Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok, Nr. 1743, Bl. 1-18
Im Transitabkommen vom 17. Dezember 1971 und dem Verkehrsvertrag vom 26. Mai 1972 vereinbarten beide deutsche Staaten Reiseerleichterungen. Der Verkehr zwischen Westdeutschland und West-Berlin wurde vereinfacht, ebenso die Einreise von Bundesbürgern in die DDR. Doch im Hintergrund intensivierte das MfS unter anderem die Überwachung der Transitstrecken in der DDR und dokumentierte Verstöße gegen das Transitabkommen.
Zwischen 1970 und 1972 unterzeichneten die vier Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkriegs, die Volksrepublik Polen sowie die beiden deutschen Staaten mehrere Abkommen und Verträge, die zu politischer Entspannung und praktischen Erleichterungen führten. Die Ostverträge der BRD mit der Sowjetunion und Polen (unterzeichnet am 12.8. bzw. 7.12.1970) sowie das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin (unterzeichnet am 3.9.1971) bildeten die Grundlage für mehrere innerdeutsche Vereinbarungen. Dazu zählten das Transitabkommen und der Verkehrsvertrag, die vor allem für Westdeutsche und West-Berliner Reiseerleichterungen bewirkten. Reisende zwischen Westdeutschland und West-Berlin konnten nun weitgehend unbehindert und ohne intensive Kontrollprozedur im Transit durch die DDR fahren.
Für den Staatssicherheitsdienst hieß dies, dass die Transitstrecken nun ähnlich intensiv zu überwachen waren wie die Grenzen der DDR, um Fluchtmöglichkeiten zu verhindern. Für die lückenlose Beobachtung von der Einreise bis zur Ausreise und um Missbrauch des Transitabkommens aufzudecken und abzuwehren, wurden fast alle Diensteinheiten der Stasi in die Planung einbezogen. Dies betraf sowohl das Ministerium in Berlin als auch die Bezirke entlang der Transitstrecken. Die Anzahl der hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi stieg in den 70er Jahren deutlich an. Dies ist auch der empfundenen Notwendigkeit zu verdanken, bei steigenden Einreisezahlen die nun viel wahrscheinlichere Begegnung mit dem "Klassenfeind" zu kontrollieren.
Auf der Grundlage des Befehls Nr. 20/72 des Ministers Mielke waren regelmäßig ausführliche, quantitative Berichte über den Grenzverkehr an die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) der Stasi zu liefern. Besonders die Verstöße gegen das Transitabkommen sollten aufgelistet werden.
Durchsuchung von Personen, des Gepäcks und der Transportmittel,
außer bei hinreichendem Verdacht auf Mißbrauchshandlungen im Sinne des Artikels 16 des Transitabkommens, bei denen Personen auf frischer Tat festgestellt wurden und wo Gefahr im Verzuge vorliegt (die nachträgliche Bestätigung ist sofort einzuholen),
Sicherstellung oder Beschlagnahme von Gegenständen im Ergebnis operativer Kontrollhandlungen,
außer den in den Entscheidungsgrundsätzen der Zollverwaltung der DDR getroffenen Regelungen,
im Transitverkehr
bedürfen der Zustimmung des Leiters
der Hauptabteilung VI,
der Hauptabteilung VIII,
der Hauptabteilung XIX
entsprechend ihrer Zuständigkeit.
In bedeutsamen Einzelfällen, z.B. wenn durch die Entscheidung weitreichende politische Konsequenzen zu erwarten sind, ist meine Zustimmung bzw. die Zustimmung meines für die jeweilige Linie zuständigen Stellvertreters einzuholen.
Bei den zu treffenden Entscheidungen ist von den Festlegungen
der "Grundsätze über Reisesperren und Zurückweisungen im grenzüberschreitenden Personenverkehr"
Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung)
1950 wurde die selbstständige Abteilung VIII gebildet. Aufgabe der 1958 in Hauptabteilung VIII umbenannten Diensteinheit war es, im Auftrag anderer MfS-Abteilungen operative Beobachtungen und Ermittlungen durchzuführen.
Ihre Standardmethoden waren Mitschnitte von Telefongesprächen, heimliche Fotoaufnahmen, Videoüberwachung, verdeckte Wohnungsdurchsuchungen sowie gewaltsames Eindringen in fremde Objekte aller Art in Ost und West. Neben Beobachtungen, Ermittlungen, Durchsuchungen und Festnahmen in der DDR gehörten auch "aktive operative Maßnahmen in und nach dem Operationsgebiet" zu den Aufgaben der Hauptabteilung VIII. Hauptamtliche MfS-Mitarbeiter und IM reisten unter falschem Namen über getarnte Grenzschleusen ins westliche Operationsgebiet, wo sie Nachforschungen anstellten und Personen und Gebäude überwachten. Auch Anschläge und Entführungen gehörten zum operativen Geschäft dieser MfS-Abteilung.
Ende 1988 arbeiteten in der Hauptabteilung VIII 1.509 und in den Abteilungen VIII der Bezirksverwaltungen 2.960 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter. Neben diesen 4.469 hauptamtlichen unterstanden der Hauptabteilung VIII 1.198 IM (darunter 124 West-IM). Hinzu kamen etwa 3.500 IM in den Abteilungen VIII der Bezirksverwaltungen.
In den 50er Jahren wirkte die Hauptabteilung VIII an zahlreichen Unrechtshandlungen des SED-Regimes mit. So entführte sie u. a. in den Westen geflohene MfS Mitarbeiter, die später als Verräter hingerichtet wurden (Entführung). Seit dem Mauerbau konzentrierte sich die Hauptabteilung VIII überwiegend auf Überwachungsmaßnahmen in der DDR. Nach dem Grundlagenvertrag und dem Transitabkommen versuchte sie, Republikfluchten und unerlaubte Kontakte zwischen DDR-Bürgern und Westdeutschen zu verhindern.
