Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 3, Bl. 1-23
Der Informationsbericht enthält eine allgemeine Einschätzung der Lage im Grenzgebiet zur BRD. Neben Beschreibungen zu den Aktivitäten westlicher Grenztruppen enthält er Informationen zur Fluchtbewegung.
Viele Menschen sahen auf Grund der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in der DDR keine Perspektive. Bis zum Bau der Mauer im August 1961 flohen etwa 2,7 Millionen Bürger aus der DDR. Seit 1954 wurde das Verlassen der DDR als "Republikflucht" strafrechtlich verfolgt und mit Haftstrafen bis zu drei Jahren geahndet. Auch der Versuch, die Vorbereitung und die Beihilfe dazu wurden mit Gefängnis bedroht. Außerdem wurde die Vergabe von Reisevisa fortan deutlich restriktiver gehandhabt. Die Maßnahmen führten zunächst zu einem deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen. Ab 1960 stiegen sie jedoch wieder. Bis Juli 1961 nahm die Fluchtbewegung schließlich dramatische Ausmaße an.
Im vorliegenden Bericht der Abteilung Aufklärung beim Kommando der Deutschen Grenzpolizei heißt es, die Zahl der "Republikfluchten" habe im Juli den höchsten Stand im Jahr 1961 erreicht. Das Dokument enthält eine allgemeine Einschätzung der Lage im Grenzgebiet zur BRD. Neben Informationen zur Fluchtbewegung werden darin auch ausführlich die Aktivitäten westlicher Grenzschützer beschrieben. In den Augen von SED und MfS forcierten "westliche Agentenzentralen" die "Republikflucht", indem sie gezielt Bürger aus der DDR abwarben, um das Land zu destabilisieren. Das Schreiben war an die Zentrale Informationsgruppe (ZIG) zur Kenntnisnahme und Auswertung gerichtet.
Die berichtende Diensteinheit – die Abteilung Aufklärung – war bis 1961 eine Einheit der Grenzpolizei ehe sie im Dezember 1961 durch einen Befehl Erich Mielkes der Hauptabteilung I der Stasi unterstellt wurde. Das Dokument richtet sich an Werner Irmler, zu diesem Zeitpunkt stellvertretender Leiter der Zentralen Informationsgruppe des MfS. Unterzeichnet hat es Erich Kistowski, zu diesem Zeitpunkt Leiter der Abteilung Aufklärung in der DGP.
Die operative Lage an der Staatsgrenze West der DDR und am westzonalen Aussenring von Berlin wurde weiterhin durch Luftraumverletzungen sowie das Heranführen von grösseren Personengruppen, der Durchführung von Hetzveranstaltungen der verschiedensten revanchistischen und anderen volksfeindlichen Organisationen im westzonalen Grenzgebiet und in Westberlin sowie weitere provokatorische Handlungen gekennzeichnet.
Das Ansteigen und der Charakter der Versuche der Kontaktaufnahme mit den Posten der DGP lässt die verstärkten Anstrengungen des Gegners zur Durchführung der ideologischen Diversion erkennen. Am westlichen Aussenring von Berlin handelt es sich bei den zur Grenze herangeführten Personengruppen besonders um Jugendliche und Studenten aus Westberlin, Westdeutschland sowie dem kapitalistischen Ausland.
Das Heranführen dieser Jugendlichen und Studenten an die Grenze erfolgte besonders im Rahmen der s.g. Ost-West-Seminare die von den westzonalen Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen organisiert und durchgeführt wurden. Nach offiziellen Meldungen wurden z. B. im Jahre 1957 rund 26 700 Jugendliche und Studenten und im Jahre 1960 über 100 000 Jugendliche und Studenten besonders aus Westdeutschland und anderen kapitalistischen Staaten in diesen s.g. Ost-West-Seminaren erfasst und somit in die Hetz- und Wähltätigkeit gegen die DDR von Westberlin aus einbezogen.
