Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Tb, Nr. 617
Am 23. Oktober 1956 forderten Studenten der Budapester Universitäten auf einer Großdemonstration bürgerliche Freiheitsrechte, ein parlamentarisches Regierungssystem und nationale Unabhängigkeit. Sie bekundeten damit ihre Sympathie für einen Arbeiteraufstand in Polen drei Monate zuvor. Zudem verlangten die Demonstranten die Rückkehr von Imre Nagy als Ministerpräsident. Er hatte das Land von 1953 bis 1955 regiert und dabei einige Reformen angestoßen.
Hintergrund dieser Entwicklung war der XX. Parteitag der KPdSU. Nach dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin drei Jahre zuvor hatte Kreml-Chef Nikita Chruschtschow im Februar 1956 in einer "Geheimrede" mit den Verbrechen seines Vorgängers abgerechnet. Die beginnende Entstalinisierung ermöglichte Reformen in den Ostblockstaaten.
Die anfangs friedliche Demonstration in Budapest wandelte sich schnell zu einem landesweiten Straßenkampf. Sowjetische Truppen traten den Demonstranten noch in der Nacht entgegen. Aus den Reihen des ungarischen Staatssicherheitsdienstes Államvédelmi Hatóság (ÁVH) wurde in die Menge geschossen. Im ganzen Land begann ein Generalstreik, der das öffentliche Leben lähmte. Im Zuge der Demonstrationen kam es gar zur Lynchjustiz an Mitarbeitern des ÁVH sowie an Parteifunktionären. Erneut schossen Angehörige der Geheimpolizei auf Demonstranten.
Die sowjetische Führung machte den ungarischen Parteichef Ernő Gerő für die Lage verantwortlich und setzte ihn ab. Imre Nagy wurde daraufhin vom Zentralkomitee der Partei der Ungarischen Werktätigen (MDP) zum Ministerpräsidenten berufen.
Als sich der neue Regierungschef für freie Wahlen aussprach und die Neutralität sowie den Austritts Ungarns aus dem Warschauer Pakt erklärte, marschierten weitere Truppen der Roten Armee in Budapest ein und besetzten dort auch das Parlamentsgebäude. Gleichzeitig verhandelte Staatsminister János Kádár, ohne Wissen seines Ministerpräsidenten, in Moskau über eine Absetzung der Regierung Nagy. Kádár selbst avancierte nach der zweiten Intervention der sowjetischen Truppen am 4. November 1956 zum Ministerpräsidenten.
Während der Ereignisse stellte der Westen den Aufständischen militärische Unterstützung in Aussicht, was den Widerstand weiter anspornte. Über 2.500 Demonstranten verloren bei der Niederschlagung des Aufstandes ihr Leben, hunderttausende flohen ins westliche Ausland.
Der ungarische Volksaufstand vom Herbst 1956 löste beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Unruhe aus. Die Erinnerungen an den Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 waren noch frisch und die Geheimpolizei wollte ein Überspringen der explosiven Stimmung auf das eigene Land um jeden Preis verhindern. In der SED-Parteizeitung "Neues Deutschland" war schon am 25. Oktober von einem "Putsch konterrevolutionärer Elemente" die Rede. Die DDR-Führung und das MfS sahen sich gezwungen die Bevölkerung durch Abschreckung zu disziplinieren und sozialpolitisches Entgegenkommen zu beruhigen.
In einer Dia-Serie für Propagandazwecke wählte das MfS einige Bilder des Ungarn-Aufstandes aus. Sie sollten zeigen, mit welcher "Brutalität" die "konterrevolutionären" Ungarn gehandelt hätten und wie die Revolution ihr Ende fand. Bei dieser Tonaufnahme handelt es sich um einen Begleitton zu der Dia-Serie. Das Material diente der Schulung von MfS-Mitarbeitern.
[langer Piepton]
[Sprecher:]
Die Konterrevolution in Ungarn 1956
[Sprecherin:]
Die Dia-Serie setzt sich mit den konterrevolutionären Ereignissen im Herbst 1956 in der Ungarischen Volksrepublik auseinander. Die Darstellung dieser Ereignisse charakterisiert die Ziele, die Organisatoren, die angewandten Mittel und Methoden sowie die unvorstellbare Brutalität der Konterrevolution.
[Sprecher:]
Die Feinde des Sozialismus verstärkten 1956 ihre konterrevolutionären Umtriebe gegen die Ungarische Volksrepublik, die Deutsche Demokratische Republik und gegen die Volksrepublik Polen.
