Signatur: BStU, MfS, AOP, Nr. 57/56, Bl. 18-20
Der Geheime Informator "Grünspan" informierte die Stasi ab Januar 1951 über Treffen zwischen Elli Barczatis und Karl Laurenz. Einer dieser Berichte enthält detaillierte Personenbeschreibungen und den Plan für eine weitere Beobachtung.
Elli Barczatis wurde Anfang der 50er Jahre vermutlich ohne ihr Wissen zur Informantin für die Organisation Gehlen, die Vorläuferin des Bundesnachrichtendienstes (BND). Der westdeutsche Geheimdienst nutzte sie als Quelle in Ost-Berlin, ohne sie offiziell in diese Tätigkeit einzuweihen. Von April 1950 bis Januar 1953 war Barczatis die Chefsekretärin des Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl. Kurz zuvor ging sie eine Liebesbeziehung mit dem Journalisten und Übersetzer Karl Laurenz ein, der nach seinem Bruch mit der SED und den daraus resultierenden beruflichen Schwierigkeiten 1952 begonnen hatte, für die Organisation Gehlen zu sppionieren. Unter dem Vorwand, Material für seine journalistische Arbeit zu sammeln, ließ er sich von Barczatis mit internen Informationen aus dem Büro des Ministerpräsidenten versorgen.
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde früh auf die beiden aufmerksam. Nachdem eine ehemalige Kollegin von Barczatis und Laurenz der Stasi Anfang Januar 1951 von einem Treffen der beiden berichtet hatte, intensivierte die Geheimpolizei ihre Ermittlungen. Die Kollegin arbeitete fortan als GI "Grünspan" für das MfS.
Ein Bericht der Abteilung III (Volkswirtschaft) vom 18. Januar 1951 fasst die Ergebnisse eines Treffens mit "Grünspan" zusammen. Neben ausführlichen Personenbeschreibungen von Barczatis, Laurenz und einer ehemaligen Kollegin der beiden enthält er auch zwei Beobachtungsberichte, darunter den ersten Bericht von Anfang Januar 1951. Aus dem Dokument geht hervor, dass eine weitere Beobachtung für den nächsten Tag angesetzt war. Über bestimmte Zeichen, wie die Position der Zeitung auf dem Tisch, sollte "Grünspan" den anwesenden MfS-Mitarbeitern signalisieren, wer sich in der Gaststätte aufhielt und ob Barczatis und Laurenz Dokumente austauschten. Wie eine nachträglich hinzugefügte Notiz zeigt, erschien am Tag der geplanten Beobachtung jedoch "keine der angegebenen Personen".
Berlin, den 18.01.1951
Bericht
Am 18.01.51 suichte ich den geheimen Mitarbeiter [handschriftliche Ergänzung: "Grünspan"] um 19:00 Uhr in der Wohnung auf. Die Wohnung liegt im 1. Stock und ist nur von dem geh. Mitarbeiter bewohnt.
Zweck der Besuche: Zusätzliche Angaben über die Angelegenheit Sylvester.
1. Zu [handschriftliche Ergänzung: Laurenz]:
[handschriftliche Markierung] [handschriftliche Ergänzung: L] hatte während seiner Dienstzeit im Ministerium, Hautpverwaltung Kohle gute Verbindung zu [anonymsiert], der damals [anonymsiert] war, und ihm jede Unterstützung mit Fahrzeugen gewährte- [anonymsiert] als Leiter der Abteilung, hat auch [handschriftliche Ergänzung: Sobottka] selbst als [anonymsiert] im Jahre 1949 ablässlich einer offiziellen Dienstfahrt nach dem Westen begleitet. Ausserdem ist es bekannt, dass [anonymsiert] mit L. zusammen verschiedene Einkäufe (Kraftwagenersatzteile) in Westberlin tätigte. [anonymsiert] ist jetzt im Ministerium für Schwerindustrie, [anonymsiert] L. ist sehr aalglatt, hat niemand besonders bevorzugt und hatte ausser zur [handschriftliche Ergänzung: Rettschlag] und [handschriftliche Ergänzung: Barczatis] kein anderes Verhältnis.