Zur operativ-militärischen Lage in Westberlin muss weiterhin auf die am 31.7.1961 von den 3 Besatzungsmächten sowie dessen unterstellten deutschen Diensteinheiten in Verbindung mit Kräften der westberliner Polizei durchgeführten Alarmeinsatzübung hingewiesen werden.
Hauptabteilung I (NVA und Grenztruppen)
Die Hauptabteilung I war zuständig für die Überwachung des Ministeriums für Nationale Verteidigung sowie der nachgeordneten Führungsorgane, Truppen und Einrichtungen einschließlich der Grenztruppen der DDR. Armeeintern trug die Hauptabteilung I die Bezeichnung "Verwaltung 2000". Ihre Mitarbeiter wurden als Verbindungsoffiziere bezeichnet. Der Armeeführung war die Hauptabteilung I jedoch weder unterstellt noch rechenschaftspflichtig.
Die Hauptabteilung I ging im Dezember 1951 aus den Abteilungen VII a, VII b und VII c hervor. Seit 1956 (Gründung der Nationalen Volksarmee) trugen ihre Struktureinheiten die taktische Bezeichnung des Truppenteils bzw. der Einheit, für deren abwehrmäßige Sicherung sie zuständig waren. Der Mauerbau 1961 und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1962 sorgten für Zäsuren in der Arbeit der Hauptabteilung I.
Von 1956 bis 1961 war die Hauptabteilung I außerdem für die Überwachung der Bereitschaftspolizei zuständig und von 1958 bis 1986 für das Wachregiment des MfS. Die Arbeit der Hauptabteilung I umfasste folgende Aufgaben:
Der Leiter der Hauptabteilung I unterstand einem Ministerstellvertreter, zuletzt Gerhard Neiber. Leiter der Hauptabteilung I waren 1950-1953 Heinz Gronau, 1953-1955 Ottomar Pech, 1955-1981 Karl Kleinjung und ab 1981 Manfred Dietze. Der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung I umfasste 1986 knapp 300.000 Soldaten und Zivilbeschäftigte. Hierfür waren ihr 1989 2.223 Planstellen zugeteilt, darunter jede 2. Stelle für IM-führende Mitarbeiter. Die Hauptabteilung I verfügte über 13 Planstellen für Offiziere im besonderen Einsatz (OibE). 1987 führte die Hauptabteilung I 22.585 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) und Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit (GMS). Zu den Informanten zählten nicht nur Militärangehörige oder Zivilbeschäftigte. Die Zahl der IM, die die Hauptabteilung I im Westen führte, lag unter 150. Die Bearbeitung von Operativen Vorgängen (OV) und Operativen Personenkontrollen (OPK) war vergleichsweise gering. Sie betrug 1988 59 OV und 312 OPK.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Die Grenzpolizei in der SBZ/DDR wurde auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht zum 1.12.1946 in den Ländern und Provinzen der SBZ gegründet. Sie agierte zunächst als ausführendes Organ der Militäradministration. Ihre Hauptaufgabe war es, den unkontrollierten Personen- und Warenverkehr über die noch unbefestigte Demarkationslinie in die westlichen Besatzungszonen zu unterbinden. Sie rekrutierte sich überwiegend aus bisherigen Angehörigen der neu formierten Schutzpolizei und im Sinne der Besatzungsmacht politisch zuverlässigen Bewerbern, bevorzugt aus der Arbeiterschaft.
Ende 1948, mit dem Beginn des Kalten Krieges, war die Aufbauphase abgeschlossen. Die Grenzpolizei zählte ca. 20.000 Bedienstete, die sich freiwillig auf mindestens drei Jahre verpflichtet hatten. Die neue, bisher den Ländern unterstellte Polizei wurde im November 1948 zu einem zentral geführten Organ der Besatzungszone aufgewertet und als Hauptabteilung in die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) integriert. Ihr erster Leiter im Rang eines Chefinspekteurs wurde Hermann Rentzsch, ein früherer Wehrmachtsoffizier und NKFD-Kader.