In der Ungarischen Volksrepublik gelang es ihnen, die Konterrevolution zum Ausbruch zu bringen.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Der weiße Terror begann am 23. Oktober 1956 offen in Budapest auszubrechen und konzentrierte sich auch von Anfang an auf die ungarische Hauptstadt.
[Piepton]
[Sprecher:]
Die Konterrevolutionäre gingen bei ihren Angriffen auf die Grundlagen des Sozialismus sofort zum weißen Terror gegen die marxistisch-leninistischen Kräfte über. Damit entsprach ihr Vorgehen der aggressiven NATO-Strategie der 50er Jahre, dem frontalen, gewaltsamen Zurückrollen des Sozialismus.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Die Konterrevolutionäre hielten sich streng an einen genau ausgearbeiteten strategischen Plan, um möglichst schnell die neuralgischen Punkte der Hauptstadt in die Hände zu bekommen.
Dazu gehörten die Erstürmung des Budapester Rundfunkgebäudes, des Gebäudes des Zentralorgans der Partei der Ungarischen Werktätigen "Szabad Nep", die Besetzung des Ostbahnhofes, Angriffe auf Armeekasernen, Waffen- und Lkw-Depots sowie Telefonzentralen.
[Piepton]
[Sprecher:]
Ein charakteristischer Zug der Konterrevolution war, die kriminelle Unterwelt, Diebe, Mörder, Prostituierte zu aktivieren und in ihren Dienst zu stellen.
[Piepton]
[Sprecherin:]
So wurden nach Angaben des ungarischen Ministerrates 3.324 Staatsfeinde sowie 9.962 Kriminelle aus den Gefängnissen und Zuchthäusern herausgeholt und in die konterrevolutionären Banden eingegliedert.
[Piepton]
[Sprecher:]
Zu den Absichten der Konterrevolutionäre gehörte, das Wirtschaftsleben und insbesondere das Transportwesen empfindlich zu treffen. Sie entfernten Schienenstücke, um Arbeiterzüge zum Entgleisen zu bringen und die Versorgung der Werktätigen zu destabilisieren. Die daraus resultierende Unzufriedenheit und Unsicherheit sollte in konterrevolutionäre Richtung gelenkt werden.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Der in der Industrie durch Produktionsausfall direkt entstandene Schaden belief sich auf 9 Milliarden Forint.
Auch der durch Plünderungen und Zerstörungen im Bereich des staatlichen Handels in Budapest entstandene Sachschaden von mehr als 759 Millionen Forint belegt das zielgerichtete Vorgehen der Konterrevolutionäre.
Das Nationaleinkommen Ungarns wurde 1956 um 11,5 Milliarden Forint geschmälert.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Mit unglaublicher Brutalität und Bestialität gingen die Konterrevolutionäre daran, die marxistisch-leninistischen Kräfte nach vorgefertigten "Schwarzen Listen", die die Namen Tausender enthielten, zu ermorden.
Der Augenzeuge Georg Stibi, zu dieser Zeit Botschafter der DDR in Budapest, berichtete darüber:
[Piepton]
[Sprecher:]
"Wir sprachen mit den Zeugen der scheußlichen Verbrechen, mit den Angehörigen der Ermordeten, mit den Müttern der Gehenkten, mit den Frauen der Erschossenen, mit den Kindern der Gefolterten und Erschlagenen.
Wir sahen auf dem Pflaster noch das Blut derer, die zu Tode getrampelt worden waren.
[Piepton]
[Sprecher:]
Wir sahen das Grauen in seiner scheußlichsten und bestialischsten Gestalt.
Der ganze Abschaum der alten Welt, die - um mit Karl Marx zu sprechen - 'Wölfe, Schweine und gemeinen Hunde der alten Gesellschaft' hatten sich zusammengerottet, um so, wie zur Zeit der Pariser Kommune oder bei der Niederwerfung der ungarischen Räterepublik des Jahres 1919, den Fortschritt der Menschheit in einem Meer von Blut zu ertränken."
[Sprecherin:]
Die Konterrevolution nahm erneut Kurs auf die Errichtung einer faschistischen Diktatur in Ungarn.
[Piepton]
[Sprecher:]
Unter dem Ministerpräsidenten Imre Nagy gelang es konterrevolutionären Elementen, wesentliche militärische Machtpositionen im Staatsapparat zu besetzen.
So förderte beispielsweise der auf die Positionen der Konterrevolution übergehende Polizeipräsident von Budapest die Formierung der konterrevolutionären Banden zu einer sogenannten Nationalgarde.
Damit gelang es den Konterrevolutionären, den weißen Terror weiter zu verschärfen und zu einem groß angelegten Schlag gegen die Partei auszuholen.