[anonymsierter Abschnitt]
[handschriftliche Ergänzung: Laurenz] kennt [handschriftliche Ergänzung: Grünspan] also sehr gut. [handschriftliche Ergänzung: L.] ist 1.80 m groß, korpulent, hat glattes Gesicht, dunkelblond, auffallend ist sein aufrechter Gang, seine grossen langsamen Schritte, trägt meistens einen grauen Mantel und grossen graue Schlapphut, Brillenträger, beobachtet alles sehr genau und hat eine eigenartige Stimme. Kurz vor dessen Entlassung aus dem Ministerium hat L. noch einen Führerschei gemacht.und sich sehr bemüht, die russische Sprache zu erlernen, vernachlässigte dabei seine Arbeit während der Dienstzeit. L. schreibt sehr gut Stenographie und Maschine. Es ist nicht bekannt, ob R. und L. sich noch treffen. [handschriftliche Markierung]
2. Zur Person [handschriftliche Ergänzung: Rettschlag]
Sie wohnt in einem Hause in Wiessenseee, das zum PKB gehört.
Das Haus wurde 1949 von den Freunden für Deutsche freigemacht. Sie wohnt allein. L. hat sie dort besucht. Der [anonymsiert] wohnt neben ihr und hat G. Mitteilung davon gemacht, dass L. offiziell bei ihr verkehrt.
Charaktereigenschaftn der [handschriftliche Ergänzung: R].
Sie ist hysterisch, wenn kein Verhältnis mit L. bestehen würde, würde sie sich einen anderen Mannsuchen. Sie könnte ihre Liebe zu L. in Hass umwandeln. Es ist aber der G. nicht bekannt, ob die beiden noch Verbindung haben.
R. ist 1,58 m groß, hat schwarzes Haar, trägt meistens Baskenmütze und einen auffällig farbigen Mantel. Sie ist ca. 48 Jahre alt. Auffällig ist, dass sie sich jetzt nicht mehr so sorgfältig wie früher kleidet.
Bei Frau [anonymsiert] war R. nie und hat auch keine persönliche Verbindung zu ihr.
b.w.
Operative Beobachtung
Die Beobachtung zählte zu den konspirativen Ermittlungsmethoden, die in der Regel von operativen Diensteinheiten in Auftrag gegeben und von hauptamtlichen Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt wurden. Dabei wurden sog. Zielpersonen (Beobachtungsobjekte genannt) über einen festgelegten Zeitraum beobachtet, um Hinweise über Aufenthaltsorte, Verbindungen, Arbeitsstellen, Lebensgewohnheiten und ggf. strafbare Handlungen herauszufinden. Informationen aus Beobachtungen flossen in Operative Personenkontrollen, Operative Vorgänge oder Sicherheitsüberprüfungen ein. Im westlichen Ausland wurden Beobachtungen meist von IM unter falscher Identität ausgeführt.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für die gewöhnlichen inoffiziellen Mitarbeiter, in den ersten Jahren auch nur Informatoren genannt. 1968 wurden die GI überwiegend zu IMS. GI dienten vor allem der allgemeinen Informationsbeschaffung. Sie wurden dabei auch zunehmend zur Sicherung von Institutionen, zur Feststellung der Bevölkerungsstimmung, zur Überprüfung verdächtiger Personen, zur Verhinderung von Republikfluchten oder auch bei Ermittlungen und Fahndungen eingesetzt.
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Signatur: BStU, MfS, AOP, Nr. 57/56, Bl. 18-20
Der Geheime Informator "Grünspan" informierte die Stasi ab Januar 1951 über Treffen zwischen Elli Barczatis und Karl Laurenz. Einer dieser Berichte enthält detaillierte Personenbeschreibungen und den Plan für eine weitere Beobachtung.
Elli Barczatis wurde Anfang der 50er Jahre vermutlich ohne ihr Wissen zur Informantin für die Organisation Gehlen, die Vorläuferin des Bundesnachrichtendienstes (BND). Der westdeutsche Geheimdienst nutzte sie als Quelle in Ost-Berlin, ohne sie offiziell in diese Tätigkeit einzuweihen. Von April 1950 bis Januar 1953 war Barczatis die Chefsekretärin des Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl. Kurz zuvor ging sie eine Liebesbeziehung mit dem Journalisten und Übersetzer Karl Laurenz ein, der nach seinem Bruch mit der SED und den daraus resultierenden beruflichen Schwierigkeiten 1952 begonnen hatte, für die Organisation Gehlen zu sppionieren. Unter dem Vorwand, Material für seine journalistische Arbeit zu sammeln, ließ er sich von Barczatis mit internen Informationen aus dem Büro des Ministerpräsidenten versorgen.