Schon nach wenigen Monaten wurde die Grenzpolizei erneut den Landesverwaltungen unterstellt. Solche kurzfristigen politisch motivierten Wechsel im Unterstellungsverhältnis sollten bis zu ihrer Auflösung 1990 eine Besonderheit in der Organisationsgeschichte der Grenzpolizei bleiben. Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts und des Übergangs zum Aufbau des Sozialismus in der DDR gewannen die in Deutsche Grenzpolizeien umbenannten Verbände erheblich an politischer Bedeutung. Sie wurden im Mai 1952 nach sowjetischem Vorbild dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt. Neuer Chef wurde Generalinspekteur Hermann Gartmann.
Die Grenzpolizei nahm mehr und mehr militärischen Charakter an, der sich in neuen Uniformen der 35 000 Bediensteten (1957) und in der Ausrüstung dokumentierte, zu der auch Panzer zählten. Die Aufwertung ging einher mit dem Ausbau der Grenzbefestigungen gegenüber der Bundesrepublik und der zunehmenden Abschottung der Westsektoren Berlins.
Nach dem 17. Juni 1953 wurde die Grenzpolizei der Zuständigkeit des Staatssicherheitsdienstes entzogen und ihm erst im April 1955 wieder zugeordnet. Nach dem Volksaufstand in Ungarn fasste die SED-Führung die Grenzpolizei, die Transport- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit der Staatssicherheit zusammen, gliederte diese drei Organe aber bereits im Frühjahr 1957 wieder aus dem MfS aus und in das MdI ein. Neuer Grenzpolizei-Chef wurde Oberst Paul Ludwig.
Nach dem Bau der Mauer wurde die Grenzpolizei als Kommando Grenze in die NVA integriert und als Grenztruppen offen als militärische Formation tituliert, die ab 1962 auch Wehrpflichtige rekrutierte. Vor dem Hintergrund der Wiener Truppenreduzierungsgespräche wurden sie zur Jahreswende 1973/74 aus der NVA herausgelöst und bildeten seitdem eine selbständige Formation im Verantwortungsbereich des MfNV.
Die Verflechtung mit dem MfS blieb unverändert eng. Mit der "Verwaltung 2000" (Hauptabteilung I) hatte das MfS eigene Verbindungsoffiziere und unterhielt ein enges IM-Netz in den Grenztruppen und von 1964 bis 1985 ein Einsatzkommando der HA I, das im Rahmen der Grenztruppen Spezialaufträge ausführte. Zudem sah auch die Stasi eine ihrer Hauptaufgaben darin, Fluchtversuche in die Bundesrepublik zu verhindern. Der letzte Chef der auf 50 000 Soldaten angewachsenen Grenztruppen, Generaloberst Baumgarten, wurde 1996 u.a. wegen seiner Mitverantwortung für den Tod von DDR-Flüchtlingen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 3, Bl. 1-23
Der Informationsbericht enthält eine allgemeine Einschätzung der Lage im Grenzgebiet zur BRD. Neben Beschreibungen zu den Aktivitäten westlicher Grenztruppen enthält er Informationen zur Fluchtbewegung.
Viele Menschen sahen auf Grund der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in der DDR keine Perspektive. Bis zum Bau der Mauer im August 1961 flohen etwa 2,7 Millionen Bürger aus der DDR. Seit 1954 wurde das Verlassen der DDR als "Republikflucht" strafrechtlich verfolgt und mit Haftstrafen bis zu drei Jahren geahndet. Auch der Versuch, die Vorbereitung und die Beihilfe dazu wurden mit Gefängnis bedroht. Außerdem wurde die Vergabe von Reisevisa fortan deutlich restriktiver gehandhabt. Die Maßnahmen führten zunächst zu einem deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen. Ab 1960 stiegen sie jedoch wieder. Bis Juli 1961 nahm die Fluchtbewegung schließlich dramatische Ausmaße an.