Ihr Konzept bestand darin, die Partei der Arbeiterklasse zu liquidieren bzw. sie in die Illegalität zu drängen.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Lassen wir wieder den Augenzeugen Georg Stibi berichten:
[Sprecher:]
"Eines der grauenhaftesten Verbrechen, das von der Konterrevolution verübt wurde, war der Überfall auf das Haus der Budapester Parteiorganisation am 30. Oktober.
[Piepton]
[Sprecher:]
Das Budapester Parteihaus war von bewaffneten Banden angegriffen worden, obgleich von Seiten der damaligen Regierung Nagy ein sogenannter Waffenstillstand verkündet worden war.
Die prinzipienlose Nachgiebigkeit von Imre Nagy hat diese Banden in ihrem Vorgehen ermutigt.
[Piepton]
[Sprecher:]
Nach mehrstündiger Beschießung des Hauses trat der 2. Sekretär der Budapester Parteiorganisation und Mitglied des ZK, Imre Mezö, mit einer weißen Fahne in der Hand auf die Straße.
Aber noch ehe er ein Wort sagen konnte, wurde er durch Feuergarben aus Maschinenpistolen niedergestreckt.
Ein Armeeoffizier, Oberst Asztalos, der zusammen mit Mezö aus dem Hause kam, wurde ebenfalls auf der Stelle erschossen. Als er tot auf der Straße lag, schnitten ihm die Verbrecher die Brust auf und rissen ihm das Herz aus dem Leibe.
[Piepton]
[Sprecher:]
Danach fielen die faschistischen Strolche über die im Gebäude befindlichen Parteifunktionäre her.
Draußen auf dem Platz der Republik wurden 25 Menschen erhängt. Wir sahen an den Bäumen noch die Spuren dieser Bestialitäten.
[Piepton]
[Sprecher:]
Viele andere Arbeiterfunktionäre wurden viehisch misshandelt.
[Piepton]
[Sprecher:]
Die Banditen ließen den Keller des Gebäudes mit Wasser füllen, um die Personen, die sich während der Beschießung des Hauses dorthin geflüchtet hatten, zu ertränken.
[Piepton]
[Sprecher:]
Der Platz vor dem Gebäude der Budapester Parteiorganisation wurde bis zu acht Meter tief aufgewühlt.
Die faschistischen Mörder hatten, um ihre Verbrechen zu beschönigen, die auch von der westlichen Presse begierig aufgenommene Version verbreitet, in einem unterirdischen Bunker des Parteihauses würden hunderte 'politische Gefangene' festgehalten. Natürlich hat es einen solchen Bunker nie gegeben."
[Piepton]
[Sprecherin:]
Eine Vielzahl von Bilddokumenten und Zeugenaussagen belegen, dass mit den Angriffen auf die Partei ein wütender Terror gegen die Mitarbeiter der ungarischen Sicherheitsorgane verbunden war, um dieses spezielle Sicherheitsorgan zu vernichten.
[Piepton]
[Sprecher:]
Der Sturm auf das Budapester Stadtparteikomitee und die hier verübten Morde sollten auch das Signal für eine Kette ähnlicher Aktionen in der Hauptstadt und im ganzen Lande sein.
Die Unfähigkeit der Regierung unter Ministerpräsident Imre Nagy, die Konterrevolution zurückzuschlagen und die Diktatur des Proletariats in Ungarn zu stabilisieren, wurde immer offensichtlicher.
Es galt, schnell zu handeln, um weitere Massenmorde zu verhindern.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Deshalb bildete der revolutionäre Kern des Zentralkomitees, geführt von Janos Kadar, gestützt auf die bewussten Kräfte der Arbeiterklasse, am 3. November 1956 in Szolnok die Ungarische Revolutionäre Arbeiter-und-Bauern-Regierung.
Während die Nagy-Regierung die UNO aufforderte Truppen zu entsenden und damit der Konterrevolution offen in die Arme arbeitete, wandte sich die neue Revolutionäre Arbeiter-und-Bauernregierung unter Janos Kadar an die Sowjetunion mit dem Ersuchen, die in Ungarn stationierten sowjetischen Einheiten mit der militärischen Sicherung des Sozialismus zu beauftragen. Die Sowjetunion kam dieser internationalistischen Verpflichtung nach.
[Piepton]
[Sprecher:]
Durch die Unterstützung der Sowjetunion und das aktive Handeln der der Sache der Arbeiterklasse treu ergebenen Angehörigen der Schutz- und Sicherheitsorgane wurde die Konterrevolution militärisch geschlagen.