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde früh auf die beiden aufmerksam. Nachdem eine ehemalige Kollegin von Barczatis und Laurenz der Stasi Anfang Januar 1951 von einem Treffen der beiden berichtet hatte, intensivierte die Geheimpolizei ihre Ermittlungen. Die Kollegin arbeitete fortan als GI "Grünspan" für das MfS.
Ein Bericht der Abteilung III (Volkswirtschaft) vom 18. Januar 1951 fasst die Ergebnisse eines Treffens mit "Grünspan" zusammen. Neben ausführlichen Personenbeschreibungen von Barczatis, Laurenz und einer ehemaligen Kollegin der beiden enthält er auch zwei Beobachtungsberichte, darunter den ersten Bericht von Anfang Januar 1951. Aus dem Dokument geht hervor, dass eine weitere Beobachtung für den nächsten Tag angesetzt war. Über bestimmte Zeichen, wie die Position der Zeitung auf dem Tisch, sollte "Grünspan" den anwesenden MfS-Mitarbeitern signalisieren, wer sich in der Gaststätte aufhielt und ob Barczatis und Laurenz Dokumente austauschten. Wie eine nachträglich hinzugefügte Notiz zeigt, erschien am Tag der geplanten Beobachtung jedoch "keine der angegebenen Personen".
3. Zur Person [handschriftliche Ergänzung: Barczatis] :
Sie ist ca. 38 Jahre alt, ein ruhiger Mensch, hat die Stelle als Sektretärin bei [handschriftliche Ergänzung: Grotewohl] nicht selbst gesucht, sondern auf Vorschlag des Personalleiters [manuell rot unterstrichen: Nöske.] G. weiß das, da Nöske sie (die G.) zuerst gefragt hatte, ob sie die Stele annehmen würde. B. hatte also kein Interesse gehabt, zum Genossen [handschriftliche Ergänzung: Grotewohl] als Sektretärin zu gehen, im Gegenteil, sie war empört darüber, dass [handschriftliche Ergänzung: Sobottka] sie freigegeben hat. B. ist heute noch mit Frau [anonymisiert] befreundet, die Bekanntschaft kommtvon der gemeinsamen Arbeit in der HA.
Sie ist ca. 38 Jahre alt, ein ruhiger Mensch, hat die Stelle als Sektretärin bei [handschriftliche Ergänzung: Grotewohl] nicht selbst gesucht, sondern auf Vorschlag des Personalleiters [manuell rot unterstrichen: Nöske.] G. weiß das, da Nöske sie (die G.) zuerst gefragt hatte, ob sie die Stele annehmen würde. B. hatte also kein Interesse gehabt, zum Genossen [handschriftliche Ergänzung: Grotewohl] als Sektretärin zu gehen, im Gegenteil, sie war empört darüber, dass [handschriftliche Ergänzung: Sobottka] sie freigegeben hat. B. ist heute noch mit Frau [anonymisiert] befreundet, die Bekanntschaft kommtvon der gemeinsamen Arbeit in der HA.
B. ist oft in der Wohnung der [anonymisiert] in Oberschöneweide. Sie unterhält diese Freundschaft offensichtlich zu dem Zweck, sich dort mit [handschriftliche Ergänzung: Laurenz] in deren Wohnung zu treffen, da die B. zu Hause keine Gelegenheit hat (sie wohnt mit ihrer Mutter, SED, und ihrer Schwester Herta zusammen). Frau [anonymisiert] ist die einzige, die vom Verhältnis der B. und [handschriftliche Ergänzung: Laurenz] weiss. G. kennt [anonymisiert] von der Arbeitsstelle her und sie haben sich seinerzeit gegenseitig Ratschläge über die Scheidunhgg der G. ausgetauscht. (G. wurde Mitte 1949 geschieden). G. hat [anonymisiert] auch in der Wohnung besucht- (Letzter Besuch im Februar 1949).