Zur Überwachung des innerdeutschen Reiseverkehrs errichtete die Hauptabteilung VIII an Grenzübergängen Beobachtungsstützpunkte. Im Zuge des POZW mit den DDR-Grenztruppen, der DDR-Zollverwaltung und den Bereichen Passkontrolle und Fahndung der HA VI des MfS sollten "Reisespione" und "operativ interessante Personen" (westdeutsche Politiker, ausländische Unternehmer und Geschäftsleute, Korrespondenten, Journalisten und Westverwandte von verdächtigen DDR-Bürgern) beobachtet werden. Mit großem Aufwand beobachtete die Hauptabteilung VIII Patrouillen der Westalliierten. Sie sammelte Belege für "subversive Handlungen und Aktivitäten", erfasste StVO-Verstöße und Sperrgebietsverletzungen.
Seit Juni 1989 war die Hauptabteilung VIII für die Überwachung von NVA-Angehörigen außerhalb des Dienstes zuständig. Bei der Spuren- und Beweissicherung konzentrierte sie sich auf "schwerwiegende Vorkommnisse" innerhalb der NVA und Grenztruppen: Spionage, Fahnenflucht, Westkontakte und Fluchtversuche. Ihre letzten Einsätze hatten die MfS-Offiziere der Hauptabteilung VIII im Herbst 1989, die zugleich deren personelle und logistische Kapazitäten überstiegen: Immer öfter mussten Angehörige der Hauptabteilung VIII zu außerplanmäßigen Großeinsätzen ausrücken, um an verdächtigen Gottesdiensten teilzunehmen und Demonstrationen zu beobachten oder vorbeugend einzudämmen.
Hauptabteilung VI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel)
Die Hauptabteilung VI befasste sich mit dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr. Sie wurde 1970 durch Fusion der Arbeitsgruppen "Passkontrolle und Fahndung" und "Sicherung des Reiseverkehrs" sowie der Zoll-Abwehr (Überwachung der Zoll-Mitarbeiter) gebildet. Die Hauptabteilung VI hatte an den Grenzübergängen der DDR die Reisenden zu kontrollieren und abzufertigen. Deshalb waren die DDR-Passkontrolleure hauptamtliche Mitarbeiter der Hauptabteilung VI. Zur Tarnung trugen sie Uniformen der Grenztruppen. Zunächst war 1950 die Grenzpolizei mit der Grenzabfertigung beauftragt worden.
Bei der Hauptabteilung VI wurden die Daten der Einreisenden einer ersten Analyse unterzogen, um politisch-operativ interessante Personen herauszufiltern. Die Grenzkontrolle umfasste für die Hauptabteilung VI auch die Überwachung der westlichen Grenzkontrollstellen, in Westberlin auch die der Flughäfen Tegel und Tempelhof sowie der Polizei und des Grenzzolldienstes. Zum Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI gehörte die lückenlose Überwachung der Transitstrecken von und nach Westberlin. Bei ihr liefen Avisierungen für bevorzugte Grenzabfertigungen zusammen.
1970 übernahm sie von der Hauptabteilung XX/5 die Aufgabe, Fluchtversuche zu unterbinden und Fluchthelfer im Westen zu verfolgen, was 1975/76 zu Teilen an die Zentrale Koordinierungsgruppe überging (Republikflucht). Die Hauptabteilung VI überwachte touristische Einrichtungen in der DDR, darunter die Reisebüros und die Interhotels. Ebenso kontrollierte sie DDR-Bürger bei ihren Reisen ins sozialistische Ausland, um Kontakte zu westlichen Staatsbürgern und Fluchtversuche ggf. zu unterbinden.
Die Operativgruppen des MfS in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien waren ihr von 1970 bis 1989 unterstellt. 1989 gab sie deren Leitung an die Hauptabteilung II (HA II) ab. Im Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI wurden 1979–1981 drei Mordanschläge auf den Fluchthelfer Wolfgang Welsch durchgeführt, die dieser nur knapp überlebte.
Charakteristisch für die Hauptabteilung VI war die enge Kooperation mit vielen MfS-Diensteinheiten und anderen Institutionen wie Grenztruppen und Zoll, da im Bereich der Hauptabteilung VI eine Vielzahl von relevanten Erstinformationen und Daten zusammenkam. 1985 führte die Hauptabteilung VI 1.064 IM, darunter 67 West-IM, von denen 62 in Westberlin lebten.
Operative Beobachtung
Die Beobachtung zählte zu den konspirativen Ermittlungsmethoden, die in der Regel von operativen Diensteinheiten in Auftrag gegeben und von hauptamtlichen Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt wurden. Dabei wurden sog. Zielpersonen (Beobachtungsobjekte genannt) über einen festgelegten Zeitraum beobachtet, um Hinweise über Aufenthaltsorte, Verbindungen, Arbeitsstellen, Lebensgewohnheiten und ggf. strafbare Handlungen herauszufinden. Informationen aus Beobachtungen flossen in Operative Personenkontrollen, Operative Vorgänge oder Sicherheitsüberprüfungen ein. Im westlichen Ausland wurden Beobachtungen meist von IM unter falscher Identität ausgeführt.
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
Nach Einleitung des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens zulässige Wegnahme, Sicherung und vorübergehende Verwahrung von Gegenständen oder Aufzeichnungen zur Sicherung von Beweismitteln oder Vermögenswerten von Beschuldigten bzw. Angeklagten durch die Untersuchungsorgane, also auch das MfS (§§ 108–119 StPO/1968). Die Beschlagnahme musste binnen 48 Stunden richterlich bestätigt werden (§ 121 StPO/1968). Die Beschlagnahme war polizeirechtlich auch bei Gefährdung oder Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ohne Ermittlungsverfahren zulässig (§ 13 VP-Gesetz) und konnte in diesen Fällen auch von Angehörigen des MfS vorgenommen werden (§ 20 VP-Gesetz).
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Die Durchsuchung von Wohnungen, Räumen oder Personen war eine strafprozessuale Maßnahme im Ermittlungsverfahren zum Zwecke der Festnahme oder Verhaftung Verdächtiger bzw. zum Auffinden von Beweismaterial (§§ 108–119 StPO/1968). Eine Durchsuchung musste vom Staatsanwalt bzw. konnte bei Gefahr im Verzuge auch von den Untersuchungsorganen angeordnet werden und bedurfte einer richterlichen Bestätigung binnen 48 Stunden (§ 121 StPO/1968). Die Durchsuchung oblag eigentlich den Untersuchungsorganen, formal im MfS also der Linie IX (Hauptabteilung IX). Tatsächlich wurden sie aber regulär von Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt.