Im vorliegenden Bericht der Abteilung Aufklärung beim Kommando der Deutschen Grenzpolizei heißt es, die Zahl der "Republikfluchten" habe im Juli den höchsten Stand im Jahr 1961 erreicht. Das Dokument enthält eine allgemeine Einschätzung der Lage im Grenzgebiet zur BRD. Neben Informationen zur Fluchtbewegung werden darin auch ausführlich die Aktivitäten westlicher Grenzschützer beschrieben. In den Augen von SED und MfS forcierten "westliche Agentenzentralen" die "Republikflucht", indem sie gezielt Bürger aus der DDR abwarben, um das Land zu destabilisieren. Das Schreiben war an die Zentrale Informationsgruppe (ZIG) zur Kenntnisnahme und Auswertung gerichtet.
Die berichtende Diensteinheit – die Abteilung Aufklärung – war bis 1961 eine Einheit der Grenzpolizei ehe sie im Dezember 1961 durch einen Befehl Erich Mielkes der Hauptabteilung I der Stasi unterstellt wurde. Das Dokument richtet sich an Werner Irmler, zu diesem Zeitpunkt stellvertretender Leiter der Zentralen Informationsgruppe des MfS. Unterzeichnet hat es Erich Kistowski, zu diesem Zeitpunkt Leiter der Abteilung Aufklärung in der DGP.
Hervorzuheben ist ferner die beabsichtigte Verstärkung der in Westberlin stationierten amerikanischen Streitkräfte durch eine US-Spezialeinheit mit einer Stärke von rund 1 000 Mann. Die Staionierung ist in der Andrews Kaserne Berlin-Lichterfelde vorgesehen.
II. Provokationen und andere feindliche Handlungen
An der Staatsgrenze West der DDR erfolgten im Berichtszeitraum folgende provokatorische Handlungen:
Hervorzuheben ist, dass entlang der Staatsgrenze West der DDR und am westlichen Aussenring von Berlin eine breitere gegnerische Aktivität bei den Versuchen der Kontaktaufnahme und der negativen Beeinflussung sowie der Aufforderung zur Fahnenflucht gegenüber den Grenzposten der DGP, entfaltet wird.
Hauptabteilung I (NVA und Grenztruppen)
Die Hauptabteilung I war zuständig für die Überwachung des Ministeriums für Nationale Verteidigung sowie der nachgeordneten Führungsorgane, Truppen und Einrichtungen einschließlich der Grenztruppen der DDR. Armeeintern trug die Hauptabteilung I die Bezeichnung "Verwaltung 2000". Ihre Mitarbeiter wurden als Verbindungsoffiziere bezeichnet. Der Armeeführung war die Hauptabteilung I jedoch weder unterstellt noch rechenschaftspflichtig.
Die Hauptabteilung I ging im Dezember 1951 aus den Abteilungen VII a, VII b und VII c hervor. Seit 1956 (Gründung der Nationalen Volksarmee) trugen ihre Struktureinheiten die taktische Bezeichnung des Truppenteils bzw. der Einheit, für deren abwehrmäßige Sicherung sie zuständig waren. Der Mauerbau 1961 und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1962 sorgten für Zäsuren in der Arbeit der Hauptabteilung I.
