Signatur: BArch, MfS, BV Suhl, KD Bad Salzungen, Nr. 17, Bl. 19-22
Die mit der Aktion "Ungeziefer" geplante Zwangsaussiedlung tausender Menschen aus dem Grenzgebiet traf auf Widerstand. In mehreren Orten wehrte sich die Bevölkerung und organisierte Demonstrationen. Viele kamen ihrer Vertreibung mit einer Flucht in den Westen zuvor.
Schon kurz nach ihrer Gründung musste die DDR eine zunehmende Abwanderung ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Bundesrepublik verzeichnen. Die Zwangsenteignung vieler Bauern, der im Vergleich zum Westen bereits geringere Lebensstandard, Ablehnung des politischen Systems und andere Faktoren bewegten immer mehr Menschen dazu, das Land zu verlassen.
Die SED-Führung reagierte darauf mit einer Verschärfung des Grenzregimes. Auf Geheiß der Sowjetunion erließ die Regierung am 26. Mai 1952 eine "Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands". Der Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, legte die genaue Ausgestaltung nur einen Tag später in einer Polizeiverordnung fest.
Diese sah einen besonders geschützten Bereich von fünf Kilometern Breite vor der Grenze vor. Noch strengere Regeln galten für den Schutzstreifen von 500 Metern vor der Grenze. Ein zehn Meter breiter Kontrollstreifen unmittelbar an der Grenze war für normale Bürgerinnen und Bürger vollständig gesperrt.
Begleitet wurden diese Maßnahmen von Zwangsumsiedlungen aus dem Grenzgebiet. Unter dem Decknamen "Aktion 'Ungeziefer'" bereitete das MfS die Umsiedlung von "politisch unzuverlässigen" Personen vor. Die Deutsche Volkspolizei (DVP) vertrieb zwischen Mai und Juni 1952 tausende Personen aus dem Grenzgebiet und wies ihnen eine neue Bleibe im Landesinneren zu.
Alle im Grenzgebiet lebenden Bewohnerinnen und Bewohner wurden zuvor durch die Volkspolizei überprüft und in ihrer Grundhaltung zur DDR eingeschätzt. Dabei kam es zu willkürlichen Entscheidungen und Denunziationen durch Nachbarinnen und Nachbarn. Zur Aussiedlung vorgesehen waren u. a. Bürgerinnen und Bürger mit Westkontakten und ehemalige Angehörige der NSDAP. Auch Bäuerinnen und Bauern, die ihr Ablieferungssoll an den Staat nicht erfüllten, und Menschen, die sich in irgendeiner Form negativ über den Staat geäußert hatten, landeten auf den Listen.
Die Durchführung der Zwangsaussiedlungen war generalstabsmäßig geplant. Mit den Listen der Auszuweisenden durchkämmte die Volkspolizei Dörfer und Städte. Die Betroffenen mussten in aller Eile ihre Häuser verlassen und wurden mit ihrem Hab und Gut in Lastwagen und Zügen zu ihren neuen Wohnorten im Landesinneren verbracht.
Ein abschließender Bericht der MfS-Kreisverwaltung Bad Salzungen an die MfS-Landesverwaltung Thüringen vom 9. Juni 1952 nennt 307 Familien bzw. 989 Personen, die ausgesiedelt werden sollten. Darunter befanden sich Landwirte, Geschäftsleute, Hausfrauen, Handwerker, Angestellte, Arbeiterinnen und Rentner. Die meisten waren im Alter zwischen 40 und 60 Jahren und wurden überwiegend als kriminell oder "reaktionär-antidemokratisch" abgestempelt.
Nicht immer jedoch lief die Zwangsaussiedlung ohne Komplikationen ab. Proteste, Demonstrationen, Widerstände gegen die Ausweisung und Fluchten über die Grenze verzögerten und störten den Ablauf der Aktion zum Teil erheblich. Der Bericht kritisiert eine mangelhafte Aufklärung "über den Zweck und das Ziel der Aussiedlung" vorab. In der Bevölkerung hätte allgemein eine "ablehnende Stimmung" gegenüber der Aktion "Ungeziefer" geherrscht. Auch nicht betroffene Personen hätten daraufhin die DDR verlassen.
Regierung Der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium für Staatssicherheit
- Verwaltung Thüringen -
Kreisverwaltung Bad Salzungen
Bad Salzungen, den 09.06.1952
An die
Landesverwaltung Thüringen
- Leitung -
Tgb.Nr.: [Handschriftliche Ergänzung: 99/52]
Weimar
Termin: 09.06.1952 - 14:00 Uhr -
Betr.: Aktion "Ungeziefer"
Bezug: FS Nr. 192 vom 08.06.1952.