Das verhinderte den schrecklichen Blutstrom zehntausender ungarischer Kommunisten und insbesondere die akute Gefahr der Wiedererrichtung des Kapitalismus in Ungarn.
Die Regierung Kadar konnte sich bei der endgültigen politischen Niederschlagung der Konterrevolution auf die Sympathie der Bevölkerung stützen.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Die aktive Mitarbeit der Werktätigen bei der Überwindung der beträchtlichen volkswirtschaftlichen Schäden und beim weiteren Aufbau des Landes bezeugt, dass der Sozialismus dem Interesse und den Vorstellungen der überwiegenden Mehrheit entsprach und die Konterrevolution über keine entscheidende Massenbasis verfügte.
[Piepton]
[Sprecher:]
Zugleich gelobten die neu geschaffenen Arbeitergarden, die Kampfgruppen der revolutionären Arbeiterklasse, eine Wiederholung des Oktober 1956 in jedem Falle zu verhindern.
Die konterrevolutionären Ereignisse brachten also nicht den Willen der ungarischen Werktätigen zum Ausdruck.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Deshalb stellt sich zwangsläufig die Frage:
[Sprecher:]
Welche Ziele verfolgten die äußere und innere Reaktion?
[Piepton]
[Sprecherin:]
Die friedensgefährdenden und konterrevolutionären Ziele der NATO als Hauptinstrument der äußeren Reaktion fanden in dem strategischen Grundsatzdokument MC 14/1 vom Dezember 1952 ihren Niederschlag.
Dementsprechend legte die NATO-Planung einen Frontalangriff gegen die DDR, die Volksrepublik Polen und die Ungarische Volksrepublik fest.
Die CSR sollte gleichzeitig von der Flanke her aufgerollt werden, während ein massiver Kernwaffenschlag auf das Territorium der UdSSR geplant war. Zur Absicherung dieser Aggressionspläne schleusten die NATO-Staaten seit Beginn des Jahres 1956 in verstärktem Maße Agenten und Waffen für konterrevolutionäre Aufstände in die sozialistischen Länder ein.
[Piepton]
[Sprecher:]
In der Volksrepublik Polen und in der Deutschen Demokratischen Republik wurden konterrevolutionäre Aufstände durch die Wachsamkeit der Partei und der Arbeiterklasse, sowie durch die erfolgreiche vorbeugende Arbeit der sozialistischen Sicherheitsorgane im Keim erstickt.
[Piepton]
[Sprecherin:]
In der Ungarischen Volksrepublik konnten die imperialistischen Subversionszentralen zwischen dem 23. Oktober und dem 4. November 1956 einen konterrevolutionären Putsch entfesseln.
Dem lagen im wesentlichen drei Ursachen zugrunde:
[Piepton]
[Sprecher:]
Erstens bestand die Absicht der NATO-Staaten vor allen Dingen darin, Ungarn mit der Liquidierung der volksdemokratischen Ordnung in ein strategisch günstiges Aufmarschgebiet für einen 3. Weltkrieg zu verwandeln.
Die Hauptorganisatoren der politischen und militärischen Vorbereitung des konterrevolutionären Putsches waren die beiden aggressivsten NATO-Staaten, die USA und die BRD.
Die USA investierten schon damals jährlich über 100 Millionen Dollar für die Wühltätigkeit gegen die sozialistischen Länder.
1956 waren es 125 Millionen Dollar.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Zweitens fand der Imperialismus in Ungarn eine personelle Stütze in den gestürzten Kapitalisten und Großgrundbesitzern, in Vertretern der Großbauernschaft und der kleinen Warenproduzenten. Weitere wesentliche konterrevolutionäre Stützpunkte des Imperialismus waren untergetauchte und reaktivierte Elemente des Horthy-Faschismus, Kreise der bürgerlichen Intelligenz und reaktionäre Vertreter der katholischen Kirche.
[Piepton]
[Sprecher:]
Diese Kräfte hofften mit der Forderung nach Wiederaufrichtung eines Groß-Ungarn, so wie es in der habsburgischen Monarchie als Unterdrücker fremder Nationen existierte, ihre Restaurationsbestrebungen verwirklichen zu können.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Damit entsprachen die Pläne der inneren Reaktion den Zielen der NATO.
[Piepton]
[Sprecher:]
Drittens leisteten revisionistische Elemente, geführt von dem damaligen Ministerpräsidenten Imre Nagy, den konterrevolutionären Aktivitäten der NATO sowie der inneren Reaktion Vorschub und stellten zunehmend den Sozialismus in Ungarn in Frage.
