Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 41/57, Bd. 3, Bl. 6-7
Hermann Flade protestierte gegen die Volkswahlen 1950, deren Ausgang von Anfang an feststand. Die Stasi initiierte einen Schauprozess, in welchem das Gericht das Todesurteil gegen ihn verhängte.
Am 15. Oktober 1950 fanden in der DDR die ersten Volkswahlen statt. Von vornherein stand fest, dass die SED zusammen mit den Abgeordneten der Massenorganisationen die absolute Mehrheit stellen sollte. Gegen diesen offensichtlichen Betrug empörte sich ein 18-jähriger Oberschüler aus dem sächsischen Städtchen Olbernhau. Mit einem Druckkasten stellte Hermann Joseph Flade ungefähr 200 Flugblätter her. Die verstreute er nachts heimlich auf Straßen und Plätzen.
Zunächst ging alles gut, doch am Vorabend der Wahl überraschte ihn eine Streife der Volkspolizei. Hermann Joseph Flade wehrte sich: Er zog ein Taschenmesser, und verletzte einen der Polizisten leicht. Zwei Tage später wurde er festgenommen. Die Stasi brachte ihn ins MfS-Untersuchungsgefängnis Dresden und verhaftete auch seine Eltern und seine Großmutter. Die Geheimpolizei initiierte einen öffentlichen Schauprozess gegen ihn. Am 10. Januar 1951 verhängte das Gericht das drakonische Urteil: Todesstrafe für Hermann Joseph Flade.
Untersuchungsorgan
Dresden, den 11.01.51
Verhandlungsbericht
Betr.: Verhandlung gegen Hermann Flade, geb. am 22.05.1932 am 10.01.1951 im Tivoli-Saal in Olbernhau
Beginn der Verhandlung: 9.30 Uhr
Ende der Verhandlung: 16.00 Uhr
Das Gericht setzte sich aus folgenden Personen zusammen:
Vorsitzender: Oberrichter Hartlich - SED
Beisitzer: Landrichterin Tauber - SED
Schöffen: Angestellter [anonymisiert]
Schlosser [anonymisiert]
Angestellter [anonymisiert]
Anklagevertreter: Oberstaatsanwalt: Welich
Verteidiger: Rechtsanwalt [anonymisiert]
Ausserdem waren noch anwesend: "Der Augenzeuge", Der Mitteldeutsche Rundfunk und zahlreiche Pressevertreter.
Die Verhandlung fand im grössten Saal des Ortes Olbernhau – im "Tivoli" – statt.
Im Saal waren ca. 1200 Zuschauer anwesend. In den Gasträumen und vor dem Haus, wo ebenfalls die Verhandlung übertragen wurde, befanden sich nochmals ca. 600 Personen.
Die Anklage warf dem Angeklagten Verbrechen nach Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik in Verbindung mit Direktive 38 – Abschnitt II – Artikel III A III des Alliierten Kontrollrates und Verbrechen nach § 211 STGB. In Verbindung mit § 43 und 44 STGB. und Vergehen nach § 113 vor.
Die Verhandlung wurde von Oberrichter Hartlich flüssig und zügig durchgeführt. Man merkte, dass sich das Gericht ausserordentlich gut vorbereitet hatte.
Die Erarbeitung des subjektiven Tatbestandes und der politischen Tatmotive, die dem Flade zu seinem Verbrechen geführt hatten, wurden klar vor dem Auge der Zuschauer entrollt.
Der Angeklagte Flade legte während der Verhandlung ein zynisches und lächelndes Wesen an den Tag, blieb haargenau bei seinem Geständnis, welches er vor dem Untersuchungsorgan abgelegt hatte und zeigte in keinem Punkt Reue.
Er blieb auch bei seinen Angaben, die er hier gemacht hatte, daß, wenn er heute wieder in dieselbe Situation versetzt würde, er die Tat nochmals genauso begehen würde.
Die Zeugen blieben ebenfalls bei ihren Aussagen, die sie in der Voruntersuchung gemacht hatten, lediglich wurde von dem Gericht, dem Staatsanwalt, wie auch von der Verteidigung auf die Vernehmung der Zeugen [anonymisiert] und [anonymisiert], verzichtet.
