörung weiter ausgebaut.
Im Stadtgebiet von Potsdam-Babelsberg wurde aufgrund der vorgenommenen Standortveränderungen der Störsender, der präziseren Ausrichtung der Antennenabstrahlung sowie der Erhöhung der Anzahl der Störkomplexe ebenfalls eine insgesamt höhere Wirksamkeit erreicht.
Aufgrund der eingangs getroffenen Einschätzung über die Dislozierung der einzelnen Störsender und der bekannten technisch-physikalischen Besonderheiten wurden beim Störeinsatz am 25.4.1988 einzelne Territorialbereiche in den Stadtbezirken
nicht flächendeckend von der Störung erfaßt.
Bei der Durchführung weiterer derartiger Maßnahmen sind diese Effekte zu berücksichtigen.
5.2. Wirksamkeit der Störungen in Westberlin
Während der Aussendung des Beitrages von "Radio Glasnost" wurden in Westberlin nur geringfügige Beeinträchtigungen des Empfangs festgestellt.
Selbst in der Zentrale des Westberliner Funkkontroll- und Meßdienstes (FuKMD) in
1000 Berlin 52 (Tegel)
Seidelstraße 48
habe die Störstrahlung nur als geringer Rauschpegel nachgewiesen
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
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Signatur: BStU, MfS, Sekr. Schwanitz, Nr. 145, Bl. 12-20
Am 25. April 1988 erschwerte die Stasi ein zweites Mal den Empfang von Radio Glasnost mit Störsendern. Damit versuchte das MfS die Auswirkungen der regimekritischen Beiträge von Radio Glasnost auf die DDR zu begrenzen.
Die Sendung "Radio Glasnost - Außer Kontrolle" mit Beiträgen "aus und über die DDR" wurde von dem privaten Alternativkanal Radio 100 in West-Berlin einmal monatlich ausgestrahlt. Das einstündige Programm war zwischen Juli 1987 und dem Mauerfall sowohl im Westen als auch im Osten Berlins zu empfangen. In einer kurzen Pilotsendung kündigte Moderatorin Marenbach am 22. Juli 1987 an, von nun an würden auf diesem Sendeplatz Oppositionelle aus der DDR zu Wort kommen. Deren Beiträge und Diskussionen wurden in Ostdeutschland formuliert oder aufgenommen, über die Grenze geschmuggelt und dann von Radio 100 in West-Berlin ausgestrahlt. Bis November 1989 verband Radio Glasnost auf diesem Wege die Ost-Berliner Opposition mit der freien Welt.
In der DDR waren Reinhard Schult, Ralf Hirsch und andere für Texte und Organisation verantwortlich. Eine kleine West-Berliner Redaktion, gegründet durch den Radio-100-Redakteur Dieter Rulff und den aus der DDR ausgebürgerten Oppositionellen Roland Jahn, sorgte dann dafür, dass die Beiträge im privaten Radio 100 einen festen Sendeplatz bekamen. Es dauerte nicht lange, bis Radio Glasnost sein Publikum in der DDR gefunden hatte. Auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde hellhörig und wertete alle Sendungen im Detail aus. Die Geheimpolizei fahndete nach den Urhebern und untersuchte, welchen Einfluss die Beiträge auf DDR-Bürger haben könnten. Auch erschwerte die Stasi den Empfang von zwei Sendungen durch Störsender.
Die Störsender arbeiteten, wie von der Stasi gewünscht: In vielen Bereichen im Osten Berlins war nun auch die Sendung vom April 1988 nur noch schwer oder gar nicht zu verstehen. Die Gegenmaßnahmen werden hier genau analysiert.