Die Konterrevolution wurde zielgerichtet mit Hilfe des modernen Revisionismus betrieben, der sich als "wahrer Marxismus-Leninismus" tarnte und mit dem Anspruch auf eine angebliche "Verbesserung des Sozialismus" auftrat. Zu einem Sammelbecken, Organisationszentrum und einer Aktionsbasis der Revisionisten entwickelte sich der Petöfi-Club.
Dieser Club konnte mit seinen feindlichen ideologischen und politischen Programmen ungehindert öffentlich wirksam werden und seinen Einfluss auch in den sozialistischen Nachbarländern gefährlich ausweiten.
Der Revisionismus wurde zunehmend ein Instrument der Konterrevolution.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Jahre später schätzte der 1. Sekretär des ZK der USAP, Janos Kadar, die Ereignisse folgendermaßen ein:
[Sprecher:]
"In der gleichen Periode traten in der Führung der Partei ernste Fehler zu Tage und gewannen später die Oberhand; sie entstellten zunehmend unsere sozialistischen Verhältnisse.
Vom Jahre 1953 an lösten diese schweren Fehler eine offene politische Krise aus und führten letztlich in Folge aktiver Umtriebe der revisionistischen Strömungen, des Klassenfeindes und des internationalen Imperialismus zum konterrevolutionären Putsch im Oktober 1956."
Die Macht der Arbeiterklasse, unsere Ordnung, alle sozialistischen Errungenschaften unseres Volkes gerieten in tödliche Gefahr.
In der schweren Situation, die im Herbst 1956 entstanden war, wiesen die Kommunisten, die fest auf den Positionen des Marxismus-Leninismus standen, dem ungarischen Volk erneut den Weg."
[Sprecherin:]
Die übergroße Mehrheit der Werktätigen vertraute den ungarischen Kommunisten.
Mit den bei der Niederschlagung der Konterrevolution und beim weiteren Aufbau vollbrachten Leistungen bewiesen die ungarischen Werktätigen erneut ihre Verbundenheit mit dem Sozialismus.
[Piepton]
[Sprecher:]
Im folgenden werden die Organisatoren und Hauptkräfte des konterrevolutionären Putsches sowie die von ihnen angewandten Mittel und Methoden charakterisiert.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Die USA-Regierung versuchte, ihre aggressiven Ziele über die Geheimdienste, besonders die CIA, zu realisieren.
[Piepton]
[Sprecher:]
Die CIA nutzte dazu wesentlich den von ihr gesteuerten Sender "Radio Free Europe" (RFE) als wichtiges Instrument zur massiven ideologischen und organisatorischen Vorbereitung des konterrevolutionären Putsches und der geplanten Aggression der NATO-Staaten.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Insbesondere der Sender RFE, jedoch auch "Stimme Amerikas" und "Radio Liberty" entlarvten sich als beteiligte Zentren der Aufstandsplanung und Steuerzentralen beim Putschablauf durch solche Instruktionen und Forderungen, wie:
[Piepton]
[Sprecher:]
"1. Das Warschauer Abkommen ist mit sofortiger Wirkung zu kündigen, und es ist zu erklären, dass Ungarn nicht mehr Mitglied dieses Vertrages ist.
2. Die Sowjettruppen sollen sofort und endgültig aus Ungarn abziehen.
3. Sämtliche nationalen Räte haben in einer bestimmten Frist mit der Abhaltung freier und geheimer Wahlen zu beginnen.
4. Die Wahlen sind unter internationale Kontrolle zu stellen."
[Sprecherin:]
Das Herausbrechen Ungarns aus dem Bruderbund der sozialistischen Staaten und die Untergrabung der Diktatur des Proletariats, das sind zwei sichtbar werdende Hauptangriffsrichtungen des Feindes.
Die Verratspolitik des Ministerpräsidenten Nagy dokumentierte sich offen auch am 1. November 1956, als er diesen Forderungen folgte und verfassungswidrig den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Vertrag erklärte.
Damit wäre Ungarn unter der Flagge der sogenannten Neutralität einer unmittelbaren NATO-Aggression offen ausgeliefert worden.
[Piepton]
[Sprecher:]
Aufrufe vom RFE: "Wer die Waffen hat, hat die Macht!", waren verbunden mit Aufforderungen zur Ausweitung der bewaffneten Kämpfe und zur Eroberung staatlicher Machtpositionen. Es war beabsichtigt, Teile der ungarischen Streitkräfte zu zersetzen und der Konterrevolution dienstbar zu machen.