In einem gut politisch fundamentierten Plädoyer riss Oberstaatsanwalt Welich die Schuld und die Verbrechen des Flade auf und beantragte die höchst zulässige Strafe, nämlich die Todesstrafe.
Der Begriff Untersuchungsorgan (russ.: sledstwennyj organ) ist sowjetischen Ursprungs und verdrängte in der DDR in den frühen 50er Jahren allmählich den traditionellen deutschen Begriff Ermittlungsbehörde. Untersuchungsorgane hatten laut Strafprozessordnung (StPO) der DDR die Befugnisse polizeilicher Ermittlungsbehörden und unterstanden bei der Bearbeitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens de jure der Aufsicht des Staatsanwaltes (§§ 95-98 StPO/1952, §§ 87-89 StPO/1968).
Während anfangs das MfS insgesamt als Untersuchungsorgan galt, wurden später zumeist nur noch jene Bereiche, die strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchführten, also die HA IX in der Berliner MfS-Zentrale und die fachlich nachgeordneten Abt. IX der BV, als Untersuchungsorgan bezeichnet. Neben den Untersuchungsorganen des MfS gab es in der DDR die Untersuchungsorgane des MdI (Kriminalpolizei) und der Zollverwaltung bzw. ihres Vorläufers Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs (Zollfahndungsdienst). Bis 1953 übten auch die Kommissionen für staatliche Kontrolle in Wirtschaftsstrafverfahren die Funktionen von Untersuchungsorganen aus.
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 41/57, Bd. 3, Bl. 6-7
Hermann Flade protestierte gegen die Volkswahlen 1950, deren Ausgang von Anfang an feststand. Die Stasi initiierte einen Schauprozess, in welchem das Gericht das Todesurteil gegen ihn verhängte.
Am 15. Oktober 1950 fanden in der DDR die ersten Volkswahlen statt. Von vornherein stand fest, dass die SED zusammen mit den Abgeordneten der Massenorganisationen die absolute Mehrheit stellen sollte. Gegen diesen offensichtlichen Betrug empörte sich ein 18-jähriger Oberschüler aus dem sächsischen Städtchen Olbernhau. Mit einem Druckkasten stellte Hermann Joseph Flade ungefähr 200 Flugblätter her. Die verstreute er nachts heimlich auf Straßen und Plätzen.
Zunächst ging alles gut, doch am Vorabend der Wahl überraschte ihn eine Streife der Volkspolizei. Hermann Joseph Flade wehrte sich: Er zog ein Taschenmesser, und verletzte einen der Polizisten leicht. Zwei Tage später wurde er festgenommen. Die Stasi brachte ihn ins MfS-Untersuchungsgefängnis Dresden und verhaftete auch seine Eltern und seine Großmutter. Die Geheimpolizei initiierte einen öffentlichen Schauprozess gegen ihn. Am 10. Januar 1951 verhängte das Gericht das drakonische Urteil: Todesstrafe für Hermann Joseph Flade.
Nach 1 1/2stündiger Beratung verkündete Oberrichter Hartlich das Urteil für Flade, welches auf Todesstrafe lautete und auf Lebenszeit die obligatorischen Sühnemaßnahmen.
In der Urteilsbegründung führte Oberrichter Hartlich aus, daß Flade in allen Punkten, die ihn die Anklage vorgeworfen hatte, für schuldig befunden wurde und bei derartigen Verbrechen nur die Todesstrafe angebracht sein kann.
[Unterschrift]
(Winter)
Kdr.
Protestbrief gegen das Todesurteil gegen Hermann Joseph Flade Dokument, 2 Seiten
Abschrift eines Radiointerviews mit den Eltern Hermann Joseph Flades Dokument, 2 Seiten
Aufhebung des Urteils gegen Paul Merker am 13. Juli 1956 Dokument, 3 Seiten
Vorschlag zur Durchführung eines Prozesses gegen den ehemaligen Grenzpolizisten Manfred Smolka Dokument, 3 Seiten