Die Durchsuchung Verhafteter und vorläufig Festgenommener konnte ohne staatsanwaltliche Anordnung durchgeführt werden und bedurfte keiner richterlichen Bestätigung (§ 109 StPO/1968); sie wurde im MfS von den – formal nicht zuständigen – Mitarbeitern der Linie XIV (Abteilung XIV) durchgeführt. Außerhalb des Ermittlungsverfahrens war die Durchsuchung von Personen und Sachen durch Polizei und MfS polizeirechtlich geregelt (§ 13 VP-Gesetz). Vom MfS wurden die Möglichkeiten der Durchsuchung und Beschlagnahme auch außerhalb des jeweiligen strafprozessualen Ermittlungsverfahrens für geheimdienstliche Zwecke genutzt. Jenseits jeglicher rechtlicher Regelungen führten operative Diensteinheiten des MfS, vor allem die Linie VIII (Hauptabteilung VIII), auch konspirative Wohnungsdurchsuchungen durch.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Die Hauptabteilung XIX entstand 1964 durch Umbenennung der Hauptabteilung XIII. Ihre Aufgaben waren die Sicherung des Ministeriums für Verkehrswesen und dessen zentraler Einrichtungen sowie der Verkehrsträger Reichsbahn, Schifffahrt, Kraftverkehr und Luftfahrt als auch der Transportpolizei und deren Arbeitsgebiet K I.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok, Nr. 1743, Bl. 1-18
Im Transitabkommen vom 17. Dezember 1971 und dem Verkehrsvertrag vom 26. Mai 1972 vereinbarten beide deutsche Staaten Reiseerleichterungen. Der Verkehr zwischen Westdeutschland und West-Berlin wurde vereinfacht, ebenso die Einreise von Bundesbürgern in die DDR. Doch im Hintergrund intensivierte das MfS unter anderem die Überwachung der Transitstrecken in der DDR und dokumentierte Verstöße gegen das Transitabkommen.
Zwischen 1970 und 1972 unterzeichneten die vier Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkriegs, die Volksrepublik Polen sowie die beiden deutschen Staaten mehrere Abkommen und Verträge, die zu politischer Entspannung und praktischen Erleichterungen führten. Die Ostverträge der BRD mit der Sowjetunion und Polen (unterzeichnet am 12.8. bzw. 7.12.1970) sowie das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin (unterzeichnet am 3.9.1971) bildeten die Grundlage für mehrere innerdeutsche Vereinbarungen. Dazu zählten das Transitabkommen und der Verkehrsvertrag, die vor allem für Westdeutsche und West-Berliner Reiseerleichterungen bewirkten. Reisende zwischen Westdeutschland und West-Berlin konnten nun weitgehend unbehindert und ohne intensive Kontrollprozedur im Transit durch die DDR fahren.
Für den Staatssicherheitsdienst hieß dies, dass die Transitstrecken nun ähnlich intensiv zu überwachen waren wie die Grenzen der DDR, um Fluchtmöglichkeiten zu verhindern. Für die lückenlose Beobachtung von der Einreise bis zur Ausreise und um Missbrauch des Transitabkommens aufzudecken und abzuwehren, wurden fast alle Diensteinheiten der Stasi in die Planung einbezogen. Dies betraf sowohl das Ministerium in Berlin als auch die Bezirke entlang der Transitstrecken. Die Anzahl der hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi stieg in den 70er Jahren deutlich an. Dies ist auch der empfundenen Notwendigkeit zu verdanken, bei steigenden Einreisezahlen die nun viel wahrscheinlichere Begegnung mit dem "Klassenfeind" zu kontrollieren.
Auf der Grundlage des Befehls Nr. 20/72 des Ministers Mielke waren regelmäßig ausführliche, quantitative Berichte über den Grenzverkehr an die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) der Stasi zu liefern. Besonders die Verstöße gegen das Transitabkommen sollten aufgelistet werden.
der "Gemeinsamen Anweisung über die Verfahrensweise bei Verstößen gegen Gesetze der DDR durch Personen, die am Transitverkehr zwischen der BRD und Westberlin teilnehmen" vom 03.06.1972 sowie
der "Gemeinsamen Anweisung über die Verfahrensweise bei Verstößen gegen Gesetze der DDR durch Personen mit ständigem Wohnsitz in Westberlin, die zeitweise in die DDR einreisen" vom 03.06.1972
auszugehen.
8. Der Zentrale Operativstab des MfS hat ständig die zentrale Übersicht über die politisch-operative Lage zu gewährleisten und die erforderlichen Voraussetzungen für zentrale Entscheidungen und einzuleitende Maßnahmen zu schaffen. Das hat insbesondere durch die ständige Auswertung der entsprechend der "Vorläufigen Ordnung über die Informationstätigkeit gemäß Befehl 20/72" eingehenden Sofort- und Ergänzungsmeldungen und durch die enge Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Diensteinheiten zu erfolgen.
9. Zur Gewährleistung der einheitlichen, koordinierten, qualifizierten und termingerechten Durchführung der politisch-operativen Maßnahmen haben die Leiter nachstehender Diensteinheiten ständige Richtungsoffiziere zum Zentralen Operativstab einzusetzen und diese bis zum 03.6.1972 dem Leiter des Zentralen Operativstabes zu benennen:
Operative Beobachtung
Die Beobachtung zählte zu den konspirativen Ermittlungsmethoden, die in der Regel von operativen Diensteinheiten in Auftrag gegeben und von hauptamtlichen Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt wurden. Dabei wurden sog. Zielpersonen (Beobachtungsobjekte genannt) über einen festgelegten Zeitraum beobachtet, um Hinweise über Aufenthaltsorte, Verbindungen, Arbeitsstellen, Lebensgewohnheiten und ggf. strafbare Handlungen herauszufinden. Informationen aus Beobachtungen flossen in Operative Personenkontrollen, Operative Vorgänge oder Sicherheitsüberprüfungen ein. Im westlichen Ausland wurden Beobachtungen meist von IM unter falscher Identität ausgeführt.