Von 1956 bis 1961 war die Hauptabteilung I außerdem für die Überwachung der Bereitschaftspolizei zuständig und von 1958 bis 1986 für das Wachregiment des MfS. Die Arbeit der Hauptabteilung I umfasste folgende Aufgaben:
Der Leiter der Hauptabteilung I unterstand einem Ministerstellvertreter, zuletzt Gerhard Neiber. Leiter der Hauptabteilung I waren 1950-1953 Heinz Gronau, 1953-1955 Ottomar Pech, 1955-1981 Karl Kleinjung und ab 1981 Manfred Dietze. Der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung I umfasste 1986 knapp 300.000 Soldaten und Zivilbeschäftigte. Hierfür waren ihr 1989 2.223 Planstellen zugeteilt, darunter jede 2. Stelle für IM-führende Mitarbeiter. Die Hauptabteilung I verfügte über 13 Planstellen für Offiziere im besonderen Einsatz (OibE). 1987 führte die Hauptabteilung I 22.585 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) und Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit (GMS). Zu den Informanten zählten nicht nur Militärangehörige oder Zivilbeschäftigte. Die Zahl der IM, die die Hauptabteilung I im Westen führte, lag unter 150. Die Bearbeitung von Operativen Vorgängen (OV) und Operativen Personenkontrollen (OPK) war vergleichsweise gering. Sie betrug 1988 59 OV und 312 OPK.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Die Grenzpolizei in der SBZ/DDR wurde auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht zum 1.12.1946 in den Ländern und Provinzen der SBZ gegründet. Sie agierte zunächst als ausführendes Organ der Militäradministration. Ihre Hauptaufgabe war es, den unkontrollierten Personen- und Warenverkehr über die noch unbefestigte Demarkationslinie in die westlichen Besatzungszonen zu unterbinden. Sie rekrutierte sich überwiegend aus bisherigen Angehörigen der neu formierten Schutzpolizei und im Sinne der Besatzungsmacht politisch zuverlässigen Bewerbern, bevorzugt aus der Arbeiterschaft.
Ende 1948, mit dem Beginn des Kalten Krieges, war die Aufbauphase abgeschlossen. Die Grenzpolizei zählte ca. 20.000 Bedienstete, die sich freiwillig auf mindestens drei Jahre verpflichtet hatten. Die neue, bisher den Ländern unterstellte Polizei wurde im November 1948 zu einem zentral geführten Organ der Besatzungszone aufgewertet und als Hauptabteilung in die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) integriert. Ihr erster Leiter im Rang eines Chefinspekteurs wurde Hermann Rentzsch, ein früherer Wehrmachtsoffizier und NKFD-Kader.
Schon nach wenigen Monaten wurde die Grenzpolizei erneut den Landesverwaltungen unterstellt. Solche kurzfristigen politisch motivierten Wechsel im Unterstellungsverhältnis sollten bis zu ihrer Auflösung 1990 eine Besonderheit in der Organisationsgeschichte der Grenzpolizei bleiben. Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts und des Übergangs zum Aufbau des Sozialismus in der DDR gewannen die in Deutsche Grenzpolizeien umbenannten Verbände erheblich an politischer Bedeutung. Sie wurden im Mai 1952 nach sowjetischem Vorbild dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt. Neuer Chef wurde Generalinspekteur Hermann Gartmann.
Die Grenzpolizei nahm mehr und mehr militärischen Charakter an, der sich in neuen Uniformen der 35 000 Bediensteten (1957) und in der Ausrüstung dokumentierte, zu der auch Panzer zählten. Die Aufwertung ging einher mit dem Ausbau der Grenzbefestigungen gegenüber der Bundesrepublik und der zunehmenden Abschottung der Westsektoren Berlins.
Nach dem 17. Juni 1953 wurde die Grenzpolizei der Zuständigkeit des Staatssicherheitsdienstes entzogen und ihm erst im April 1955 wieder zugeordnet. Nach dem Volksaufstand in Ungarn fasste die SED-Führung die Grenzpolizei, die Transport- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit der Staatssicherheit zusammen, gliederte diese drei Organe aber bereits im Frühjahr 1957 wieder aus dem MfS aus und in das MdI ein. Neuer Grenzpolizei-Chef wurde Oberst Paul Ludwig.
Nach dem Bau der Mauer wurde die Grenzpolizei als Kommando Grenze in die NVA integriert und als Grenztruppen offen als militärische Formation tituliert, die ab 1962 auch Wehrpflichtige rekrutierte. Vor dem Hintergrund der Wiener Truppenreduzierungsgespräche wurden sie zur Jahreswende 1973/74 aus der NVA herausgelöst und bildeten seitdem eine selbständige Formation im Verantwortungsbereich des MfNV.