B. wird von der G. als ein angenehmer Mensch geschildert, mit dunkelblondem Bubikopf, nicht modern gekleidet.
[anonymisierter Abschnitt]
4. Zur Person der Hertha [handschriftliche Ergänzung: Barczatis]
Hertha ist die Schwester der [handschriftliche Ergänzung: Barczatis]. Sie ist westlich eingestellt und zwar eng verbunden mit einer Gruppe Kohle-Fachleuten wie [anonymisiert] die sich vor längerer Zeit nach Westberlin abgesetzt haben. Hertha ist in der Registratur bei Abteilungsleiter [anonymisiert] im Ministerium für Schwerindustrie HVerwaltung [handschriftliche Ergänzung: Kohle] beschäftigt.
5. Treffen des [handschriftliche Ergänzung: L] mit [handschriftliche Ergänzung: R] im HO am 06.04.1950 Ecke Leipziger-Friedrichstr.
G. sass mit 2 Herren, die sie bei ihrem FDGB-Urlaub kennengelernt hat, deren Namen ihr heute nicht mehr bekannt sind, im HO. [handschriftliche Ergänzung: R] kam ins Restaurant, ging an ihr vorbei und grüsste sie und setzte sich an einen NAchbartisch. Kurze Zeit darauf kam [handschriftliche Ergänzung: L.] . Er ging an den Tisch der [handschriftliche Ergänzung: R] bezahlt hatte. Beide gingen dann fort. Das Lokal war wenig besucht, es war gegen 17:30 Uhr. Es war offensichtlich, dass [handschriftliche Ergänzung: R] auf [handschriftliche Ergänzung: L] gewartet hat.
6. Treffen am 30.12.1950 im HO. Ecke Friedrich-Leipzigerstr.
G. sass mit einem persönlichen Bekannten (nicht aus dem Ministerium) im HO. Nach kurzer Zeit fiel ihr ein Mann auf, der sich nach allen Seiten umsah, jedoch sie nicht bemerkte. G. erkannte, dass es der [handschriftliche Ergänzung: L] war. Kurze Zeit darauf stand der [handschriftliche Ergänzung: L] auf und ging in den Gang. G. bemerkte, dass auch [handschriftliche Ergänzung: B.] mit einer ihr unbekannten Dame an einem anderen Tisch sass. Die beiden sassen am Tisch, als ob sie nciht zueinander gehörten. G. bemerkte, dass die [handschriftliche Ergänzung: B] vom Stuhl eine größere Anzahl
Operative Beobachtung
Die Beobachtung zählte zu den konspirativen Ermittlungsmethoden, die in der Regel von operativen Diensteinheiten in Auftrag gegeben und von hauptamtlichen Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt wurden. Dabei wurden sog. Zielpersonen (Beobachtungsobjekte genannt) über einen festgelegten Zeitraum beobachtet, um Hinweise über Aufenthaltsorte, Verbindungen, Arbeitsstellen, Lebensgewohnheiten und ggf. strafbare Handlungen herauszufinden. Informationen aus Beobachtungen flossen in Operative Personenkontrollen, Operative Vorgänge oder Sicherheitsüberprüfungen ein. Im westlichen Ausland wurden Beobachtungen meist von IM unter falscher Identität ausgeführt.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für die gewöhnlichen inoffiziellen Mitarbeiter, in den ersten Jahren auch nur Informatoren genannt. 1968 wurden die GI überwiegend zu IMS. GI dienten vor allem der allgemeinen Informationsbeschaffung. Sie wurden dabei auch zunehmend zur Sicherung von Institutionen, zur Feststellung der Bevölkerungsstimmung, zur Überprüfung verdächtiger Personen, zur Verhinderung von Republikfluchten oder auch bei Ermittlungen und Fahndungen eingesetzt.
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Erster Bericht über ein Treffen von Elli Barczatis und Karl Laurenz Dokument, 1 Seite
Beschluss über das Anlegen des Gruppenvorgangs "Sylvester" Dokument, 2 Seiten
Vermerk zur sofortigen Beschaffung der Akte von Elli Barczatis Dokument, 1 Seite
Bericht über die Weiterbeschäftigung von Elli Barczatis beim Ministerpräsidenten der DDR Dokument, 1 Seite