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Der Zentrale Operativstab (ZOS) wurde 1970 gegründet. Seine Aufgaben waren der Betrieb des operativen Lagezentrums mit 24-Stunden-Dienst zur Entgegennahme, Aufbereitung und Weiterleitung von Meldungen/Informationen und Führung der Gesamtübersicht zur Sicherheitslage und bestimmten Vorkommnissen (Bomben- und Sprengstoffanschläge, Brandlegungen, Überfälle, Geiselnahmen, Attentate, Erpressungen, Havarien, Vorkommnisse an der Grenze, "staatsfeindliche Hetze", Demonstrationen/Demonstrativhandlungen usw.) wie auch Durchführung von sichernden Aktionen und Einsätzen anlässlich herausragender Ereignisse der Partei- und Staatsführung.
Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok, Nr. 1743, Bl. 1-18
Im Transitabkommen vom 17. Dezember 1971 und dem Verkehrsvertrag vom 26. Mai 1972 vereinbarten beide deutsche Staaten Reiseerleichterungen. Der Verkehr zwischen Westdeutschland und West-Berlin wurde vereinfacht, ebenso die Einreise von Bundesbürgern in die DDR. Doch im Hintergrund intensivierte das MfS unter anderem die Überwachung der Transitstrecken in der DDR und dokumentierte Verstöße gegen das Transitabkommen.
Zwischen 1970 und 1972 unterzeichneten die vier Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkriegs, die Volksrepublik Polen sowie die beiden deutschen Staaten mehrere Abkommen und Verträge, die zu politischer Entspannung und praktischen Erleichterungen führten. Die Ostverträge der BRD mit der Sowjetunion und Polen (unterzeichnet am 12.8. bzw. 7.12.1970) sowie das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin (unterzeichnet am 3.9.1971) bildeten die Grundlage für mehrere innerdeutsche Vereinbarungen. Dazu zählten das Transitabkommen und der Verkehrsvertrag, die vor allem für Westdeutsche und West-Berliner Reiseerleichterungen bewirkten. Reisende zwischen Westdeutschland und West-Berlin konnten nun weitgehend unbehindert und ohne intensive Kontrollprozedur im Transit durch die DDR fahren.
Für den Staatssicherheitsdienst hieß dies, dass die Transitstrecken nun ähnlich intensiv zu überwachen waren wie die Grenzen der DDR, um Fluchtmöglichkeiten zu verhindern. Für die lückenlose Beobachtung von der Einreise bis zur Ausreise und um Missbrauch des Transitabkommens aufzudecken und abzuwehren, wurden fast alle Diensteinheiten der Stasi in die Planung einbezogen. Dies betraf sowohl das Ministerium in Berlin als auch die Bezirke entlang der Transitstrecken. Die Anzahl der hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi stieg in den 70er Jahren deutlich an. Dies ist auch der empfundenen Notwendigkeit zu verdanken, bei steigenden Einreisezahlen die nun viel wahrscheinlichere Begegnung mit dem "Klassenfeind" zu kontrollieren.
Auf der Grundlage des Befehls Nr. 20/72 des Ministers Mielke waren regelmäßig ausführliche, quantitative Berichte über den Grenzverkehr an die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) der Stasi zu liefern. Besonders die Verstöße gegen das Transitabkommen sollten aufgelistet werden.
Hauptabteilung I; Abt. Nachrichten
Hauptabteilung II; Abt. Postzollfahnung
Hauptabteilung VI; Abt. M
Hauptabteilung VII; Abt. XII
Hauptabteilung VIII; Verw. Groß-Berlin
Hauptabteilung IX; BV Potsdam
Hauptabteilung XVIII; BV Frankfurt(0)
Hauptabteilung XIX; BV Schwerin
Hauptabteilung XX; BV Magdeburg
Hauptabteilung Kader u. Sch.; BV Erfurt
Hauptabteilung Verw. u. Wirtsch.; BV Halle
ZAIG; BV Leipzig
BV Gera
BV Karl-Marx-Stadt
10. Die Leiter der Hauptabteilungen VI, VII, VIII, IX, XIX und XX sowie die Leiter der Verwaltung Groß-Berlin und der Bezirksverwaltungen Potsdam, Frankfurt (0), Schwerin, Magdeburg, Erfurt, Halle, Leipzig, Gera und Karl-Marx-Stadt haben [unterstrichen: durchgehend] die Lösung der ihnen zur Sicherung des Transit- sowie Reise- und Besucherverkehrs übertragenen Aufgaben sowie das erforderliche Zusammenwirken zwischen ihren und mit anderen Diensteinheiten des MfS sowie ein enges, kameradschaftliches Zusammenwirken mit anderen Schutz- und Sicherheitsorganen, anderen staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, gesellschaftlichen Organisationen, Einrichtungen und Kräften zu gewährleisten.
Die Leiter der anderen Haupt-/selbständigen Abteilungen, Bezirksverwaltungen/Verwaltungen haben bei sich ergebenden Schwerpunkten des Reise- und Besucherverkehrs in ihrem Ver-
Abteilung M (Postkontrolle)
Die 1951/52 entstandene Abt. M im MfS Berlin und in den BV führte die bis 1952 von den Abt. VIa betriebene Postkontrolle fort. Die Abt. M gliederte sich anfangs in die Leitung und die Referate I (Information/Stimmungsberichte), II (Haupttelegrafenamt) und III (Kontrollpunkt 1). In den BV hießen die Außenstellen AFAS (Aussortierungsstellen für antidemokratische Schriften bzw. Auftragsfahndung bei abgehenden Sendungen). Die Postkontrolle war bis 1989 als Abt. 12 bzw. Abt. XII in die Struktur der Deutschen Post eingebaut. Die auf der Grundlage der Postauswertung erstellten Stimmungsberichte sollten das MfS in die Lage versetzen, jederzeit ein Bild über die Stimmung der Bevölkerung der verschiedenen sozialen Schichten zu erhalten. Mitte der 50er Jahre wurde begonnen, die Möglichkeiten der Abt. M bei Personenüberprüfungen systematisch zu nutzen.
Im Zusammenhang mit der internationalen Anerkennung der DDR richtete die Abt. M 1973 die "Kurierstelle für Botschaftspost" (KfB) ein. In den 70er Jahren kam es zur verstärkten Entwicklung sowie zum Einsatz von Brieföffnungsautomaten, Briefschließmaschinen und der Röntgentechnik. Um die zwischen der Bundespost und der Deutschen Post der DDR vereinbarte verkürzte Bearbeitungszeit im Postverkehr zu gewährleisten, wurde 1984 die Abt. PZF als neue Abt. M 4 in die Linie M übernommen und dadurch Doppelarbeit abgebaut. Von 1979 bis 1983 war der Mitarbeiterbestand um 41,5 Prozent gestiegen.