Die Verflechtung mit dem MfS blieb unverändert eng. Mit der "Verwaltung 2000" (Hauptabteilung I) hatte das MfS eigene Verbindungsoffiziere und unterhielt ein enges IM-Netz in den Grenztruppen und von 1964 bis 1985 ein Einsatzkommando der HA I, das im Rahmen der Grenztruppen Spezialaufträge ausführte. Zudem sah auch die Stasi eine ihrer Hauptaufgaben darin, Fluchtversuche in die Bundesrepublik zu verhindern. Der letzte Chef der auf 50 000 Soldaten angewachsenen Grenztruppen, Generaloberst Baumgarten, wurde 1996 u.a. wegen seiner Mitverantwortung für den Tod von DDR-Flüchtlingen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 3, Bl. 1-23
Der Informationsbericht enthält eine allgemeine Einschätzung der Lage im Grenzgebiet zur BRD. Neben Beschreibungen zu den Aktivitäten westlicher Grenztruppen enthält er Informationen zur Fluchtbewegung.
Viele Menschen sahen auf Grund der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in der DDR keine Perspektive. Bis zum Bau der Mauer im August 1961 flohen etwa 2,7 Millionen Bürger aus der DDR. Seit 1954 wurde das Verlassen der DDR als "Republikflucht" strafrechtlich verfolgt und mit Haftstrafen bis zu drei Jahren geahndet. Auch der Versuch, die Vorbereitung und die Beihilfe dazu wurden mit Gefängnis bedroht. Außerdem wurde die Vergabe von Reisevisa fortan deutlich restriktiver gehandhabt. Die Maßnahmen führten zunächst zu einem deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen. Ab 1960 stiegen sie jedoch wieder. Bis Juli 1961 nahm die Fluchtbewegung schließlich dramatische Ausmaße an.
Im vorliegenden Bericht der Abteilung Aufklärung beim Kommando der Deutschen Grenzpolizei heißt es, die Zahl der "Republikfluchten" habe im Juli den höchsten Stand im Jahr 1961 erreicht. Das Dokument enthält eine allgemeine Einschätzung der Lage im Grenzgebiet zur BRD. Neben Informationen zur Fluchtbewegung werden darin auch ausführlich die Aktivitäten westlicher Grenzschützer beschrieben. In den Augen von SED und MfS forcierten "westliche Agentenzentralen" die "Republikflucht", indem sie gezielt Bürger aus der DDR abwarben, um das Land zu destabilisieren. Das Schreiben war an die Zentrale Informationsgruppe (ZIG) zur Kenntnisnahme und Auswertung gerichtet.
Die berichtende Diensteinheit – die Abteilung Aufklärung – war bis 1961 eine Einheit der Grenzpolizei ehe sie im Dezember 1961 durch einen Befehl Erich Mielkes der Hauptabteilung I der Stasi unterstellt wurde. Das Dokument richtet sich an Werner Irmler, zu diesem Zeitpunkt stellvertretender Leiter der Zentralen Informationsgruppe des MfS. Unterzeichnet hat es Erich Kistowski, zu diesem Zeitpunkt Leiter der Abteilung Aufklärung in der DGP.
Bei den Kontaktaufnahmen erfolgte besonders in den Bereichen der 2. und 3. Grenzbrigade, Magdeburg und Erfurt, das Anbieten von Genussmitteln, wie Tabakwaren, Alkohol, Schokolade und Bohnekaffee, wobei man vielfach anschliessend versuchte, mit den Grenzposten politische Gespräche zu führen.
In einzelnen Fällen, wo die Posten der DGP derartige Artikel entgegennahmen, wurden sie von westlicher Seite aus durch Zivilpersonen fotografiert.
Im Kp.-Bereich Seeben, Grenzbereitschaft Salzwedel, wurden z. B. den Posten der DGP durch Angehörige des Zollgrenzschutzes, des BGS und durch Zivilpersonen Zigaretten, Würste und alkoholische Getränke angeboten. In einem Fall am 15.7.1961 wurden durch 2 Zivilpersonen Zigaretten und mehrere Flaschen Bier über den 10 m Kontrollstreifen geworfen, die die Grenzposten mit einer Zeltplane auffingen.