I.) Zur Umsetzung vorgesehene Personen.
307 Familien = 989 Personen
II.) Ausgesiedelt wurden.
112 Familie = 350 Personen
III.) Durch Flucht entzogen haben sich.
195 Familien = 637 Personen
Die angegebenen Zahlen sind nicht alles Republikflucht, weil sich zum Teil Personen nur versteckt gehalten haben, die nicht aufgefunden wurden, so daß mit einer Rückkehr zu rechnen ist.
IV.) Soziale Aufgliederung der für die Aussiedlung vorgesehenen Personen.
Es kann nur die Aufgliederung der auszusiedelnden Personen angegeben werden, weil die tatsächlich Ausgesiedelten noch nicht namentlich erfasst und aufgeschlüsselt vorliegen.
a) 35 Landwirte
b) 20 Geschäftsleute und Gastwirte
c) 19 selbständige Unternehmer
d) 28 selbständige Handwerker
e) 31 Angestellte
f) 67 Arbeiter
h) 15 Hausfrauen
i) 5 Rentner
j) 55 sonstige, zum Teil ohne Beruf
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
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Signatur: BArch, MfS, BV Suhl, KD Bad Salzungen, Nr. 17, Bl. 19-22
Die mit der Aktion "Ungeziefer" geplante Zwangsaussiedlung tausender Menschen aus dem Grenzgebiet traf auf Widerstand. In mehreren Orten wehrte sich die Bevölkerung und organisierte Demonstrationen. Viele kamen ihrer Vertreibung mit einer Flucht in den Westen zuvor.
Schon kurz nach ihrer Gründung musste die DDR eine zunehmende Abwanderung ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Bundesrepublik verzeichnen. Die Zwangsenteignung vieler Bauern, der im Vergleich zum Westen bereits geringere Lebensstandard, Ablehnung des politischen Systems und andere Faktoren bewegten immer mehr Menschen dazu, das Land zu verlassen.
Die SED-Führung reagierte darauf mit einer Verschärfung des Grenzregimes. Auf Geheiß der Sowjetunion erließ die Regierung am 26. Mai 1952 eine "Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands". Der Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, legte die genaue Ausgestaltung nur einen Tag später in einer Polizeiverordnung fest.
Diese sah einen besonders geschützten Bereich von fünf Kilometern Breite vor der Grenze vor. Noch strengere Regeln galten für den Schutzstreifen von 500 Metern vor der Grenze. Ein zehn Meter breiter Kontrollstreifen unmittelbar an der Grenze war für normale Bürgerinnen und Bürger vollständig gesperrt.
Begleitet wurden diese Maßnahmen von Zwangsumsiedlungen aus dem Grenzgebiet. Unter dem Decknamen "Aktion 'Ungeziefer'" bereitete das MfS die Umsiedlung von "politisch unzuverlässigen" Personen vor. Die Deutsche Volkspolizei (DVP) vertrieb zwischen Mai und Juni 1952 tausende Personen aus dem Grenzgebiet und wies ihnen eine neue Bleibe im Landesinneren zu.
Alle im Grenzgebiet lebenden Bewohnerinnen und Bewohner wurden zuvor durch die Volkspolizei überprüft und in ihrer Grundhaltung zur DDR eingeschätzt. Dabei kam es zu willkürlichen Entscheidungen und Denunziationen durch Nachbarinnen und Nachbarn. Zur Aussiedlung vorgesehen waren u. a. Bürgerinnen und Bürger mit Westkontakten und ehemalige Angehörige der NSDAP. Auch Bäuerinnen und Bauern, die ihr Ablieferungssoll an den Staat nicht erfüllten, und Menschen, die sich in irgendeiner Form negativ über den Staat geäußert hatten, landeten auf den Listen.
Die Durchführung der Zwangsaussiedlungen war generalstabsmäßig geplant. Mit den Listen der Auszuweisenden durchkämmte die Volkspolizei Dörfer und Städte. Die Betroffenen mussten in aller Eile ihre Häuser verlassen und wurden mit ihrem Hab und Gut in Lastwagen und Zügen zu ihren neuen Wohnorten im Landesinneren verbracht.
Ein abschließender Bericht der MfS-Kreisverwaltung Bad Salzungen an die MfS-Landesverwaltung Thüringen vom 9. Juni 1952 nennt 307 Familien bzw. 989 Personen, die ausgesiedelt werden sollten. Darunter befanden sich Landwirte, Geschäftsleute, Hausfrauen, Handwerker, Angestellte, Arbeiterinnen und Rentner. Die meisten waren im Alter zwischen 40 und 60 Jahren und wurden überwiegend als kriminell oder "reaktionär-antidemokratisch" abgestempelt.