Nach dem Tode des bis zu diesem Zeitpunkt zuständigen Stellv. des Ministers Beater übernahm Mielke die HA II und die dieser zugeordnete Abt. M des MfS Berlin in seinen Verantwortungsbereich. Im Oktober 1989 gehörten der Linie M 2192 Offiziere an (MfS Berlin 516, BV 1676). Da das Postgeheimnis in den Verfassungen der DDR seit 1949 nominell verbrieft war, räumte der letzte Leiter der Abt. M, Generalmajor Rudi Strobel, im November 1989 ein, dass für die Tätigkeit der Linie M eine eindeutige gesetzliche Regelung fehle.
Hauptabteilung XVIII (Volkswirtschaft)
Nach dem Vorbild der "Verwaltung für Wirtschaft" in der sowjetischen Hauptverwaltung für Staatssicherheit erhielt das am 8.2.1950 gebildete MfS eine Einrichtung, die zunächst unter der Bezeichnung Abteilung III bzw. Hauptabteilung III agierte. Vorläufer war die von Mielke geleitete Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft im MdI. Die Kernaufgaben bestanden in der Sabotageabwehr, im Schutz des Volkseigentums und in der Überwachung der Betriebe. Für die SAG Wismut wurde 1951 eine separate Struktureinheit, die Objektverwaltung "W" gegründet.
1955 wurde die systematische Überprüfung von Leitungskadern (später Sicherheitsüberprüfungen), 1957 der Aufbau des Informantennetzes, die Zusammenarbeit mit staatlichen Leitern und Parteisekretären, der Aufbau von Operativgruppen und Objektdienststellen sowie die Gewinnung von IM für Schlüsselpositionen in wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Institutionen etabliert. Mit der Auflösung der Abteilung VI erhielt die HA III den Auftrag zur Sicherung volkswirtschaftlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Landesverteidigung.
1964 erfolgte im Zusammenhang mit den Reformen in der DDR-Volkswirtschaft die Umbenennung der HA III in HA XVIII. Die neue Struktur basierte auf dem Produktionsprinzip, das zunächst auf die führenden Wirtschaftszweige Bau und Industrie fokussiert war. Andere Wirtschaftsobjekte wurden nach dem Territorialprinzip von den Kreisdienststellen bearbeitet. Der HA XVIII in der Zentrale entsprachen gemäß dem Linienprinzip auf der Bezirksebene die Abteilungen XVIII der Bezirksverwaltungen. Sicherungsschwerpunkte waren vor allem Außenhandel, Wissenschaft und Technik sowie die Verteidigungsindustrie. Mit der Richtlinie 1/82 wurde der Akzent auf die Gewährleistung der inneren Stabilität verschoben. Strukturelle Auswirkungen hatte insbesondere die Hochtechnologie Mikroelektronik. 1983 wurde die für den Bereich KoKo zuständige AG BKK aus der für den Außenhandel zuständigen Abteilung 7 der HA XVIII herausgelöst.
Zuletzt wies die Organisationsstruktur 6 Arbeitsbereiche und 62 Referate auf. Sie diente vor allem der Aufklärung gegnerischer Geheimdienste ("Arbeit im und nach dem Operationsgebiet"), der inneren Abwehrarbeit in den Betrieben und Institutionen, der Gewährleistung der inneren Stabilität, der Wahrung von Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz sowie der Unterstützung der Wirtschaft durch "effektivitäts- und leistungsfördernde Maßnahmen". Leiter der HA XVIII waren Knoppe (1950–1953), Hofmann (1953–1957), Weidauer (1957–1963), Mittig (1964–1974) und Kleine (1974–1989). Der hauptamtliche Mitarbeiterbestand stieg 1954–1989 von 93 auf 646, auf der gesamten Linie XVIII waren es zuletzt 1623. 1989 arbeiteten für die Linie XVIII ca. 11.000 IM.
Hauptabteilung I (NVA und Grenztruppen)
Die Hauptabteilung I war zuständig für die Überwachung des Ministeriums für Nationale Verteidigung sowie der nachgeordneten Führungsorgane, Truppen und Einrichtungen einschließlich der Grenztruppen der DDR. Armeeintern trug die Hauptabteilung I die Bezeichnung "Verwaltung 2000". Ihre Mitarbeiter wurden als Verbindungsoffiziere bezeichnet. Der Armeeführung war die Hauptabteilung I jedoch weder unterstellt noch rechenschaftspflichtig.
Die Hauptabteilung I ging im Dezember 1951 aus den Abteilungen VII a, VII b und VII c hervor. Seit 1956 (Gründung der Nationalen Volksarmee) trugen ihre Struktureinheiten die taktische Bezeichnung des Truppenteils bzw. der Einheit, für deren abwehrmäßige Sicherung sie zuständig waren. Der Mauerbau 1961 und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1962 sorgten für Zäsuren in der Arbeit der Hauptabteilung I.
Von 1956 bis 1961 war die Hauptabteilung I außerdem für die Überwachung der Bereitschaftspolizei zuständig und von 1958 bis 1986 für das Wachregiment des MfS. Die Arbeit der Hauptabteilung I umfasste folgende Aufgaben:
Der Leiter der Hauptabteilung I unterstand einem Ministerstellvertreter, zuletzt Gerhard Neiber. Leiter der Hauptabteilung I waren 1950-1953 Heinz Gronau, 1953-1955 Ottomar Pech, 1955-1981 Karl Kleinjung und ab 1981 Manfred Dietze. Der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung I umfasste 1986 knapp 300.000 Soldaten und Zivilbeschäftigte. Hierfür waren ihr 1989 2.223 Planstellen zugeteilt, darunter jede 2. Stelle für IM-führende Mitarbeiter. Die Hauptabteilung I verfügte über 13 Planstellen für Offiziere im besonderen Einsatz (OibE). 1987 führte die Hauptabteilung I 22.585 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) und Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit (GMS). Zu den Informanten zählten nicht nur Militärangehörige oder Zivilbeschäftigte. Die Zahl der IM, die die Hauptabteilung I im Westen führte, lag unter 150. Die Bearbeitung von Operativen Vorgängen (OV) und Operativen Personenkontrollen (OPK) war vergleichsweise gering. Sie betrug 1988 59 OV und 312 OPK.
Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung)
1950 wurde die selbstständige Abteilung VIII gebildet. Aufgabe der 1958 in Hauptabteilung VIII umbenannten Diensteinheit war es, im Auftrag anderer MfS-Abteilungen operative Beobachtungen und Ermittlungen durchzuführen.
Ihre Standardmethoden waren Mitschnitte von Telefongesprächen, heimliche Fotoaufnahmen, Videoüberwachung, verdeckte Wohnungsdurchsuchungen sowie gewaltsames Eindringen in fremde Objekte aller Art in Ost und West. Neben Beobachtungen, Ermittlungen, Durchsuchungen und Festnahmen in der DDR gehörten auch "aktive operative Maßnahmen in und nach dem Operationsgebiet" zu den Aufgaben der Hauptabteilung VIII. Hauptamtliche MfS-Mitarbeiter und IM reisten unter falschem Namen über getarnte Grenzschleusen ins westliche Operationsgebiet, wo sie Nachforschungen anstellten und Personen und Gebäude überwachten. Auch Anschläge und Entführungen gehörten zum operativen Geschäft dieser MfS-Abteilung.
Ende 1988 arbeiteten in der Hauptabteilung VIII 1.509 und in den Abteilungen VIII der Bezirksverwaltungen 2.960 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter. Neben diesen 4.469 hauptamtlichen unterstanden der Hauptabteilung VIII 1.198 IM (darunter 124 West-IM). Hinzu kamen etwa 3.500 IM in den Abteilungen VIII der Bezirksverwaltungen.
In den 50er Jahren wirkte die Hauptabteilung VIII an zahlreichen Unrechtshandlungen des SED-Regimes mit. So entführte sie u. a. in den Westen geflohene MfS Mitarbeiter, die später als Verräter hingerichtet wurden (Entführung). Seit dem Mauerbau konzentrierte sich die Hauptabteilung VIII überwiegend auf Überwachungsmaßnahmen in der DDR. Nach dem Grundlagenvertrag und dem Transitabkommen versuchte sie, Republikfluchten und unerlaubte Kontakte zwischen DDR-Bürgern und Westdeutschen zu verhindern.
Zur Überwachung des innerdeutschen Reiseverkehrs errichtete die Hauptabteilung VIII an Grenzübergängen Beobachtungsstützpunkte. Im Zuge des POZW mit den DDR-Grenztruppen, der DDR-Zollverwaltung und den Bereichen Passkontrolle und Fahndung der HA VI des MfS sollten "Reisespione" und "operativ interessante Personen" (westdeutsche Politiker, ausländische Unternehmer und Geschäftsleute, Korrespondenten, Journalisten und Westverwandte von verdächtigen DDR-Bürgern) beobachtet werden. Mit großem Aufwand beobachtete die Hauptabteilung VIII Patrouillen der Westalliierten. Sie sammelte Belege für "subversive Handlungen und Aktivitäten", erfasste StVO-Verstöße und Sperrgebietsverletzungen.
Seit Juni 1989 war die Hauptabteilung VIII für die Überwachung von NVA-Angehörigen außerhalb des Dienstes zuständig. Bei der Spuren- und Beweissicherung konzentrierte sie sich auf "schwerwiegende Vorkommnisse" innerhalb der NVA und Grenztruppen: Spionage, Fahnenflucht, Westkontakte und Fluchtversuche. Ihre letzten Einsätze hatten die MfS-Offiziere der Hauptabteilung VIII im Herbst 1989, die zugleich deren personelle und logistische Kapazitäten überstiegen: Immer öfter mussten Angehörige der Hauptabteilung VIII zu außerplanmäßigen Großeinsätzen ausrücken, um an verdächtigen Gottesdiensten teilzunehmen und Demonstrationen zu beobachten oder vorbeugend einzudämmen.
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Hauptabteilung VI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel)
Die Hauptabteilung VI befasste sich mit dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr. Sie wurde 1970 durch Fusion der Arbeitsgruppen "Passkontrolle und Fahndung" und "Sicherung des Reiseverkehrs" sowie der Zoll-Abwehr (Überwachung der Zoll-Mitarbeiter) gebildet. Die Hauptabteilung VI hatte an den Grenzübergängen der DDR die Reisenden zu kontrollieren und abzufertigen. Deshalb waren die DDR-Passkontrolleure hauptamtliche Mitarbeiter der Hauptabteilung VI. Zur Tarnung trugen sie Uniformen der Grenztruppen. Zunächst war 1950 die Grenzpolizei mit der Grenzabfertigung beauftragt worden.
Bei der Hauptabteilung VI wurden die Daten der Einreisenden einer ersten Analyse unterzogen, um politisch-operativ interessante Personen herauszufiltern. Die Grenzkontrolle umfasste für die Hauptabteilung VI auch die Überwachung der westlichen Grenzkontrollstellen, in Westberlin auch die der Flughäfen Tegel und Tempelhof sowie der Polizei und des Grenzzolldienstes. Zum Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI gehörte die lückenlose Überwachung der Transitstrecken von und nach Westberlin. Bei ihr liefen Avisierungen für bevorzugte Grenzabfertigungen zusammen.
1970 übernahm sie von der Hauptabteilung XX/5 die Aufgabe, Fluchtversuche zu unterbinden und Fluchthelfer im Westen zu verfolgen, was 1975/76 zu Teilen an die Zentrale Koordinierungsgruppe überging (Republikflucht). Die Hauptabteilung VI überwachte touristische Einrichtungen in der DDR, darunter die Reisebüros und die Interhotels. Ebenso kontrollierte sie DDR-Bürger bei ihren Reisen ins sozialistische Ausland, um Kontakte zu westlichen Staatsbürgern und Fluchtversuche ggf. zu unterbinden.
Die Operativgruppen des MfS in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien waren ihr von 1970 bis 1989 unterstellt. 1989 gab sie deren Leitung an die Hauptabteilung II (HA II) ab. Im Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI wurden 1979–1981 drei Mordanschläge auf den Fluchthelfer Wolfgang Welsch durchgeführt, die dieser nur knapp überlebte.