Doch die Störsender hatten eine unbeabsichtigte Konsequenz: Sie hatten zwar das Programm von Radio Glasnost unterbrochen, der Sendung damit aber auch zusätzliche Aufmerksamkeit und neue Hörer beschert. Zwei Wochen nach dem Ende der Aktion "David 2" entschied Mielke, den Empfang von Radio Glasnost vorerst nicht weiter stören zu lassen.
werden können. In einem Fall (IM-Bericht) wurde im Bezirk Kreuzberg (U-Bahnhof Schlesisches Tor) in unmittelbarer Nähe zur Staatsgrenze eine vollständige Störung des Empfangs festgestellt (wie bereits am 28.3.1988).
Anhand der durch die inoffiziellen Kräfte der HV A getroffenen Feststellungen kann davon ausgegangen werden, daß eine Beeinträchtigung des Empfangs in der Tiefe des Stadtgebietes von Westberlin nicht erfolgte. Die gegnerischen Funkkontrollkräfte in Westberlin verfügen über keine konkreten meßtechnischen Resultate zu den Störfeldstärken, gehen aber einschätzend davon aus, daß Empfangsbeeinträchtigungen in den Bezirken
vorhanden waren.
Aus der Abstrahlung des Sendebeitrages liegen Hinweise der Moderatorin vor, die unmittelbar im Verlauf der Sendung aktuell jeweils auf die Störung hinwies. Es ist nicht bekannt, ob die Störung durch die Kräfte im Studio selbst festgestellt wurde bzw. eine fernmündliche Informierung erfolgte.
6. Reaktionen auf die durchgeführten Maßnahmen
Aus Kreisen der Bevölkerung der DDR wurden mit den spezifischen Mitteln der Linie III keine Reaktionen auf die Störmaßnahmen festgestellt.
Lediglich aus gegnerischen Journalistenkreisen und Einrichtungen der Bundespost in Westberlin sowie des Bundespostministeriums liegen konkrete Angaben zu Recherchen und weiterführenden Maßnahmen vor.
Im einzelnen können folgende Aussagen getroffen worden:
1. Kräfte der Westberliner
"Tageszeitung (Taz)"
unternahmen am 26.4.1988 Anstrengungen, detaillierte Angaben über die erfolgten Störmaßnahmen in Erfahrung zu bringen. Dazu erfolgten Recherchen beim Pressesprecher des Bundespostministeriums. Vordergründig sollte dabei eine Stellungnahme der Post zu möglichen politischen Auswirkungen abgefragt werden. Dabei ging die "Taz" davon aus, daß dieser Störsender nicht in Westberlin disloziert ist, da schwerpunktmäßig die Westberliner Grenzbezirke Kreuzberg, Wedding und Neukölln von diesen Störungen betroffen waren.
Der Mitarbeiter der Pressestelle des Bundespostministeriums gab dazu keine offizielle Erklärung ab und verwies auf die Aufgaben der Bundespost im Rahmen der Gewährleistung der Funkhoheit. Erst wenn feststehe, daß diese Störungen vom Territorium der DDR ausgehen, seien entsprechende Maßnahmen der Bundespost möglich. Der Pressesprecher räumte nicht aus, daß die Störungen durch
Linie III (Funkaufklärung und Funkabwehr)
Die Hauptabteilung III ging im Januar 1983 aus der Fusion der für Funkaufklärung zuständigen Abteilung III mit der Abteilung Funkabwehr im MfS Berlin hervor. Gemeinsam mit den nachgeordneten Abteilung III der BV betrieb sie die Funkaufklärung, Funkabwehr, Funkkontrolle und Funkgegenwirkung unter dem Leitbegriff Elektronischer Kampf (EloKa) des MfS. Ihr oblag es, aus den Funk- und Fernmeldeverbindungen der Bundesrepublik und Westberlins möglichst viele und hochwertige Gesprächsinhalte abzuschöpfen.