Revanchistische und volksfeindliche Tätigkeit im gegenüberliegenden Bereich der Staatsgrenze West der Deutschen Demokratischen Republik.
Im Monat Juli 1961 erfolgte im Rahmen des Wahlkampfes für die am 17. September 1961 in der Westzone stattfindenden Bundestagswahlen eine weitere Forcierung der revanchistischen, klerikal-militaristischen und subversiven Tätigkeit.
Die Wahlversammlungen, besonders der CDU/CSU sowie der SPD gipfeln in einer verstärkten chauvinistischen und revanchistischen Hetze gegen die DDR und das sozialistische Lager, der offenen Verfälschung der Friedensvertragsvorschläge der SU sowie einer breit angelegten Propagierung der Bonner Atomkriegspolitik.
Hauptabteilung I (NVA und Grenztruppen)
Die Hauptabteilung I war zuständig für die Überwachung des Ministeriums für Nationale Verteidigung sowie der nachgeordneten Führungsorgane, Truppen und Einrichtungen einschließlich der Grenztruppen der DDR. Armeeintern trug die Hauptabteilung I die Bezeichnung "Verwaltung 2000". Ihre Mitarbeiter wurden als Verbindungsoffiziere bezeichnet. Der Armeeführung war die Hauptabteilung I jedoch weder unterstellt noch rechenschaftspflichtig.
Die Hauptabteilung I ging im Dezember 1951 aus den Abteilungen VII a, VII b und VII c hervor. Seit 1956 (Gründung der Nationalen Volksarmee) trugen ihre Struktureinheiten die taktische Bezeichnung des Truppenteils bzw. der Einheit, für deren abwehrmäßige Sicherung sie zuständig waren. Der Mauerbau 1961 und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1962 sorgten für Zäsuren in der Arbeit der Hauptabteilung I.
Von 1956 bis 1961 war die Hauptabteilung I außerdem für die Überwachung der Bereitschaftspolizei zuständig und von 1958 bis 1986 für das Wachregiment des MfS. Die Arbeit der Hauptabteilung I umfasste folgende Aufgaben:
Der Leiter der Hauptabteilung I unterstand einem Ministerstellvertreter, zuletzt Gerhard Neiber. Leiter der Hauptabteilung I waren 1950-1953 Heinz Gronau, 1953-1955 Ottomar Pech, 1955-1981 Karl Kleinjung und ab 1981 Manfred Dietze. Der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung I umfasste 1986 knapp 300.000 Soldaten und Zivilbeschäftigte. Hierfür waren ihr 1989 2.223 Planstellen zugeteilt, darunter jede 2. Stelle für IM-führende Mitarbeiter. Die Hauptabteilung I verfügte über 13 Planstellen für Offiziere im besonderen Einsatz (OibE). 1987 führte die Hauptabteilung I 22.585 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) und Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit (GMS). Zu den Informanten zählten nicht nur Militärangehörige oder Zivilbeschäftigte. Die Zahl der IM, die die Hauptabteilung I im Westen führte, lag unter 150. Die Bearbeitung von Operativen Vorgängen (OV) und Operativen Personenkontrollen (OPK) war vergleichsweise gering. Sie betrug 1988 59 OV und 312 OPK.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Die Grenzpolizei in der SBZ/DDR wurde auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht zum 1.12.1946 in den Ländern und Provinzen der SBZ gegründet. Sie agierte zunächst als ausführendes Organ der Militäradministration. Ihre Hauptaufgabe war es, den unkontrollierten Personen- und Warenverkehr über die noch unbefestigte Demarkationslinie in die westlichen Besatzungszonen zu unterbinden. Sie rekrutierte sich überwiegend aus bisherigen Angehörigen der neu formierten Schutzpolizei und im Sinne der Besatzungsmacht politisch zuverlässigen Bewerbern, bevorzugt aus der Arbeiterschaft.