Nicht immer jedoch lief die Zwangsaussiedlung ohne Komplikationen ab. Proteste, Demonstrationen, Widerstände gegen die Ausweisung und Fluchten über die Grenze verzögerten und störten den Ablauf der Aktion zum Teil erheblich. Der Bericht kritisiert eine mangelhafte Aufklärung "über den Zweck und das Ziel der Aussiedlung" vorab. In der Bevölkerung hätte allgemein eine "ablehnende Stimmung" gegenüber der Aktion "Ungeziefer" geherrscht. Auch nicht betroffene Personen hätten daraufhin die DDR verlassen.
Davon waren:
a) Ausländer 1
b) Staatenlose 2
c) Ohne jede Papiere keine
d) kriminelle Elemente 89
e) wegen reaktionärer,antidemokratischer Einstellung und sonstige [geschweifte Klammer] 218
V.) Altersaufgliederung nach Geschlechtern:
a) Männer:
Jugendliche bis 15 Jahre = 1
bis 18 Jahre = 5
bis 24 Jahre = 23
bis 30 Jahre = 37
bis 40 Jahre = 74
bis 50 Jahre = 69
bis 60 Jahre = 41
über 60 Jahre = 9
b) Frauen:
Jugendliche bis 15 Jahre = -
bis 20 Jahre = 1
bis 24 Jahre = 11
bis 30 Jahre = 7
bis 40 Jahre = 6
bis 50 Jahre = 13
über 50 Jahre = 10
VI.) Parteipolitische Zusammensetzung der Ausgesiedelten:
Eine genaue parteipolitische Aufgliederung über die auszusiedelnden bzw. ausgesiedelten Personen kann erst gegeben werden wenn die genauen Namen festliegen.
VII. Personen, die öffentliche Ämter bekleideten bzw. als Staatsangsstellte oder Verwaltungsangestellte eingesetzt sind.
4 Ärzte
2 Ingenieure
2 Angehörige der Intelligenz
3 Pfarrer
Diese Personen sind in einer Sonderliste der Intelligenz erfaßt und sind nicht mit ausgesiedelt worden. Sie sollen umbesetzt und versetzt werden.
VIII. Abschluß der Aktion.
Die Aktion war 08.06.1952 restlos abgeschlossen.
Hauptabteilung VI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel)
Die Hauptabteilung VI befasste sich mit dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr. Sie wurde 1970 durch Fusion der Arbeitsgruppen "Passkontrolle und Fahndung" und "Sicherung des Reiseverkehrs" sowie der Zoll-Abwehr (Überwachung der Zoll-Mitarbeiter) gebildet. Die Hauptabteilung VI hatte an den Grenzübergängen der DDR die Reisenden zu kontrollieren und abzufertigen. Deshalb waren die DDR-Passkontrolleure hauptamtliche Mitarbeiter der Hauptabteilung VI. Zur Tarnung trugen sie Uniformen der Grenztruppen. Zunächst war 1950 die Grenzpolizei mit der Grenzabfertigung beauftragt worden.
Bei der Hauptabteilung VI wurden die Daten der Einreisenden einer ersten Analyse unterzogen, um politisch-operativ interessante Personen herauszufiltern. Die Grenzkontrolle umfasste für die Hauptabteilung VI auch die Überwachung der westlichen Grenzkontrollstellen, in Westberlin auch die der Flughäfen Tegel und Tempelhof sowie der Polizei und des Grenzzolldienstes. Zum Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI gehörte die lückenlose Überwachung der Transitstrecken von und nach Westberlin. Bei ihr liefen Avisierungen für bevorzugte Grenzabfertigungen zusammen.
1970 übernahm sie von der Hauptabteilung XX/5 die Aufgabe, Fluchtversuche zu unterbinden und Fluchthelfer im Westen zu verfolgen, was 1975/76 zu Teilen an die Zentrale Koordinierungsgruppe überging (Republikflucht). Die Hauptabteilung VI überwachte touristische Einrichtungen in der DDR, darunter die Reisebüros und die Interhotels. Ebenso kontrollierte sie DDR-Bürger bei ihren Reisen ins sozialistische Ausland, um Kontakte zu westlichen Staatsbürgern und Fluchtversuche ggf. zu unterbinden.