Gleichzeitig sollten die anwesenden sowjetischen Streitkräfte paralysiert werden.
Selbst die reformistische Nagy-Regierung sollte gestützt und eine antisozialistische Regierung unter Führung des Kardinals Mindszenty gebildet werden.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Neben einer beispiellosen Verteufelung der ungarischen Kommunisten gehörten solche Aufrufe und Forderungen zum Arsenal der 20-stündigen Sendezeit der Subversionszentrale RFE wie:
[Sprecher:]
"Freiheitskämpfer! Hängt die Gewehre nicht an den Nagel! Gebt der Budapester Regierung kein Stück Kohle, keinen Tropfen Öl, solange das Innen- und Kriegsministerium nicht in euren Händen sind!"
[Sprecherin:]
Nach dem Ausbruch des weißen Terrors wurden nicht nur die Konterrevolutionäre zu Freiheitskämpfern und der Terror zum Freiheitsstreben des ungarischen Volkes umfunktioniert, sondern gleichzeitig offiziell zur Wirtschaftssabotage, zum Widerstand gegen die Staatsmacht und zur Formierung des konterrevolutionären Untergrundes aufgerufen.
[Piepton]
[Sprecher:]
Den gleichen subversiven Zwecken dienten die seit 1953 vor allem durch die imperialistischen Geheimdienste gesteuerten und finanzierten Ballonaktionen zur Verbreitung antisozialistischen Hetzmaterials in den sozialistischen Staaten.
[Piepton]
[Sprecher:]
1956 wurden von der US-amerikanischen Free Europe Press Diversion 400.000 Polyäthylen-Ballons mit Millionen antisozialistischer Hetzschriften gestartet.
[Piepton]
[Sprecher:]
In Ungarn wurden 103 Millionen solcher Hetzschriften festgestellt. Einen Höhepunkt bildete 1955/56 die Ballon Operation "Focus".
[Piepton]
[Sprecherin:]
Vielfach waren solche Ballons mit Spezialgeräten für Spionageaufnahmen ausgerüstet und sind damit ein Ausdruck der verschärften Spionagetätigkeit gegen die sozialistischen Länder im Rahmen der Subversionstätigkeit und der imperialistischen Kriegsvorbereitung dieses Zeitraumes.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Gleichlaufend und verflochten mit der ideologischen und psychologischen Putschvorbereitung wurde die Tätigkeit imperialistischer Geheimdienste in Ungarn verstärkt. Über die von den Geheimdiensten angewandten Mittel und Methoden gab der am 26. Januar 1957 von den ungarischen Sicherheitsorganen festgenommene BND-Agent, Sandor Visney, folgendes zu Protokoll:
[Sprecher:]
"Die westdeutsche Spionageorganisation 'Gehlen' hat eine ungarische Abteilung, die die Spionagetätigkeit gegen die Ungarische Volksrepublik und die Wühltätigkeit zum Sturz des volksdemokratischen Systems organisiert.
In der ungarischen Abteilung arbeiten der ehemalige Horthy-Oberst Szita, der ehemalige Horthy-Oberstleutnant und Außenminister der Pfeilkreuzler, Jenö Andreanszky, und andere faschistische Elemente.
Die in Salzburg tätigen Spionageorganisationen, vernahmen die ungarischen Flüchtlinge und warben aus dem Kreis dieser Ungarn zahlreiche Agenten, die sie nach Ungarn zurückschickten, damit sie dort gegen die Ungarische Volksrepublik gerichtete Spionage- und sonstige umstürzlerische Tätigkeit entfalten."
[Piepton]
[Sprecherin:]
Wie langfristig die Geheimdienste die Vorbereitung des Umsturzes in Ungarn betrieben, beweist die Spionage-Karriere des Agenten Karoly Toth. Er wurde 1951 und 1952 in Friedrichshafen in Karthografie und in der Grenzüberschreitung sowie in der Handhabung von Waffen unterwiesen.
1953 erhielt er in Klagenfurth eine Ausbildung als Funker und in Willach eine Ausbildung in Taktik und Organisierung von politischen Untergrundzellen. Bis 1956 war er mehrfach in Ungarn zum Einsatz, wo er selbst Agenten ausbildete. Ende 1956 kam Toth mit mehreren seiner Agenten nach Ungarn, in einem Kraftwagen des Roten Kreuzes und mit Journalistenausweisen in der Tasche.