Ende 1948, mit dem Beginn des Kalten Krieges, war die Aufbauphase abgeschlossen. Die Grenzpolizei zählte ca. 20.000 Bedienstete, die sich freiwillig auf mindestens drei Jahre verpflichtet hatten. Die neue, bisher den Ländern unterstellte Polizei wurde im November 1948 zu einem zentral geführten Organ der Besatzungszone aufgewertet und als Hauptabteilung in die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) integriert. Ihr erster Leiter im Rang eines Chefinspekteurs wurde Hermann Rentzsch, ein früherer Wehrmachtsoffizier und NKFD-Kader.
Schon nach wenigen Monaten wurde die Grenzpolizei erneut den Landesverwaltungen unterstellt. Solche kurzfristigen politisch motivierten Wechsel im Unterstellungsverhältnis sollten bis zu ihrer Auflösung 1990 eine Besonderheit in der Organisationsgeschichte der Grenzpolizei bleiben. Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts und des Übergangs zum Aufbau des Sozialismus in der DDR gewannen die in Deutsche Grenzpolizeien umbenannten Verbände erheblich an politischer Bedeutung. Sie wurden im Mai 1952 nach sowjetischem Vorbild dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt. Neuer Chef wurde Generalinspekteur Hermann Gartmann.
Die Grenzpolizei nahm mehr und mehr militärischen Charakter an, der sich in neuen Uniformen der 35 000 Bediensteten (1957) und in der Ausrüstung dokumentierte, zu der auch Panzer zählten. Die Aufwertung ging einher mit dem Ausbau der Grenzbefestigungen gegenüber der Bundesrepublik und der zunehmenden Abschottung der Westsektoren Berlins.
Nach dem 17. Juni 1953 wurde die Grenzpolizei der Zuständigkeit des Staatssicherheitsdienstes entzogen und ihm erst im April 1955 wieder zugeordnet. Nach dem Volksaufstand in Ungarn fasste die SED-Führung die Grenzpolizei, die Transport- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit der Staatssicherheit zusammen, gliederte diese drei Organe aber bereits im Frühjahr 1957 wieder aus dem MfS aus und in das MdI ein. Neuer Grenzpolizei-Chef wurde Oberst Paul Ludwig.
Nach dem Bau der Mauer wurde die Grenzpolizei als Kommando Grenze in die NVA integriert und als Grenztruppen offen als militärische Formation tituliert, die ab 1962 auch Wehrpflichtige rekrutierte. Vor dem Hintergrund der Wiener Truppenreduzierungsgespräche wurden sie zur Jahreswende 1973/74 aus der NVA herausgelöst und bildeten seitdem eine selbständige Formation im Verantwortungsbereich des MfNV.
Die Verflechtung mit dem MfS blieb unverändert eng. Mit der "Verwaltung 2000" (Hauptabteilung I) hatte das MfS eigene Verbindungsoffiziere und unterhielt ein enges IM-Netz in den Grenztruppen und von 1964 bis 1985 ein Einsatzkommando der HA I, das im Rahmen der Grenztruppen Spezialaufträge ausführte. Zudem sah auch die Stasi eine ihrer Hauptaufgaben darin, Fluchtversuche in die Bundesrepublik zu verhindern. Der letzte Chef der auf 50 000 Soldaten angewachsenen Grenztruppen, Generaloberst Baumgarten, wurde 1996 u.a. wegen seiner Mitverantwortung für den Tod von DDR-Flüchtlingen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Bericht über die Stimmung unter den Angehörigen der Deutschen Grenzpolizei Dokument, 9 Seiten
Bericht über die Situation an der Grenze zu West-Berlin im Juli 1961 Dokument, 16 Seiten
Bericht über die Lage in der Landwirtschaft an der deutsch-deutschen Grenze im Juni und Juli 1960 Dokument, 18 Seiten
Bericht der BV Karl-Marx-Stadt über die Situation im Grenzgebiet zur Bundesrepublik Dokument, 4 Seiten