Befehl Nr. 11/74 zur "Absicherung" der Fußball-Weltmeisterschaft 1974
Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok., Nr. 1911, Bl. 1-10
Bei der Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in der Bundesrepublik überließ die DDR nichts dem Zufall. Die Stasi übernahm unter dem Decknamen Aktion "Leder" dabei wichtige Aufgaben.
1974 nahm die Fußballnationalmannschaft der DDR erstmals an einer Weltmeisterschaft teil. Das Turnier fand in der Bundesrepublik statt, und die Auslosung hatte ausgerechnet eine Begegnung der beiden deutschen Mannschaften ergeben.
Die Teilnahme an einem Turnier beim "Klassenfeind" warf für die SED-Diktatur zahlreiche Fragen auf. So hatte die DDR Anspruch auf tausende Eintrittskarten. Sie einfach an Fußballfans zu verteilen war undenkbar. Was, wenn die DDR-Bürger in westdeutschen Stadien plötzlich dem Klassenfeind zujubelten? Womöglich hätten die Fans die Westreise sogar zur "Republikflucht" genutzt. Keine Besucher in den Westen zu entsenden war jedoch auch nicht möglich, hätte dies die Undurchdringlichkeit des Eisernen Vorhangs der Weltöffentlichkeit einmal mehr bewusst gemacht. Und auch viele Bürger der DDR wären damit höchst unzufrieden gewesen.
Auch mussten die Mannschaft und ihre Begleiter überwacht werden: Die Spieler würden wochenlang in der Bundesrepublik untergebracht sein und könnten sich womöglich ebenfalls absetzen. Schließlich hätten einige Bundesligisten gerne talentierte Kicker aus der DDR verpflichtet.
Die Stasi übernahm daher die Aufgabe, die Teilnahme der DDR an der Weltmeisterschaft in der Bundesrepublik "abzusichern" und den befürchteten Probleme entgegen zu wirken. Die Angelegenheit war Chefsache. Erich Mielke ließ alle Aktivitäten seines Apparates seit Ende 1973 bündeln, zunächst unter dem Decknamen "Meisterschaft A", dann als Aktion "Leder". Mit Befehl Nr. 11/74 vom 14. Mai 1974 wies Mielke die Diensteinheiten seines Ministeriums dann offiziell an, die Aktion "vorzubereiten und durchzuführen".
Metadaten
- Diensteinheit:
- Büro der Leitung
- Datum:
- 14.5.1974
Von den Maßnahmen "Rückfrage vor Entscheid" werden nicht die Verwandten erfaßt, die kurzfristig als Reisekader bestätigt bzw. für Sondereinsätze durch das ZK der SED in der BRD, in Westberlin und im nichtsozialistischen Ausland eingesetzt werden.
Der Verfahrensweg zur Einleitung der Maßnahmen "Rückfrage vor Entscheid" ist aus der Anlage ersichtlich.
6. Bildung einer Arbeitsgruppe "Rückfrage vor Entscheid"
Zur Realisierung der Maßnahmen ist beim MdI - Büro für Paß- und Ausländerangelegenheiten - vom 27.05.1974 bis 08.07.1974 eine Arbeitsgruppe des MfS einzusetzen. Die Hauptabteilungen VI, VII und XX haben je einen geeigneten Offizier zu kommandieren.
Die Arbeitsgruppe hat
- die von den VPKÄ eingehenden Rückfragen den zuständigen Diensteinheiten des MfS zwecks Entscheidung über Ablehnung oder Zustimmung der Reise zu übermitteln;
- die getroffenen Entscheidungen zu dokumentieren und den anfragenden Dienststellen der VP mitzuteilen.
Durch die Hauptabteilung VII ist zu gewährleisten, daß
- im Büro für Paß- und Ausländerangelegenheiten ein Arbeitsraum bereitgestellt und gegenüber dem Publikumsverkehr abgesichert wird;