[Piepton]
[Sprecher:]
Häufig wurden die Einreise und der Aufenthalt von Agenten, Spionen und Konterrevolutionären mit journalistischer Tätigkeit legendiert. Diese Legende sollte ihnen ein weitgehend freies Bewegen im Lande sowie entsprechende Kontaktaufnahmen erleichtern.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Von Bonn aus erhielten die konterrevolutionären Führer auch über Funkverbindungen Anweisungen und gaben andererseits ihre Lageberichte durch. Die Fäden der konterrevolutionären Verschwörung liefen nicht nur in die Zentralen der Geheimdienste, sondern auch direkt zu den imperialistischen Regierungen.
[Piepton]
[Sprecher:]
Auch die Auszeichnung von Organisatoren des konterrevolutionären Aufstandes durch den damaligen Kanzler der BRD und Vertreter des Kalten Krieges Adenauer, werfen ein bezeichnendes Licht auf die aktive Mitbeteiligung der BRD am faschistischen Putsch vom Oktober 1956.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Aktiven Anteil an den konterrevolutionären Ereignissen hatten die Zentren der ungarischen Emigration in Westeuropa und selbst in Nordamerika.
Die wichtigsten dieser Zentren befanden sich auf dem Territorium Österreichs und der BRD.
So in:
[Sprecher:]
[Sprecherin:]
Weitere Zentren befanden sich in
Regensburg, Stuttgart, Zirndorf, Hungerburg, Kematon, Hötting, Walka und in anderen Orten.
[Piepton]
[Sprecher:]
Die Zentren der Emigration waren politische Sammelbecken und Aktionsbasen der nach dem Untergang des faschistischen Horthy-Ungarn nach dem Westen geflüchteten Kapitalisten, Großgrundbesitzer, Politiker, Beamten, Offiziere und Vertreter des Adels.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Die Palette reichte vom Faschistenführer Horthy selbst über den ehemaligen Ministerpräsidenten Ference Nagy bis zu Erzherzog Franz Joseph und Otto von Habsburg, der die ungarische Krone zurückverlangte.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Protokollierte Aussagen des BND-Agenten Sandor Visney bestätigten, dass die Zentren als wichtiges Menschenreservoir der Geheimdienste für die Putschvorbereitung fungierten:
[Sprecher:]
"Ich sah mit eigenen Augen, dass an allen Abschnitten der österreichisch-ungarischen Grenze, von Szentgotthard bis Hegyosbalom, von der Spionageorganisation Gehlen bewaffnete Gruppen die Grenze nach Ungarn überschritten, um dort zu kämpfen."
[Sprecherin:]
Die Taktik der Konterrevolution bestand darin, die bewaffneten Kämpfe hinauszuziehen, um möglichst viele solcher Gruppen von Konterrevolutionären aus dem Westen nach Ungarn einzuschleusen.
Sie sollten in der Regel den Kern weiterer Terror- und Sabotageeinheiten bilden.
[Piepton]
[Sprecher:]
Die im In- und Ausland wirkenden faschistischen Elemente hatten besonders enge Verbindungen zu imperialistischen Regierungs- und Geheimdienststellen.
Sogar die in Kanada existierende "Ungarische Freiheitslegion" hat 3.000 ungarische Faschisten vollständig militärisch ausgerüstet, um sie nach Ungarn zu schleusen.
[Piepton]
[Sprecher:]
Auch das faschistische Regime in Spanien äußerte 1956 seine aggressiven Absichten gegenüber Ungarn.
In Francos Tageblatt "Arriba" wurde dies so formuliert:
[Sprecherin:]
"Spanien wird sich mit seinen Truppen an der internationalen Kontrolle ungarischen Gebietes beteiligen."
[Piepton]
[Sprecher:]
Sie alle betrachteten die blutige Konterrevolution vom Oktober 1956 als das ideelle Vermächtnis der Kriegsverbrecher Hitler, Horthy und Szalasi.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Überblickt man die Gesellschaft der Emigranten und Kreuzzügler, so ist auch eine klerikal-faschistische Färbung unschwer zu erkennen. Der ehemalige Fürstprimas von Budapest, Kardinal Ivlindszenty, 'war von der Reaktion zu einem Führer der Konterrevolution auserkoren worden.
[Piepton]
[Sprecher:]
Mindszenty, einer alten österreichischen Adelsfamilie entstammend und Gefolgsmann Hitlers, wurde bereits 1948 wegen staatsfeindlicher Tätigkeit zur Wiederaufrichtung des alten faschistischen Regimes verhaftet und verurteilt. Im Oktober 1956 trat er wieder aktiv in Erscheinung, um für die Konterrevolution die Kräfte der katholischen Kirche aufzubieten. Die Karriere dieses ehrgeizigen, faschistenfreundlichen Kardinals endete nicht im Sessel des Ministerpräsidenten, sondern bezeichnenderweise im politischen Asyl der USA-Gesandtschaft in Budapest.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Wie sichergestellte Dokumente umfassend belegen, instituierte sich in den Tagen des konterrevolutionären Aufstandes der politische Untergrund offiziell in 70 bürgerlichen und faschistischen politischen Parteien und Organisationen.