Charakteristisch für die Hauptabteilung VI war die enge Kooperation mit vielen MfS-Diensteinheiten und anderen Institutionen wie Grenztruppen und Zoll, da im Bereich der Hauptabteilung VI eine Vielzahl von relevanten Erstinformationen und Daten zusammenkam. 1985 führte die Hauptabteilung VI 1.064 IM, darunter 67 West-IM, von denen 62 in Westberlin lebten.
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Hauptabteilung II (Spionageabwehr)
Die Hauptabteilung II wurde 1953 durch Fusion der Abteilungen II (Spionage) und IV (Spionageabwehr) gebildet. Sie deckte klassische Bereiche der Spionageabwehr ab. Dazu zählte auch die interne Abwehrarbeit im MfS, etwa die Überwachung aktiver und ehemaliger MfS-Mitarbeiter, von Einrichtungen der KGB-Dienststelle Berlin-Karlshorst sowie von Objekten der sowjetischen Streitkräfte und der Sektion Kriminalistik an der Ostberliner Humboldt-Universität. Darüber hinaus betrieb die Hauptabteilung II im Rahmen der "offensiven Spionageabwehr" aktive Spionage in der Bundesrepublik; diese zielte auf westliche Geheimdienste, auf Bundeswehr, Polizei, Massenmedien, Emigrantenverbände u. a.
Die Hauptabteilung II überwachte, sicherte und kontrollierte die DDR-Botschaften im Ausland, die ausländischen diplomatischen Vertretungen in der DDR sowie das Außenministerium der DDR. DDR-Bürger, die westliche Botschaften bzw. die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin aufsuchten, wurden systematisch erfasst. In den Zuständigkeitsbereich der Hauptabteilung II fielen auch die Überwachung der in der DDR lebenden Ausländer sowie die Betreuung von Funktionären und Mitgliedern illegaler, verfolgter kommunistischer Parteien, die in der DDR Aufnahme fanden.
Besondere Brisanz beinhaltete die politisch-operative Sicherung der Westkontakte von SED und FDGB. So kümmerte sich die Hauptabteilung II um die Militärorganisation der DKP ("Gruppe Ralf Forster", eine ca. 220 Bundesbürger umfassende Sabotage- und Bürgerkriegstruppe), organisierte in Absprache mit der NVA deren militärische Ausbildung, finanzierte die Gruppe und stattete sie mit Falschpapieren aus.
Die Hauptabteilung II sicherte (bis 1961 und wieder ab 1980; zwischenzeitlich gab es hierfür die Abteilung BdL II) die Abteilung Verkehr des ZK der SED ab, die kommunistische Organisationen im Westen unterstützte und dort SED-Tarnfirmen betrieb. Die Hauptabteilung II versuchte, Aktivitäten bundesdeutscher Behörden gegen DKP, SEW und SED-Tarnfirmen festzustellen und zu verhindern.
Im Ergebnis der Entspannungspolitik nahmen Begegnungen zwischen Ost- und Westdeutschen zu, westliche Medienvertreter konnten sich in der DDR akkreditieren. Das veranlasste den beträchtlichen personellen Ausbau der Hauptabteilung II. Sie war nun auch zuständig für die Überwachung westlicher Journalisten in der DDR. Ziel war es, unerwünschten Informationsabfluss und unbequeme, kritische Berichterstattung zu verhindern. 1987 übertrug Erich Mielke in der Dienstanweisung 1/87 der Hauptabteilung II die Führung der Spionageabwehr, um ein unkoordiniertes Nebeneinander verschiedener Diensteinheiten zu vermeiden.
Die Hauptabteilung II leitete von Beginn an die Operativgruppen des MfS in der Sowjetunion und Polen, seit 1989 auch in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien. Mit den entsprechenden Spionageabwehr-Abteilungen in diesen Ländern gab es eine ausgeprägte bi- und multilaterale Zusammenarbeit, die aber erst in den frühen 80er Jahren vertraglich fixiert wurde (kommunistischer Geheimdienst). Im Dezember 1981 übernahm die Hauptabteilung II innerhalb des MfS die Federführung bei der Bekämpfung der unabhängigen polnischen Gewerkschaft "Solidarność". Schließlich unterstützte die Hauptabteilung II Sicherheitsorgane in (pro)sozialistischen Entwicklungsländern, entsandte Berater und bildete deren Geheimdienstmitarbeiter in der DDR aus.
Die Hauptabteilung II verfügte über eigene Abteilungen für Fahndung, Logistik, operative Technik und Beobachtung und war in dieser Hinsicht nicht auf andere Abteilungen angewiesen. Zum unmittelbaren Anleitungsbereich des Leiters der Hauptabteilung II gehörte die Abteilung M (Postkontrolle).
1989 zählte die Hauptabteilung II in der Ostberliner Zentrale 1.432 hauptamtliche Mitarbeiter, in den Bezirksverwaltungen (BV) auf der Linie II weitere 934. Hinzu kamen Mitarbeiter in den Kreisdienststellen (KD), die die Aufgaben der Linie II ausführten. Genaue Zahlen der Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) ließen sich bis heute nicht ermitteln. Die Hauptabteilung II hatte mindestens 3.000 IM, die Abt. II der BV etwa 4.000; hinzu kamen weitere IM der KD. 1976 führte die Hauptabteilung II im Westen 109 IM. Unter den West-IM befanden sich z. T. hochkarätige Agenten.
Operative Beobachtung
Die Beobachtung zählte zu den konspirativen Ermittlungsmethoden, die in der Regel von operativen Diensteinheiten in Auftrag gegeben und von hauptamtlichen Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt wurden. Dabei wurden sog. Zielpersonen (Beobachtungsobjekte genannt) über einen festgelegten Zeitraum beobachtet, um Hinweise über Aufenthaltsorte, Verbindungen, Arbeitsstellen, Lebensgewohnheiten und ggf. strafbare Handlungen herauszufinden. Informationen aus Beobachtungen flossen in Operative Personenkontrollen, Operative Vorgänge oder Sicherheitsüberprüfungen ein. Im westlichen Ausland wurden Beobachtungen meist von IM unter falscher Identität ausgeführt.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Abteilung zur Speicherung und Verwaltung von Informationen zu Personen und formgerecht geführten Vorgängen (Registratur und Archivaufgaben). 1950 als Abteilung Erfassung und Statistik gebildet, wurde sie 1951 in Abt. XII umbenannt und gehörte zu den auf der Linie des Ministers tätigen Diensteinheiten.