Im Mittelpunkt der Abhöraktionen standen Informationen aus der Bundesregierung, den Landeskabinetten, den Parteien und Medien, der Bundeswehr, der Rüstungsindustrie, den Führungsgremien der NATO, den westdeutschen Geheimdiensten und der Polizei. Daneben wurde die dem Aufspüren illegaler Funksendungen auf dem Gebiet der DDR dienende Funkabwehr betrieben und die auf den DDR-internen Funkbetrieb beschränkte Funkkontrolle.
Vor der Umstrukturierung Anfang der 80er Jahre befassten sich zwei Dienstbereiche mit der Funkarbeit im MfS: Von 1951 bis 1955 analysierte man in der HA S/2 die von westlichen Geheimdiensten benutzten technischen Verfahren und Chiffren bei der Nachrichtenübermittlung mittels Sendern und Fernsprech und Telegrafieeinrichtungen für Funk. Parallel dazu begann der technisch-organisatorische Aufbau einer Spionagefunkabwehr. Die hierauf im Jahr 1955 gebildete Abteilung Funkabwehr war bis 1968 die einzige MfS-Diensteinheit, die sich mit Angelegenheiten des speziellen Nachrichtenfunks beschäftigte. In diesen 13 Jahren wurde ein Funkfahndungssystem formiert, das aus drei Funkbeobachtungsstellen (FBS), neun Peilpunkten (PP) sowie Trupps zur mobilen Funkfahndung bestand. Bei der Suche nach Agentenfunkern und Funkresidenturen in der DDR arbeitete die Abteilung F mit dem Sachgebiet Funk der HA II zusammen.
Im Rahmen der Spionagefunkabwehr auf dem gesamten sozialistischen Territorium bekamen die FBS und PP Aufgaben zur Funkortung und Funkpeilung vom Apparat der Koordination zugewiesen. Seit dem Jahr 1966 wurde die Funkarbeit im MfS neu ausgerichtet: Man löste sich von der alleinigen Fixierung auf den Spionagefunk und ging zur offensiven Abschöpfung von Funkkanälen über. Die Gründung der Koordinierungsgruppe Funk und technischphysikalische Mittel, die zunächst den Rang einer Stabsstelle im Operativstab beim stellvertretenden Minister besaß und dort bis ins Jahr 1971 zum Bereich III erweitert wurde, markierte den Beginn der Funkaufklärung: Im sog. Punktsystem baute man Funkaufklärungsstützpunkte auf, um die von der Bundesrepublik und 136 Hauptabteilung III (Funkaufklärung und Funkabwehr) ihren Verbündeten unterhaltenen Informationskanäle im UKW-Funkspektrum abzuhören. Am 1.7.1971 wurden im MfS die Abteilung III und in den BV wie in der Verwaltung Groß-Berlin die Referate III gebildet. Die neue Diensteinheit trug auch die Bezeichnung Spezialfunkdienste (SFD) des MfS und kooperierte mit der Abteilung Funkabwehr.
Der Auftrag der HA III bedingte den Einsatz von funkelektronischen Mitteln und ein Gefüge aus Stützpunkten, Gebäuden, Anlagen und technischen Dienstleistungsstellen. Im Jahr 1989 existierten auf dem Gebiet der DDR 187 Stützpunkte: 105 feststehende sowie 82 mobile oder halbstationäre Abhörstellen an regelmäßig aufgesuchten Geländepunkten. Dazu erfüllten 41 Stützpunkte von anderen DDR-Ministerien Abhöraufträge oder Funkkontrolldienste im Auftrag der HA III.
Die HA III verfügte im September 1989 über 2.361 Mitarbeiter, weitere 654 gab es in den 15 Abteilung III der BV. Der zentrale Dienstsitz befand sich in Berlin-Köpenick, im Zentralobjekt Wuhlheide (ZOW). Im Jahr 1989 gliederte sich die HA III bei insgesamt 25 Abteilungen in die fünf Anleitungs- und Arbeitsbereiche Operativ (O), Informationsgewinnung (I), Funkabwehr (F), Sicherheit (S) und Technik (T).
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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