Die Operativgruppen des MfS in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien waren ihr von 1970 bis 1989 unterstellt. 1989 gab sie deren Leitung an die Hauptabteilung II (HA II) ab. Im Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI wurden 1979–1981 drei Mordanschläge auf den Fluchthelfer Wolfgang Welsch durchgeführt, die dieser nur knapp überlebte.
Charakteristisch für die Hauptabteilung VI war die enge Kooperation mit vielen MfS-Diensteinheiten und anderen Institutionen wie Grenztruppen und Zoll, da im Bereich der Hauptabteilung VI eine Vielzahl von relevanten Erstinformationen und Daten zusammenkam. 1985 führte die Hauptabteilung VI 1.064 IM, darunter 67 West-IM, von denen 62 in Westberlin lebten.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
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Signatur: BArch, MfS, BV Suhl, KD Bad Salzungen, Nr. 17, Bl. 19-22
Die mit der Aktion "Ungeziefer" geplante Zwangsaussiedlung tausender Menschen aus dem Grenzgebiet traf auf Widerstand. In mehreren Orten wehrte sich die Bevölkerung und organisierte Demonstrationen. Viele kamen ihrer Vertreibung mit einer Flucht in den Westen zuvor.
Schon kurz nach ihrer Gründung musste die DDR eine zunehmende Abwanderung ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Bundesrepublik verzeichnen. Die Zwangsenteignung vieler Bauern, der im Vergleich zum Westen bereits geringere Lebensstandard, Ablehnung des politischen Systems und andere Faktoren bewegten immer mehr Menschen dazu, das Land zu verlassen.
Die SED-Führung reagierte darauf mit einer Verschärfung des Grenzregimes. Auf Geheiß der Sowjetunion erließ die Regierung am 26. Mai 1952 eine "Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands". Der Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, legte die genaue Ausgestaltung nur einen Tag später in einer Polizeiverordnung fest.
Diese sah einen besonders geschützten Bereich von fünf Kilometern Breite vor der Grenze vor. Noch strengere Regeln galten für den Schutzstreifen von 500 Metern vor der Grenze. Ein zehn Meter breiter Kontrollstreifen unmittelbar an der Grenze war für normale Bürgerinnen und Bürger vollständig gesperrt.
Begleitet wurden diese Maßnahmen von Zwangsumsiedlungen aus dem Grenzgebiet. Unter dem Decknamen "Aktion 'Ungeziefer'" bereitete das MfS die Umsiedlung von "politisch unzuverlässigen" Personen vor. Die Deutsche Volkspolizei (DVP) vertrieb zwischen Mai und Juni 1952 tausende Personen aus dem Grenzgebiet und wies ihnen eine neue Bleibe im Landesinneren zu.
Alle im Grenzgebiet lebenden Bewohnerinnen und Bewohner wurden zuvor durch die Volkspolizei überprüft und in ihrer Grundhaltung zur DDR eingeschätzt. Dabei kam es zu willkürlichen Entscheidungen und Denunziationen durch Nachbarinnen und Nachbarn. Zur Aussiedlung vorgesehen waren u. a. Bürgerinnen und Bürger mit Westkontakten und ehemalige Angehörige der NSDAP. Auch Bäuerinnen und Bauern, die ihr Ablieferungssoll an den Staat nicht erfüllten, und Menschen, die sich in irgendeiner Form negativ über den Staat geäußert hatten, landeten auf den Listen.
Die Durchführung der Zwangsaussiedlungen war generalstabsmäßig geplant. Mit den Listen der Auszuweisenden durchkämmte die Volkspolizei Dörfer und Städte. Die Betroffenen mussten in aller Eile ihre Häuser verlassen und wurden mit ihrem Hab und Gut in Lastwagen und Zügen zu ihren neuen Wohnorten im Landesinneren verbracht.
Ein abschließender Bericht der MfS-Kreisverwaltung Bad Salzungen an die MfS-Landesverwaltung Thüringen vom 9. Juni 1952 nennt 307 Familien bzw. 989 Personen, die ausgesiedelt werden sollten. Darunter befanden sich Landwirte, Geschäftsleute, Hausfrauen, Handwerker, Angestellte, Arbeiterinnen und Rentner. Die meisten waren im Alter zwischen 40 und 60 Jahren und wurden überwiegend als kriminell oder "reaktionär-antidemokratisch" abgestempelt.