Abteilungen XII existierten in der Zentrale und dem Linienprinzip entsprechend in den BV. Die Kreisdienststellen (KD) archivierten ihre Ablagen nicht selbständig. Die HV A und die HA I besaßen jeweils eigene Registraturabteilungen, die karteimäßig mit der Zentrale verbunden waren. Die Abt. XII bestand aus den Bereichen Kartei und Archiv mit folgenden Hauptaufgaben: Kartei- bzw. Speicherführung und -änderung (Erfassung von Personen und Objekten; Registrierung von Vorgängen und archivierten Akten; Änderung von Personen- und / oder Erfassungsdaten), Archivierung, Überprüfung und Auskunftserteilung.
Die Grunddaten zu erfassten Personen und registrierten Vorgängen wurden in Karteien gespeichert. So war es möglich, jede Person zu überprüfen, zu identifizieren und ihr Verhältnis zum MfS festzustellen. Anfangs existierten für die Erfassung von Personen nur drei Kategorien: 1. "feindliche" Personen; 2. geheime Mitarbeiter (GM, GI, KW); 3. durch das MfS verhaftete Personen.
In den letzten 20 Jahren des MfS gab es im Bereich Kartei folgende wichtige Speicher: Personenkartei (F 16), Vorgangskartei (F 22, F 22 a), Feindobjektkartei (F 17), Decknamenkartei (F 77), Straßenkartei (F 78), Objektkartei für Konspirative Wohnungen und andere Objekte (F 80), IM-Vorauswahlkartei (IM-VAK). Außerdem gab es Neben- und Hilfskarteien. Allein in der Zentrale umfassten 1989 die 12 Hauptkarteien mehr als 18 Mio. Karteikarten.
Die Arbeiten in den Speichern und im Archiv erfolgten ausschließlich auf Anforderung der operativen Diensteinheiten. Diese konnten veranlassen, dass eine Person überprüft, erfasst bzw. ein Vorgang registriert (Registrierung) wurde. Um Mehrfachbearbeitungen zu vermeiden, durfte eine Person nur in einem registrierten Vorgang aktiv erfasst werden (Erfassung, aktive), umgekehrt konnten in einem Vorgang aber mehrere Personen registriert werden. Bei IM-Vorgängen wurde nur eine Person registriert, allerdings nicht bei der Hauptverwaltung A (HV A), wo neben dem IM auch Angehörige und mit dem IM in Verbindung stehende Personen im selben IM-Vorgang registriert werden konnten (Rosenholz).
Hauptaufgaben des Bereichs Archiv der Zentrale waren v. a.: Archivierung politisch- operativen Schriftgutes der Zentrale und speziellen Schriftgutes der BV; Archivierung von Schriftgut anderer staatlicher Institutionen; Erarbeitung und Speicherung von schriftlichen Auskünften; Ausleihe und Nachweisführung über Bewegung von Archivgut, Zuheftung, Kassation und Restaurierung.
Die Bestände teilten sich in die Operative Hauptablage, die Allgemeine Sachablage, den Bestand Kader und Schulung, den Bestand an Akten der Staatsanwaltschaft sowie diverse Sonderbestände und Teilablagen, darunter die Geheime Ablage sowie Akten der Verwaltung Aufklärung des Ministeriums für Nationale Verteidigung und Unterlagen aus der Zeit vor 1945, die aber bereits in den 60er Jahren in das gesonderte Archiv der HA IX/11 abgegeben wurden.
Zuletzt gab es Kategorien für ca. 30 verschiedene Erfassungsarten, die sämtlich separat geführt wurden, darunter: Untersuchungsvorgang, Operativer Vorgang, Operative Personenkontrolle, inoffizieller Mitarbeiter, Zelleninformator, Feindobjekt. Analog zur Registriernummer bei aktiven Vorgängen wurde für jede abzulegende Akte eine eigene Archivnummer vergeben.
Seit Beginn der 70er Jahre setzte das MfS zunehmend auf EDV, was in der Abteilung XII die Erfassung der zentralen Personenkartei F 16 in der elektronischen Datenbank System der automatischen Vorauswahl (SAVO) zur Folge hatte. Ab 1981 begann auch die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) mittels der Zentralen Personendatenbank (ZPDB) Einzelinformationen zu Personen und Sachverhalten elektronisch zu speichern. Trotzdem behielten manuell geführte Karteien und schriftliches Archiv bis zuletzt ihre grundlegende Bedeutung.
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
Vorgangsart von 1953 bis 1960. In Beobachtungsvorgängen wurden Personen erfasst, die als potenziell oder tatsächlich politisch unzuverlässig oder feindlich eingestellt galten und daher vorbeugend beobachtet wurden. Dazu gehörten etwa ehemalige NS-Funktionsträger, ehemalige Sozialdemokraten, Teilnehmer an den Aktionen des 17. Juni 1953 sowie Personen, die aus dem Westen zugezogen waren. Die Vorgangsart verlor nach und nach an Bedeutung. 1960 gingen noch bestehende Beobachtungsvorgänge in den zugehörigen Objektvorgängen auf. Der Beobachtungsvorgang war zentral in der Abteilung XII zu registrieren, die betroffenen Personen in der zentralen Personenkartei F 16 zu erfassen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Die Hauptabteilung XIX entstand 1964 durch Umbenennung der Hauptabteilung XIII. Ihre Aufgaben waren die Sicherung des Ministeriums für Verkehrswesen und dessen zentraler Einrichtungen sowie der Verkehrsträger Reichsbahn, Schifffahrt, Kraftverkehr und Luftfahrt als auch der Transportpolizei und deren Arbeitsgebiet K I.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Durchführungsbestimmung zum Befehl 13/73 über den Einreiseverkehr während der X. Weltfestspiele der Jugend Dokument, 17 Seiten
Berichterstattung gemäß Befehl 20/72 Dokument, 1 Seite
Befehl Nr. 13/73 zur Sicherung der X. Weltfestspiele der Jugend in Ost-Berlin Dokument, 50 Seiten
Befehl Nr. 12/87 zur Aktion „Dialog 87“ Dokument, 20 Seiten