So unterschiedlich ihre Namen waren, ob "Unabhängige Partei der kleinen Landwirte", ...
[Sprecher:]
... "Herz-Jesu-Bund", ...
[Sprecherin:]
... "Christlich-ungarische Partei", ...
[Sprecher:]
... "Landesblock der Parteilosen", ...
[Sprecherin:]
... "Kameradschaftsbund ungarischer politischer Gefangener", ...
[Sprecher:]
... "Christlicher Jugendverein" ...
[Sprecherin:]
... oder "Sozialdemokratische Partei", waren sie sich in ihrem grundsätzlichen Ziel einig: Restauration feudaler, kapitalistischer und faschistischer Verhältnisse in Ungarn.
Sogar die faschistische Partei der "Pfeilkreuzler" erstand wieder.
[Piepton]
[Sprecher:]
Besonders in den Herbsttagen des Jahres 1956 wurde Ungarn in Massen von Kfz aus dem Westen überflutet.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Ihre Insassen ermutigten und unterstützten offen die Konterrevolutionäre.
[Piepton]
[Sprecher:]
Die Ausrüstung der Konterrevolution mit Waffen wurde insbesondere durch die Geheimdienste realisiert.
Im Rahmen der militärischen Vorbereitung des konterrevolutionären Putsches waren etwa 20.000 Waffen, darunter automatische Handfeuerwaffen, nach Ungarn eingeschleust worden.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Die von den ungarischen Sicherheitsorganen ausgehobenen Waffenlager bzw. beschlagnahmten Waffen belegten, wie weit der politische Untergrund auch militärisch-technisch für den konterrevolutionären Umsturz gerüstet war.
[Piepton]
[Sprecher:]
Kraftfahrzeuge mit dem Zeichen des international geschützten Roten Kreuzes wurden, wie in der Zeit des Faschismus, als Transportmittel für Waffen missbraucht.
Diplomatische Vertretungen imperialistischer Staaten dienten als Umschlagplätze für Waffen, Sprengstoffe, Funkgeräte und Lebensmittel für die Konterrevolutionäre.
Systematisch wurden also völkerrechtlich verbindliche Konventionen und international gültige Rechtsnormen verletzt, um die subversive Tätigkeit gegenüber Ungarn massiv zu verstärken, um der Reaktion Voraussetzungen für ihre volksfeindlichen Aktionen zu schaffen.
[Piepton]
[Sprecherin:]
Die wahren Klassenziele, die die USA mit den konterrevolutionären Ereignissen in Ungarn verfolgten, formulierte der ehemalige Geschäftsträger der USA-Gesandtschaft in Budapest, George Abbot, in seiner Studie "Amerikanische Politik zum Zwecke eines freien Ungarn" wörtlich:
[Sprecher:]
"1. Sturz des gegenwärtigen Systems durch eine innere Revolution.
2. Bruch der gegenwärtigen Regierung mit Moskau.
3. Besiegung Russlands in einem neuen Weltkrieg."
[Sprecherin:]
Es ging also keineswegs um ein freies Ungarn, um das Wohl der Werktätigen, sondern um die Zersetzung und Zerschlagung des Sozialismus von innen heraus und eine ernsthafte, unmittelbare Gefährdung des Weltfriedens.
[Sprecher:]
Nach wie vor stehen diese grundsätzlichen Ziele des Imperialismus auf den Fahnen der USA und ihrer Verbündeten.
Das Wesen des Imperialismus ist unverändert!
Dessen müssen wir uns als Tschekisten ständig in vollem Maße bewusst sein.
[langer Piepton]
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Inszenierte fiktive Sachverhalte und Vorwände, die bei bestimmten Personen gewünschte Verhaltensweisen auslösen und/oder das MfS in die Lage versetzen sollten, an bestimmte Informationen zu gelangen, wobei der nachrichtendienstliche Hintergrund der Vorgänge unerkannt bleiben sollte. Die Legende sollte glaubwürdig sein und auf realen, überprüfbaren Gegebenheiten beruhen. Je nach operativer Zielsetzung gab es die Reise-, Ermittlungs-, Gesprächs-, Kontakt-, Ausweich- und Rückzugslegenden.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").