Nicht immer jedoch lief die Zwangsaussiedlung ohne Komplikationen ab. Proteste, Demonstrationen, Widerstände gegen die Ausweisung und Fluchten über die Grenze verzögerten und störten den Ablauf der Aktion zum Teil erheblich. Der Bericht kritisiert eine mangelhafte Aufklärung "über den Zweck und das Ziel der Aussiedlung" vorab. In der Bevölkerung hätte allgemein eine "ablehnende Stimmung" gegenüber der Aktion "Ungeziefer" geherrscht. Auch nicht betroffene Personen hätten daraufhin die DDR verlassen.
IX.) Schwierigkeiten besonderer Art bei der Durchführung.
1.) Die Aktion "Ungeziefer" erstreckte sich auf Grund der langen D-Linie auf 43 Ortschaften des Kreisgebietes. Dadurch konnte keine kurzfristige Benachrichtigung an die auszusiedelnden Personen erfolgen, so daß die Möglichkeiten zur Flucht und zum organisierten Widerstand bestande.
2.) Die Durchführung wurde zum Teil erschwert durch den Widerstand der Bevölkerung. In Dorndorf kam es am 06.06.1952 zu einer Demonstration, die mit den Einsatzkräften der VP bis in die Nachtstunden der VP nicht aufgelöst werden konnte. Diese Demonstration ist organisiert worden, zum Teil von den zur Aussiedlung vorgesehenen Personen. Die Ursache der Demonstration ist zum Teil darin zu suchen, daß die Bevölkerung zu wenig bzw. gar keine Aufklärung über die Gründe der Aussiedlung erhalten hat.
3.) Die Widerstände, die in den anderen Orten des Kreisgebietes wie Zella, Dermbach, Kaltennordheim, Kaltenwestheim, Schafhausen und Kaltensundheim gezeigt wurden sind bis auf Kaltennordheim und Schafhausen, wo der Widerstand organisiert wurde von reaktionären Elementen, gleichfalls auf die mangelhafte Aufklärung über die Gründe der Aussiedlung zurückzuführen. Besonders hat sich gezeigt, daß die Bevölkerung ähnlich wie in dem Film "Das verurteilte Dorf" gehandelt hat und den Widerstand gegen die eingesetzten Kommissionen oder VP-Kräfte erreichte, in dem sie die Bevölkerung durch Glockenläuten und Sirenengeheul mobilisierte.
X.) Bis zum 08.06.1952 herrschte unter der übrigen Bevölkerung eine ablehnende Stimmung gegenüber der Aktion "Ungeziefer". Zurückzuführen ist diese schlechte Stimmung auf die mangelnde zum Teil auch falsche Aufklärung durch die eingesetzten Agitatoren und verantwortlichen Beauftragten der Kommissionen, in dem die Gründe der Aussiedlung und die Orte, wo die ausgesiedelten Personen hinkommen sollten der Bevölkerung nicht gesagt wurde als danach gefragt wurde. Dadurch entstand im großen Teil der Bevölkerung schlechte Stimmung, weil sie den Riasargumenten Glauben schenkten und es wurden Diskussionen laut, daß die Ausgesiedelten nach Polen oder nach Sibirien und daß es nur die erste Welle der Aussiedlung sei, daß die 5 km Zone ganz geräumt werde und dergleichen mehr.
Der größere Teil der Bevölkerung lehnte die Aussiedlung nicht ab, sondern verlangte nur klare Auskunft über die Gründe, die Ziele und den Abschluß der Aussiedlung.
Nachdem am 08.06.1952 die ersten Berichte von den Ausgesiedelten Personen aus dem Kreis Sondershausen eintrafen, die zum Ausdruck bringen, daß die Ausgesiedelten gut untergebracht sind, Arbeitsmöglichkeiten und soziale Betreuung erhalten haben hat sich die Stimmung schon wesentlich gebessert.
XI.) Am 07.06.1952 erfolgten in Dorndorf 6 Verhaftungen als die Aussiedlung mit Polizeigewalt durchgeführt wurde. Von den verhafteten Personen leisteten 5 der Anordnung der Volkspolizei keine Folge und räumten die Straße nicht sofort. Eine Person griff die VP an und verblieb in Haft, gegen ihn wird ein Verfahren eröffnet. Die anderen 5 Personen wurden nach Untersuchung innerhalb von 24 Stunden wieder entlassen.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
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Bericht über den Verlauf der Aktion "Ungeziefer" in Thüringen Dokument, 5 Seiten
Bericht zur Aufstellung von Listen auszusiedelnder Personen Dokument, 2 Seiten
Abschlussbericht der Bezirksverwaltung Suhl zur Aktion "Festigung" Dokument, 25 Seiten
Dokumentation zur Aktion "Festigung" Dokument, 60 Seiten